Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 V 137



Urteilskopf

133 V 137

  20. Auszug aus dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i.S.
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen gegen G. und Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  C 227/05 vom 8. November 2006

Regeste

  Art. 8 Abs. 1 lit. c und e, Art. 121 lit. b AVIG; Art. 21
EFTA-Übereinkommen; Art. 1 lit. b und h, Art. 13 Abs. 2 lit. a, Art. 71 Abs.
1 lit. a und b der Verordnung Nr. 1408/71: Koordinierung der Systeme der
sozialen Sicherheit.

  Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung von Grenzgängern bei Beschäftigung
in der Schweiz und Wohnort im Fürstentum Liechtenstein; anwendbares Recht.

Sachverhalt

  A.

  A.a Die 1958 geborene schweizerisch-liechtensteinische Doppelbürgerin G.
war in den Jahren 2001 und 2002 jeweils befristet mit einem Teilpensum in
der Gemeinde A. (FL) als Aushilfe angestellt. Vom 2. April 2002 bis
September 2002 bezog sie im Fürstentum Liechtenstein
Arbeitslosenentschädigung. Alsdann war sie vom 1. Oktober 2002 bis zur
sofortigen Freistellung Ende April 2003 als Grenzgängerin in der X. AG in C.
(CH) tätig. Daraufhin meldete sie sich beim Amt für Volkswirtschaft des
Fürstentums Liechtenstein zum Leistungsbezug an, welches ihr vom 2. Juni
2003 bis zur Ausschöpfung des Anspruchs am 16. Januar 2004
Arbeitslosentaggelder ausrichtete.

  A.b Am 10. Februar 2004 meldete sich G. beim Regionalen
Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Z. (CH) zur Arbeitsvermittlung an und
beantragte Arbeitslosenentschädigung. Sie gab an, seit 1. Februar 2004 an
einzelnen Tagen in der V. AG mit Kundendienstsitz in M. (CH) als
kaufmännische Angestellte zu arbeiten, suche jedoch eine Vollzeitstelle. Ab
1. März 2004 bezog sie vom Amt für Soziale Dienste des Fürstentums
Liechtenstein wirtschaftliche Sozialhilfe. Sodann meldete sie sich am 2.
April 2004 rückwirkend ab 1. Februar 2004 in der Gemeinde C. (CH) an, ohne
sich jedoch im Fürstentum Liechtenstein abzumelden. Mit Verfügung vom 9.
Dezember 2004 verneinte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen den
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 10. Februar 2004 mit der
Begründung, die Versicherte habe ihren Lebensmittelpunkt im Fürstentum
Liechtenstein, weshalb die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch in
der Schweiz nicht erfüllt seien. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom
14. Januar 2005 fest.

  B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. Juni 2005 gut, hob den
Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung der
Anspruchsvoraussetzungen an die Kantonale Arbeitslosenkasse zurück.

  C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Arbeitslosenkasse
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids mit der Feststellung, dass ab 10.
Februar 2004 kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gegeben sei.

  G. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das
vom Eidgenössischen Versicherungsgericht zur Vernehmlassung aufgeforderte
Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) äussert sich in zustimmendem Sinne
zum Rechtsmittel.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.

  1.1  Im vorinstanzlichen Entscheid wird richtig festgehalten, dass am 1.
Juni 2002 das Abkommen vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom
4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (SR
0.632.31; im Folgenden: EFTA-Übereinkommen) in Kraft getreten ist. Nach
dessen Art. 21 regeln die Mitgliedstaaten die Koordinierung der Systeme der
sozialen Sicherheit gemäss Anlage 2 zu Anhang K und durch das Protokoll zu
Anhang K über die Freizügigkeit zwischen Liechtenstein und der Schweiz.
Anlage 2 zu Anhang K trägt den Titel "Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit". Dort werden die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr.
574/72 als anwendbar erklärt (Art. 1 Abs. 1 Anlage 2 zu Anhang K des
EFTA-Übereinkommens). Der am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Art. 121 AVIG
verweist in lit. b auf das EFTA-Übereinkommen und die erwähnten
Koordinierungsverordnungen.

  1.2  Die Kollisionsnormen der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmen, welche
nationale Rechtsordnung anzuwenden ist. Unter Vorbehalt der
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ist es Sache des innerstaatlichen Rechts,
festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Leistungen gewährt werden (vgl.
BGE 131 V 214 E. 5.3; SVR 2006 AlV Nr. 24 S. 82, C 290/03).

  1.3  Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71
über die bei Arbeitslosigkeit grundsätzlich zuständige

Rechtsordnung des letzten Beschäftigungsstaates (Art. 13 Abs. 2 lit. a) und
die Sonderregeln für Arbeitslose mit Wohnsitz ausserhalb des
Beschäftigungsstaates (Art. 71), insbesondere für Grenzgänger (vgl. Art. 1
lit. b; Art. 71 Abs. 1 lit. a) bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem
Arbeitsausfall in dem Unternehmen, das sie beschäftigt (Art. 71 Abs. 1 lit.
a Ziff. i), und bei Vollarbeitslosigkeit (Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii)
richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zutreffend ist auch, dass die
darin enthaltenen Kriterien gemeinschaftsrechtlich auszulegen sind (EBERHARD
Eichenhofer, in: Maximilian Fuchs [Hrsg.], Kommentar zum Europäischen
Sozialrecht, 4. Aufl., Baden-Baden 2005, N. 4 zu Art. 71 der Verordnung Nr.
1408/71; Urteil des EuGH vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-444/98, de
Laat, Slg. 2001, I-2229).

  1.4  Im Rahmen des die Zuständigkeit für den Fall regelnden Art. 71 Abs. 1
der Verordnung Nr. 1408/71, dass während der letzten Erwerbstätigkeit
Beschäftigungs- und Wohnortstaat verschieden sind, ist zwischen so genannten
echten und unechten Grenzgängern zu unterscheiden. Nach Art. 1 lit. b der
Verordnung Nr. 1408/71 sind (echte) Grenzgänger Personen, die ihre
Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitglied- oder Abkommensstaates ausüben und
im Gebiet eines andern Mitglied- oder Abkommensstaates wohnen, in das sie in
der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehren. Sie
fallen unter Art. 71 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71. Die in Art.
71 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1408/71 normierten "nicht Grenzgänger"
("unechte Grenzgänger") sind demgegenüber Personen, deren Wohn- und
Beschäftigungsort zwar ebenfalls in zwei verschiedenen Staaten liegen, die
aber nicht mindestens einmal wöchentlich an ihren Wohnort zurückkehren. Dazu
zählen beispielsweise Saisonarbeitnehmende, Arbeitnehmende im
internationalen Verkehrswesen, Arbeitnehmende, die ihre Tätigkeit gewöhnlich
im Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten ausüben und Arbeitnehmende, die in einem
Grenzbetrieb beschäftigt sind (vgl. Beschluss Nr. 160 vom 28. November 1995
der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die Soziale
Sicherheit der Wanderarbeitnehmer zur Auslegung des Art. 71 Abs. 1 lit. b
Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71, im Amtsblatt Nr. L 49 vom 28. Februar
1996, S. 31-33; vgl. auch Kreisschreiben des seco über die Auswirkungen des
Abkommens über den freien Personenverkehr sowie des geänderten
EFTA-Abkommens auf die Arbeitslosenversicherung [KS-ALE-FPV], B 46; PATRICIA
USINGER-EGGER, Die soziale Sicherheit

der Arbeitslosen in der Verordnung [EWG] Nr. 1408/71 und in den bilateralen
Abkommen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten, Diss. Freiburg
[Schweiz] 2000, S. 85 ff.; EDGAR IMHOF, Eine Anleitung zum Gebrauch des
Personenfreizügigkeitsabkommens und der VO 1408/71, in: Hans-Jakob Mosimann
[Hrsg.], Aktuelles im Sozialversicherungsrecht, Zürich 2001, S. 57; vgl.
zudem BGE 131 V 228 E. 6.2).

Erwägung 2

  2.

  2.1  Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung sind
in Art. 8 AVIG aufgezählt. Danach muss die versicherte Person unter anderem
in der Schweiz wohnen (Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG) und die Beitragszeit
erfüllen (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG). Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt die
Beitragszeit, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist (Art. 9 Abs.
3 AVIG) während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige
Beschäftigung ausgeübt hat. Diese Bestimmung bezieht sich auf die
Beitragspflicht und setzt daher eine beitragspflichtige Beschäftigung in der
Schweiz voraus (BGE 128 V 186 E. 3b).

  2.2  Im Zeitpunkt, als sich die Beschwerdegegnerin am 10. Februar 2004 bei
der Arbeitslosenversicherung meldete, konnte sie für die zwei Jahre davor
beginnende Rahmenfrist (vgl. Art. 9 Abs. 3 AVIG) keine mindestens
zwölfmonatige beitragspflichtige Beschäftigung in der Schweiz ausweisen. Die
Anstellung in der X. AG in C. (CH) dauerte vom 1. Oktober 2002 bis zur
Freistellung Ende April 2003, allenfalls bis Ende Mai 2003. Anschliessend
nahm sie erst am 1. Februar 2004 wieder eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz
auf. Weitere Beschäftigungszeiten in der Schweiz sind - entgegen dem, was
die Vorinstanz anzunehmen scheint - aufgrund der Akten nicht ausgewiesen.

Erwägung 3

  3.

  3.1  Das kantonale Gericht hat erwogen, Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG sei
staatsvertragskonform auszulegen. Dabei genüge es, dass sich die versicherte
Person regelmässig in der Schweiz aufhalte, sich den hiesigen
Kontrollvorschriften unterziehe und sich dem schweizerischen Arbeitsmarkt
zur Verfügung stelle. Die strittige Frage, ob die Beschwerdegegnerin ihren
Lebensmittelpunkt im Februar 2004 effektiv vom Fürstentum Liechtenstein in
die Schweiz verlegt hat, kann nach Auffassung der Vorinstanz offen bleiben.
Als vollarbeitslose Grenzgängerin im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff.
ii der Verordnung Nr. 1408/71 habe sie ein Wahlrecht zwischen

Leistungen des Wohnstaates und solchen des Beschäftigungsstaates. Indem sie
sich am 10. Februar 2004 beim RAV Z. zur Arbeitsvermittlung angemeldet habe,
habe sie sich im Sinne von Fussnote 1 zu Ziffer 1 in Abschnitt A zu Art. 3
zu Anlage 2 zu Anhang K des EFTA-Übereinkommens dem schweizerischen
Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Zudem habe sie in der Schweiz eine
Teilzeitstelle gefunden. Sodann bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür,
dass sie als gebürtige Schweizerin in diesem Land persönliche und berufliche
Bindungen aufrechterhalte und hier somit über die besten Voraussetzungen für
eine berufliche Wiedereingliederung verfüge. Da das Gemeinschaftsrecht eine
Diskriminierung von Wanderarbeitnehmenden verhindern und das Recht auf
Freizügigkeit im europäischen Raum fördern wolle, erscheine es nicht
stossend, wenn die Beschwerdegegnerin unabhängig vom Wohnsitz in der Schweiz
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung geltend machen könne. Die Vorinstanz
wies die Sache daher zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an
die Verwaltung zurück.

  3.2  Die Beschwerde führende Arbeitslosenkasse stellt sich demgegenüber
auf den Standpunkt, der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung sei zu
verneinen, weil die Beschwerdegegnerin ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz,
sondern im Fürstentum Liechtenstein habe und damit die
Anspruchsvoraussetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG nicht erfülle.

  Das seco bezweifelt ebenfalls, dass die Beschwerdegegnerin in der Schweiz
wohnt. Sie habe hier erst einen zusätzlichen Wohnort geltend gemacht,
nachdem die Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung im Fürstentum
Liechtenstein erschöpft gewesen seien. Unter diesen Umständen könne sie
nicht als unechte Grenzgängerin betrachtet werden. Echte Grenzgänger im
Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 hätten
kein Wahlrecht und müssten ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung im
Wohnstaat geltend machen.

Erwägung 4

  4.  (...)

  4.5  Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin
auch ab dem 10. Februar 2004 ihren tatsächlichen Aufenthalt weiterhin in Y.
(FL) verzeichnete, wo auch ihre Tochter wohnte und wo sie gemäss eigenen
Angaben einen Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen aufrechterhielt. Daran
vermag die Tatsache nichts zu ändern, dass sie in der Schweiz Freunde und
Bekannte hat, einen grossen Teil ihrer Freizeit hier verbringt und den
arbeitslosenversicherungsrechtlichen

Kontrollvorschriften nachgekommen ist. Obwohl ein Aufenthalt während einer
gewissen Dauer genügt, kann nicht gesagt werden, sie habe den gewöhnlichen
Aufenthalt ab 10. Februar 2004 in die Schweiz verlegt, zumal sie zuvor
während über 10 Jahren in Y. wohnte.

Erwägung 5

  5.  Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdegegnerin aus dem am 1. Juni 2002 in
Kraft getretenen EFTA-Übereinkommen und den gestützt darauf anwendbaren
gemeinschaftsrechtlichen Regeln, insbesondere der Verordnung Nr. 1408/71,
einen Leistungsanspruch abzuleiten vermag. In zeitlicher Hinsicht ist dieses
Abkommen anwendbar, da ein Leistungsanspruch für die Zeit nach dessen
Inkrafttreten geltend gemacht wird und der Einspracheentscheid nach diesem
Datum ergangen ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass allenfalls
Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten zu berücksichtigen sind, die
in einem anderen Abkommensstaat vor dem 1. Juni 2002 zurückgelegt worden
sind (Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 131 V 225 E. 2.3). Auch
in persönlicher Hinsicht ist die Verordnung Nr. 1408/71 anwendbar, da die
Beschwerdegegnerin als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates zu betrachten
ist, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten
im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gelten oder galten.
Ebenfalls gegeben ist die sachliche Anwendbarkeit, da sich der
Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 unter anderem auf Leistungen bei
Arbeitslosigkeit bezieht (Art. 4 Abs. 1 lit. g der Verordnung Nr. 1408/71).

Erwägung 6

  6.

  6.1  Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 (Art. 13 bis 17a) enthält
allgemeine Kollisionsregeln zur Bestimmung der anzuwendenden
Rechtsvorschriften. Dabei legt Art. 13 Abs. 1 den kollisionsrechtlichen
Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften nach den
Regeln gemäss Art. 13 Abs. 2 bis Art. 17a in dem Sinne fest, dass für jede
betroffene Person die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates
massgebend sind. Ausnahmen vorbehalten, gilt für Arbeitnehmende das
Beschäftigungslandprinzip. Dies trifft auch dann zu, wenn sie im Gebiet
eines anderen Mitgliedstaates wohnen oder ihr Arbeitgeber oder das
Unternehmen, das sie beschäftigt, den Wohn- oder Betriebssitz im Gebiet
eines andern Mitgliedstaates hat (Grundsatz der lex loci laboris; Art. 13
Abs. 2 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 132 V 57 E. 4.1).

  6.2  Titel III der Verordnung Nr. 1408/71 enthält besondere Vorschriften
für die einzelnen Leistungsarten. Leistungen bei Arbeitslosigkeit erbringt
nach Art. 67 Abs. 3 grundsätzlich der Staat, nach dessen Rechtsvorschriften
die betroffene Person unmittelbar zuvor Versicherungs- oder
Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, somit der letzte Beschäftigungsstaat
(Art. 68 Abs. 1). Art. 71 regelt die Zuständigkeit für Arbeitslose, die
während der letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem
zuständigen Staat wohnten.

  6.3  Für die Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdegegnerin gestützt
auf die Verordnung Nr. 1408/71 Anspruch auf Leistungen der schweizerischen
Arbeitslosenversicherung hat, ist zunächst festzustellen, welche
Rechtsvorschriften nach den allgemeinen Anknüpfungsregeln von Titel II der
Verordnung anzuwenden sind, und anschliessend zu prüfen, ob die besonderen
Anknüpfungsregeln dieser Verordnung als Sondervorschriften die Anwendung
anderer Rechtsvorschriften vorsehen (BGE 132 V 58 E. 5).

  6.4  Nach der allgemeinen Grundregel von Art. 13 Abs. 2 lit. a der
Verordnung Nr. 1408/71 wäre an und für sich das Recht des
Beschäftigungsstaates massgebend. Diese Regel gilt jedoch nur soweit, als
nicht die besonderen Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten, die den
Titel III bilden, etwas anderes bestimmen. Diese greifen, wenn
Beschäftigungs- und Wohnstaat - wie dies bei der Beschwerdegegnerin der Fall
ist - nicht identisch sind.

Erwägung 7

  7.

  7.1  Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii und lit. b Ziff. ii der Verordnung Nr.
1408/71 bestimmen, dass bei Vollarbeitslosigkeit echte Grenzgänger
ausschliesslich und unechte Grenzgänger für den Fall, dass sie sich den
Arbeitsbemühungen ihres Wohnstaates zur Verfügung stellen, Leistungen
aufgrund von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten im Beschäftigungsstaat
nach dem Recht des Wohnstaates erhalten (BGE 132 V 61 E. 6.4). Diese
Regelung beruht auf der Annahme, dass die Vermittlungschancen für die
arbeitslose Person an ihrem Wohnort am grössten sind (EICHENHOFER, a.a.O.,
N. 2 f. zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71). Der unechte Grenzgänger hat
die Wahl zwischen Leistungen des Beschäftigungs- oder des Wohnstaates.
Dieses Wahlrecht übt er dadurch aus, dass er sich entweder der
Arbeitsverwaltung des Staates der letzten Beschäftigung (Art. 71 Abs. 1 lit.
b Ziff. i) oder der Arbeitsverwaltung des Wohnortstaates (Art. 71 Abs. 1
lit. b Ziff. ii) zur

Verfügung stellt (BGE 132 V 61 E. 6.4 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des
EuGH; 131 V 228 E. 6.2). Der EuGH hat die strikte Verweisung des
vollarbeitslosen echten Grenzgängers auf den Arbeitsmarkt des Wohnstaates in
Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 für den Fall
aufgehoben, dass dieser zum Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche
Bindungen solcher Art aufrechterhält, dass er dort die besten Aussichten auf
Wiedereingliederung hat (Urteil des EuGH vom 12. Juni 1986 in der
Rechtssache 1/85, Miethe, Slg. I-1986 S. 1837). Dabei handelt es sich jedoch
insofern nicht um ein echtes Wahlrecht, als es Sache des
Beschäftigungsstaats ist zu entscheiden, ob eine besonders enge Bindung
besteht (vgl. USINGER-EGGER, a.a.O., S. 85; dieselbe, Ausgewählte
Rechtsfragen des Arbeitslosenversicherungsrechts im Verhältnis Schweiz-EU,
in: Thomas Gächter [Hrsg.], Das Europäische Koordinationsrecht der sozialen
Sicherheit und die Schweiz, Zürich 2006, S. 37 Fn. 23; vgl. zudem BGE 132 V
53). Leistungen bei Teilarbeitslosigkeit sind ausschliesslich nach dem Recht
des Beschäftigungsstaates zu erbringen (Art. 67 Abs. 3, Art. 71 Abs. 1 lit.
a Ziff. i und lit. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71; vgl. EICHENHOFER,
a.a.O., N. 3 zu Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71).

  7.2  Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Beschwerdegegnerin als
vollarbeitslose echte Grenzgängerin im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff.
ii der Verordnung Nr. 1408/71 zu qualifizieren sei. Nach dem Wortlaut dieser
Bestimmung wäre somit der Wohnortstaat zur Leistungsausrichtung zuständig.
Gemäss Art. 1 lit. h der Verordnung Nr. 1408/71 wird "Wohnort" als der Ort
des gewöhnlichen Aufenthalts definiert. Massgebend für das Vorliegen des
Wohnortes sind die Dauer und Kontinuität des Wohnens bis zur Aufnahme der
Beschäftigung, die Dauer und die Modalität der Abwesenheit, die Art der im
anderen Mitgliedstaat ausgeübten Beschäftigung sowie die Absicht des
Arbeitnehmers, wie sie sich aus den gesamten Umständen ergibt, an den Ort
vor Aufnahme der Beschäftigung zurückzukehren (EICHENHOFER, a.a.O., N. 7 zu
Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 131 V 230 E. 7.4 mit Hinweis auf die
Rechtsprechung des EuGH). Nach dem in E. 4 Gesagten befindet sich der
Wohnort der Beschwerdegegnerin in diesem Sinne in Y. (FL). Ein Recht auf
Leistungen vom Beschäftigungsstaat hätte sie daher nur, wenn ihr die
Stellung einer unechten Grenzgängerin zuzuerkennen wäre, weil sie zur
Schweiz persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält,
dass

sie dort die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat. Diese
Voraussetzung ist entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung
nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass die Beschwerdegegnerin bis zur Aufnahme
der Teilzeitstelle in C. (CH) im Februar 2004 der Arbeitsvermittlung in Y.
unterstellt war und mit dem dortigen Amt für Volkswirtschaft weiterhin in
Kontakt blieb, kann nicht gesagt werden, sie habe in der Schweiz über die
besseren beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten verfügt.

  7.3  Des Weitern hat das kantonale Gericht erwogen, die Beschwerdegegnerin
sei teilarbeitslos im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG (Person, die eine
Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine weitere
Teilzeitbeschäftigung sucht), nicht aber im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a
Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71. Nach Gemeinschaftsrecht bedeutet
Vollarbeitslosigkeit einen Erwerbsausfall infolge Auflösung des
Arbeitsverhältnisses und Teilarbeitslosigkeit einen vorübergehenden
Arbeitsausfall bei andauerndem Arbeitsverhältnis, insbesondere bei
Kurzarbeit (IMHOF, a.a.O., S. 53; EICHENHOFER, a.a.O., N. 5 zu Art. 71 der
Verordnung Nr. 1408/71). Teilweise Arbeitslosigkeit gemäss Art. 10 Abs. 2
lit. b AVIG kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Teilarbeitslosigkeit
im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 sein (USINGER-EGGER, Ausgewählte
Rechtsfragen des Arbeitslosenversicherungsrechts im Verhältnis Schweiz-EU,
a.a.O., S. 49 Fn. 110). Eine Teilzeitbeschäftigung ist nach
Gemeinschaftsrecht anzunehmen, wenn ein bisher vollzeitig beschäftigter
Arbeitnehmer in einem Unternehmen teilzeitbeschäftigt ist und Anwärter auf
eine vollzeitige Arbeit ist (EICHENHOFER, Sozialrecht der Europäischen
Union, 3. Aufl., S. 167 Rz. 284; derselbe in: Rechtsprechung des EuGH zum
Europäischen koordinierenden Sozialrecht, Juristen Zeitung (D) 2005 S. 264).
Begründet wird dies damit, dass das mit Art. 71 der Verordnung Nr. 1408/71
verfolgte Ziel des Schutzes des Arbeitnehmers nicht erreicht werde, wenn ein
Arbeitnehmer, der bei demselben Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat
als dem Staat, auf dessen Gebiet er wohnt, in Teilzeitbeschäftigung
beschäftigt bleibt, jedoch Anwärter auf eine Vollzeitbeschäftigung bleibt,
sich an einen Träger seines Wohnortes wenden müsste, um dort Unterstützung
bei der Suche nach einer zusätzlichen Beschäftigung neben der bereits
ausgeübten zu finden (Urteil des EuGH vom 15. März 2001 in der Rechtssache
C-444/98, de Laat, Slg. 2001, I-2229). Die Beschwerdegegnerin hat nun aber
nicht im Unternehmen, das sie beschäftigt, einen "vorübergehenden
Arbeitsausfall" erlitten (vgl.

Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71), sondern am 1.
Februar 2004 bei der V. AG eine Teilzeitstelle angetreten. Sie hat daher als
vollarbeitslos im Sinne von Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii der Verordnung
Nr. 1408/71 zu gelten und untersteht somit der Rechtsordnung des
Wohnstaates, also des Fürstentums Liechtenstein.