Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 V 640



Urteilskopf

133 V 640

  82. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Amt für
Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich gegen F. sowie
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
  8C_31/2007 vom 25. September 2007

Regeste

  Art. 66 Abs. 4 BGG; Gerichtskosten; Kostenbefreiung.

  Die Kantone und die mit Vollzug betrauten kantonalen Durchführungsorgane
im Sinne von Art. 76 Abs. 1 lit. c AVIG fallen unter die Befreiung von
Gerichtskosten im Rahmen von Art. 66 Abs. 4 BGG (E. 4).

Auszug aus den Erwägungen: ab Seite 640

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

  4.

  4.1  Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 62 des Bundesgesetzes vom 17.
Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]). Rechtsprechungsgemäss
ist die amtliche Mitwirkung von Behörden an bundesgerichtlichen Verfahren
grundsätzlich kostenfrei, folgerichtig haben solche Behörden bei Obsiegen
auch keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Die
Kostenbefreiung gilt jedoch nur, wenn kumulativ im amtlichen Wirkungskreis
und nicht im eigenen Vermögensinteresse gehandelt wird (Art. 66 Abs. 4 BGG;
SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 51 zu
Art. 66 BGG).

  4.2  Bereits unter dem alten Recht durften gemäss Art. 156 Abs. 2 des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG; BS 3 S. 531) "dem Bund, Kantonen oder Gemeinden, die
in ihrem amtlichen Wirkungskreis und ohne dass es sich um ihr
Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen, oder gegen
deren Verfügungen in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt wird", in
der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden. Dieser Text findet sich
bereits als

Art. 156 Abs. 2 in der Botschaft zum OG vom 9. Februar 1943 (BBl 1943 I 97,
S. 208). Er wurde mit geringen sprachlichen Änderungen aus Art. 221 Abs. 4
des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März
1893 übernommen (BBl 1893 I 1107, S. 1165). Die Gerichtspraxis befreite im
Bereich der Arbeitslosenversicherung die kantonalen Amtsstellen von
Gerichtskosten (ARV 1998 Nr. 41 S. 234, E. 5, S. 240, C 257/97; Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts C 49/04 vom 2. August 2004).

  4.3  Die Grundsätze der Kostentragungspflicht vor Bundesgericht (Art. 66
BGG) sind weitgehend vom bisherigen Recht übernommen worden (Botschaft zum
BGG vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4202, 4305). Kostenpflichtig ist
grundsätzlich die unterliegende (Abs. 1) oder die unnötige Kosten
verursachende (Abs. 3) Partei. Diese Regelung kennt ausdrücklich erwähnte
Ausnahmen: Von den Gerichtskosten befreit sind der Bund, die Kantone und die
Gemeinden sowie - neu - die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten
Organisationen, sofern sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis handeln und es
nicht um ihr Vermögensinteresse geht (Abs. 4). Das Bundesgericht kann die
Gerichtskosten anders verteilen oder auf die Kostenerhebung verzichten, wenn
es die Umstände rechtfertigen (Abs. 1 zweiter Satz). Das Bundesgericht kann
auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichten, wenn ein
Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt wird (Abs. 2). Aus dem
Vergleich des Wortlauts von Art. 156 Abs. 2 OG und Art. 66 Abs. 4 BGG wird
deutlich, dass die bisher für Bund, Kantone und Gemeinden geltende
Kostenbefreiung auf die Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben
erweitert werden sollte. Dieser Begriff fand sich bereits bisher in Art. 159
Abs. 2 OG, so dass die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung
übernommen werden kann (vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 46 zu
Art. 66 BGG).

  4.4  Es steht ausser Frage, dass das Beschwerde führende Amt für
Wirtschaft und Arbeit (AWA) das Bundesgericht in seinem amtlichen
Wirkungskreis (Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen ungenügenden
persönlichen Arbeitsbemühungen, Art. 30 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 AVIG)
angerufen hat.

  4.5  Es stellt sich die Frage, ob das AWA in Leistungsstreitigkeiten der
Arbeitslosenversicherung im eigenen Vermögensinteresse handelt. Die Kantone
und die mit dem Vollzug betrauten kantonalen

Durchführungsorgane (Art. 76 Abs. 1 lit. c AVIG) richten keine Leistungen
aus, da hierfür die Kassen zuständig sind (Art. 81 Abs. 1 lit. c AVIG).
Sodann hat das AWA kein Vermögensinteresse daran, ob das Bundesgericht die
verfügte Leistungseinstellung bestätigt oder nicht (Art. 85 Abs. 1 lit. g
AVIG). Es sind daher der Beschwerdeführerin keine Gerichtskosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG), was auch der bisherigen Rechtsprechung
zum OG entspricht (vgl. E. 4.2).