Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 V 645



Urteilskopf

133 V 645

  84. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. K. und
S. gegen IV-Stelle des Kantons Thurgau sowie AHV/IV-Rekurskommission des
Kantons Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
  9C_352/2007 vom 6. November 2007

Regeste

  Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 11 VwVG in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1
ATSG, Art. 61 lit. f und g ATSG.

  Nichteintreten auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gegen einen (materiell nicht angefochtenen)
Rückweisungsentscheid, mit welcher die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das Einspracheverfahren sowie die Festsetzung der
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren und damit zusammenhängend
der Entschädigung für die unentgeltliche Verbeiständung als
bundesrechtswidrig gerügt werden (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 645

  A.- Die 1973 geborene K. meldete sich im Januar 2004 bei der
Invalidenversicherung und ersuchte um eine Rente. Die IV-Stelle des Kantons
Thurgau (nachfolgend: IV-Stelle) klärte die gesundheitlichen und
erwerblichen Verhältnisse ab. Mit Verfügung vom 9. März 2006 lehnte sie das
Leistungsbegehren mangels anspruchsbegründender Invalidität ab. Daran hielt
sie mit Einspracheentscheid vom 22. November 2006 fest. Mit Verfügung vom
23. November 2006 verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf unentgeltliche
Verbeiständung für das Einspracheverfahren.

  B.- K. liess durch Rechtsanwalt S. bei der AHV/IV-Rekurskommission des
Kantons Thurgau Beschwerde erheben und beantragen, der Einspracheentscheid
vom 22. November 2006 und die Verfügung vom 23. November 2006 seien
aufzuheben und es sei ihr ab 1. Januar 2001 eine ganze Invalidenrente
zuzusprechen und die unentgeltliche Verbeiständung für das
Einspracheverfahren zu gewähren.

  Nach Vernehmlassung der IV-Stelle, Bewilligung der unentgeltlichen
Verbeiständung für das kantonale Verfahren und nach Durchführung eines
zweiten Schriftenwechsels hiess die Rekurskommission die Beschwerde
teilweise gut. Sie wies die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheides
vom 22. November 2006 zur Ergänzung der Akten und anschliessender
Neuverfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück
(Dispositiv-Ziffer 1) und sprach K. resp. ihrem Rechtsvertreter eine
Parteientschädigung von Fr. 750.- und eine Entschädigung zu Lasten des
Staates von Fr. 600.- zu (Dispositiv-Ziffer 2; Entscheid vom 14. Mai 2007).

  C.- Rechtsanwalt S. führt im Namen und im Auftrag von K. sowie in eigenem
Namen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
Rechtsbegehren, der Entscheid vom 14. Mai 2007 sei insofern aufzuheben, als
die unentgeltliche Verbeiständung für das Einspracheverfahren verweigert und
für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren nicht eine Parteientschädigung
für volles Obsiegen in der Höhe der belegten Aufwendungen samt Auslagen von
Fr. 2'245.45 zugesprochen werde; im Weitern sei die unentgeltliche
Verbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht zu bewilligen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen Vor-
oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 des Bundesgesetzes vom 17. Juni
2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110; BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481).
Die Beschwerde ist somit zulässig, wenn er - alternativ - einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Der zweite Tatbestand

spielt hier keine Rolle. Ein Urteil des Bundesgerichts über den Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege für das Einspracheverfahren sowie die Höhe der
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren und damit zusammenhängend
der Entschädigung für die unentgeltliche Verbeiständung führte nicht sofort
zu einem Endentscheid in der Sache.

Erwägung 2

  2.

  2.1  Ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder
gutzumachender Nachteil ist rechtlicher Natur und auch mit einem für die
Beschwerde führende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht
vollständig behebbar (Urteile 4A_85/2007 vom 11. Juni 2007, E. 3.1, und
4A_92/2007 vom 8. Juni 2007, E. 2 mit Hinweis auf die im Zusammenhang
anwendbare Rechtsprechung zu Art. 87 Abs. 2 aOG gemäss BGE 126 I 97 E. 1b S.
100). Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu ergänzender oder
weiterer Abklärung und neuer Entscheidung bewirkt in der Regel keinen im
Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachenden Nachteil
(BGE 133 V 477 E. 5.2.1 und 5.2.2 S. 483 sowie Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 126/07 vom 6. August 2007, E. 1.2).

  Die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen in einem
Rückweisungsentscheid stellt ebenfalls einen Vor- oder Zwischenentscheid im
Sinne von Art. 93 BGG dar. Auch insofern ist der nicht wieder gutzumachende
Nachteil zu verneinen, da über die Verteilung der Gerichts- und Parteikosten
nicht befunden werden kann, ohne vorfrageweise die Begründetheit der
Rückweisung zu prüfen, was unzulässig ist (BGE 122 I 39 E. 1a/aa S. 41 mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 131 III 404 E. 3.3 S. 407).

  2.2  Im Lichte dieser Grundsätze ist die Beschwerde unzulässig, soweit die
Höhe der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren beanstandet und
gerügt wird, der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid hätte kostenmässig
als vollständiges und nicht nur teilweises Obsiegen behandelt werden müssen.
Von dieser Frage wiederum hängt die Höhe einer allfälligen Entschädigung für
die unentgeltliche Verbeiständung ab. Auf die diesbezüglichen Rügen in der
Beschwerde kann daher ebenfalls nicht eingetreten werden. Daran ändert
nichts, dass das Honorar für die unentgeltliche Verbeiständung dem
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin persönlich zusteht (BGE 110 V 360 E.
2 S. 363; vgl. auch BGE 122 I 322

E. 3b S. 325). Schliesslich ist ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
nicht wieder gutzumachender Nachteil auch in Bezug auf die verweigerte
unentgeltliche Verbeiständung für das Einspracheverfahren zu verneinen.
Dieses Verfahren ist bereits abgeschlossen und der Rechtsvertreter hat seine
Arbeit bereits getan.

  Es droht somit nicht die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin durch die
Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung ihre Rechte nicht wahrnehmen
kann, sondern es geht nur noch um die nachträglich zu beantwortende Frage,
von wem der Rechtsanwalt honoriert wird. Das im Rückweisungsurteil
Entschiedene wird mit Bezug auf die verweigerte unentgeltliche Rechtspflege
für das Einspracheverfahren sowie die Höhe der Parteientschädigung und damit
zusammenhängend des Honorars für die unentgeltliche Verbeiständung im
vorinstanzlichen Verfahren durch Beschwerde gegen den Endentscheid
anfechtbar sein (Art. 93 Abs. 3 BGG). Gelangt der Streit nicht mehr vor das
kantonale Gericht, beispielsweise wenn die IV-Stelle auf Grund der
Ergebnisse der weiteren Abklärungen voll zu Gunsten der Versicherten
entscheidet, kann gegen deren Verfügung oder Einspracheentscheid direkt
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht
erhoben und können die betreffenden Punkte gerügt werden (vgl. BGE 122 I 39
E. 1a/bb S. 42 f. mit Hinweis).

  2.3  Die Beschwerde ist somit unzulässig und darauf ist nicht einzutreten.