Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 568



Urteilskopf

133 III 568

  74. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. British
Broadcasting Corporation (BBC) und Swissperform gegen GGA-Maur (Beschwerde
in Zivilsachen)
  4A_78/2007 vom 9. Juli 2007

Regeste

  Urheberrecht; Weitersenderecht der Sendeunternehmen (Art. 37 lit. a URG);
Wahrnehmung des Verbotsrechts durch die Verwertungsgesellschaft (Art. 22
Abs. 1 URG); Gebot der Verwertung nach festen Regeln (Art. 45 Abs. 2 URG).

  Die Ausübung der Verbotsansprüche der Sendeunternehmen erfolgt gemäss Art.
38 URG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 URG zwingend durch die
Verwertungsgesellschaft (E. 4). Die Verwertungsgesellschaft muss die
Verwertung nach festen Regeln besorgen, die im Bereich der Rechtswahrnehmung
durch den anwendbaren Tarif festgelegt werden; ein Instruktionsrecht des
Sendeunternehmens für den Einzelfall ist ausgeschlossen (E. 5).

Sachverhalt

  A.- Die British Broadcasting Corporation (Beschwerdeführerin 1), ein
Rundfunkunternehmen mit Sitz in Grossbritannien, sendet ihre
Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis digital über den Satelliten
Astra 2D, Pos. 28.2°, aus. Die Swissperform (Beschwerdeführerin 2) ist eine
der konzessionierten Verwertungsgesellschaften im Sinn von Art. 40 ff. des
Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte
Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG; SR 231.1). Sie nimmt diejenigen
Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler, der Hersteller von Ton- und
Tonbildträgern sowie der Sendeanstalten wahr, die nur über eine zugelassene
Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können.

  Die Genossenschaft GGA-Maur (Beschwerdegegnerin) betreibt eine
Gemeinschaftsantennenanlage. Gemäss Handelsregisterauszug vom 16. Juni 2004
erstellt und betreibt sie auf gemeinnütziger Basis ein Kabelnetz
(Antennenkabelnetz) mit eigener Kopfstation für das Gebiet der Gemeinde Maur
und weiterer Gemeinden in der Region Greifensee - Pfannenstiel. Die Anlage
dient dem Zweck, die angeschlossenen Haushaltungen mit Fernseh- und
Radioprogrammen zu versorgen. Die Beschwerdegegnerin bietet ihren Abonnenten
neben anderen Programmen auf einer digitalen Plattform auch die
englischsprachigen Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis an.

  A.a Die Beschwerdeführerin 2 und die vier anderen konzessionierten
Verwertungsgesellschaften haben einen gemeinsamen Tarif (im Folgenden: GT) 1
über die Entschädigung für die Verbreitung geschützter Werke und Leistungen
in Kabelnetzen erlassen.

  Nach Ziffer 2.1 des GT 1 in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden
Fassung bezieht sich der Tarif

   "auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen, soweit
    diese in Radio- und Fernsehprogrammen enthalten sind,

    - die für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum
      Liechtenstein bestimmt sind und

    - die in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen
      Geräten individuell empfangbar sind und

    - die zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden (Art. 10 Abs. 2
      lit. e i.V.m. Art. 22 Abs. 2 CH-URG [...])".

  In der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung lautet die Ziffer 2.1 des
GT 1 wie folgt:

    2.1    Definition der im Tarif geregelten Weitersendung

    1 Dieser Tarif bezieht sich auf die Weitersendung von Werken und
    Leistungen in Kabelnetzen in der Schweiz und/oder im Fürstentum
    Liechtenstein, unabhängig von der angewendeten Übertragungstechnologie,
    soweit diese Werke und Leistungen in Radio- und Fernsehprogrammen
    enthalten sind:

    - die für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum
      Liechtenstein bestimmt sind und

    - deren terrestrisch oder über Satellit verbreitetes Signal in der
      Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten
      (z.B. Satellitenschüssel von max. 1 m Durchmesser, Decoder in der
      Schweiz für Private legal erwerbbar) individuell empfangbar sind und

    - die zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden

    (im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e, Art. 33 Abs. 2 lit. b, Art. 35,
    Art. 37 lit. a und Art. 38 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 CH-URG [...]).

    2 Verschlüsselte Programme fallen unter diesen Tarif, wenn der freie
    Empfang durch Privathaushalte in der Schweiz und/oder im Fürstentum
    Liechtenstein vom Programmveranstalter trotz Verschlüsselung
    gewährleistet wird.

    3 Der Grundsatz der unveränderten Weiterverbreitung bedeutet, dass das
    Programm nicht verändert werden darf. Dieser Grundsatz bezieht sich auch
    auf die im Programm enthaltene Werbung.

    4 Zeitgleich bedeutet, dass sich allfällige Zeitverschiebungen auf das
    von der verwendeten Übertragungstechnologie bedingte Mass beschränken.

  Die Entschädigungen für die Verbreitung der Werke und Leistungen in den
Kabelnetzen werden von der Suissimage eingezogen.

  A.b Mit E-Mail vom 30. Januar 2004 ersuchte die Swisscable Verband für
Kommunikationsnetze (im Folgenden: Swisscable) die Suissimage um eine
Bestätigung der Freistellung gemäss Ziffer 2.2 der damals gültigen Fassung
des GT 1 mit der Begründung, BBC 1 und BBC 4 seien in der Schweiz frei
empfangbar und die Voraussetzungen für die Abgeltung gemäss GT 1 daher
gegeben. Mit E-Mail vom 4. Februar 2004 stellte sich die Suissimage auf den
Standpunkt, das Einspeisen von BBC 1 und BBC 4 in Schweizer Kabelnetze
stelle eine Erstverbreitung dar, da die Programme nicht für den Kontinent
bestimmt seien. Hinsichtlich einer derartigen Erstverbreitung seien die
Musikrechte über den GT 1 abgegolten, nicht aber die Rechte am Bildteil, die
von Kabelbetreibern bei den einzelnen Rechteinhabern zu erwerben seien. Mit
E-Mail vom 9. Februar 2004

ersuchte die Swisscable erneut um eine Bestätigung, wonach der Empfang und
die Weiterverbreitung der genannten Programme als Weitersendungen im Sinn
des GT 1 und damit als abgegolten zu betrachten seien. Die Suissimage wies
das Ersuchen wiederum mit der Begründung ab, das Einspeisen von BBC 1 und
BBC 4 in Schweizer Kabelnetze stelle keine Weitersendung dar. Mit Schreiben
vom 2. April 2004 ersuchte die Beschwerdeführerin 1 die Beschwerdegegnerin,
BBC 1 und BBC 4 unverzüglich aus dem digitalen Angebot zu nehmen, worauf die
Beschwerdegegnerin mitteilte, sie sei berechtigt, diese Programme
weiterzusenden. Mit Schreiben vom 28. Mai 2004 hielt die Beschwerdeführerin
1 an ihrer Auffassung fest, BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis seien nicht für die
Schweiz bestimmt und würden von den schweizerischen Kabelnetzbetreibern ohne
Erlaubnis in die Netze eingespeist.

  B.- Mit Klageschrift vom 18. Juni 2004 beantragten die
Beschwerdeführerinnen dem Obergericht des Kantons Zürich, es sei der
Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu verbieten, die Fernsehprogramme
BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis ohne Zustimmung einer der Beschwerdeführerinnen
in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten.

  Das Obergericht wies die Klagen mit Urteil vom 23. Februar 2007 ab. Es kam
zum Schluss, die Beschwerdeführerin 1 könne ein ihr allfällig zustehendes
Verbotsrecht nicht selbst, sondern nur über eine Verwertungsgesellschaft
ausüben, weshalb ihre Klage abzuweisen sei. Die Verwertungsgesellschaft
ihrerseits müsse die Verwertung gemäss Art. 45 Abs. 2 URG nach festen Regeln
vornehmen. Verbote müssten deshalb sachlich gerechtfertigt sein und nach
festen Regeln voraussehbar ausgesprochen werden. Dies werde missachtet, wenn
sich die Verwertungsgesellschaft in einem konkreten Einzelfall auf den
Willen und die individuelle Interessenlage eines einzelnen Sendeunternehmens
berufe. Es lägen keine schützenswerten Gründe vor, welche die Verweigerung
der Nutzungserlaubnis rechtfertigen würden. Darüber hinaus widersetze sich
die Beschwerdeführerin 1 der Verbreitung ihrer Programme in der Schweiz
durch Direktempfang nicht, obwohl sie dies mittels technischer Massnahmen
mit zumutbarem Aufwand verhindern könnte. Die Anwendbarkeit des GT 1 setze
nicht voraus, dass die Programme zur Kabelweiterverbreitung in der Schweiz
bestimmt sein müssten. Die Programme ständen also mit dem stillschweigenden
Einverständnis der Beschwerdeführerin 1 jedem Privaten in der Schweiz zur
Verfügung

und müssten damit im Sinn des GT 1 als für die Allgemeinheit in der Schweiz
bestimmt gelten. Die Beschwerdeführerin 2 sei auch aus diesem Grund dazu
verpflichtet, die Erlaubnis zur Weitersendung der über die Programme BBC 1,
BBC 4 und BBC CBeebis gesendeten Werke und Leistungen zu erteilen, weshalb
ihre Klage abzuweisen sei.

  C.- Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 30. März 2007 beantragen die
Beschwerdeführerinnen dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 23. Februar 2007 sei aufzuheben und es sei der
Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu verbieten, die Fernsehprogramme
BBC 1 und 4 sowie CBeebis ohne Zustimmung einer der Beschwerdeführerinnen in
ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde
ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

  4.  Die Beschwerdeführerinnen werfen der Vorinstanz vor, die
Klageberechtigung der Beschwerdeführerin 1 zu Unrecht abgelehnt zu haben.
Art. 22 Abs. 1 URG komme auf die Weiterverbreitungsrechte der
Sendeunternehmen nur unter dem Vorbehalt zur Anwendung, dass das
Sendeunternehmen mit der Weiterverbreitung seiner Sendung einverstanden sei
und die Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung dieser Rechte beauftragt
habe.

  4.1  Nach Art. 37 lit. a URG hat das Sendeunternehmen das ausschliessliche
Recht, seine Sendung weiterzusenden. Dieses Recht gehört zu den in Art. 33
ff. URG geregelten sog. verwandten Schutzrechten, die jene Personen
absichern, die vorhandene Werke wiedergeben oder Werkexemplare realisieren
und damit unabdingbare Leistungen für die Vermittlung von Werken erbringen
(AUF DER MAUR, in: Müller/Oertli, Urheberrechtsgesetz [URG], Stämpflis
Handkommentar, N. 1 der Vorbem. zu Art. 33-39 URG). Für den Rechtsuntergang,
die Zwangsvollstreckung und die Schranken des Schutzes dieser Rechte
verweist Art. 38 URG auf die Bestimmungen, die die entsprechenden
Urheberrechte behandeln. Mit Bezug auf das Weitersenderecht kommt demnach
Art. 22 URG sinngemäss zur Anwendung.

  4.2  Art. 22 Abs. 1 URG bestimmt, dass die Rechte, gesendete Werke
zeitgleich und unverändert wahrnehmbar zu machen oder im Rahmen der
Weiterleitung eines Sendeprogramms weiterzusenden, nur über zugelassene
Verwertungsgesellschaften geltend gemacht

werden können. Der Wortlaut der Norm sieht eine selbständige
Klageberechtigung der Urheber demnach nicht vor. Er entspricht damit dem
Zweck der Norm, das Funktionieren des Kabelfernsehens zu ermöglichen, indem
sie namentlich verhindert, dass einzelne Rechteinhaber durch die Ausübung
ihres Verbotsrechts ganze Kabelnetze lahmlegen können (Botschaft zu einem
Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
[Urheberrechtsgesetz, URG] vom 19. Juni 1989, BBl 1989 III 477, S. 543).
Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 22 Abs. 1 zeigt, dass den Urhebern
die Ausübungsbefugnis für das Weitersenderecht entzogen werden sollte. Der
Bundesrat hatte in Art. 21 Abs. 1 seines Entwurfs eine gesetzliche Lizenz
vorgesehen (Botschaft 1989, a.a.O., S. 543). Während dieser Vorschlag im
Ständerat Zustimmung fand (AB 1991 S 115), folgte der Nationalrat
diskussionslos dem Antrag der nationalrätlichen Kommission, auf die
Einführung einer gesetzlichen Lizenz zu verzichten (AB 1992 N 42 f.). Der
Ständerat stimmte dem in der Differenzenbereinigung zu, wobei die
Berichterstatterin darauf hinwies, das Verbotsrecht werde belassen, könne
aber nur über die Verwertungsgesellschaft ausgeübt werden (AB 1992 S 380
f.). Der Gesetzgeber hielt es also nicht für erforderlich, eine gesetzliche
Lizenz einzuführen, sofern das Verbotsrecht nur über die
Verwertungsgesellschaften ausgeübt werden kann. Die Tatsache, dass Art. 40
Abs. 1 URG in lit. a, die die Verwertung ausschliesslicher Rechte behandelt,
die Verbreitung gesendeter Werke nicht erwähnt und lit. b der Norm Art. 22
URG lediglich mit Bezug auf die Vergütungsansprüche nennt, ändert daran
nichts. Hierbei handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, da das
Parlament es versäumt hat, den auf die vom Bundesrat vorgeschlagene
gesetzliche Lizenz ausgerichteten Art. 40 URG entsprechend anzupassen (DENIS
BARRELET/WILLI EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 2. Aufl. 2000, N. 8 zu Art. 40
URG; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 16 zu Art. 40 URG).
Dieses Versehen soll mit der laufenden Revision des URG korrigiert werden.
Nach dem Entwurf des Bundesrates soll neu ein Art. 40 Abs. 1 lit. abis
eingeführt werden, der "das Geltendmachen von ausschliesslichen Rechten nach
den Artikeln 22 und 24b" der Bundesaufsicht unterstellt (BBl 2006 S. 3445).
Der Ständerat als erstbehandelnder Rat ist diesem Vorschlag in seiner
Sitzung vom 19. Dezember 2006 diskussionslos gefolgt (AB 2006 S 1210).

  4.3  Nach dem Gesagten ersetzt Art. 22 Abs. 1 URG die individuelle
Ausübung der urheberrechtlichen Verbotsansprüche durch deren

kollektive Wahrnehmung seitens einer Verwertungsgesellschaft. Davon geht
auch die ganz überwiegende Lehre aus (MANFRED REHBINDER, Schweizerisches
Urheberrecht, 3. Aufl. 2000, Nr. 141; derselbe, URG, Urheberrechtsgesetz, 2.
Aufl. 2001, N. 1 zu Art. 22 URG; IVAN CHERPILLOD, Schweizerisches
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. II/1, 2. Aufl. 2006, S.
263 und 290 f.; ERNST HEFTI, SIWR, Bd. II/1, S. 525, Fn. 24;
BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 5 zu Art. 22 URG; OERTLI, in: Müller/Oertli,
a.a.O., N. 15 zu Art. 22 URG; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O.,
N. 13 und 16 zu Art. 40 URG; HANS-ULRICH SCHOCH, Die verwandten Schutzrechte
der ausübenden Künstler, der Ton- und Tonbildträgerhersteller und der
Sendeunternehmen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1994, S. 100;
BERNHARD WITTWEILER, Zu den Schrankenbestimmungen im neuen
Urheberrechtsgesetz [exkl. Eigengebrauch], AJP 1993 S. 588; vgl. auch die
Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der
Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des
Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006, BBl 2006 S. 3389, 3431 f., mit
Bezug auf die geplante Einführung eines Art. 24b URG, der den Zwang zur
kollektiven Verwertung bei Vervielfältigungen zu Sendezwecken vorsieht,
sowie das entsprechende Votum Stadler im Ständerat [AB 2006 S 1209]). Die
Beschwerdeführerinnen bestreiten mit Bezug auf die Urheber die zwingende
kollektive Verwertung denn auch zu Recht nicht. Sie machen jedoch geltend,
es bestehe für die Sendeunternehmen in dem Sinn eine Ausnahme, dass ihnen
neben der Verwertungsgesellschaft eine selbständige Klageberechtigung
zukomme.

  4.4  Auf Grund der Verweisung in Art. 38 URG auf Art. 22 URG gilt auch für
die verwandten Schutzrechte, dass das Verbotsrecht nur durch eine
Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme für
Sendeunternehmen sieht das Gesetz nach seinem Wortlaut nicht vor. Auch der
Zweck der Norm, das Funktionieren des Kabelfernsehens sicherzustellen,
erfordert es nicht, die Sendeunternehmen anders zu behandeln als die Urheber
und die ausübenden Künstler. Ebenso wenig ergeben sich aus den Materialien
Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber eine solche Ausnahme einführen wollte.
Ob diese Regelung einen unverhältnismässigen Eingriff in die
Eigentumsgarantie darstellt, weil es - wie die Beschwerdeführerinnen geltend
machen - bei den Sendeunternehmen, anders als bei den Inhabern von
Splitterrechten, auf Grund der geringen Anzahl dieser Unternehmen nicht
erforderlich sei, das Verbotsrecht

durch die Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen, um das Funktionieren
des Kabelfernsehens sicherzustellen, hat das Bundesgericht nicht zu
überprüfen (Art. 190 BV).

  4.5  Der Verzicht auf eine Ausnahme für Sendeunternehmen steht nicht im
Widerspruch zu den für die Schweiz verbindlichen Vorgaben des
internationalen Rechts. Nach Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 2 der Berner
Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, revidiert in
Paris am 24. Juli 1971 (SR 0.231.15; im Folgenden: RBÜ) geniessen die
Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschliessliche Recht, jede
öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes mit oder ohne
Draht zu erlauben, wenn diese Wiedergabe von einem anderen als dem
ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird. Abs. 2 der Norm behält es
jedoch der Gesetzgebung der Verbandsländer vor, die Voraussetzungen für die
Ausübung dieses Rechts festzulegen, sofern sie dadurch nicht das
Urheberpersönlichkeitsrecht oder den Anspruch des Urhebers auf eine
angemessene Vergütung beeinträchtigt. Art. 13 lit. a des internationalen
Abkommens vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der
Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (SR 0.231.171; im
Folgenden: Rom-Abkommen) hält fest, dass die Sendeunternehmen das Recht
geniessen, die Weitersendung ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten.
Den vertragsschliessenden Staaten bleibt es gemäss Art. 15 Abs. 2 des
Rom-Abkommens jedoch unbenommen, für den Schutz der Sendeunternehmen in
ihrer nationalen Gesetzgebung Beschränkungen gleicher Art vorzusehen, wie
sie in dieser Gesetzgebung für den Schutz des Urheberrechts an Werken der
Literatur und der Kunst vorgesehen sind; Zwangslizenzen können immerhin nur
insoweit vorgesehen werden, als sie mit den Bestimmungen des Rom-Abkommens
vereinbar sind. Nach Art. 14 Abs. 3 des Abkommens vom 15. April 1994 über
handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (SR 0.632.20,
Anhang 1C; im Folgenden: TRIPS-Abkommen) haben die Sendeunternehmen das
Recht, die Weitersendung ihrer Sendungen zu untersagen. Die Mitglieder, die
den Sendeunternehmen dieses Recht nicht gewähren, bieten den Inhabern des
Urheberrechts die Möglichkeit, die Weitersendung unter Vorbehalt der
Bestimmungen der RBÜ zu untersagen (vgl. auch den Verweis in Art. 9 Abs. 1
TRIPS-Abkommen auf Art. 11bis RBÜ). Art. 14 Abs. 6 TRIPS-Abkommen bestimmt,
dass die Mitglieder in Bezug auf das in Abs. 3 der Norm gewährte
Weitersenderecht der

Sendeunternehmen in dem vom Rom-Abkommen zugelassenen Umfang Bedingungen,
Beschränkungen, Ausnahmen und Vorbehalte vorsehen können. Die massgebenden
internationalen Bestimmungen verlangen damit nicht, dass den
Sendeunternehmen ein selbständiges Klagerecht eingeräumt wird.

  4.6  Der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die Richtlinie 98/83/EWG
vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und
leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und
Kabelweiterverbreitung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 6.
Oktober 1993, Nr. L 248, S. 15-21) ist in diesem Zusammenhang unbehelflich.
Die Richtlinie hält in Art. 9 Abs. 1 fest, das Recht der
Urheberrechtsinhaber und der Inhaber verwandter Schutzrechte, einem
Kabelunternehmen die Erlaubnis zur Kabelweiterverbreitung zu erteilen oder
zu verweigern, könne nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht
werden. Art. 10 sieht mit Bezug auf die Ausübung des
Kabelweiterverbreitungsrechts durch Sendeunternehmen eine Ausnahme von
diesem Grundsatz vor, sofern es um die Rechte geht, die ein Sendeunternehmen
hinsichtlich seiner eigenen Sendungen geltend macht; das gilt unabhängig
davon, ob die betreffenden Rechte eigene Rechte des Unternehmens sind oder
ihm durch andere Urheberrechtsinhaber und/oder Inhaber verwandter
Schutzrechte übertragen worden sind. Diese Ausnahme ergibt sich aus dem
Harmonisierungszweck der Richtlinie, da ein Bedarf nach einer Regelung der
Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechts nur so weit besteht, als die
Besonderheiten der Kabelweiterverbreitung es erfordern. Das ist nur bei
einer unüberschaubaren Zahl von Rechteinhabern der Fall, die bei
Sendeunternehmen eben gerade nicht vorliegt (THOMAS DREIER, in: Michel M.
Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, Kommentar, N. 2 zu Art. 10 der
Satelliten- und Kabel-RL). Selbst wenn bei Schaffung des URG die
Harmonisierung mit dem Europäischen Recht - und insbesondere mit der zum
damaligen Zeitpunkt noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie - ein Anliegen
des Gesetzgebers gewesen sein sollte (vgl. das Votum der Berichterstatterin
im Ständerat, der Vorschlag des Nationalrats, auf die Einführung einer
gesetzlichen Lizenz zu verzichten, sei "überdies eurokompatibel" [AB 1992 S
381]), kann nicht über eine europaverträgliche Interpretation von Art. 22
Abs. 1 URG eine Ausnahme eingeführt werden, die das Gesetz nicht vorsieht.
Die Einführung einer entsprechenden Ausnahme für Sendeunternehmen ins URG
kann nur durch den Gesetzgeber

vorgenommen werden. Im Rahmen der laufenden Revision des URG ist eine solche
allerdings nicht geplant.

  4.7  Nach dem Gesagten können die Sendeunternehmen ihr Verbotsrecht nicht
selbständig geltend machen. Die Vorinstanz hat deshalb kein Bundesrecht
verletzt, als sie die Klage der Beschwerdeführerin 1 abwies.

Erwägung 5

  5.  Die Beschwerdeführerinnen werfen dem Obergericht weiter vor, es sei zu
Unrecht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin 2 dazu verpflichtet
sei, der Beschwerdegegnerin die Weitersendung der strittigen Programme zu
erlauben.

  5.1  Die Befugnis der Verwertungsgesellschaft, das Verbotsrecht auszuüben,
ergibt sich unmittelbar aus Art. 22 Abs. 1 URG; sie bedarf keiner
rechtsgeschäftlichen Grundlage in Verträgen mit den Rechteinhabern (BERNHARD
WITTWEILER, Vertragsrecht in der kollektiven Verwertung, in: Streuli-Youssef
[Hrsg.], Urhebervertragsrecht, S. 261/327; BREM/SALVADÉ/WILD, in:
Müller/Oertli, a.a.O., N. 3 zu Art. 44 URG; vgl. auch BGE 124 III 489 E. 2a
S. 492 f. in Bezug auf die Vergütungsansprüche nach Art. 13 Abs. 3, 20 Abs.
4 und 35 Abs. 3 URG). Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Zweck von Art.
22 Abs. 1 URG, da es die Rechteinhaber sonst in der Hand hätten, durch die
Weigerung, mit der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag
abzuschliessen, die kollektive Verwertung zu verhindern. Der Übergang der
Rechte selber auf die Verwertungsgesellschaft erfolgt hingegen nicht von
Gesetzes wegen, er setzt vielmehr eine entsprechende Übertragung durch die
Rechteinhaber voraus. Werden die Rechte nicht übertragen, kommt der
Verwertungsgesellschaft lediglich eine Prozessführungsbefugnis im Sinn einer
gesetzlichen Prozessstandschaft zu (OERTLI, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 14
zu Art. 22 URG).

  5.2  Nach Art. 45 Abs. 2 URG muss die Verwertungsgesellschaft die
Verwertung nach festen Regeln besorgen. Dadurch soll sichergestellt werden,
dass das Handeln der Verwertungsgesellschaft, der das Gesetz ein faktisches
Monopol einräumt, für die Betroffenen voraussehbar und transparent ist
(BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 5 f. zu Art. 45 URG;
BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 4 zu Art. 45 URG). Ein Instruktionsrecht der
Rechteinhaber für den Einzelfall ist damit von vorneherein ausgeschlossen.
Im Bereich der Rechtswahrnehmung wird das Gebot der Verwertung nach festen
Regeln durch die Tarifpflicht gemäss Art. 46 ff. URG konkretisiert
(BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 6 zu Art. 45 URG).

  5.3  Nach Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1 bezieht sich der Tarif auf die
Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen, soweit diese Werke
und Leistungen in Radio- oder Fernsehprogrammen enthalten sind und folgende
kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Die Programme sind für die
Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt, sie
sind in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen
Geräten individuell empfangbar und sie werden zeitgleich und unverändert
weiterverbreitet. Mit Bezug auf das Kriterium der individuellen
Empfangbarkeit werden in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung von
Ziffer 2.1 des GT 1 als Beispiele für marktübliche Geräte genannt
Satellitenschüsseln von max. 1 m Durchmesser sowie Decoder, die in der
Schweiz für Private legal erwerbbar sind.

  5.4  Es ist unbestritten, dass es vorliegend um eine zeitgleiche und
unveränderte Weiterverbreitung der strittigen Programme geht, dass die
Beschwerdeführerin 1 die Programme nicht (mehr) verschlüsselt und dass die
Programme mit einer Parabolantenne von weniger als 1 m Durchmesser in den
Privathaushalten der Schweiz in einwandfreier Qualität empfangen werden
können. Weiter steht fest, dass die Beschwerdeführerin 1 eine
Kabelweiterverbreitung ihrer Programme auf dem Gebiet der Schweiz nicht
wünscht. Umstritten ist, ob sich nach dem Willen des Sendeunternehmens
entscheidet, dass ein Programm für die Allgemeinheit in der Schweiz bestimmt
ist.

  5.5  Die Auslegung des Tarifs muss sich an den gesetzlichen Vorgaben
orientieren. Darüber hinaus hat die Interpretation der einzelnen
Bestimmungen danach zu erfolgen, wie der Adressat sie auf Grund ihres
Wortlauts, ihrer Ratio und ihrer Systematik verstehen darf und muss. Art. 22
Abs. 1 URG soll ausschliessen, dass einzelne Rechteinhaber nach ihrem
Gutdünken die Kabelweiterverbreitung von Werken verhindern können (vgl. oben
E. 4.2). Daraus folgt, dass für die Frage, ob ein Programm im Sinn von
Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1 für die Allgemeinheit bestimmt ist, der Wille des
entsprechenden Rechteinhabers nicht massgebend sein kann. Kommt es aber
nicht auf diesen Willen an, stellt sich die Frage, worin sich diese
Voraussetzung von der (kumulativ zu erfüllenden) zweiten Voraussetzung der
individuellen Empfangbarkeit unterscheidet. Eine systematische Auslegung der
Bestimmung ergibt, dass das Kriterium "für die Allgemeinheit bestimmt" dann
erfüllt wird, wenn das Programm für Privathaushalte in der Schweiz frei
empfangbar ist, wohingegen die individuelle Empfangbarkeit auch bei einem
verschlüsselten Programm

vorliegt, sofern Private den entsprechenden Decoder in der Schweiz legal
erwerben können (vgl. die entsprechende Präzisierung in der seit 1. Januar
2007 gültigen Fassung der Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1). Der Unterscheidung in
freie und individuelle Empfangbarkeit kommt damit in erster Linie bei den
codierten Programmen Bedeutung zu, da diese nur unter den Tarif fallen, wenn
der freie Empfang durch Privathaushalte in der Schweiz vom
Programmveranstalter trotz Verschlüsselung gewährleistet wird. Das sieht
Ziffer 2.1 Abs. 2 des GT 1 in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung
nunmehr ausdrücklich vor. Die Sendeunternehmen können demzufolge nur dann
die Weiterverbreitung in der Schweiz verhindern, wenn sie ihre Programme
verschlüsseln.

  5.6  Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen für die Unterstellung der
Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis unter den GT 1 erfüllt. Der Tarif
räumt der Verwertungsgesellschaft kein Recht ein, die Erlaubnis zu
verweigern, sofern der Nutzer bereit ist, die Bedingungen des Tarifs
einzuhalten und die von der Verwertungsgesellschaft gestellte Rechnung zu
bezahlen. Das dem Rechteinhaber in Art. 22 Abs. 1 URG belassene Verbotsrecht
hat damit nur noch die Funktion, die tariflich festgesetzten Bedingungen
gegenüber den Nutzern durchzusetzen (vgl. auch die Botschaft 2006, a.a.O.,
S. 3432). Obwohl der Gesetzgeber auf die Einführung einer gesetzlichen
Lizenz verzichtet hat, befindet sich der Rechteinhaber im Ergebnis in einer
Situation, die der bei einer gesetzlichen Lizenz bestehenden Rechtslage
weitgehend entspricht (vgl. auch FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit d'auteur,
Nr. 242).

  Die Beschwerdegegnerin ist nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz bereit, mit der Beschwerdeführerin 2 einen Vertrag
abzuschliessen. Die Beschwerdeführerinnen behaupten selbst nicht, die
Beschwerdegegnerin weigere sich, die Bedingungen des GT 1 einzuhalten. Die
Beschwerdeführerin 2 ist deshalb verpflichtet, der Beschwerdegegnerin die
Erlaubnis zu erteilen, die Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis in ihrem
Kabelnetz weiterzuverbreiten. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt,
als sie die Klage der Beschwerdeführerin 1 abwies.