Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 IV 9



Urteilskopf

133 IV 9

  2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs i.S. X. gegen A. und Mitb.
(Nichtigkeitsbeschwerde)
  6S.280/2006 vom 21. Januar 2007

Regeste

  Eventualvorsatz (Art. 18 Abs. 2 StGB) bei Strassenverkehrsunfall mit
Verletzungs- und Todesfolgen.

  Eventualvorsatz hinsichtlich der Todes- und Verletzungsfolgen unter den
gegebenen konkreten Umständen verneint im Fall eines Fahrzeuglenkers, der
auf einem gerade verlaufenden und übersichtlichen Streckenabschnitt
ausserorts seine Geschwindigkeit beschleunigte, als ihn ein anderer
Fahrzeuglenker überholen wollte, welcher seinerseits trotz des nahenden
Gegenverkehrs sein Überholmanöver nicht abbrach, sondern seine
Geschwindigkeit ebenfalls erhöhte, so dass es schliesslich zur
Frontalkollision zwischen dem überholenden und dem entgegenkommenden
Fahrzeug mit Todes- und Verletzungsfolgen kam (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 9

  A.

  A.a Am 8. November 2003, um zirka 19.00 Uhr, kam es auf der Aarauerstrasse
zwischen Muri/AG und Wohlen/AG ausserorts zu einem Verkehrsunfall, an dem
drei Personenwagen beteiligt waren. X. fuhr in seinem Personenwagen VW Vento
auf der rechten Fahrbahnhälfte

in Richtung Wohlen. F. war im Begriff, in seinem Personenwagen Mercedes 280
E X. zu überholen, und fuhr daher auf der linken Fahrbahnhälfte in Richtung
Wohlen. Aus der Gegenrichtung nahte G. in einem Personenwagen Toyota
Starlet. Zwischen den Fahrzeugen von F. und G. kam es zu einer
Frontalkollision. Die beiden Fahrzeugführer starben noch auf der
Unfallstelle beziehungsweise gleichentags im Spital. Die fünf Passagiere im
Wagen von F. (die Ehefrau und vier Kinder) sowie die beiden Passagiere im
Wagen von G. wurden verletzt. X. blieb unverletzt.

  A.b X., der die theoretische Fahrprüfung drei Mal nicht bestanden hatte,
besass keinen Führerausweis. Der Lernfahrausweis für die Kategorie B war ihm
auf unbestimmte Zeit entzogen worden, nachdem ein verkehrspsychologisches
Gutachten ihm die Mindestanforderungen zum Führen von Motorfahrzeugen
abgesprochen hatte.

  B.

  B.a Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhob mit Anklageschrift vom
15. April 2005 gegen X. Anklage wegen mehrfacher eventualvorsätzlicher
Tötung gemäss Art. 111 StGB, mehrfacher einfacher Körperverletzung gemäss
Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, Führens eines Motorfahrzeugs ohne
Führerausweis (Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 95 Ziff. 1 SVG), Überschreitens
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 Ziff. 2
SVG) und wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs (Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art.
90 Ziff. 1 SVG). Die Staatsanwaltschaft beantragte, X. sei mit sieben Jahren
Zuchthaus zu bestrafen.

  B.b X. stellte im Verfahren vor dem Bezirksgericht Muri/AG die Anträge, er
sei wegen Führens eines Motorfahrzeugs ohne Führerausweis zu zwanzig Tagen
Gefängnis und zu 1'000 Franken Busse zu verurteilen. In allen übrigen
Anklagepunkten sei er freizusprechen.

  C.

  C.a Mit Urteil vom 8. Juli 2005 sprach das Bezirksgericht Muri X. von den
Vorwürfen der vorsätzlichen Tötung und des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs
frei. Es sprach ihn der mehrfachen fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB), der
mehrfachen fahrlässigen einfachen Körperverletzung (Art. 125 Abs. 1 StGB),
des Führens eines Motorfahrzeugs ohne Führerausweis und des Überschreitens
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig. Es verurteilte ihn zu drei
Jahren Gefängnis, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft

von 108 Tagen. Zudem verwies es ihn für 5 Jahre aus dem Gebiet der Schweiz.
Der sichergestellte Personenwagen VW Vento wurde gestützt auf Art. 58 StGB
eingezogen. Die Zivilforderungen gegen X. wurden auf den Zivilweg verwiesen.

  C.b Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhob Berufung im
Wesentlichen mit den Anträgen, X. sei im Sinne der Anklage, mithin unter
anderem wegen mehrfacher vorsätzlicher Tötung, zu sieben Jahren Zuchthaus zu
verurteilen.

  C.c X. erklärte seinerseits Berufung im Wesentlichen mit den Anträgen, er
sei von den Vorwürfen der mehrfachen fahrlässigen Tötung und der mehrfachen
fahrlässigen einfachen Körperverletzung sowie von allen übrigen Vorwürfen
ausser im Anklagepunkt des Führens eines Motorfahrzeugs ohne Führerausweis
freizusprechen; eventualiter sei er wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und
mehrfacher fahrlässiger einfacher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe
von höchstens 15 Monaten unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs zu
verurteilen.

  D.- Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X. am 27. April 2006
schuldig
- der mehrfachen eventualvorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB);
- der mehrfachen eventualvorsätzlichen einfachen Körperverletzung (Art. 123
  Ziff. 1 StGB);
- des Führens eines Motorfahrzeuges ohne Führerausweis (Art. 10 Abs. 2
  i.V.m. Art. 95 Ziff. 1 SVG);
- des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Art. 27 Abs. 1
  i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 SVG);
- der Missachtung von Überholvorschriften (Art. 35 Abs. 7 i.V.m. Art. 90
  Ziff. 2 SVG);
- des Nichtbeherrschens des Fahrzeuges (Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 Ziff.

  1 SVG).

  Es bestrafte ihn mit 5 ½ Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der inzwischen
ausgestandenen Haft von insgesamt 401 Tagen. Es verurteilte ihn ausserdem zu
fünf Jahren Landesverweisung unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei
einer Probezeit von vier Jahren.

  E.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, soweit es die Verurteilung wegen
mehrfacher vorsätzlicher Tötung (Art. 111 StGB)

und mehrfacher vorsätzlicher einfacher Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1
StGB) betrifft, und die Sache insoweit zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

  Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau haben auf
Gegenbemerkungen verzichtet. Die Beschwerdegegner beantragen in ihrer
Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.

  Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut und weist die
Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Die Vorinstanz geht im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus: Der
Beschwerdeführer fuhr in seinem Personenwagen VW Vento mit einer zulässigen
Geschwindigkeit auf der Aarauerstrasse durch Muri/AG. Ihm folgte F., welchen
der Beschwerdeführer von Wirtshausbesuchen kannte, in einem Personenwagen
Mercedes 280 E. Nach dem Signal "Ende 50" blieb F. noch über eine Strecke
von zirka 250 Metern hinter dem Beschwerdeführer. In der Folge leitete F. -
rund 350 Meter von der Stelle der späteren Frontalkollision mit einem
entgegenkommenden Fahrzeug entfernt - ein Überholmanöver ein. Bereits zu
diesem Zeitpunkt waren auf der gerade verlaufenden Strecke bei Dunkelheit
die Lichter eines entgegenkommenden Fahrzeugs erkennbar. Die Fahrzeuge des
Beschwerdeführers und von F. fuhren mit geringem seitlichen Abstand
beschleunigend parallel nebeneinander. Im Verlauf dieses Fahrens
nebeneinander kam es zwischen den beiden Fahrzeugen zu einer seitlichen
Streifkollision, weil F. wegen des Gegenverkehrs versuchte, auf die rechte
Fahrbahnhälfte zu gelangen. Diese Streifkollision ereignete sich zirka 82-62
Meter vor der Stelle der späteren Frontalkollision mit einem
entgegenkommenden Fahrzeug. Im Zeitpunkt der Streifkollision fuhren F. und
der Beschwerdeführer - bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80
km/h - mit einer Geschwindigkeit von 104-116 km/h bzw. 102-114 km/h. F. zog
als Folge der Streifkollision sein Fahrzeug nach links und leitete eine
Vollbremsung ein. Er konnte aber auf der in diesem Bereich 6,3 Meter breiten
Strasse eine Frontalkollision mit dem entgegenkommenden Personenwagen Toyota
Starlet von G. nicht mehr verhindern. Der Beschwerdeführer seinerseits, der
infolge der Streifkollision gegen den rechten Strassenrand geraten war, zog
sein Fahrzeug zunächst ebenfalls

nach links gegen die Sicherheitslinie, danach, um nicht in die drohende
Frontalkollision zwischen F. und G. verwickelt zu werden, nach rechts, wobei
er eine Teilbremsung einleitete. Er geriet in der Folge auf die rechts an
die Strasse angrenzende Wiese, auf der sich sein Fahrzeug mehrmals
überschlug und schliesslich, rund 70 Meter von der Strasse entfernt, auf dem
Dach liegend zum Stillstand kam. F. und der Lenker des entgegenkommenden
Fahrzeugs wurden getötet. Die fünf Passagiere im Wagen von F. und die beiden
Passagiere im entgegenkommenden Fahrzeug wurden verletzt. Der
Beschwerdeführer blieb unverletzt.

  Nach der Auffassung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer durch sein
Verhalten den eingetretenen Erfolg (zwei Tote und mehrere Verletzte) in Kauf
genommen und daher mit Eventualvorsatz gehandelt. Der Beschwerdeführer macht
geltend, Eventualvorsatz sei nicht gegeben.

Erwägung 3

  3.

  3.1  Die Vorinstanz wirft mit der ersten Instanz dem Beschwerdeführer vor,
dass er beschleunigte, als F. ihn zu überholen begann, und dass er trotz des
herannahenden Gegenverkehrs nicht abbremste, um F. den Abschluss des
Überholmanövers durch Einschwenken nach rechts vor seinem Fahrzeug zu
ermöglichen. Durch sein Verhalten habe er das Risiko einer Frontalkollision
zwischen F. und dem entgegenkommenden Fahrzeug geschaffen. Dieses Risiko sei
ihm bewusst gewesen.

  Die Vorinstanz kommt abweichend von der ersten Instanz zum Schluss, der
Beschwerdeführer habe das Risiko einer Frontalkollision zwischen F. und dem
entgegenkommenden Fahrzeug auch in Kauf genommen. Der Beschwerdeführer müsse
schnell bemerkt haben, dass F. das Überholmanöver nicht abbrechen, sondern
abschliessen und somit vor ihm (dem Beschwerdeführer) nach rechts schwenken
wollte, was durchaus nachvollziehbar sei. Die Vorinstanz verweist in diesem
Zusammenhang auf eine frühere Verurteilung des Beschwerdeführers durch
Strafbefehl des Bezirksamtes Muri/AG vom 11. September 2003 unter anderem
wegen einfacher und grober Verkehrsregelverletzung beim Überholen. Der
Beschwerdeführer habe im Mai 2003 in einer Rechtskurve trotz Gegenverkehrs
mehrere Fahrzeuge überholt. Eine Frontalkollision sei damals nur dadurch
verhindert worden, dass ein überholter Fahrzeuglenker stark abgebremst habe,
um dem Beschwerdeführer das Einschwenken nach

rechts zu ermöglichen. Dem Beschwerdeführer sei aufgrund jenes Vorfalls die
Situation bewusst gewesen, in welcher sich F. im vorliegenden Fall befunden
habe. Es sei ihm klar gewesen, dass F. - wie er selbst einige Monate zuvor -
das Überholmanöver beenden wollte. Die Auffassung der ersten Instanz, der
Beschwerdeführer habe darauf vertrauen können, dass F. abbremsen und wieder
hinter ihm auf die rechte Fahrbahnhälfte schwenken würde, treffe höchstens
für die Anfangsphase zu. Der Beschwerdeführer habe aber schnell bemerkt,
dass F., der trotz des nahenden Gegenverkehrs weiter beschleunigt habe, das
Überholmanöver habe beenden wollen. Trotzdem habe der Beschwerdeführer nicht
gebremst, sondern im Gegenteil ebenfalls beschleunigt. Durch dieses
Verhalten sei die Gefahr einer Frontalkollision zwischen F. und dem
entgegenkommenden Fahrzeug derart gross geworden, dass der Beschwerdeführer
diese Kollision und deren Folgen in Kauf genommen habe. Der Beschwerdeführer
habe unter den gegebenen Umständen nicht ernsthaft darauf vertrauen können,
dass F. - quasi im letzten Moment - doch noch abbremsen, das Überholmanöver
abbrechen und hinter ihm nach rechts schwenken werde. Dem Beschwerdeführer
sei es darum gegangen, um jeden Preis zu verhindern, dass F. das
Überholmanöver abschliessen konnte. Er habe dieses Ziel höher bewertet als
die drohenden Folgen und sich damit gegen das Rechtsgut entschieden. Der
Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs sei derart wahrscheinlich gewesen,
dass das Verhalten des Beschwerdeführers nicht anders denn als Inkaufnahme
dieses Erfolgs gewertet werden könne.

  3.2  Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht
nicht auf die naheliegende Frage eingegangen, ob es nicht in erster Linie
Pflicht von F. gewesen wäre, durch Abbremsen und Wiedereinbiegen hinter dem
Fahrzeug des Beschwerdeführers die linke Fahrbahnhälfte für den nahenden
Gegenverkehr freizugeben. Mehrere Umstände, mit denen sich die Vorinstanz
nicht auseinandergesetzt habe, sprächen gegen die Annahme von
Eventualvorsatz. Das Überholmanöver von F. sei von Anfang an unzulässig
gewesen, da der Beschwerdeführer ausserorts mit der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h gefahren und auf dem übersichtlichen
Streckenabschnitt der nahende Gegenverkehr erkennbar gewesen sei. Der
Beschwerdeführer habe nicht damit rechnen müssen, dass F., in dessen
Fahrzeug sich die ganze Familie (Ehefrau und vier Kinder) befunden habe,
längere Zeit auf der linken Fahrbahnhälfte bleiben werde.

Unter den gegebenen Umständen hätte F. das Überholmanöver durch Abbremsen
abbrechen müssen. Dieses naheliegende Manöver wäre erheblich erschwert
worden, wenn der Beschwerdeführer seinerseits ebenfalls gebremst hätte.
Gegen die Annahme von Eventualvorsatz spreche, dass der Beschwerdeführer in
der Endphase des Geschehens die Warnblinker eingeschaltet habe, um F. auf
die Gefahr aufmerksam zu machen. F. hätte das Überholmanöver spätestens in
dem Streckenabschnitt abbrechen müssen, in dem die beiden Fahrbahnhälften
durch eine Sicherheitslinie getrennt sind. F. sei stattdessen
unzulässigerweise links von der Sicherheitslinie geblieben und habe
unzulässigerweise auch eine Einspurstrecke und eine Sperrfläche überfahren.
Die Hauptverantwortung für das Überholmanöver habe bei F. gelegen. Dieser
allein habe bis zuletzt die Tatherrschaft über das Geschehen gehabt, die für
die Annahme des Vorsatzes erforderlich sei. F. habe sich eigenverantwortlich
selbst gefährdet und getötet. Der Beschwerdeführer habe sich daran höchstens
in untergeordneter Weise beteiligt und sei daher, wie sich aus BGE 125 IV
189 ergebe, für den eingetretenen Erfolg nicht mitverantwortlich. Der
vorliegende Fall sei entgegen der Meinung der Vorinstanz aus mehreren
Gründen nicht mit dem in BGE 130 IV 58 beurteilten Sachverhalt vergleichbar.
Wenn die Auffassung, dass der Beschwerdeführer mit Tötungsvorsatz gehandelt
habe, richtig wäre, hätte er konsequenterweise insofern, als
Fahrzeuginsassen lediglich verletzt wurden, nicht bloss wegen einfacher
Körperverletzung, sondern wegen versuchter Tötung angeklagt und verurteilt
werden müssen. Dass dies unterblieben sei, deute darauf hin, dass die
zuständigen Behörden im Grunde selber nicht an die Vorsatz-These glaubten.

  3.3  Die Beschwerdegegner machen geltend, der Beschwerdeführer habe F.
unter allen Umständen nicht passieren lassen wollen. Er habe trotz des
nahenden Gegenverkehrs beschleunigt, statt zu bremsen. Die allfälligen
Folgen seines Verhaltens seien ihm egal gewesen. Die Vorinstanz habe daher
Eventualvorsatz mit Recht bejaht.

Erwägung 4

  4.  Gemäss Art. 18 Abs. 2 aStGB verübt ein Verbrechen oder ein Vergehen
vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Diese Bestimmung
erfasst auch den Eventualvorsatz. Das neue Recht, das am 1. Januar 2007 in
Kraft getreten ist, bestimmt in Art. 12 Abs. 2 nStGB: "Vorsätzlich verübt
ein Verbrechen oder ein Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen
ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für
möglich hält und in Kauf nimmt." Durch Art. 12 Abs. 2 Satz 2 nStGB wird der

Eventualvorsatz definiert (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998, BBl 1999 S. 1979
ff., 2002 f.).

  4.1  Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs
beziehungsweise die Verwirklichung des Tatbestandes für möglich hält, aber
dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf
nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 131 IV 1
E. 2.2 mit Hinweisen).

  Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann
im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der
bewusst fahrlässig handelnde Täter wissen um die Möglichkeit des
Erfolgseintritts beziehungsweise um das Risiko der
Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide
Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede
bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter
vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als
möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der
Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber
nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich
erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den
Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, "will" ihn im Sinne von Art. 18 Abs. 2
aStGB. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den Erfolg "billigt"
(eingehend BGE 96 IV 99 S. 101; BGE 130 IV 58 E. 8.3 mit Hinweisen).

  Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf
genommen hat, muss der Richter - bei Fehlen eines Geständnisses des
Beschuldigten - aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse
des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere
der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der
Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung
ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt
die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf
genommen. Der Richter darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen,
wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich
aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen,
vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE
130 IV 58 E. 8.4; 125 IV 242 E. 3c mit Hinweisen).

Eventualvorsatz kann indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des
tatbestandsmässigen Erfolgs nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich,
sondern bloss möglich war. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Täters
um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen
werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen (BGE 131 IV 1 E. 2.2;
125 IV 242 E. 3f).

  Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere
Tatsachen, ist damit Tatfrage und kann daher im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt
werden. Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen
der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist. Es ist allerdings nicht zu
übersehen, dass sich insoweit Tat- und Rechtsfragen teilweise überschneiden.
Der Sachrichter hat daher die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen
möglichst erschöpfend darzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen
Umständen er auf Eventualvorsatz geschlossen hat. Denn der Sinngehalt der
zum Eventualdolus entwickelten Formeln lässt sich nur im Lichte der
tatsächlichen Umstände des Falles erschliessen. Das Bundesgericht kann daher
in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick
auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen (BGE 130 IV 58 E.
8.5; 125 IV 242 E. 3c, je mit Hinweisen).

  4.2
  4.2.1  Das Verhalten des Beschwerdeführers führte mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu einer Frontalkollision zwischen dem überholenden und
dem entgegenkommenden Fahrzeug und damit zum tatbestandsmässigen Erfolg,
falls der überholende Fahrzeuglenker sein Überholmanöver nicht im letzten
Moment abbrach. Davon geht auch die Vorinstanz aus. Sie bringt in ihren
Erwägungen zum Ausdruck, dem Beschwerdeführer sei das Risiko einer
Frontalkollision bewusst gewesen und er habe die Verwirklichung dieses
Risikos in Kauf genommen, indem er nicht gebremst habe, um dem überholenden
Fahrzeuglenker den Abschluss des Überholmanövers zu ermöglichen.

  4.2.2  Die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang aus, der
Beschwerdeführer habe "schnell bemerken" müssen, dass F. trotz des nahenden
Gegenverkehrs nicht hinter, sondern vor ihm wieder einbiegen und somit das
Überholmanöver beenden wollte. Dem Beschwerdeführer sei "klar" gewesen, dass
F. das Überholmanöver

beenden wollte. Dies habe dem Beschwerdeführer "umso bewusster" sein müssen,
je näher der Gegenverkehr gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe
"festgestellt", dass F. das Überholmanöver beenden wollte.

  Die Vorinstanz scheint diese Annahme auf zwei Umstände zu stützen, nämlich
zum einen darauf, dass F. das Überholmanöver nicht abbrach, als der
Beschwerdeführer beschleunigte, sondern im Gegenteil seine Geschwindigkeit
ebenfalls erhöhte, und zum andern auf einen Vorfall im Mai 2003, als der
Beschwerdeführer seinerseits ein Überholmanöver trotz Gegenverkehrs beendet
hatte.

  4.2.3  Der Kassationshof kann die Bewertung der Umstände, aus denen der
kantonale Sachrichter auf Eventualvorsatz geschlossen hat, im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde überprüfen. Er kann in diesem
Verfahren auch prüfen, ob der Sachrichter alle Umstände mit berücksichtigt
hat, die für die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster
Fahrlässigkeit wesentlich sind.

  4.2.4  Dass der Beschwerdeführer selber einige Monate vor dem hier zu
beurteilenden Vorfall, im Mai 2003, trotz nahenden Gegenverkehrs einen
Überholvorgang durchgezogen hatte, wobei offenbar eine Frontalkollision nur
dank eines brüsken Bremsmanövers des Überholten verhindert werden konnte,
legt nicht den Schluss nahe, dem Beschwerdeführer sei im vorliegenden Fall
klar gewesen, dass F. - wie damals er selber - das Überholmanöver beenden
werde. Ein solcher Schluss vom Verhalten des einen auf das zu erwartende
Verhalten eines andern ist an sich schon fragwürdig. Hinzu kommt, dass im
vorliegenden Fall F. nicht allein im Wagen sass, sondern seine ganze Familie
- Ehefrau und vier Kinder - mitführte, und der Beschwerdeführer seine
Geschwindigkeit beschleunigte, als F. ihn überholen wollte.

  Auch der Umstand, dass F. das Überholmanöver nicht abbrach, als der
Beschwerdeführer seine Geschwindigkeit beschleunigte, sondern seinerseits
die Geschwindigkeit ebenfalls erhöhte, legt nicht den Schluss nahe, dem
Beschwerdeführer sei klar gewesen, dass F. das Überholmanöver beenden werde.
F. konnte das Überholmanöver auch noch in einer späteren Phase des
Geschehens durch Abbremsen und Einbiegen nach rechts hinter dem Fahrzeug des
Beschwerdeführers abbrechen. Gemäss dem verkehrstechnischen Gutachten, auf
welches die Vorinstanz in einem anderen Zusammenhang hinweist, hätte die
Strecke für ein solches Einbiegemanöver rund 80-92

Meter betragen. Beim sog. "Kräftemessen" zwischen den Beteiligten ging es
gerade auch darum, wer angesichts des nahenden Gegenverkehrs als Erster
"aufgeben" werde.

  Die von der Vorinstanz genannten Umstände lassen mithin nicht den Schluss
auf Eventualvorsatz des Beschwerdeführers in Bezug auf den eingetretenen
Tötungs- und Verletzungserfolg zu.

  4.2.5  Im Gegenteil sprechen einige Umstände dafür, dass der
Beschwerdeführer - allenfalls pflichtwidrig unvorsichtig - davon ausging und
darauf vertraute, dass F. das Überholmanöver schon noch rechtzeitig
abbrechen und dadurch die drohende Frontalkollision vermeiden werde.

  Der Beschwerdeführer gefährdete durch das inkriminierte Verhalten auch
sich selbst. Eventualvorsatz ist daher nicht leichthin anzunehmen (siehe BGE
130 IV 58 E. 9.1.1 S. 63/64 mit Hinweisen). F. konnte auf dem
übersichtlichen Streckenabschnitt den nahenden Gegenverkehr ebenso gut
erkennen wie der Beschwerdeführer. F. konnte grundsätzlich selber am besten
abschätzen, wann der Moment gekommen sei, an dem er spätestens durch
Abbremsen das Überholmanöver abbrechen musste, um eine Kollision mit dem
entgegenkommenden Fahrzeug zu verhindern. Ein solcher Abbruch des
Überholmanövers war jederzeit möglich, da keine Fahrzeuge folgten. F. hatte
insoweit die Herrschaft über das Geschehen. Der Abbruch des Überholmanövers
erscheint als die natürliche Reaktion des Überholenden, wenn bei nahendem
Gegenverkehr aus irgendwelchen Gründen eine Frontalkollision droht, zumal
von einem solchen Zusammenstoss neben den Insassen des entgegenkommenden
Fahrzeugs in erster Linie die Insassen des überholenden und nicht diejenigen
des überholten Fahrzeugs betroffen sind.

  4.3  Der vorliegende Fall unterscheidet sich wesentlich von den
Sachverhalten, die in BGE 130 IV 58 und im Urteil 6S.114/2005 vom 28. März
2006 zu beurteilen waren. Jene Entscheide betreffen Fahrzeugführer, die sich
über eine längere Strecke unter massiver Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit ein Rennen geliefert hatten. Aus dem gesamten
Geschehen, welches in den genannten Entscheiden nicht ohne Grund ausführlich
geschildert wird, ergab sich, dass die Fahrzeuglenker sich gegen das
geschützte Rechtsgut entschieden hatten, was den Vorwurf des
Eventualvorsatzes in Bezug auf die letztlich eingetretenen Todes- und
Verletzungsfolgen begründete.

  Demgegenüber besteht das Geschehen im vorliegenden Fall im Wesentlichen
darin, dass der Beschwerdeführer auf einem geraden Streckenabschnitt sich
nicht überholen lassen wollte und daher seine Geschwindigkeit beschleunigte,
während der überholende Fahrzeuglenker trotz des nahenden Gegenverkehrs das
Überholmanöver durchziehen wollte. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers
kann unter den gegebenen Umständen nicht der Schluss gezogen werden, dass er
sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden hat.

  4.4  Im Übrigen kann bei Unfällen im Strassenverkehr nicht ohne weiteres
aus der hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts des tatbestandsmässigen
Erfolgs auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Erfahrungsgemäss neigen
Fahrzeuglenker dazu, einerseits die Gefahren zu unterschätzen und
andererseits ihre Fähigkeiten zu überschätzen, weshalb ihnen unter Umständen
das Ausmass des Risikos der Tatbestandsverwirklichung nicht bewusst ist.
Einen unbewussten Eventualdolus aber gibt es nicht (siehe GERHARD FIOLKA,
Das Rechtsgut, Strafgesetz versus Kriminalpolitik, dargestellt am Beispiel
des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches, des
Strassenverkehrsgesetzes [SVG] und des Betäubungsmittelgesetzes [BetmG],
Diss. Freiburg 2006, S. 723 ff.; FRANZ RIKLIN, in:
Strassenverkehrsrechts-Tagung 2006, S. 257 ff.).

  Eventualvorsatz in Bezug auf Verletzungs- und Todesfolgen ist bei Unfällen
im Strassenverkehr daher nur mit Zurückhaltung in krassen Fällen anzunehmen,
in denen sich aus dem gesamten Geschehen ergibt, dass der Fahrzeuglenker
sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden hat. Diese Voraussetzung ist
im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

  4.5  Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen vorsätzlicher Tötung
(Art. 111 StGB) und wegen vorsätzlicher einfacher Körperverletzung (Art. 123
Ziff. 1 Abs. 1 StGB) verstösst somit gegen Bundesrecht. Die eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde ist daher gutzuheissen, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

  Der Kassationshof hat sich im vorliegenden Verfahren nicht mit der Frage
zu befassen, ob dem Beschwerdeführer in Bezug auf den eingetretenen Erfolg
Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Der Beschwerdeführer hatte dies im
Berufungsverfahren bestritten, und die Vorinstanz hat sich mit dieser Frage
nicht befasst. Die Vorinstanz wird

im neuen Verfahren prüfen, ob der Beschwerdeführer pflichtwidrig
unvorsichtig gehandelt hat und ob die übrigen Voraussetzungen für eine
Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung
erfüllt sind.