Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 V 314



Urteilskopf

133 V 314

  42. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. B.
gegen PUBLICA, Pensionskasse des Bundes sowie Verwaltungsgericht des
Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  B 85/06 vom 6. Juni 2007

Regeste

  Art. 49 BVG; Art. 39 Abs. 3 PKBV 1: Lebenspartnerrente.

  Die verordnungsmässige Pflicht, die Lebenspartnerschaft der Publica in
Form eines Unterstützungsvertrages zu melden, kann nicht als blosse
Beweisvorschrift mit Ordnungscharakter verstanden werden, sondern stellt
eine Voraussetzung des Anspruchs auf Lebenspartnerrente mit konstitutiver
Wirkung dar (E. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Die Zuständigkeit des kantonalen Verwaltungsgerichts in zeitlicher,
sachlicher und örtlicher Hinsicht und letztinstanzlich des Bundesgerichts
(bis 31. Dezember 2006: Eidgenössisches Versicherungsgericht) zum Entscheid
über den streitigen Anspruch auf eine Lebenspartnerrente nach Art. 39 der
Verordnung vom 25. April 2001 über die Versicherung im Kernplan der
Pensionskasse des Bundes (PKBV 1; SR 172.222.034.1) in der seit 1. Juni 2003
geltenden Fassung ist gegeben (Art. 65 PKBV 1 und Art. 73 BVG; BGE 130 V 103
E. 1.1 S. 104, 112 E. 3.1.2 S. 112).

Erwägung 3

  3.

  3.1  Der vom Bundesrat gestützt auf Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c des
Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Pensionskasse des Bundes
(PKB-Gesetz; SR 172.222.0) in der hier anwendbaren Fassung gemäss Verordnung
vom 14. Mai 2003 (AS 2003 S. 1290) erlassene Art. 39 PKBV 1 lautet wie
folgt:

   "1 Eine Lebenspartnerschaft im Sinne dieser Bestimmung ist eine
    eheähnliche Lebensgemeinschaft von Personen - auch gleichen Geschlechts
    - die miteinander nicht verwandt sind. Im Todesfall der versicherten
    Person begründet diese Lebenspartnerschaft Anspruch auf
    Lebenspartnerrente für den überlebenden Lebenspartner oder die
    überlebende Lebenspartnerin, wenn:

    a. er oder sie mit der versicherten Person nachweisbar ununterbrochen
       mindestens während den letzten fünf Jahren bis zum Tod in einem
       gemeinsamen Haushalt gelebt hat;

    b. er oder sie von der versicherten Person mindestens während den
       letzten fünf Jahren bis zum Zeitpunkt des Todes massgeblich
       unterstützt worden ist;

    c. kein Anspruch auf eine Ehegattenrente im Sinne von Artikel 37 Absatz
       1 oder eine Rente für den geschiedenen Ehegatten nach Artikel 37
       Absatz 5 besteht; und

    d. keiner der beiden Lebenspartner im Zeitpunkt des Ereignisses
       verheiratet war.

    2 Eine massgebliche Unterstützung nach Absatz 1 Buchstabe b liegt vor,
    wenn die verstorbene versicherte Person mindestens die Hälfte der Kosten
    des gemeinsamen Haushalts getragen hat.

    3 Die Lebenspartnerschaft muss PUBLICA in Form eines
    Unterstützungsvertrages der Pensionskasse schriftlich gemeldet worden
    sein. Dieser Unterstützungsvertrag ist PUBLICA zu Lebzeiten der beiden
    Lebenspartner von beiden unterzeichnet zuzustellen.

    4 Der Anspruch auf eine Lebenspartnerrente ist bis spätestens drei
    Monate nach dem Tod der versicherten Person geltend zu machen.

    5 (...)

    6 Dauer und Höhe der Lebenspartnerrente richten sich nach den
    Bestimmungen über die Ehegattenrente [Art. 37 f.]."

  Zu den versicherten Personen im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Ingress PKBV 1
gehören auch die von der Publica eine Invalidenrente beziehenden Personen
(Art. 39 Abs. 6 PKBV 1 in Verbindung mit Art. 37 Abs. 3 und Art. 38 Abs. 1
lit. b PKBV 1).

  Der inhaltlich gleich wie Art. 39 PKBV 1 lautende Art. 34 der Verordnung
vom 25. April 2001 über die Versicherung im Ergänzungsplan der Pensionskasse
des Bundes (PKBV 2; SR 172.222.034.2) in der seit 1. Juni 2003 geltenden
Fassung ist vorliegend nicht anwendbar.

  3.2  Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin und
ihr seit 1. Juli 1996 bis zu seinem Ableben am 2. August 2003 von der
Publica eine Invalidenrente beziehende Lebenspartner keinen
Unterstützungsvertrag im Sinne von Abs. 3 dieser Bestimmung eingereicht
hatten. Hingegen gehen die Auffassungen darüber auseinander, welche
Rechtsfolgen an dieses Verhalten zu knüpfen sind. Es geht um die Frage, ob
Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 eine blosse Ordnungs- und Beweisvorschrift darstellt,
deren Missachtung keinen Nachteil im Sinne eines Rechtsverlustes zur Folge
hat (Beschwerdeführerin), oder ob diese Bestimmung konstitutiven Charakter
im Sinne einer Anspruchsvoraussetzung hat (Publica und Vorinstanz).

Erwägung 4

  4.

  4.1  Da es sich bei der Publica um eine Vorsorgeeinrichtung des
öffentlichen Rechts handelt, hat die Interpretation von Art. 39 Abs. 3 PKBV
1 nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu erfolgen (BGE 128 V 116 E. 3b S.
118; 116 V 218 E. 2 S. 221 mit Hinweisen). Demnach ist in erster Linie der
Wortlaut massgebend. Lässt dieser verschiedene Deutungen zu, muss nach
seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller
Auslegungselemente, namentlich des Zweckes, des - auch kontextbezogen zu
ermittelnden - Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung (BGE 129
V 102 E. 3.2 S. 103 mit Hinweisen; 129 II 114 E. 3.1 S. 118).

  In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht, die Auslegung von
Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 habe nach den selben Grundsätzen zu erfolgen wie die
Interpretation von statutarischen und reglementarischen

Vorschriften privatrechtlicher Vorsorgeeinrichtungen, somit nach dem
Vertrauensprinzip unter Berücksichtigung der Unklarheits- und
Ungewöhnlichkeitsregeln (vgl. BGE 131 V 27 E. 2.1 und 2.2 S. 28 f.; 116 V
218 E. 2 S. 221 mit Hinweisen). Die Anwendung der Regeln der
Gesetzesauslegung bedeute eine Schlechterstellung des verstorbenen
Lebenspartners der Beschwerdeführerin gegenüber Versicherten von
Vorsorgeeinrichtungen mit privatrechtlichem Träger. Eine am
Vertrauensprinzip orientierte Interpretation von Art. 39 Abs. 3 PKBV 1
ergebe, dass diese "völlig unklare Bestimmung eben zu Gunsten der eine
Lebenspartnerrente beanspruchenden Person auszulegen ist". Auf diese
Vorbringen braucht nicht näher eingegangen zu werden. Selbst eine Auslegung
nach dem Vertrauensprinzip änderte nichts am Ergebnis. Insbesondere besteht
in Bezug auf den Wortlaut des Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 keine Unklarheit, und
zwar, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, auch nicht im
systematischen Kontext, welchem Auslegungselement bei Verträgen gerade nicht
die gleiche Bedeutung zukommt wie bei Gesetzen.

  4.2
  4.2.1  Der Wortlaut von Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 ist klar. Danach muss die
Lebenspartnerschaft der Publica in Form eines Unterstützungsvertrages der
Pensionskasse schriftlich gemeldet werden. Der Vertrag ist Publica zu
Lebzeiten der beiden Lebenspartner von beiden unterzeichnet zuzustellen. Der
klare und eindeutige Verordnungswortlaut spricht nach zutreffender
Auffassung der Vorinstanz dafür, dass es sich beim Erfordernis der
schriftlichen Meldung der Lebenspartnerschaft in Form eines unterzeichneten
Unterstützungsvertrages zu Lebzeiten beider Lebenspartner um eine
Anspruchsvoraussetzung mit konstitutiver Wirkung und nicht um eine blosse
Beweisvorschrift mit Ordnungscharakter handelt.

  4.2.2  Unter gesetzessystematischem Blickwinkel vermittelt Art. 39 PKBV 1
bei erster Betrachtung kein ganz klares Bild. Der Ingress von Abs. 1
bestimmt, dass die Lebenspartnerschaft Anspruch auf Lebenspartnerrente
begründet, wenn die in lit. a-d genannten Bedingungen erfüllt sind. Dies
stützt den Standpunkt der Beschwerdeführerin, dass die Voraussetzungen des
Anspruchs auf Lebenspartnerrente abschliessend in Art. 39 Abs. 1 PKBV 1
aufgezählt sind, zumal bereits im zweiten Absatz die Bedingung "Absatz 1
Buchstabe b" konkretisiert wird. Es kommt dazu, dass sich der hier
interessierende dritte Absatz ohne weiteres in die Aufzählung in Abs. 1

hätte integrieren lassen. Anderseits ist zu beachten, dass Art. 39 Abs. 3
PKBV 1 im Unterschied zu Abs. 2 dieser Bestimmung und entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin keine der in Abs. 1 lit. a-d genannten
Bedingungen konkretisiert. Es kommt dazu, dass das Erfordernis des
Nachweises der Lebenspartnerschaft bereits in Art. 39 Abs. 1 lit. a PKBV 1
erwähnt wird. Einzig zum Zwecke des Beweises hätte Abs. 3 somit nicht in die
Verordnung aufgenommen werden müssen. Abgesehen davon ist der
Unterstützungsvertrag allein kein taugliches Beweismittel für eine allen
Bedingungen genügende, bis zum Tod dauernde Lebenspartnerschaft.

  Nach den Darlegungen der Publica in der vorinstanzlichen Klageantwort und
Duplik liegt der Grund für die getrennte Aufzählung der Voraussetzungen für
den Anspruch auf Lebenspartnerrente in Art. 39 Abs. 1 PKBV 1 - Abs. 1 lit. b
konkretisiert durch Abs. 2 - einerseits und Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 anderseits
in deren Verschiedenartigkeit. Insbesondere sei die tatsächliche
Unterstützung des Partners oder der Partnerin durch die verstorbene
versicherte (oder Renten beziehende) Person im Sinne der mindestens
hälftigen Tragung der Kosten des gemeinsamen Haushaltes während den letzten
fünf Jahren Teil der objektiven, auch nach dem Ereignis erfass- und
nachprüfbaren Voraussetzungen des Anspruchs auf Lebenspartnerrente. Davon
streng zu trennen sei, weil nach dem Tod der versicherten Person nicht mehr
nachholbar, die Meldung der Lebenspartnerschaft zu Lebzeiten der beiden
Lebenspartner in Form eines Unterstützungsvertrages. Damit manifestiere die
versicherte Person den Willen, ihren Lebenspartner mit einer
Lebenspartnerrente zu begünstigen. Sinngemäss ergebe sich die Notwendigkeit
dieser zusätzlichen Funktion des in Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 genannten
Anspruchserfordernisses daraus, dass im Unterschied zu den obligatorischen
Hinterlassenenansprüchen des überlebenden Ehegatten in Bezug auf die
Lebenspartnerrente keine Vermutung für einen Begünstigungswillen seitens des
Versicherten bestehe, der eine Wahlmöglichkeit habe. Diese Erläuterungen der
am Recht stehenden Vorsorgeeinrichtung zur Gesetzessystematik bestätigen das
bereits gewonnene Ergebnis, dass auch dieses Auslegungselement gegen die
blosse Beweisfunktion sowie eine lediglich deklaratorische Bedeutung des -
zu Lebzeiten eingereichten - Unterstützungsvertrages spricht.

  4.2.3  Schliesslich erscheint das Erfordernis einer schriftlichen Meldung
der Lebenspartnerschaft in Form eines Unterstützungsvertrages zu Lebzeiten
beider Lebenspartner durchaus sinnvoll und auch

zweckmässig. Die Lebenspartnerrente stellt eine neue Leistung dar. Sie wird
ohne Beitragserhöhung finanziert. Die Publica hat somit ein durchaus
schützenswertes Interesse (Rückstellungen, Deckungskapital/-grad) zu wissen,
wie viele Versicherte im Todesfall solche Leistungen auslösen können.

  4.3  Es bestehen nach dem Gesagten keine triftigen Gründe, von einer
wortlautgetreuen Auslegung von Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 abzuweichen (BGE 130 V
424 E. 3.2 S. 428 mit Hinweisen). Art. 39 Abs. 3 PKBV 1 kann somit nicht
lediglich als dem Nachweis der Lebenspartnerschaft dienende
Ordnungsvorschrift verstanden werden. Vielmehr kommt dieser
Verordnungsbestimmung konstitutive Bedeutung zu. Fehlt es, wie vorliegend,
an einem von beiden Lebenspartnern zu Lebzeiten der Publica eingereichten
Unterstützungsvertrag, besteht daher grundsätzlich kein Anspruch auf
Lebenspartnerrente.