Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 490



Urteilskopf

133 III 490

  61. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Alstom
Technology Ltd. gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
(Beschwerde in Zivilsachen)
  4A_116/2007 vom 27. Juni 2007

Regeste

  Markenschutz; Art. 74 BGG.

  Ein Markeneintragungsbegehren ist eine vermögensrechtliche Angelegenheit
im Sinn von Art. 74 Abs. 1 BGG (E. 3.2). Bestimmung des Streitwerts (E. 3.3
und 3.4).

Sachverhalt

  Die Alstom Technology Ltd., Baden (Gesuchstellerin, Beschwerdeführerin)
meldete am 18. April 2005 eine dreidimensionale Marke "Turbinenfuss" beim
Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) an. Die Marke wird für
Waren der internationalen Klasse 7 beansprucht, insbesondere für Komponenten
von Strömungsmaschinen.

  Das IGE wies das Markeneintragungsgesuch mit Verfügung vom 12. Juli 2006
für alle beanspruchten Waren zurück. Mit Urteil vom 14. März 2007 wies das
Verwaltungsgericht des Bundes die Beschwerde der Gesuchstellerin ab und
bestätigte die Verfügung des IGE. Das Bundesgericht weist die von der
Beschwerdeführerin gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in Zivilsachen
ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.  Streitgegenstand bildet die Eintragung der dreidimensionalen Form
"Turbinenfuss" ins Register für Marken. Dafür ist nach Art. 72 Abs. 2 lit. b
Ziff. 2 BGG die Beschwerde in Zivilsachen das massgebende Rechtsmittel, die
in vermögensrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich nur zulässig ist, wenn
ein bestimmter Streitwert erreicht wird (Art. 74 BGG). Die Vorinstanz hat
den Streitwert auf Fr. 25'000.- festgesetzt. Die Beschwerdeführerin stellt
sich auf den Standpunkt, es handle sich nicht in erster Linie um eine
vermögensrechtliche Angelegenheit. Im Übrigen sei der Streitwert auf über
Fr. 30'000.- zu schätzen.

  3.1  Nach Art. 74 Abs. 1 BGG muss der Streitwert in vermögensrechtlichen
Angelegenheiten mindestens Fr. 30'000.- betragen, sofern es sich nicht um
einen arbeits- oder mietrechtlichen Fall handelt. Vorbehalten bleiben die in
Art. 74 Abs. 2 BGG vorgesehenen Ausnahmen. Der Streitwert bestimmt sich bei
Beschwerden gegen Endentscheide nach den Begehren, die vor der Vorinstanz
streitig geblieben sind (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Lautet ein Begehren
nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht
den Streitwert nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG).

  3.2  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stehen beim
Markeneintragungsbegehren Vermögensinteressen auf dem Spiel. Der
Markenschutz verleiht dem Berechtigten ein ausschliessliches Recht (Art. 13
MSchG; SR 232.11) und damit einen wirtschaftlichen Mehrwert am Zeichen, für
das er beansprucht wird. Selbst eine noch nicht in Gebrauch genommene Marke
hat einen wirtschaftlichen Grundwert

(vgl. JOHANN ZÜRCHER, Der Streitwert im Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrechtsprozess, sic! 7/2002 S. 493/504). Dass das Register auch
öffentlichen Interessen dient, ändert nichts daran, dass die Eintragung
eines konkreten Zeichens Vermögensinteressen betrifft und der Streit um den
Bestand der Marke eine vermögensrechtliche Angelegenheit ist. Die Auslegung
des geltenden BGG wird sodann nicht beeinflusst durch die alte
Prozessordnung, wonach die Markeneintragung auf
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 ff. OG [BS 3 S. 531]) ebenso wie auf
Berufung über Zivilrechtsstreitigkeiten in Markensachen (Art. 45 OG, vgl.
auch Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG) ohne Rücksicht auf den Streitwert zu
beurteilen war. Die Beschwerde in Zivilsachen gegen Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts ist nach geltendem Recht unter Vorbehalt von Art.
74 Abs. 2 lit. a BGG nur zulässig, wenn der Streitwert von mindestens Fr.
30'000.- erreicht ist.

  3.3  Der Streitwert in Angelegenheiten, die sich mit dem Bestand oder der
Verletzung von Immaterialgüterrechten befassen, ist schwer bestimmbar (LUCAS
DAVID, Der Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, Schweizerisches
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. I/2, 2. Aufl. 1998, S. 29;
LEONZ MEYER, Der Streitwert in Prozessen um Immaterialgüterrechte und
Firmen, sic! 6/2001 S. 559/560). In der Lehre wird deshalb vorgeschlagen,
es seien aufgrund von Erfahrungswerten über den Wert der umstrittenen Rechte
Richtlinien oder Eckdaten aufzustellen, die vermutungsweise der Schätzung
des prozessual massgebenden Streitwerts zugrunde gelegt werden können. In
diesem Sinne wird in der Lehre gestützt auf die Erfahrungen in der Praxis
angenommen, dass der Streitwert zwischen Fr. 50'000.- und Fr. 100'000.-
liegt, wenn es um eher unbedeutende Zeichen geht (ZÜRCHER, a.a.O., S. 505;
MEYER, a.a.O., S. 563; DAVID, a.a.O., S. 29). Von diesem Erfahrungswert kann
für die Schätzung des Streitwerts gemäss Art. 51 Abs. 2 BGG ausgegangen
werden, wenn die Eintragung einer Marke umstritten ist und keine konkreten
Anhaltspunkte für einen höheren oder niedrigeren Wert der strittigen Marke
sprechen.

  3.4  Der Streitwert für die vorliegende Beschwerde ist auf Fr. 100'000.-
zu schätzen. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin lassen vermuten, dass ihr
Interesse am Markenschutz für die Kennzeichnung komplexer
Industrieerzeugnisse als international tätiges Unternehmen sehr erheblich
ist. Die Beschwerdeführerin verwendet das Zeichen bereits, so dass
jedenfalls davon auszugehen ist, dass nicht allein

der Grundwert für noch nicht gebrauchte Kennzeichen auf dem Spiele steht.
Von einem offensichtlich unbedeutenden Zeichen kann jedenfalls nicht die
Rede sein, weshalb von einem Streitwert an der Obergrenze für den
bestrittenen Bestand solcher Zeichen auszugehen ist. Die Schätzung der
Vorinstanz, die ihrem Kostenentscheid einen Streitwert von Fr. 25'000.-
zugrunde gelegt hat, ist dagegen nicht nachvollziehbar. Die von der
Vorinstanz zitierte Literatur - auf die auch im vorliegenden Verfahren Bezug
genommen wird - geht durchwegs von einem minimalen Streitwert von Fr.
50'000.- aus und befürwortet einen geringeren Wert nur bei Nachweis
besonderer Umstände. Der Streitwert von mindestens Fr. 30'000.- ist
vorliegend überschritten, so dass insoweit die Beschwerde in Zivilsachen
zulässig ist.