Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 585



Urteilskopf

133 III 585

  77. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
  5A_36/2007 / 5A_391/2007 vom 20. August 2007

Regeste

  Eheschutz; Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht; Kanton Zürich;
letztinstanzlicher kantonaler Entscheid.

  Mit der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 ff. ZPO/ZH) gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich über Eheschutzmassnahmen an das
Kassationsgericht des Kantons Zürich können alle vor Bundesgericht
zulässigen Rügen erhoben werden. Einzig der Beschluss des Kassationsgerichts
gilt demnach als letztinstanzlicher Entscheid im Sinn von Art. 75 Abs. 1 BGG
(E. 3).

  Anforderungen an die Begründung der Beschwerde in Zivilsachen gegen den
Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG (E. 4.1).

Sachverhalt

  X. (nachfolgend: Beschwerdeführer) strengte gegen Y. ein
Eheschutzverfahren an. Er zog den erstinstanzlichen Entscheid an das
Obergericht des Kantons Zürich weiter und gelangte gegen dessen Beschluss
vom 16. Januar 2007 mit Beschwerde in Zivilsachen vom 19. Februar 2007 an
das Bundesgericht (5A_36/2007). Zusätzlich focht er den obergerichtlichen
Beschluss mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des
Kantons Zürich an. Dessen Beschluss vom 4. Juni 2007 zog er mit Beschwerde
in Zivilsachen vom 11. Juli 2007 an das Bundesgericht weiter (5A_391/2007).
In dieser Eingabe ergänzte er überdies die gegen den obergerichtlichen
Beschluss eingereichte Beschwerde. In beiden Rechtsmitteln ersucht er darum,
seinen Anträgen zu entsprechen. Das Bundesgericht vereinigt beide
Beschwerdeverfahren und tritt auf beide Beschwerden nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.

  3.1  Die Beschwerde 5A_36/2007 richtet sich gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Januar 2007. Die Beschwerde in
Zivilsachen ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen.
Nicht erforderlich ist die Einlegung eines ausserordentlichen Rechtsmittels,
mit welchem nicht alle vor Bundesgericht zulässigen Rügen erhoben werden
können. Wird das ausserordentliche kantonale Rechtsmittel aber ergriffen,
beginnt die Beschwerdefrist gegen den Entscheid des oberen kantonalen
Gerichts erst mit der Eröffnung des Entscheids der zusätzlichen
Rechtsmittelinstanz (Art. 100 Abs. 6 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005
über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]). Können allerdings mit dem
ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel alle vor Bundesgericht zulässigen
Rügen geltend gemacht werden, erfordert Art. 75 Abs. 1 BGG die Erschöpfung
dieses kantonalen Rechtsmittelzuges und ist die Beschwerde gegen den
Entscheid des oberen kantonalen Gerichts unzulässig.

  3.2  Zu prüfen ist daher zunächst, ob vor dem Kassationsgericht alle vor
Bundesgericht zulässigen Rügen geltend gemacht werden

konnten. Nach § 281 ZPO/ZH kann gegen Vor-, Teil-, und Endentscheide sowie
gegen Rekursentscheide und Rückweisungen im Berufungsverfahren
Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden, wenn geltend gemacht wird, der
angefochtene Entscheid beruhe zum Nachteil des Nichtigkeitsklägers auf einer
Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes (Ziff. 1), auf einer
aktenwidrigen oder willkürlichen tatsächlichen Annahme (Ziff. 2) oder auf
einer Verletzung klaren materiellen Rechts (Ziff. 3). Ausgeschlossen ist die
Nichtigkeitsbeschwerde, wenn das Bundesgericht einen Mangel frei überprüfen
kann (§ 285 Abs. 2 ZPO/ZH; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur
zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2000, N. 6 zu § 285
ZPO/ZH).

  3.3  Eheschutzentscheide gelten nach der Rechtsprechung als vorsorgliche
Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 133 III 393 E. 5), so dass nur die
Verletzung verfassungsmässiger Rechte, namentlich des Willkürverbots (Art. 9
BV), geltend gemacht werden kann.

  3.4  Mit der gegen den Beschluss des Obergerichts erhobenen Beschwerde in
Zivilsachen rügt der Beschwerdeführer unter anderem die Verletzung von Art.
8 Abs. 3 (Gleichberechtigung von Mann und Frau), Art. 29 Abs. 1, Art. 11
Abs. 1 (Anspruch der Kinder auf Unversehrtheit) und Art. 27 BV
(Wirtschaftsfreiheit). Verfassungsrügen überprüft das Bundesgericht an sich
frei. Artikel 8 Abs. 3, Art. 11 Abs. 1 und Art. 27 BV kommt indes
hinsichtlich des im ZGB geregelten Eheschutzes und der Kinderbelange keine
eigenständige Bedeutung zu, was vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet
wird. Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.

  Nach herrschender Auffassung ist eine eher weite Auslegung des Begriffes
des wesentlichen Verfahrensgrundsatzes gemäss § 281 Ziff. 1 ZPO/ZH
angezeigt. Darunter fallen nicht nur Vorschriften des kantonalen
Zivilprozessrechts, sondern ebenso bundesrechtliche Verfahrensgrundsätze
(FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 16 und 17 zu § 281 Ziff. 1 ZPO/ZH).
Artikel 29 BV handelt von den Verfahrensgarantien. Dessen Absatz 1
umschreibt allgemeine Rechte, wie etwa das Verbot der Rechtsverweigerung und
-verzögerung sowie das Verbot des überspitzten Formalismus (MAHON, in:
Aubert/Mahon, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la
Confédération suisse, 2003, N. 4 zu Art. 29 BV), während Absatz 2 den
Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet. Absatz 3 schliesslich

regelt die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Bezug auf die Ansprüche gemäss
den Absätzen 2 und 3 gehen Lehre und Rechtsprechung davon aus, es handle
sich um vom Kassationsgericht frei zu prüfende wesentliche
Verfahrensgrundsätze im Sinn von § 281 Ziff. 1 ZPO/ZH (für das rechtliche
Gehör: SPÜHLER/VOCK, Rechtsmittel in Zivilsachen im Kanton Zürich und im
Bund, 1999, S. 67; BGE 104 Ia 408 E. 3b S. 411; für die unentgeltliche
Rechtspflege: SPÜHLER/VOCK, a.a.O., S. 67; ZR 97/1998 Nr. 31 S. 92 f., E.
2; 104/2005 Nr. 9 S. 26 f., E. 2.2b). Die in Art. 29 Abs. 1 BV umschriebenen
Verfahrensgarantien gelten somit wie die vorgenannten Ansprüche als
wesentliche Verfahrensgrundsätze im Sinn von § 281 Ziff. 1 ZPO/ZH.

  Auch die übrigen Rügen konnten mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde
geltend gemacht werden. Das gilt für die aktenwidrigen oder willkürlichen
Annahmen (§ 281 Ziff. 2 ZPO/ZH) ebenso wie für die bezüglich der
Bestimmungen des Eheschutzes und der Kinderbelange erhobene Kritik der
Verletzung klaren materiellen Rechts (§ 281 Ziff. 3 ZPO/ZH), die im
Wesentlichen der Rüge der Verletzung des Willkürverbots entspricht.

  3.5  Konnten aber mit dem kantonalen ausserordentlichen Rechtsmittel alle
vor Bundesgericht zulässigen Rügen geltend gemacht werden, ist die gegen den
Beschluss des Obergerichts erhobene Beschwerde vom 19. Februar 2007 mangels
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges unzulässig; darauf ist nicht
einzutreten. Da bei dieser Rechtslage insbesondere auch Art. 100 Abs. 6 BGG
nicht zur Anwendung gelangt (E. 3.1 hiervor), ist auf die Ergänzung der
Beschwerde vom 19. Februar 2007 durch die Eingabe vom 11. Juli 2007 nicht
einzutreten.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Mit der Beschwerde 5A_391/2007 richtet sich der Beschwerdeführer
gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Juni
2007. Da gegen Eheschutzentscheide nur die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte geltend gemacht werden kann, gelangen die Art. 95 und 97 BGG und auch
Art. 105 Abs. 2 BGG nicht zur Anwendung. Die hier gegebenen Verhältnisse
entsprechen denjenigen bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113
ff. BGG). Wie dort (Art. 118 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 116 BGG) kommt
eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen ebenfalls
hier nur dann in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte
verletzt hat. Wird Letzteres

geltend gemacht, ist neben der Erheblichkeit der gerügten
Tatsachenfeststellung für den Ausgang des Verfahrens klar und detailliert
darzutun, inwiefern diese verfassungswidrig, insbesondere willkürlich (Art.
9 BV), offensichtlich unhaltbar sein soll, d.h. mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch stehe, auf einem offenkundigen Versehen
beruhe oder sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen lasse (BGE 130 I 258
E. 1.3 S. 261 f.; 128 I 81 E. 2 S. 86; 120 Ia 31 E. 4b S. 40, mit
Hinweisen). Demnach prüft das Bundesgericht auch weiterhin nur klar und
einlässlich erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Hingegen tritt es
auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht ein. Macht
der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbotes geltend, muss er
anhand des angefochtenen Entscheides im Einzelnen darlegen, inwiefern dieser
im Ergebnis an einem qualifizierten Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3).
Allgemeine Einwendungen gegen den angefochtenen Entscheid und Ausführungen
zur Arbeitsweise der Vorinstanz werden hingegen nicht berücksichtigt.