Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 133



Urteilskopf

134 III 133

23. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
und Betreibungsamt B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_325/2007 vom 11. Dezember 2007

Regeste

Verwertung des Liquidationsanteils des Schuldners an einer einfachen
Gesellschaft; Anordnung der Auflösung und Liquidation der einfachen
Gesellschaft durch die kantonale Aufsichtsbehörde; Erfordernis der Kündigung
des Gesellschaftsvertrages gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft (Art.
10 Abs. 2 VVAG; Art. 545 Abs. 1 Ziff. 3 OR). Ordnet die kantonale
Aufsichtsbehörde die Auflösung der einfachen Gesellschaft samt Verwertung ihres
Vermögens an, tritt die Gesellschaft in das Liquidationsstadium. Es bedarf
keiner zusätzlichen Kündigung des Gesellschaftsvertrages gegenüber allen
Mitgliedern (Präzisierung der Rechtsprechung BGE 52 III 4 ff.; E. 1.5 und 1.6).

Sachverhalt ab Seite 134

E. und X. bilden eine einfache Gesellschaft und sind in dieser Eigenschaft
Gesamteigentümer von mehreren Liegenschaften. Das Betreibungsamt B. pfändete in
mehreren Betreibungsverfahren den Liquidationsanteil von E. an der einfachen
Gesellschaft. Nach Eingang der Verwertungsbegehren führte es die
Einigungsverhandlungen gemäss Art. 9 der Verordnung des Bundesgerichts vom 17.
Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an
Gemeinschaftsvermögen (VVAG; SR 281.41) durch, welche ergebnislos verliefen.
In
BGE 134 III 133 S. 134
der Folge ordnete die kantonale Aufsichtsbehörde die Auflösung und Liquidation
der einfachen Gesellschaft an. Daraufhin stellte das Betreibungsamt in einer
Verfügung fest, dass die einfache Gesellschaft mit Entscheid der
Aufsichtsbehörde gekündigt worden sei und per 6. August 2007 aufgelöst werde.
In Gutheissung einer Beschwerde des Gläubigers Y. hob die kantonale
Aufsichtsbehörde die Verfügung des Betreibungsamtes auf und wies dieses an, das
Vermögen der einfachen Gesellschaft festzustellen und zu verwerten.
X. (Beschwerdeführerin) ist mit Beschwerde an das Bundesgericht gelangt. Sie
beantragt die Aufhebung des aufsichtsrechtlichen Entscheides und die
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Zudem sei festzustellen, dass die
Auflösung der einfachen Gesellschaft durch förmliche, den gesetzlichen
Anforderungen entsprechende Kündigung zu erfolgen habe, und das Betreibungsamt
entsprechend anzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1.

1.5 Die Aufsichtsbehörde entscheidet, ob das gepfändete Anteilsrecht
versteigert wird oder ob die Auflösung der Gemeinschaft samt Verwertung ihres
Vermögens vorzunehmen ist (Art. 10 Abs. 2 VVAG). Sie legt damit die Art der vom
Betreibungsamt vorzunehmenden Verwertung verbindlich fest. Hält sie im
konkreten Fall die Auflösung der Gemeinschaft für angebracht, so ordnet sie
diese an. Es liegt ein Anwendungsfall von Art. 545 Abs. 1 Ziff. 3 OR vor
(RAYMOND L. BISANG, Die Zwangsverwertung von Anteilen an Gesamthandschaften,
Diss. Zürich 1978, S. 185/186). Durch den Auflösungsentscheid der
Aufsichtsbehörde tritt die Gemeinschaft ins Stadium der Liquidation, womit kein
Platz für eine förmliche Kündigung mehr bleibt. Das Betreibungsamt hat
lediglich die erforderlichen rechtlichen Vorkehren für die Verwertung zu
treffen und übt dabei alle dem betriebenen Schuldner zustehenden Rechte aus
(Art. 12 VVAG).

1.6 Zwar hielt das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 2. Februar 1926 eine
den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Kündigung des
Gesellschaftsvertrages gegenüber allen Mitgliedern für notwendig (BGE 52 III 4
ff.). Diese Auffassung wird von einem Teil der Lehre weiterhin vertreten
(Staehelin, Basler Kommentar, N. 14 zu
BGE 134 III 133 S. 135
Art. 545/546 OR; RUTZ, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, N. 35 zu Art. 132 SchKG; dieselbe, in: BlSchK 1975 S. 137). Die
bundesgerichtliche Rechtsprechung ist aber auch wiederholt kritisiert worden.
Dabei wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Auflösung der einfachen
Gesellschaft nach Art. 545 Abs. 1 Ziff. 3 OR eintritt, wenn der Anteil eines
Mitgliedes zur Zwangsverwertung gelangt (Gilliéron, Commentaire de la loi
fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 39 zu Art. 132 SchKG;
BISANG, a.a.O., S. 185). Hinzu kommt die in Art. 10 und 13 VVAG festgelegte
Aufgabenteilung zwischen Aufsichtsbehörde und Betreibungsamt. Aufgrund ihrer
Kompetenz, über die Verwertungsart des gepfändeten Anteils zu entscheiden, kann
die Aufsichtsbehörde die Gemeinschaft auflösen und das Betreibungsamt die
Liquidation des Vermögens vornehmen lassen. Nimmt die Aufsichtsbehörde ihre
Kompetenz wahr, so bedarf es keiner zusätzlichen Kündigung mehr. Insoweit ist
die bisherige Rechtsprechung zu präzisieren.