Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 141



Urteilskopf

134 III 141

25. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
AG (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_42/2007 / 5A_432/2007 vom 25. Januar 2008

Regeste

Art. 75 und 130 BGG; Beschwerde gegen zürcherische Rechtsöffnungsentscheide.
Der Kanton Zürich hat im genannten Bereich die nach Art. 75 Abs. 2 und Art. 111
Abs. 3 BGG erforderlichen Anpassungen noch nicht vorgenommen. Das Obergericht
tritt jedoch während der Übergangsfrist von Art. 130 Abs. 2 BGG auf kantonale
Nichtigkeitsklagen ein, weshalb dieses Rechtsmittel auszuschöpfen ist. Soweit
das Obergericht Rügen mit engerer Kognition als das Bundesgericht prüft, ist
der erstinstanzliche Entscheid in der Beschwerde in Zivilsachen mitanzufechten
(E. 2).

Sachverhalt ab Seite 142

BGE 134 III 141 S. 142
Die Z. Inc. war eine Offshore-Gesellschaft mit Sitz auf den British Virgin
Islands, deren wirtschaftlich Berechtigter X. war.
Im November 1999 eröffnete die Z. Konten bei der Y. AG. Im Dezember 1999
lieferte die Z. beträchtliche Wertpapierbestände bei der Y. ein und bezog bei
dieser bis Mitte 2000 in mehreren Etappen Kredite in Millionenhöhe. Die Kredite
wurden zum Teil in CHF und zum Teil in USD gewährt.
Infolge sinkender Aktienkurse verringerten sich die Wertpapierguthaben, womit
sich die Deckung der Kredite stetig verschlechterte. Gemäss Depotauszug bestand
per 29. November 2000 eine Unterdeckung von Fr. 406'819.-. Deshalb
unterzeichnete X. an diesem Tag eine Erklärung folgenden Inhalts:
- Solidarschuldnerschaft mit Z. Inc. gegenüber der Y. AG
- Sehr geehrte Damen und Herren
- Ich, X., erkläre mich solidarisch mit den Verbindlichkeiten der Z. Inc.
(Kto.-Nr. x) gegenüber der Y. AG und hafte solidarisch für deren Ausstände
ausdrücklich bis zu einem Höchstbetrag von USD 1 Mio. (in Worten: US-Dollar
eine Million).
- Die Solidarschuldnerschaft erlischt, sobald keine Verbindlichkeiten der Z.
Inc. gegenüber der Bank mehr bestehen.
- Ort, Datum: Unterschrift:
- Zürich, 29/11/00 X."
-
In der Folgezeit wuchs die Unterdeckung immer weiter an. Per 29. April 2002
betrug sie Fr. 16'567'705.-, per 12. Oktober 2004 Fr. 21'119'109.98.
Mit Zahlungsbefehl Nr. y des Betreibungsamtes B. leitete die Y. gegen X. für
einen Betrag von Fr. 1'200'000.- nebst Zinsen und Kosten die Betreibung ein. Am
23. Mai 2006 verlangte sie die provisorische Rechtsöffnung, welche das
Bezirksgericht Horgen am 16. Januar 2007 erteilte.
Gegen diesen Rechtsöffnungsentscheid erhob X. sowohl Beschwerde in Zivilsachen
ans Bundesgericht (Verfahren 5A_42/2007) als auch Nichtigkeitsbeschwerde an das
Obergericht des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 5. Juli 2007 wies dieses die
Nichtigkeitsbeschwerde ab. Dagegen hat X. wiederum Beschwerde in Zivilsachen
erhoben (Verfahren 5A_432/2007).

Auszug aus den Erwägungen:

Aus
BGE 134 III 141 S. 143
den Erwägungen:

2. Rechtsöffnungsentscheide sind Endentscheide im Sinn von Art. 90 BGG (BGE 133
III 399 E. 1.4 S. 400) und unterliegen grundsätzlich der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Sie stellen im Übrigen keine
vorsorglichen Massnahmen dar, weshalb alle Rügen gemäss Art. 95 und 96 BGG
zulässig sind (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400). Der notwendige Streitwert von
Fr. 30'000.- ist erreicht (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG).
Näherer Prüfung bedarf die Frage der Letztinstanzlichkeit (Art. 75 Abs. 1 BGG).
Nach dem seit 1. Januar 2007 anwendbaren BGG haben die Kantone zwei Instanzen
vorzusehen, denen mindestens die gleiche Kognition wie dem Bundesgericht
zukommen muss (Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 3 BGG); zur notwendigen
Anpassung steht ihnen eine Übergangsfrist zu (Art. 130 Abs. 2 BGG). Der Kanton
Zürich hat die nötigen Anpassungen noch nicht vorgenommen; gemäss dem
einschlägigen kantonalen Recht steht gegen Rechtsöffnungsentscheide nur die
Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht offen, bei welcher lediglich
Kassationsgründe im Sinn von § 281 ZPO/ZH geltend gemacht werden können. Dazu
kommt, dass die Nichtigkeitsbeschwerde nach dem Wortlaut von § 285 Abs. 1 und 2
ZPO/ZH dort an sich ausgeschlossen ist, wo der Weiterzug an das Bundesgericht
möglich ist und dieses die vorgebrachten Mängel frei überprüfen kann; dies
trifft nach den vorstehenden Ausführungen insbesondere für Rechtsfragen zu
(Art. 95 lit. a i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG).
Nun hat das Obergericht zutreffend erwogen, dass die kantonale
Zuständigkeitsordnung auf das frühere Verfahrensrecht des OG abgestimmt sei und
insbesondere § 285 ZPO/ZH dem per 1. Januar 2007 in Kraft getretenen BGG
widerspreche, welches das Prinzip der "double instance" enthalte. § 285 ZPO/ZH
könne vor diesem Hintergrund nicht (mehr) anwendbar sein, umso weniger als
sonst bei Streitwerten unter Fr. 30'000.- zwei, bei höheren aber nur eine
kantonale Instanz gegeben wäre, was nicht sein könne. Das Obergericht hat
deshalb festgehalten, dass es - wie bisher - auf sämtliche
Nichtigkeitsbeschwerden gegen erstinstanzliche Rechtsöffnungsentscheide
eintrete, wobei es freilich nur Kassationsgründe im Sinn von § 281 ZPO/ ZH
prüfe.
BGE 134 III 141 S. 144
Fungiert aber das obere kantonale Gericht (Obergericht) als Rechtsmittelinstanz
im Sinn von Art. 75 Abs. 2 BGG, so muss es angerufen werden, weil die
Beschwerde in Zivilsachen nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen
zulässig ist (Art. 75 Abs. 1 BGG). Daraus folgt einerseits, dass auf direkt
gegen erstinstanzliche Rechtsöffnungsentscheide des Kantons Zürich eingereichte
Beschwerden, auch wenn der Streitwert Fr. 30'000.- und mehr beträgt, mangels
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht eingetreten werden kann.
Andererseits muss der erstinstanzliche Entscheid mit Bezug auf Rügen, welche
das Obergericht nicht oder mit engerer Kognition als das Bundesgericht geprüft
hat, mitangefochten werden (sog. Dorénaz-Praxis, begründet in BGE 94 I 459,
eingeschränkt in BGE 111 Ia 353 E. 1b S. 354, letztmals bestätigt in BGE 126 II
377 E. 8b S. 395; vgl. sodann BGE 133 III 687 E. 1.3 S. 690). Im Bereich der
Mitanfechtung bildet nicht der zweit-, sondern der erstinstanzliche Entscheid
das Anfechtungsobjekt, was in den Rechtsbegehren und in der
Beschwerdebegründung zu berücksichtigen ist.
Die gegen den obergerichtlichen Entscheid erhobene Beschwerde entspricht diesen
Anforderungen, und die sich insbesondere gegen den mitangefochtenen
erstinstanzlichen Entscheid richtenden materiellrechtlichen Rügen sind im
Folgenden umfassend zu prüfen (Art. 95 und 106 Abs. 1 BGG).