Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 IV 31



Urteilskopf

133 IV 31

  4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
  6S.355/2006 vom 7. Dezember 2006

Regeste

  Art. 197 Ziff. 3 StGB; Pornographie, Nacktbilder von Kindern.

  Schnappschüsse von einem in einem Liegestuhl sitzenden nackten Mädchen,
auf welches bei der Aufnahme nicht eingewirkt worden ist, erfüllen den
Tatbestand der Pornographie mit Kindern nicht (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 31

  A.- Das Bezirksgericht Zürich erklärte X. mit Urteil vom 25. November 2005
der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind im Sinne von Art. 187
Ziff. 1 Abs. 1 StGB, der mehrfachen Pornographie im Sinne von Art. 197 Ziff.
3 StGB (Dias Nr. 31 und 32) sowie der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126
Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu 12 Monaten Gefängnis unter
Anrechnung des

ausgestandenen Polizeiverhafts und unter Gewährung des bedingten
Strafvollzuges bei einer Probezeit von 3 Jahren. Von der Anklage der
mehrfachen Pornographie bezüglich der Dias Nr. 26 und 29 sowie der sexuellen
Handlungen mit Kindern in einem Fall ("sich Entblössen vor Kindern") sprach
es ihn frei. Ferner verpflichtete es X. grundsätzlich, seiner geschädigten
Tochter Ersatz für den aus den beurteilten Delikten entstandenen Schaden zu
bezahlen, und verurteilte ihn zur Bezahlung einer Genugtuung in der Höhe von
Fr. 4'000.-. Schliesslich entschied es über die Einziehung der
beschlagnahmten Gegenstände.

  Eine vom Beurteilten erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons
Zürich teilweise gut und setzte die Freiheitsstrafe auf 8 Monate Gefängnis
herab, unter Anrechnung des ausgestandenen Polizeiverhafts und mit bedingtem
Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren. Im Schuldpunkt
bestätigte es das erstinstanzliche Urteil. Die Schadenersatz- und
Genugtuungsbegehren der Geschädigten wies es ab.

  B.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt,
verschiedene Ziffern des angefochtenen Dispositivs seien aufzuheben und die
Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das
Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  (...) Im Weiteren stellt die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer
habe im Juni 2002 bei einem Ferienaufenthalt in der Toskana seine Tochter,
welche mit gespreizten Beinen auf einem Liegestuhl sass, so dass deren
Genitalbereich klar und somit sexuell motiviert ersichtlich gewesen sei,
zwei Mal abfotografiert. In Bezug auf ein weiteres Foto sah die Vorinstanz
den Tatbestand im Gegensatz zur ersten Instanz nicht als erfüllt an.
  (...)

Erwägung 5

  5.

  5.1
  5.1.1  In Bezug auf den Vorwurf der Pornographie nimmt die Vorinstanz in
objektiver Hinsicht an, die Dias Nr. 31 und 32 rückten den Genitalbereich
der fotografierten Tochter derart in den Vordergrund, dass diese auf ihr
blosses Sexualorgan reduziert werde. Diese Darstellung des Kindes sei klar
geeignet, pädosexuell veranlagte

Betrachter sexuell aufzureizen. Da es sich bei Art. 197 Ziff. 3 StGB um ein
abstraktes Gefährdungsdelikt handle und auch der Aspekt des indirekten
Missbrauchs von Kindern zu berücksichtigten sei, sei der Einwand, die
Aufnahmen stellten Schnappschüsse dar, unbehelflich.

  Die erste Instanz nahm in diesem Punkt an, der Genitalbereich des Mädchens
sei derart in den Mittelpunkt des Bildes gerückt, dass dem übrigen
Bildinhalt keinerlei Bedeutung zukomme. Es handle sich nicht mehr bloss um
das fotografische Einfangen nackter Kinder. Der Beschwerdeführer habe seine
Tochter in der eindeutigen Stellung belassen und sie fotografiert. Die
Darstellung läge ausserhalb des sozial akzeptierten Rahmens und könne der
sexuellen Erregung pädosexuell veranlagter Personen dienen. Der Zusammenhang
mit dem Ferienaufenthalt in der Toskana fehle auf den Dias. Es sei auf den
Bildern keine Aktion wie Umkleiden, Spielen, Spass machen oder ähnliches zu
erkennen. Lediglich die Genitalien des Mädchens stünden im Mittelpunkt der
Bilder und die Nacktheit sei aus dem Zusammenhang gerissen.

  5.1.2  In subjektiver Hinsicht hält die Vorinstanz fest, es komme nicht
darauf an, ob der Beschwerdeführer die Aufnahmen aus sexuellen Motiven
hergestellt habe. Vielmehr genüge das Wissen, dass eine Darstellung
landläufig nach laienhafter Sicht als unzüchtig beurteilt werde. Dem
Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Herkunft, Bildung und Position in der
Gesellschaft bewusst sein müssen, dass die Dias nach allgemeiner Anschauung
als unzüchtig beurteilt würden.

  5.2  Der Beschwerdeführer bringt vor, die fraglichen Dias seien an einem
belebten öffentlichen Badestrand in der Toskana in unmittelbarer Gegenwart
der Ehefrau aufgenommen worden. Es sei unbestritten, dass er während dieser
Aufnahmen in keiner Weise auf seine Tochter eingewirkt habe. Er führt ferner
aus, die Darstellung des nackten kindlichen Körpers sei an sich nicht
pornographisch, namentlich wenn ihr in keiner Weise entnommen werden könne,
dass der Täter bei deren Herstellung auf die Kinder eingewirkt habe. Dies
müsse unabhängig davon gelten, ob die Fotos später zur sexuellen Erregung
verwendet würden. Im zu beurteilenden Fall erweckten die Schnappschüsse
nicht einmal ansatzweise den Gesamteindruck von objektiv auf sexuelle
Aufreizung angelegten, primär auf den Genitalbereich konzentrierten, aus
jedem realistischen Zusammenhang

gerissenen, kinderpornographischen Erzeugnissen. Im Übrigen sei auch der
subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Er habe mit seinen Dias nicht in Kauf
genommen, irgend jemanden sexuell aufzureizen oder zu erregen. Dies werde
ihm auch von der Vorinstanz nicht vorgeworfen. Die Vorinstanz habe daher
auch den Vorsatz zu Unrecht bejaht.

Erwägung 6

  6.

  6.1  Nach Art. 197 Ziff. 1 StGB macht sich strafbar, wer pornographische
Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher
Art oder pornographische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet,
zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen
verbreitet.

  Gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer
Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB, die
sexuelle Handlungen mit Kindern zum Inhalt haben, herstellt, einführt,
lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt
oder zugänglich macht. Der am 1. April 2002 in Kraft getretene Art. 197
Ziff. 3bis StGB erklärt nunmehr auch den Erwerb, das Sich-Beschaffen sowie
den Besitz solcher Darstellungen oder Darbietungen für strafbar, enthält
aber eine im Vergleich zu Art. 197 Ziff. 3 StGB herabgesetzte
Strafandrohung.

  6.1.1  Der Begriff der Pornographie setzt einerseits voraus, dass die
Darstellungen oder Darbietungen objektiv betrachtet darauf ausgelegt sind,
den Konsumenten sexuell aufzureizen. Zum anderen ist erforderlich, dass die
Sexualität so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen
herausgetrennt wird, dass die jeweilige Person als ein blosses Sexualobjekt
erscheint, über das nach Belieben verfügt werden kann. Das sexuelle
Verhalten wird dadurch vergröbert und aufdringlich in den Vordergrund
gerückt (BGE 131 IV 64 E. 10.1.1; 128 IV 260 E. 2.1, je mit Hinweisen).

  6.1.2  Das Verbot der harten Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB
bezweckt neben der ungestörten Entwicklung Jugendlicher (vgl. Art. 197 Ziff.
1 und 2 StGB; BGE 131 IV 64 E. 10.1.2 mit Hinweisen) zusätzlich den Schutz
von Erwachsenen vor der korrumpierenden Wirkung solcher Erzeugnisse und
damit mittelbar die Bewahrung potentieller "Darsteller" vor sexueller
Ausbeutung, Gewalt und erniedrigender bzw. menschenunwürdiger Behandlung.
Ein Werk ist schon als kinderpornographisch zu betrachten, wenn daraus
erkennbar ist, dass seine vorsätzliche Herstellung in der Schweiz nach Art.
187 StGB strafbar wäre.

  Nach der Rechtsprechung ist nicht ausgeschlossen, dass Nacktaufnahmen von
Kindern auch ohne besondere Betonung des Genitalbereichs als pornographisch
qualifiziert werden können. In jedem Fall erfüllt derjenige den Tatbestand
der harten Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB, welcher das Kind mit
entblösstem Genitalbereich in einer nach den Umständen objektiv aufreizenden
Stellung posieren lässt und fotografiert, unabhängig davon, ob er dabei
selbst sexuelle Regungen verspürt oder das Kind die sexuelle Bedeutung der
Handlung erkennt. Von vornherein als nicht pornographisch sind hingegen
Fotos des nackten kindlichen Körpers zu betrachten, denen in keiner Weise
entnommen werden kann, dass der Täter bei der Herstellung auf die Kinder
eingewirkt hat (z.B. Schnappschüsse am Strand oder in der Badeanstalt). Dies
muss unabhängig davon gelten, ob die Fotos später zur sexuellen Erregung
verwendet werden (BGE 131 IV 64 E. 11.2; 128 IV 25 E. 3a S. 28 mit
Hinweisen).

  6.2  Die Vorinstanz erachtet als tatbestandsmässig die beiden Fotos, auf
welchen das etwa dreijährige Mädchen an einem Strand nackt mit angewinkelten
gespreizten Beinen auf einem Liegestuhl sass, so dass seine Scheide deutlich
sichtbar war. Auf dem einen Foto der beiden dieselbe Situation festhaltenden
Bilder blickt das Kind mit ernstem Gesichtsausdruck in die Kamera, auf dem
anderen lacht es. Mit den Händen hält es sich seitlich am Liegestuhl fest.

  Die Mutter des Kindes schilderte die Situation um die Entstehung des
Bildes in den Untersuchungsakten folgendermassen:

    Wir waren am Strand. Die Tochter hatte nasse Sachen an und da ich
    wollte, dass sie etwas Trockenes anzieht, habe ich sie ausgezogen. Sie
    legte sich dann auf einen Liegestuhl, wobei sie dann die Beine - wie
    Kinder halt so sind - auseinander hielt. Mein Mann hat dies sofort
    fotografiert, obwohl ich dies nicht wollte.

  Daraus wie sich das Bild darstellt und wie es nach der Schilderung der
Mutter entstanden ist, erhellt ohne weiteres, dass es sich bei der Aufnahme
um eine natürliche Situation handelt. Der Beschwerdeführer hat
offensichtlich bei der Herstellung nicht auf das Kind eingewirkt. Weder
Gesichtsausdruck noch Pose des Kindes deuten zudem darauf hin, dass das Foto
darauf ausgerichtet gewesen wäre, den Betrachter sexuell aufzureizen. Dies
ganz im Gegensatz zu anderen Bildern, die das Bundesgericht in früheren
Entscheiden zu beurteilen hatte. So namentlich in einem Fall, in welchem
Bilder vorlagen, auf welchen ein Mädchen seine Scheide mit den Händen
spreizte bzw. seinen Slip zur Seite zog, um den Blick auf die entblösste

Vagina zu ermöglichen (vgl. BGE 128 IV 25 E. 2a; vgl. auch BGE 131 IV 64 E.
10.2 und 11.3). Demgegenüber handelt es sich bei den hier zu beurteilenden
Bildern nicht um kinderpornographische Erzeugnisse, sondern um eigentliche
Schnappschüsse, die den Tatbestand der Pornographie mit Kindern gemäss Art.
197 Ziff. 3 StGB nicht erfüllen.

  Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet.