Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 645



Urteilskopf

133 III 645

  89. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Erbinnen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
  4A_237/2007 vom 28. September 2007

Regeste

  Art. 74 und 92 BGG; Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen;
Zwischenentscheid; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

  Selbständig eröffnete Zwischenentscheide über die Zuständigkeit sind
anfechtbar, wenn es auch der Endentscheid ist. Vorliegend ist die
Streitwertgrenze nicht erreicht, doch stellt sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung (E. 2).
  Art. 274a ff. OR, Art. 83 Abs. 2 SchKG; Aberkennungsklage in Mietsachen;
Erfordernis der Durchführung des Schlichtungsverfahrens.

  Klagen in Streitigkeiten aus der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen sind
bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen anhängig zu machen. Dies gilt auch
für die Aberkennungsklage (E. 3-5).

Sachverhalt

  A.- Die Erbinnen Y. (Beschwerdegegnerinnen) betrieben X.
(Beschwerdeführer) mit Zahlungsbefehl Nr. N. des Betreibungsamts Z. vom 30.
Mai 2006 für Fr. 3'338.20 nebst Zins für "Mieten und Heiz- und Nebenkosten
gemäss Abrechnung vom 28. März 2006".

  Der Präsident des Bezirksgerichts Aarau erteilte den Beschwerdegegnerinnen
am 24. November 2006 provisorische Rechtsöffnung für Fr. 2'866.- nebst Zins.

  B.- Der Beschwerdeführer beantragte am 15. Januar 2007 beim Bezirksamt
Aarau als Schlichtungsstelle für das Mietwesen des Bezirks Aarau
(Mietschlichtungsbehörde), es sei festzustellen, dass die betriebene
Forderung nicht bestehe.

  Der Präsident I des Bezirksgerichts Aarau, an den die Akten offenbar
weitergeleitet worden waren, verfügte am 18. Januar 2007 wie folgt:

   "1. Dem Kläger wird eine Frist von 10 Tagen angesetzt, die Klage gemäss §
       167 ZPO zu verbessern.

    2. Aberkennungsklagen sind gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG direkt beim
       Gericht einzureichen.

    3. Innert 10 Tagen ist ein Kostenvorschuss von Fr. 500.- einzubezahlen."

  Der Beschwerdeführer gelangte dagegen mit kantonalrechtlicher Beschwerde
an das Obergericht des Kantons Aargau und verlangte, die Verfügung vom 18.
Januar 2007 aufzuheben und die Streitsache an die zuständige
Mietschlichtungsbehörde zu verweisen. Das Obergericht trat mit Urteil vom 7.
Mai 2007 auf die Beschwerde nicht ein.

  C.- Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Entscheid Beschwerde in
Zivilsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und
festzustellen, dass die Mietschlichtungsbehörde erstinstanzlich zuständig
ist. Die Sache sei sodann an die Mietschlichtungsbehörde, eventuell zur
neuen Entscheidung an das Obergericht des Kantons Aargau zurückzuweisen.
Eventualiter habe die Rückweisung insbesondere für den Kostenentscheid an
das Obergericht zu erfolgen.

  Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt das angefochtene
Urteil auf. Es stellt fest, dass die Mietschlichtungsbehörde

beim gegenwärtigen Stand des zwischen den Parteien hängigen Verfahrens
allein zur Behandlung der Streitsache (Aberkennungsklage) zuständig ist, und
weist die Sache zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens an die
Mietschlichtungsbehörde und zur Neuregelung der Kosten- und
Entschädigungsfolgen des obergerichtlichen Verfahrens an das Obergericht
zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob
ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17.
Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110], BGE 132 III 291 E. 1).

  2.1  Beim angefochtenen Urteil handelt es sich äusserlich um einen
Nichteintretensentscheid. Die Vorinstanz führte aus, die Verfügung des
Bezirksgerichtspräsidenten vom 18. Januar 2007 sei eine prozessleitende
Verfügung, die nach kantonalem Prozessrecht nur anfechtbar sei, wenn daraus
einer Partei ein nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehe. Es prüfte
alsdann aber die strittige Zuständigkeitsfrage und hielt dazu fest, die
Schlichtungsbehörde habe ihre sachliche Zuständigkeit zu Recht verneint und
das Bezirksgerichtspräsidium seine sachliche Zuständigkeit zu Recht bejaht.
Gestützt darauf hielt das Gericht fest, der Kläger habe nicht zu befürchten,
dass das Endurteil wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben werde und das
Verfahren dadurch erheblich verlängert werde. Damit fehle es an der
Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde, dass dem Beschwerdeführer durch
die Verfügung ein schwer wieder gutzumachender Nachteil entstehe, weshalb
auf die Beschwerde nicht einzutreten sei.

  Indem die Vorinstanz ihren Nichteintretensentscheid auf ihre positive
Beurteilung der Frage stützte, ob das Bezirksgericht seine Zuständigkeit zu
Recht bejaht habe, hat sie in Wahrheit in der Sache entschieden und damit
einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über die Zuständigkeit
gefällt. Gegen solche Entscheide ist die Beschwerde in Zivilsachen
grundsätzlich zulässig (Art. 92 BGG).

  2.2  Nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses ist auch ohne
ausdrückliche Vorschrift selbstverständlich, dass die Beschwerde gegen einen
Zwischenentscheid ausgeschlossen ist, wenn die Beschwerde gegen den
Endentscheid unzulässig ist (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001

S. 4202 ff., 4408 [Botschaft Bundesrechtspflege]). Selbständig eröffnete
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit sind demnach nicht in jedem Fall
mit Beschwerde anfechtbar, sondern nur dann, wenn es auch der Endentscheid
ist. Damit gelten namentlich die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 74
BGG auch für die Anfechtung von Zwischenentscheiden.

  2.3  In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde in
Zivilsachen nur zulässig, wenn - in mietrechtlichen Fällen - der Streitwert
mindestens 15'000 Franken beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Bei
Beschwerden gegen Vor- und Zwischenentscheide bestimmt sich der Streitwert
nach den Begehren, die vor der Instanz streitig sind, wo die Hauptsache
hängig ist (Art. 51 Abs. 1 lit. c BGG). Vorliegend beträgt der Streitwert
lediglich Fr. 2'866.-, weshalb sich die Beschwerde in Zivilsachen insofern
als unzulässig erweist.

  2.4  Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die
Beschwerde in Zivilsachen dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Der
Beschwerdeführer beruft sich auf diese Bestimmung.

  Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, so ist in der
Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art.
42 Abs. 2 BGG).

  Der Beschwerdeführer bringt vor, nach Art. 274a ff. OR seien
Mietstreitigkeiten erstinstanzlich durch die örtlich zuständige
Mietschlichtungsbehörde zu behandeln. Die Vorinstanz vertrete die
Auffassung, diese bundesrechtliche Zuständigkeitsregelung gelte nicht, wenn
dem Prozess ein Rechtsöffnungsverfahren vorausgegangen sei. Das
Bundesgericht habe die Frage noch nicht entschieden. Sie sei von
grundsätzlicher Bedeutung. Zudem bestünden im Kanton Aargau bei den
Bezirksgerichten unterschiedliche Auffassungen. Angesichts derartiger
Rechtsunsicherheit und der verfassungsrechtlichen Bedeutung von
Zuständigkeitsnormen sei es gerechtfertigt, dass das Bundesgericht Klarheit
schaffe.

  Die Frage, ob die Schlichtungsstelle in Mietangelegenheiten auch bei
Aberkennungsklagen (Art. 83 Abs. 2 SchKG) mit mietrechtlichem Gegenstand
anzurufen ist, hat das Bundesgericht bislang nicht entschieden. Die Frage
ist mithin neu.

  In der Lehre sind die Meinungen dazu geteilt (verneinend: HIGI, Zürcher
Kommentar, N. 51 zu Art. 274a OR, N. 15 zu Art. 274b OR; SVIT-Kommentar
Mietrecht, 2. Aufl., Zürich 1998, N. 9 zu Art. 274-274a OR; bejahend: WEBER,
Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 274a OR mit Hinweisen; LACHAT/STOLL/BRUNNER,
Mietrecht für die Praxis, 6. Aufl., Zürich 2005, S. 71; DANIEL STAEHELIN,
in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG I, Basel 1998, N. 41 zu Art. 83 SchKG;
ARISTIDE ROBERTI, Der Gerichtsstand [örtliche Zuständigkeit] der
Aberkennungsklage bei Streitigkeiten über die Miete von Wohn- und
Geschäftsräumen, mp 2004 S. 125 ff., 132; derselbe, Rechtsöffnungsverfahren
- Mietrechtliches Schlichtungsverfahren, mp 1994 S. 115 ff.; vgl. ferner
RAYMOND BISANG, Kommentar zum Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich
vom 18. September 2000, Mietrecht Aktuell [MRA] 2001 S. 24 ff.; ANDREAS
ZAPPALÀ, Kommentar zum Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 12. Januar
1995, MRA 1995 S. 107).

  Die Praxis in den Kantonen divergiert (vgl. namentlich die bei WEBER
[a.a.O., N. 2 zu Art. 274a OR] angegebenen Urteile kantonaler Gerichte).

  Es besteht ein allgemeines Interesse, dass diese sich oftmals stellende
Zuständigkeitsfrage, die das Bundesgericht mit freier Kognition prüfen kann,
höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung
des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen.
Namentlich bei Fragen der Zuständigkeit besteht ein besonderes Bedürfnis
nach einer möglichst baldigen Klärung der Rechtslage durch das
Bundesgericht, damit die Rechtsunsicherheit rasch beseitigt werden kann und
der Rechtssuchende Klarheit darüber erhält, bei welcher Instanz er den
Rechtsweg einzuschlagen hat. Es ist damit vorliegend von einer Rechtsfrage
von grundsätzlicher Bedeutung auszugehen (vgl. dazu namentlich Botschaft
Bundesrechtspflege, a.a.O., S. 4309; ANDREAS GÜNGERICH, in: Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz, Handkommentar, Bern 2007, N. 9 zu
Art. 74 BGG; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Kurzkommentar zum BGG, Zürich/St. Gallen
2006, N. 6 zu Art. 74 BGG; HANS PETER WALTER, Neue Zivilrechtspflege, in:
Tschannen [Hrsg.], Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische
Praxis [BTJP] 2006, Bern 2007, S. 119 f.; RAINER J. SCHWEIZER, Die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach dem neuen Bundesgerichtsgesetz, in:
Ehrenzeller/Schwander [Hrsg.], Reorganisation der Bundesrechtspflege

- Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, St. Gallen 2006, S. 224; PETER
KARLEN, Das neue Bundesgerichtsgesetz, Die wesentlichen Neuerungen und was
sie bedeuten, Basel 2006, S. 44; DENIS TAPPY, Le recours en matière civile,
in: Wurzburger et. al., La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Lausanne
2007, S. 51 ff., 70 f. Rz. 31 f.; FABIENNE HOHL, Le recours en matière
civile selon la Loi sur le Tribunal fédéral du 17 juin 2005, in:
Foëx/Hottelier/Jeandin [Hrsg.], Les recours au Tribunal fédéral, Genève
2007, S. 75 f.; TARKAN GÖKSU, Die Beschwerden ans Bundesgericht, St. Gallen
2007, S. 85 Rz. 171; KARIN MÜLLER, Einige Gedanken zum Begriff der
"Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" bei der Beschwerde in
Zivilsachen nach dem neuen Bundesgerichtsgesetz, in: Isaak Meier et al.,
Wege zum Bundesgericht in Zivilsachen nach dem Bundesgerichtsgesetz,
Zürich/St. Gallen 2007, S. 113 ff., insbes. S. 125 f.; CHRISTOPH AUER, Der
Rechtsweg in Zivilsachen, in: Ehrenzeller/Schwander [Hrsg.], a.a.O., S. 67
f.; MARCO CHEVALIER, Die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäss
Art. 74 Abs. 2 Bst. a BGG, Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozess- und
Zwangsvollstreckungsrecht [ZZZ] 2006 S. 325 ff.; MARTIN SARBACH, BGG und
Zivilverfahren, Jusletter vom 18. Dezember 2006, Rz. 8).

  Da sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, erweist
sich die Beschwerde in Zivilsachen als zulässig. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist darauf einzutreten.

Erwägung 3

  3.  Strittig ist, ob Aberkennungsklagen gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG in
mietrechtlichen Streitigkeiten beim Bezirksgericht (Mietgericht) oder bei
der Schlichtungsbehörde in Mietsachen nach Art. 274a ff. OR anhängig zu
machen sind.

  Die Vorinstanz vertritt im angefochtenen Urteil mit einem Teil der Lehre
(vgl. die Hinweise auf verschiedene Lehrmeinungen zur Frage in vorstehender
Erwägung 2.4) die Auffassung, der Bundesgesetzgeber habe die sachliche
Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde zur Behandlung von Aberkennungsklagen
ausgeschlossen. Zwar sei auch die Aberkennungsklage gemäss Art. 83 Abs. 2
SchKG eine materiell-rechtliche Klage. Doch stehe sie anders als die
Anerkennungsklage gemäss Art. 79 SchKG nicht am Anfang eines Zivilprozesses,
in dem Bemühungen um eine gütliche Beilegung der Streitigkeit noch Sinn
machten, sondern am Ende eines gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens, wo
solche Schlichtungsbemühungen sinnlos erschienen

und nur zu einer weiteren, im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot von Art.
274d Abs. 1 OR unzulässigen Verzögerung des Verfahrens führten. Entsprechend
habe der Gesetzgeber in der Vorschrift von Art. 83 Abs. 2 des revidierten
SchKG, die jünger sei als die entsprechende mietrechtliche Gesetzgebung, in
Kenntnis der in Lehre und Rechtsprechung umstrittenen
mietverfahrensrechtlichen Problematik bestimmt, dass der Betriebene innert
20 Tagen nach der Rechtsöffnung "beim Gericht" des Betreibungsortes auf
Aberkennung klagen könne.

Erwägung 4

  4.  Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst
nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen
auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die
Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon
der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten
verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige
Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes
Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen
pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen
Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen.
Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige
Frage eine klare Antwort geben (BGE 133 III 175 E. 3.3.1, 273 E. 3.2; 132
III 707 E. 2 S. 710 f., je mit Hinweisen).

Erwägung 5

  5.

  5.1  Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat aus Art. 274a ff. OR
abgeleitet, dass die Durchführung des Schlichtungsverfahrens grundsätzlich
in allen Streitigkeiten aus der Miete von Wohn- oder Geschäftsräumen
bundesrechtlich vorgeschrieben ist (BGE 118 II 307; vgl. auch BGE 132 III
747 E. 5.2; 124 III 21 E. 2b S. 23; 120 II 112 E. 3b/bb S. 114 f.; 119 Ia
264 E. 4a; Urteil 4P.80/2002 vom 16. Mai 2002, publ. in: Pra 91/2002 Nr. 213
S. 1133). In diesem Umfang schränkt das Bundesrecht die Verfahrenshoheit der
Kantone (Art. 274 OR) ein, so dass die bundesrechtliche Regelung
anderslautenden kantonalrechtlichen Bestimmungen vorgeht. Wo das
Schlichtungsverfahren vorgeschrieben ist, bildet seine Durchführung
Voraussetzung eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens. Der Richter
tritt auf eine Klage nur ein, wenn vorgängig die Schlichtungsbehörde nach
Art. 274e Abs. 2 OR das Misslingen einer Einigung festgestellt oder im
Rahmen ihrer Kompetenzen einen Sachentscheid gefällt hat

(BGE 119 Ia 264 E. 4a; Urteil 4C.252/2002 vom 8. November 2002, E. 5.1,
publ. in: Cahiers du bail [CdB] 2003 S. 33 ff.; WEBER, a.a.O., N. 2 zu Art.
274a OR; LACHAT/STOLL/BRUNNER, a.a.O., S. 69).

  Das Obligatorium des Schlichtungsverfahrens steht im Dienste des raschen,
einfachen und billigen Verfahrens. Der Regelungsgedanke der entsprechenden
Bestimmungen findet seine rechtspolitische Rechtfertigung in der Sachnähe
der Behörde und in der sozialrechtlichen Besonderheit mietrechtlicher
Streitigkeiten, namentlich aus dem Bereich der Wohnungs- und der
Geschäftsmiete (BGE 120 II 112 E. 3b/bb S. 114 f.; 118 II 307 ff.; Urteil
4C.274/1999 vom 17. November 1999, E. 2). Das Verfahren vor der paritätisch
zusammengesetzten (Art. 274a Abs. 2 OR) Schlichtungsbehörde ist primär auf
die Herbeiführung einer Einigung ausgerichtet (Art. 259i Abs. 2, Art. 273
Abs. 4, Art. 274a Abs. 1 lit. b und Art. 274e Abs. 1 OR; Urteil 4P.316/1994
vom 19. Mai 1995, E. 4b). Die Rechtsuchenden können sich von der
Schlichtungsbehörde beraten lassen (Art. 274a Abs. 1 lit. a OR). Das
Verfahren wird vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Bei Scheitern einer
Einigung hat es im Wesentlichen bloss die Bedeutung eines summarischen
Vorverfahrens, in welchem die Parteirollen für ein allfällig nachfolgendes
Justizverfahren festgelegt werden (Art. 274f Abs. 1 OR; BGE 119 Ia 264 E. 4a
mit Hinweisen).

  5.2  Die Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) ist eine negative
Feststellungsklage, mit der die Feststellung des Nichtbestehens der in
Betreibung gesetzten Forderung verlangt werden kann. Es ist eine
materiellrechtliche Klage, die sich mit Ausnahme der Verteilung der
Parteirollen und des Gerichtsstands grundsätzlich nicht von einer
ordentlichen Feststellungsklage oder einer Anerkennungsklage nach Art. 79
SchKG, deren Spiegelbild sie bildet, unterscheidet (BGE 131 III 268 E. 3.1;
130 III 285 E. 5.3.1 und 5.3.3; 128 III 44 E. 4a S. 46 f.; 124 III 207 E.
3b/aa, je mit Hinweisen). Die Aberkennungsklage soll primär klären, ob der
zwischen den Parteien streitige Anspruch materiell besteht und so der
Verwirklichung des materiellen Rechts dienen (BGE 128 III 44 E. 4c S. 47 mit
Hinweisen).

  Ist die Aberkennungsklage eine materiellrechtliche Klage, die sich
lediglich hinsichtlich der Parteirollen von einer "normalen" Klage
unterscheidet, untersteht sie grundsätzlich der Prozessvoraussetzung des
durchgeführten Schlichtungsverfahrens, soweit sie eine Streitigkeit aus der
Miete von Wohn- oder Geschäftsräumen betrifft.

  5.3  Die Vorinstanz hält indessen dafür, bei Aberkennungsklagen sei eine
Ausnahme vom Erfordernis des Schlichtungsverfahrens zu machen, weil diesem
bereits das Rechtsöffnungsverfahren vorausgegangen sei. Damit erschienen
Schlichtungsbemühungen in einem weiteren summarischen Verfahren sinnlos und
würden lediglich das Verfahren unzulässigerweise verzögern. Die
Aberkennungsklage biete dem Schuldner, der bereits im summarischen
Rechtsöffnungsverfahren und damit in einem kontradiktorischen Verfahren
unterlegen sei, das letzte Verteidigungsmittel, um den Gläubiger an der
Fortsetzung der Betreibung, das heisse Zwangsvollstreckung der Forderung, zu
hindern. Da die Aberkennungsklage nicht am Anfang eines gerichtlichen
Verfahrens stehe, sondern bereits ein solches voraussetze, sei eine
Vermittlungsverhandlung vor dem Friedensrichter bzw. der Schlichtungsbehörde
nicht mehr angezeigt; diese Behörden hätten nichts mehr zu vermitteln.

  Damit verkennt die Vorinstanz indessen, dass das Rechtsöffnungsverfahren
im Unterschied zum Aberkennungsverfahren keinen materiellrechtlichen
Gegenstand hat. Es hat ausschliesslich betreibungsrechtlichen Charakter. Im
provisorischen Rechtsöffnungsverfahren wird nur darüber entschieden, ob die
Betreibung - unter Vorbehalt der Aberkennungsklage des Schuldners -
weitergeführt werden kann oder ob der Gläubiger auf den ordentlichen
Prozessweg (Anerkennungsklage) verwiesen wird. Demgegenüber steht im
Forderungsprozess die materielle Begründetheit der Forderung in Frage. Damit
stehen in den beiden Verfahren nicht gleiche Fragen zur Diskussion (vgl.
dazu BGE 120 Ia 82 E. 6c S. 84 f.; 100 III 48 E. 3 S. 50, je mit Hinweisen).

  Im Verfahren der provisorischen Rechtsöffnung prüft der Richter bloss, ob
die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch
Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung beruhe (Art. 82 SchKG). Der
Schuldner kann zu seiner Verteidigung neben formellen Einwänden das Fehlen
eines Rechtsöffnungstitels, dessen Ungültigkeit oder Unwirksamkeit geltend
machen. Ausserdem kann er sich auf Tilgung oder Stundung berufen oder
Verjährung geltend machen (Art. 81 Abs. 1 SchKG). Die Prüfungszuständigkeit
des Rechtsöffnungsrichters umfasst ausschliesslich Fragen im Zusammenhang
mit der Tauglichkeit der präsentierten Urkunden. Bei Verweigerung der
Rechtsöffnung ist der Gläubiger bzw. bei Erteilung der Rechtsöffnung der
Schuldner darauf angewiesen, den Weg des ordentlichen Forderungsprozesses
(Anerkennungsverfahren

bzw. Aberkennungsverfahren) zu beschreiten. Diesfalls wird über die
materielle Begründetheit der Forderung im ordentlichen Verfahren
entschieden. Dieses richtet sich nach dem kantonalen Verfahrensrecht, soweit
das Bundesrecht keine abweichenden Vorschriften aufstellt. Dem Gläubiger
stehen für die Begründung seiner Forderung im Rahmen des Verfahrensrechts
sämtliche Angriffsmittel und sämtliche Beweismittel zur Verfügung. Auf der
andern Seite kann sich der Schuldner mit allen Mitteln gegen die Forderung
zur Wehr setzen. Der Richter befindet schliesslich aufgrund des
vollständigen Beweisverfahrens und der umfassenden Würdigung über das
Bestehen der eingeklagten Forderung (BGE 120 Ia 82 E. 4b S. 83 f. mit
Hinweisen).

  Angesichts der auf Fragen im Zusammenhang mit der Tauglichkeit der
präsentierten Urkunden als Rechtsöffnungstitel beschränkten
Prüfungszuständigkeit des Richters im Verfahren auf provisorische
Rechtsöffnung bleibt die Frage nach der materiellen Begründetheit der
Forderung sowohl nach verweigerter als auch nach erteilter provisorischer
Rechtsöffnung offen. Auch hat das Rechtsöffnungsverfahren nicht zum Ziel,
eine Einigung der Parteien herbeizuführen. Somit kann nicht gesagt werden,
im Anschluss an dieses Verfahren sei ein Versuch sinnlos, die Parteien in
einem Schlichtungsverfahren zu einer Einigung zu bewegen, bevor ein
Aberkennungsprozess im ordentlichen Verfahren mit entsprechenden
Kostenfolgen geführt wird. Denn im Schlichtungsverfahren kann den Parteien
ein Vergleichsvorschlag unterbreitet werden, der sich auf die erstmalige -
wenn auch bloss summarische - Beurteilung der materiellen Rechtslage durch
eine Behörde stützt, die über die Tauglichkeitsprüfung der vom Gläubiger
vorgelegten Urkunden als Rechtsöffnungstitel hinausgeht. Mithin kann nicht
gesagt werden, ein solcher Einigungsversuch sei sinnlos, bloss weil ihm ein
Rechtsöffnungsverfahren vorangegangen ist. Es rechtfertigt sich insoweit
nicht, den Parteien die Möglichkeit zu entziehen, die Streitsache rasch,
einfach (Art. 274d Abs. 1 OR) und kostenlos im Verfahren vor der
Schlichtungsbehörde zu erledigen.

  5.4  Auch aus dem Wortlaut der Vorschrift von Art. 83 Abs. 2 SchKG, wonach
der Betriebene innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des
ordentlichen Prozesses "beim Gericht" des Betreibungsortes auf Aberkennung
der Forderung klagen kann, lässt sich nicht ableiten, dass bei
Aberkennungsklagen eine Ausnahme

vom Grundsatz zu machen wäre, dass zunächst die Schlichtungsstelle anzurufen
ist.

  Die Vorschrift in Art. 83 Abs. 2 SchKG, innert 20 Tagen "das Gericht"
anzurufen, hat nicht den Sinn, gesetzlich vorgesehene Verfahren zur Einigung
der Parteien auszuschliessen. Sie verlangt zur Wahrung der Klagefrist
lediglich die Klageanhebung mittels derjenigen prozessleitenden oder
vorbereitenden Handlung des Klägers, mit der er zum ersten Mal in bestimmter
Form für den von ihm erhobenen Anspruch (Feststellung des Nichtbestehens der
Forderung) den Richter anruft. Dabei wird das Verfahren bzw. die Form der
Klageeinleitung durch das kantonale Prozessrecht geregelt, soweit nicht das
Bundesrecht - wie im vorliegenden Fall - eine Vorschrift enthält
(FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Bd. I, 3. Aufl., Zürich 1984, S. 270 f.; STAEHELIN, a.a.O., N. 30 zu Art. 83
SchKG; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour
dettes et la faillite, Lausanne 1999-2003, N. 70 zu Art. 83 SchKG). Für die
Frage, wann die Klage angehoben und ob damit die Verwirkungsfrist für die
Aberkennungsklage gewahrt sei, ist sodann nie das kantonale Prozessrecht,
sondern stets die bundesrechtliche Definition des Begriffs der Klageanhebung
massgebend (BGE 119 II 434 E. 2a; vgl. VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des
Zivilprozessrechts, 8. Aufl., Bern 2006, § 39 Rz. 30;
LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton
Bern, 5. Aufl., N. 1 zu Art. 97-98 ZPO/BE; GILLIÉRON, a.a.O., N. 70 zu Art.
83 SchKG; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, 4. Aufl., Zürich 1997, Bd. I, N. 10 zu Art. 83 SchKG).

  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird eine bundesrechtliche
Klagefrist durch Anrufung des Sühnebeamten gewahrt, wenn dieser die
Streitsache gemäss kantonalem Prozessrecht mangels Aussöhnung von Amtes
wegen an das Gericht weiterzuleiten hat oder wenn zwischen dem Sühne- und
dem eigentlichen Prozessverfahren nach kantonalem Recht ein Zusammenhang
wenigstens in dem Sinne besteht, dass der Kläger den Streit innert einer
gewissen Frist nach Abschluss des Sühneverfahrens vor den urteilenden
Richter bringen muss, um die Verwirkung des Klagerechts oder andere
Rechtsnachteile zu vermeiden, und der Kläger diese Frist im konkreten Fall
auch wirklich eingehalten hat (BGE 111 II 186 E. 8; 98 II 181 E. 11; 82 II
587 E. 2a, je mit Hinweisen). Den entsprechenden Anforderungen an die
Klageanhebung zur Wahrung der Klagefrist gemäss Art. 83

Abs. 2 SchKG genügt auch das bundesrechtlich vorgesehene
Schlichtungsverfahren in Mietsachen. Hat die Schlichtungsbehörde mangels
Einigung einen Entscheid gefällt, so wird dieser rechtskräftig, wenn die
Partei, die unterlegen ist, nicht innert 30 Tagen den Richter anruft; hat
die Behörde bloss das Nichtzustandekommen der Einigung festgestellt, so muss
die Partei, die auf ihrem Begehren beharrt, innert 30 Tagen den Richter
anrufen (Art. 274f Abs. 1 OR).

  Somit besteht aufgrund des Wortlauts von Art. 83 Abs. 2 SchKG kein Anlass,
das bundesrechtlich vorgesehene Schlichtungsverfahren als
prozessvorbereitende Handlung bei einer Aberkennungsklage auszuschliessen.
Genügt für die Wahrung der in dieser Bestimmung festgelegten Klagefrist von
20 Tagen, dass ein kantonales Sühnverfahren, mit dem die Klage im
bundesrechtlichen Sinne angehoben wird, eingeleitet ist, so muss auch ein
bundesrechtlich obligatorisch vorgesehenes Sühnverfahren, mit dem die Klage
angehoben wird, ausreichend und erforderlich sein (STAEHELIN, a.a.O., N. 41
zu Art. 83 SchKG). Demnach genügt die Einleitung des Verfahrens vor der
Schlichtungsstelle zur Wahrung der Klagefrist nach Art. 83 Abs. 2 SchKG.

  5.5  Im Lichte des Dargelegten kann auch aus dem Umstand, dass der
Gesetzgeber den Wortlaut von Art. 83 Abs. 2 SchKG in der am 1. Januar 1997
in Kraft getretenen SchKG-Revision (AS 1995 S. 1227, 1307) unverändert
belassen und inhaltlich nur insoweit eine Änderung vorgenommen hat, als er
die Frist zur Erhebung der Aberkennungsklage von 10 auf 20 Tage verlängert
hat, von vornherein nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber das
Schlichtungsverfahren bei Aberkennungsklagen mit mietrechtlichem Inhalt
ausschliessen wollte. Nach dem Ausgeführten (vorstehende E. 5.4) bestand
kein Anlass, den Gesetzestext in dem Sinne zu präzisieren, dass bei
Mietsachen die Anrufung der Schlichtungsstelle innerhalb der 20-tägigen
Frist genüge. Vielmehr hätte der Gesetzgeber wohl eine ausdrückliche
Regelung erlassen, wenn er bei Aberkennungsklagen eine Ausnahme von der
grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Einleitung von mietrechtlichen
Verfahren bei der Schlichtungsbehörde (E. 5.1 vorne) hätte statuieren
wollen. Mit der blossen Belassung des Wortlautes von Art. 83 Abs. 2 SchKG
hat er keinesfalls aufgezeigt, dass eine Ausnahme von der Regel gelten
sollte, nach der die Anrufung der Schlichtungsbehörde in mietrechtlichen
Streitigkeiten zur Wahrung der 20-tägigen Verwirkungsfrist genügend und
erforderlich ist. Überdies lässt sich den Materialien nicht entnehmen, dass
der Gesetzgeber

bei der Revision von Art. 83 Abs. 2 SchKG überhaupt an die zu dieser Frage
bestehende Kontroverse in Lehre und Rechtsprechung gedacht hat (vgl.
namentlich Botschaft vom 8. Mai 1991 über die Änderung des SchKG, BBl 1991
III 1 ff., S. 66; AB 1993 N S. 19; AB 1993 S S. 645; AB 1994 S S. 730 f.),
wie in der Literatur (SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 9 zu Art. 274-274a OR S.
968) ohne Hinweise auf Belegstellen geltend gemacht wird. Schon deshalb kann
aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Wortlaut von Art. 83 Abs. 2 SchKG
unverändert belassen hat, nichts abgeleitet werden.

  5.6  Indem die Vorinstanz auf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers mit
der Begründung nicht eingetreten ist, die Schlichtungsstelle habe ihre
Zuständigkeit vorliegend zu Recht verneint und das Bezirksgericht habe seine
Zuständigkeit zu Recht bejaht, hat sie Bundesrecht (Art. 274a ff. OR und
Art. 83 Abs. 2 SchKG) verletzt.