Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 473



Urteilskopf

133 III 473

  59. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S.
ProLitteris gegen Aargauer Zeitung AG und Mitb. (Berufung)
  4C.73/2007 vom 26. Juni 2007

Regeste

  Urheberrecht; Eigengebrauch; Herstellung der zum Eigengebrauch bestimmten
Werkexemplare durch Dritte.

  Die Erstellung betriebsinterner elektronischer Pressespiegel ist gestützt
auf Art. 19 Abs. 1 lit. c URG zulässig (E. 3). Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdienste, die für ihre Kunden elektronische Pressespiegel
erstellen, können Dritte im Sinn von Art. 19 Abs. 2 URG sein (E. 4-6).

Sachverhalt

  A.- Die ProLitteris (Beklagte) ist eine konzessionierte
Verwertungsgesellschaft im Sinn von Art. 40 ff. des Bundesgesetzes vom 9.
Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
(Urheberrechtsgesetz, URG; SR 231.1). Mit Verfügung des Eidgenössischen
Instituts für Geistiges Eigentum wurde ihr die Bewilligung zur
Geltendmachung der sich aus den Art. 13, 20 und 22 URG ergebenden Ansprüche,
soweit sie die Werke der Literatur, der bildenden Kunst und der Fotografie
betreffen, für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2008 erteilt. Der
gemeinsame Tarif (im Folgenden: GT) 8 regelt in diesem Zusammenhang das
Fotokopieren von Werkausschnitten für den Eigengebrauch in Betrieben, der GT
9 das Speichern und Weiterverbreiten von digitalen Kopien von
Werkausschnitten in einem internen Netzwerk eines Betriebes. Die Beklagte
zieht für elektronische Vervielfältigungen von Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdiensten gestützt auf den GT 8/VI seit dem 1. Januar
2002 und für interne elektronische Pressespiegel gestützt auf den GT 9/VI
seit dem 1. Januar 2004 Vergütungen ein.

  B. Mit Klageschrift vom 15. Januar 2004 machten die Aargauer Zeitung AG,
die Berner Zeitung AG, die Edipresse Publications SA, die Handelszeitung und
Finanzrundschau AG, Le Temps, die Neue Zürcher Zeitung AG, die Ringier AG
und die Tamedia AG (Klägerinnen) beim Obergericht des Kantons Zürich
folgende Rechtsbegehren anhängig:

   "1. Es sei der Beklagten zu verbieten, gegenüber Betrieben, öffentlichen
       Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen
       Vergütungsansprüche geltend zu machen für die elektronische
       Vervielfältigung und Verbreitung von journalistischen Beiträgen
       festangestellter Journalistinnen und Journalisten der Klägerinnen,
       die in den Printmedien und/oder in den Online-Medien der Klägerinnen
       veröffentlicht worden sind, soweit die Vervielfältigung und
       Verbreitung zur Herstellung interner elektronischer Pressespiegel
       (Zusammenstellung von journalistischen Beiträgen aus Zeitungen
       und/oder Zeitschriften in elektronischer Form) erfolgen.

       Eventualiter: Es sei festzustellen, dass die Beklagte Urheberrechte
       der Klägerinnen verletzt, indem sie gegenüber Betrieben, öffentlichen
       Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen
       Vergütungsansprüche geltend macht für die elektronische
       Vervielfältigung und Verbreitung von journalistischen Beiträgen
       festangestellter Journalistinnen und Journalisten der Klägerinnen, die
       in den Printmedien und/oder in den Online-Medien der Klägerinnen

       veröffentlicht worden sind, soweit die Vervielfältigung und
       Verbreitung zur Herstellung interner elektronischer Pressespiegel
       (Zusammenstellung von journalistischen Beiträgen aus Zeitungen
       und/oder Zeitschriften in elektronischer Form) erfolgen.

    2. Es sei der Beklagten zu verbieten, gegenüber Presseausschnitt- und
       Dokumentationslieferdiensten Vergütungsansprüche geltend zu machen
       für die elektronische Vervielfältigung und Verbreitung von
       journalistischen Beiträgen festangestellter Journalistinnen und
       Journalisten der Klägerinnen, die in den Printmedien und/oder in den
       Online-Medien der Klägerinnen veröffentlicht worden sind.

       Eventualiter: Es sei festzustellen, dass die Beklagte Urheberrechte
       der Klägerinnen verletzt, indem sie gegenüber Presseausschnitt- und
       Dokumentationslieferdiensten Vergütungsansprüche geltend macht für die
       elektronische Vervielfältigung und Verbreitung von journalistischen
       Beiträgen festangestellter Journalistinnen und Journalisten der
       Klägerinnen, die in den Printmedien und/oder in den Online-Medien der
       Klägerinnen veröffentlicht worden sind."

  C.- Mit Urteil vom 21. Dezember 2006 wies das Obergericht des Kantons
Zürich das Rechtsbegehren Ziffer 1 (Haupt- und Eventualantrag) ab
(Dispositiv Ziffer 1). In Gutheissung des Hauptantrags des Rechtsbegehrens
Ziffer 2 verbot es der Beklagten, gegenüber Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdiensten Vergütungsansprüche geltend zu machen für die
elektronische Vervielfältigung und Verbreitung (elektronische Versendung
oder Zugänglichmachung) von journalistischen Beiträgen festangestellter
Journalistinnen und Journalisten der Klägerinnen, die in Printmedien, sog.
Electronic Papers (elektronische Ausgabe von Zeitungen und Zeitschriften)
und/oder in den Online-Medien der Klägerinnen veröffentlicht werden
(Dispositiv Ziffer 2). Die Kosten wurden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt (Dispositiv Ziffer 4), die Prozessentschädigungen wettgeschlagen
(Dispositiv Ziffer 5). Das Obergericht kam zum Schluss, dass die Erstellung
interner elektronischer Pressespiegel unter Art. 19 Abs. 1 lit. c URG fallen
könne und die Beklagte insofern gestützt auf Art. 20 Abs. 2 und 4 URG
Vergütungen erheben dürfe. Die Herstellung elektronischer Pressespiegel
durch Presseausschnitt- oder Dokumentationslieferdienste für einen
Auftraggeber sei hingegen nur mit Zustimmung der an den betroffenen
Werkexemplaren Berechtigten zulässig, da diese Dienste nicht Dritte im Sinn
von Art. 19 Abs. 2 URG seien. Die Beklagte könne deshalb dafür keine
Vergütungen geltend machen.

  D.- Mit Berufung vom 15. Februar 2007 beantragt die Beklagte dem
Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichtes des Kantons

Zürich vom 21. Dezember 2006 teilweise, nämlich Dispositiv Ziffer 2, 4 und 5
aufzuheben und es sei das Rechtsbegehren 2 der Klage vollumfänglich
abzuweisen. Sie rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 1 und 2, Art. 20 Abs.
2 und 4, Art. 44 sowie Art. 45 Abs. 1 und 2 URG.

  Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Die Klägerinnen geben Zeitungen und Zeitschriften heraus. Sie können
sich unbestritten auf die Urheberrechte an den von ihnen verlegten und
veröffentlichten Exemplaren dieser Print- oder Online-Medien berufen, und es
ist nicht mehr umstritten, dass ihnen insbesondere die Urheberrechte an den
in diesen Medien veröffentlichten Beiträgen ihrer festangestellten
Journalisten zustehen. Die Klägerinnen behaupten, die beklagte
Verwertungsgesellschaft verletze diese Urheberrechte durch die Einziehung
von Vergütungen insofern, als sie sich die Befugnis anmasse, über die
Verwertung des Werks zu entscheiden. Sie verlangen gestützt auf Art. 62 Abs.
1 lit. a URG, es sei der Beklagten zu verbieten, Vergütungen für die
Verwertung ihrer Werke in elektronischen Pressespiegeln, die von
Presseauschnitt- und Dokumentationslieferdiensten erstellt werden, zu
erheben. Bei elektronischen Pressespiegeln handelt es sich um individuelle
Zusammenstellungen von Artikeln aus Zeitungen und Zeitschriften, die
Unternehmen und Behörden zu bestimmten Themenbereichen in elektronischer
Form herstellen oder herstellen lassen und an ihre Mitarbeiter verteilen.

  2.1  Nach Art. 10 Abs. 1 URG hat der Urheber das ausschliessliche Recht zu
bestimmen, ob, wann und wie das Werk verwendet wird. Dieses Recht umfasst
nach Abs. 2 der Norm insbesondere das Vervielfältigungsrecht (lit. a) und
das Verbreitungsrecht (lit. b). Das Gesetz sieht zugunsten allgemeiner
Interessen Beschränkungen des Urheberrechts vor, so namentlich in Art. 19
URG mit Bezug auf den Eigengebrauch. In diesem Fall bedarf die
Werkverwendung nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, sie unterliegt aber
nach Massgabe von Art. 20 Abs. 2 URG der Vergütungspflicht. Die
Vergütungsansprüche können nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften
geltend gemacht werden. Deren Befugnis zur Erhebung der Vergütungen ergibt
sich unmittelbar aus dem Gesetz (Art. 20 Abs. 4 URG); sie bedarf keiner
rechtsgeschäftlichen Grundlage in

Verträgen mit den Rechtsinhabern (BGE 124 III 489 E. 2a S. 493 mit Hinweis).
Die Verwertungsgesellschaften sind verpflichtet, im bewilligungspflichtigen
Bereich Tarife aufzustellen für die geltend gemachten Vergütungen (Art. 46
URG). Sind mehrere Verwertungsgesellschaften im gleichen Nutzungsbereich
tätig, stellen sie für die gleiche Verwendung von Werken einen gemeinsamen
Tarif nach einheitlichen Grundsätzen auf und bezeichnen eine unter ihnen als
gemeinsame Zahlstelle (Art. 47 Abs. 1 URG). Die Eidgenössische
Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten
Schutzrechten ist zuständig für die Genehmigung der Tarife (Art. 55 Abs. 1
URG). Rechtskräftig genehmigte Tarife sind für die Gerichte verbindlich
(Art. 59 Abs. 3 URG). Den Verwertungsgesellschaften ist es allerdings nicht
gestattet, auf dem Umweg über einen genehmigten Tarif eine Vergütungspflicht
für Tätigkeiten einzuführen, die nach dem Gesetz vergütungsfrei sind (BGE
127 III 26 E. 4 S. 28; 125 III 141 E. 4a S. 144 f.). Es ist Aufgabe der
Zivilgerichte, darüber zu wachen, dass aus den Tarifen im Einzelfall keine
gesetzeswidrigen Vergütungsansprüche abgeleitet werden (BGE 125 III 141 E.
4a S. 145).

  2.2  Die Beklagte zieht gestützt auf Ziffer 6.3.24.2 des von der
Eidgenössischen Schiedskommission genehmigten GT 8/VI Vergütungen für
elektronische Vervielfältigungen von Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdiensten ein. Diese Ziffer lautet:

   "Versenden von elektronischen Vervielfältigungen

    Im Sinne einer Ausnahme zu Ziffer 5.4 (...) fallen die im Rahmen des
    erlaubten Eigengebrauchs gemäss Art. 19 URG bzw. Art. 22 FL-URG
    erstellten elektronischen Vervielfältigungen, die ein
    Dokumentationslieferdienst oder ein Presseausschnittsdienst im Sinne von
    Art. 19 Abs. 2 URG bzw. Art. 22 Abs. 2 FL-URG elektronisch versendet
    (z.B. als attachment eines E-Mails) bzw. dem Berechtigten ermöglicht,
    die auf Anfrage elektronisch hergestellten und für ihn bereitgestellten
    Werkexemplare einzeln bei sich herunterzuladen, ebenfalls unter den
    gemeinsamen Tarif 8 und werden gemäss Ziffer 6.3.24.1 abgerechnet.
    Verwendungen im Rahmen von Ziffer 5.2 (...) sind davon ausgeschlossen."

Erwägung 3

  3.  Das Obergericht kam zum Schluss, dass die Erstellung eines
betriebsinternen elektronischen Pressespiegels sowie dessen betriebsinterne
digitale Übermittlung gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. c URG unter Vorbehalt
von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG zulässig sind. Die Klägerinnen bestreiten dies
zu Recht nicht.

  3.1  Gestützt auf Art. 19 Abs. 1 URG dürfen veröffentlichte Werke zum
Eigengebrauch verwendet werden. Als Eigengebrauch gilt unter

anderem nach lit. c das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben,
öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen
Einrichtungen für die interne Information oder Dokumentation. Zwar nennt die
Norm nur das Vervielfältigungsrecht, dieses muss jedoch das Recht
mitenthalten, die Vervielfältigung innerhalb des Betriebs zu verbreiten, da
sonst der Zweck - die interne Information oder Dokumentation - gar nicht
erreicht werden könnte (CHRISTOPH GASSER, Der Eigengebrauch im Urheberrecht,
Diss. Bern 1997, S. 98; IVAN CHERPILLOD, Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht [SIWR] Bd. II/1, 2. Aufl. 2006, S. 277 f.; vgl. auch
die Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht
und verwandte Schutzrechte [...] vom 19. Juni 1989, BBl 1989 III 477, S.
540, sowie die Botschaft des Bundesrates zum Bundesbeschluss über die
Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum
und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006, BBl 2006 S.
3389, 3421). Art. 19 Abs. 3 lit. a URG schliesst für den Eigengebrauch im
Sinn von Art. 19 Abs. 1 lit. c URG die vollständige oder weitgehend
vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare aus.
Unter den Begriff des Werkexemplars fallen hier die jeweilige Zeitung oder
Zeitschrift, nicht hingegen der einzelne darin enthaltene Presseartikel
(DENIS BARRELET/WILLI EGLOFF, Das neue Urheberrecht, Kommentar zum
Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 2. Aufl.
2000, N. 23 zu Art. 19 URG; YANSHI BU, Die Schranken des Urheberrechts im
Internet, Diss. Bern 2004, S. 78). Von einer weitgehend vollständigen
Vervielfältigung des Werkexemplars ist auszugehen, wenn in Anbetracht des
Umfangs der Kopie für den Durchschnittskonsumenten der Kauf des
vollständigen Exemplars uninteressant wird (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 23
zu Art. 19 URG).

  3.2  Art. 19 URG soll im Bereich der unkontrollierbaren Massennutzung
verhindern, dass sich die Nutzer im Zustand des ständigen Rechtsbruchs
befinden (Botschaft 1989, a.a.O., S. 538; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 5 zu
Art. 19 URG; FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit d'auteur, Randnr. 420). Unter
diesem Gesichtspunkt kann es keine Rolle spielen, ob bei der Erstellung
einer Presseübersicht ein Zeitungsartikel kopiert und damit eine analoge
Kopie gemacht wird oder ob der Artikel mit einem Scanner erfasst und so eine
digitale Kopie hergestellt wird (vgl. auch WERNER STAUFFACHER, Neue
Nutzungsformen - neuer Gemeinsamer Tarif, in: Medialex

2004 S. 7). Auch die Botschaft 2006, a.a.O., S. 3421, geht davon aus, dass
ein Werk gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. c URG in Form einer digitalen
Kopie in einem betriebsinternen Netzwerk gespeichert werden darf.
Entsprechend muss die betriebsinterne Verbreitung des elektronischen
Pressespiegels über das Computernetzwerk ebenfalls zulässig sein
(CHERPILLOD, a.a.O., S. 278; GASSER, a.a.O., S. 98; die Botschaft 2006,
a.a.O., S. 3421, bezeichnet dies als "selbstverständlich").

  3.3  Für die Erstellung eines internen elektronischen Pressespiegels
erforderliche Vervielfältigungshandlungen sind unter Vorbehalt von Art. 19
Abs. 3 lit. a URG nach Art. 19 Abs. 1 lit. c URG zulässig. Mit Bezug auf
Printmedien bedeutet dies namentlich, dass der Betrieb die betreffenden
Seiten der Zeitungen einscannen, die digitalisierten Daten abspeichern, die
ausgewählten Artikel aus der eingescannten Quellseite ausschneiden, auf eine
Zielseite übertragen und die so entstandene Datei abspeichern darf (vgl.
dazu TONIA ROGGE, Elektronische Pressespiegel in urheber- und
wettbewerbsrechtlicher Beurteilung, Diss. Hamburg 2001, S. 59 ff.). Bei den
Electronic Papers, d.h. den integralen Digitalausgaben von Zeitungen und
Zeitschriften im Original-Layout, und den Online-Ausgaben, die auf dem
Internet unentgeltlich angeboten werden, tritt in der Regel das
Herunterladen an die Stelle des Einscannens.

Erwägung 4

  4.  Wer zum Eigengebrauch nach Art. 19 Abs. 1 URG berechtigt ist, darf die
dazu erforderlichen Werkexemplare gemäss Art. 19 Abs. 2 URG auch durch
Dritte herstellen lassen.

  4.1  Im vorliegenden Verfahren ist umstritten, ob Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdienste Dritte im Sinne dieser Bestimmung sind, so dass
die Beklagte ihnen gegenüber nach Art. 20 URG Vergütungen für die
elektronische Vervielfältigung und Verbreitung der im Rechtsbegehren 2
umschriebenen Beiträge geltend machen darf. Presseausschnittdienste
durchsuchen nach der Umschreibung des Obergerichts auf Grund der von ihren
Kunden vorgegebenen Stichworte die Medien themenbezogen und tagesaktuell und
erstellen mit den gefundenen Artikeln einen elektronischen Pressespiegel.
Mit Bezug auf die Tätigkeit der Dokumentationslieferdienste beschränkt sich
das Obergericht darauf festzuhalten, diese Dienste würden Recherchen in
ihren Medienarchiven durchführen. Die Konstellation, dass Presseerzeugnisse
vollständig kopiert, Archive angelegt und hernach auf Bestellung die
gewünschten

Artikel ausgeliefert werden, ist nach den Feststellungen des Obergerichts im
vorliegenden Fall nicht zu beurteilen. Unter den im Rechtsbegehren 2 der
Klägerinnen verwendeten Begriff "Online-Medien" fallen sowohl die Electronic
Papers als auch die aktuellen Online-Angebote.

  4.2  In der Lehre besteht keine Einigkeit darüber, ob die
Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienste als Dritte im Sinne von
Art. 19 Abs. 2 URG qualifiziert werden können. Nach der einen Meinung,
welcher der Appellationshof des Kantons Bern in einem Urteil vom 21. Mai
2001 gefolgt ist (publ. in: sic! 7/2001 S. 613/618), muss die Frage verneint
werden (CHRISTOPH GASSER, in: Barbara K. Müller/Reinhard Oertli, Stämpflis
Handkommentar SHK, Urheberrechtsgesetz, N. 27 zu Art. 19 URG; THIERRY
CALAME, Elektronische Pressespiegel und Urheberrecht, in: recht 20/2002 S.
176/184; JENS KAESSNER, Elektronische Archive und Pressespiegel, in: AJP
1999 S. 1276/1278 f.; BU, a.a.O., S. 83; LUKAS BÜHLER, Schweizerisches und
internationales Urheberrecht im Internet, Diss. Freiburg 1999, S. 261 f.).
Zur Begründung wird ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit Art. 19 Abs. 2 URG
bloss denjenigen entgegenkommen wollen, die sich kein eigenes Kopiergerät
leisten könnten (Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern, a.a.O., S.
618). Weiter wird geltend gemacht, beim Leistungsangebot der kommerziellen
Anbieter von elektronischen Pressespiegeln handle es sich um ein
Servicepaket (Recherche/Selektion/Vervielfältigung), dessen Inhalt einen
nicht mehr vom Privilegierungstatbestand erfassten Eingriff in die
Nutzungsrechte des Urhebers darstelle (CALAME, a.a.O., S. 184). Selbst wenn
man das Anbieten des Servicepakets auf Bestellung grundsätzlich als zulässig
erachte, sei die zu beurteilende Tätigkeit dennoch nicht gestattet, da sie
den Kauf der im Handel angebotenen Verlagserzeugnisse als entbehrlich
erscheinen lasse (CALAME, a.a.O., S. 184 f.; KAESSNER, a.a.O., S. 1278).
Umfangreiche Zeitungsauswertungen durch kommerzielle Anbieter könnten völlig
aus der Kontrolle des Urhebers geraten (BU, a.a.O., S. 83). Nach der anderen
Doktrin, der das Zivilgericht Basel-Stadt in einem Urteil vom 19. Juni 2002
(publ. in: sic! 3/2003 S. 217/222) gefolgt ist, können Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdienste Dritte im Sinn von Art. 19 Abs. 2 URG sein
(BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 17 zu Art. 19 URG; RETO M. HILTY, Anmerkung zum
Urteil des Appellationshofes Bern vom 21. Mai 2001, in: sic! 7/2001 S.
623/627; derselbe, Vergütungsssystem und

Schrankenregelungen, in: GRUR 2005 S. 819/822; CHERPILLOD, a.a.O., S. 280;
WERNER STAUFFACHER, Elektronische Pressespiegel und kein Ende?, in: sic!
5/2003 S. 458/460; MATTHIAS HÄUPTLI, Vorübergehende Vervielfältigungen im
schweizerischen, europäischen und amerikanischen Urheberrecht, Diss. Basel
2004, S. 113; WILLI EGLOFF, Revisionsbedarf beim urheberrechtlichen
Eigengebrauch, in: Medialex 2006 S. 35/40/44). Zur Begründung wird
insbesondere ausgeführt, die Tätigkeit des Auswählens von Artikeln stelle
keine urheberrechtlich relevante Handlung dar (HILTY, Anmerkung, a.a.O., S.
627; HÄUPTLI, a.a.O., S. 113).

  4.3  Nach Art. 19 Abs. 2 URG ist es dem zum Eigengebrauch Berechtigten
gestattet, die "dazu erforderlichen Werkexemplare auch durch Dritte
herstellen zu lassen". Das Erstellen einer digitalen Kopie ist demnach vom
Wortlaut der Norm gedeckt. Art. 19 Abs. 2 URG soll verhindern, dass ein
Dritter, der die Kopie für den zum Eigengebrauch Berechtigten herstellt,
Art. 10 Abs. 2 lit. a URG verletzt. Die Bestimmung wurde unter
Berücksichtigung der gängigen Kopierpraxis eingeführt (Botschaft 1989,
a.a.O., S. 540). Die Botschaft erwähnt in diesem Zusammenhang zwar lediglich
die Konstellation, dass der zum Eigengebrauch Berechtigte selber über keinen
Kopierapparat verfügt (Botschaft 1989, a.a.O.). Da zum damaligen Zeitpunkt
die rasante Entwicklung der Computertechnologie nicht vorhersehbar war, kann
daraus aber nicht der Schluss gezogen werden, die Herstellung digitaler
Kopien falle von vorneherein nicht unter Art. 19 Abs. 2 URG; das gilt umso
mehr, als der Scanner wie das Kopiergerät ein technisches Hilfsmittel für
die Erstellung einer Kopie des Werkexemplars sind. Sinn und Zweck von Art.
19 Abs. 2 URG sprechen demnach wie der Wortlaut dafür, dass die Erstellung
einer digitalen Kopie von der Norm abgedeckt wird.

  4.4  Die Tatsache, dass die Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdienste vor Herstellen des Werkexemplars nach
Stichworten des Kunden eine Recherche durchführen und die zu kopierenden
Artikel auswählen, steht der Anwendung von Art. 19 Abs. 2 URG nicht
entgegen. Die blosse Lektüre von Printmedien auf bestimmte Stichworte hin
und die anschliessende Auswahl von Artikeln durch den Dritten greifen
nämlich nicht in die in Art. 10 URG umschriebenen Nutzungsrechte des
Urhebers ein. Für das Lesen der Electronic Papers bzw. der Online-Angebote
auf dem Bildschirm muss das Werk über das Internet abgerufen werden, womit
geschützte

Daten im Arbeitsspeicher oder anderen Pufferspeichern des Nachfragers
gespeichert werden und urheberrechtlich gesehen eine Vervielfältigung
vorgenommen wird. Diese flüchtige Speicherung erlaubt jedoch keine über die
Wahrnehmung hinausgehende Werkverwendung; sie ist vielmehr Teil der
Werkvermittlung. Ihr kommt damit keine eigenständige wirtschaftliche
Bedeutung zu, weshalb sie vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers
auszunehmen ist (BÜHLER, a.a.O., S. 166; vgl. auch den Entwurf eines neuen
Art. 24a URG, wonach vorübergehende Vervielfältigungen eines Werks zulässig
sind, wenn sie flüchtig oder begleitend sind, einen integralen und
wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen, ausschliesslich
der Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder
einer rechtmässigen Nutzung dienen und keine eigenständige wirtschaftliche
Bedeutung haben; BBl 2006 S. 3444). Die Online-Recherche (sog. Browsing) ist
grundsätzlich geeignet, Art. 10 Abs. 2 lit. a URG zu verletzen, da sie die
vorübergehende, wenn auch nur extrem kurze Festlegung der digitalisierten
Fassung eines Werks im Arbeitsspeicher des Computers voraussetzt (ULRICH
LOEWENHEIM, in: Gerhard Schricker [Hrsg.], Urheberrecht, Kommentar, 3. Aufl.
2006, N. 20 f. zu § 16 dURG). Hier handelt es sich jedoch ebenfalls um eine
flüchtige Speicherung, der keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung
zukommt, weshalb sie vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers auszunehmen ist
(vgl. auch die Botschaft 2006, a.a.O., S. 3431, die im Zusammenhang mit der
geplanten Einführung eines Art. 24a URG das Browsing ausdrücklich nennt). Im
Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass der Anbieter, der eine Webseite
im Netz bereitstellt, mit dem Browsen einverstanden ist, da er den Zugriff
möglichst vieler Nutzer beabsichtigt (ROGGE, a.a.O., S. 304 f.).

  4.5  Die Gründe, welche in der Lehre dafür angeführt werden,
Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienste allgemein nicht als Dritte
im Sinn von Art. 19 Abs. 2 URG zu betrachten, sind nicht stichhaltig. Dieses
Ergebnis entspricht auch der Meinung, die der Bundesrat im Zusammenhang mit
der geplanten Änderung von Art. 19 Abs. 2 URG vertritt. Das URG soll im
Rahmen der vorgesehenen Ratifikation des WIPO-Urheberrechtsvertrags (im
Folgenden: WCT), der den Schutz der Urheber in Bezug auf
grenzüberschreitende Kommunikationstechnologien wie das Internet regelt, in
verschiedener Hinsicht revidiert werden. Im vorparlamentarischen Verfahren
wurde von Interessengruppen verlangt, die Möglichkeit,

für den Eigengebrauch bestimmte Vervielfältigungen durch Dritte herstellen
zu lassen, sei auf den Bereich der Reprographie einzuschränken (Botschaft
2006, a.a.O., S. 3404). Der Entwurf des Bundesrates kommt dieser Forderung
nicht nach. Gemäss der in der Botschaft vertretenen Meinung genügen die in
anderer Hinsicht vorgenommenen Ergänzungen von Art. 19 URG, um die Norm an
das digitale Umfeld anzupassen (Botschaft 2006, a.a.O., S. 3429). Der
Bundesrat hält es demnach nicht für erforderlich, mit Bezug auf die
Zulässigkeit der digitalen Vervielfältigung durch Dritte eine Klarstellung
vorzunehmen. Der Ständerat hat als erstbehandelnder Rat dem Entwurf des
Bundesrates mit Bezug auf die Änderung von Art. 19 Abs. 2 URG am 19.
Dezember 2006 diskussionslos zugestimmt (AB 2006 S 1203 f.).

Erwägung 5

  5.  Die Klägerinnen machen mit ihrem generell formulierten Rechtsbegehren
geltend, es gebe bei der elektronischen Vervielfältigung und Verbreitung der
im Rechtsbegehren 2 umschriebenen journalistischen Beiträge überhaupt kein
Vorgehen, bei dem die Handlungen der Presseausschnitt- und
Dokumentationslieferdienste unter Art. 19 Abs. 2 URG fallen würden.

  5.1  Nach den Feststellungen des Obergerichts werden die
Zeitungsausschnittsdienste gemäss heutiger Geschäftspraxis von ihren Kunden
nicht mit der Suche nach einem bestimmten Artikel beauftragt. Gesucht wird
vielmehr nach allgemeinen Suchbegriffen (Namen, Sachthemen, Inserate), die
die Kriterien der Kunden erfüllen. Die kommerziellen
Presseausschnittsdienste kennen unterschiedliche Verfahren für die
Erstellung elektronischer Pressespiegel. Beim selektiven Einscannen werden
die Printmedien von Lektoren nach Artikeln zu vorgesehenen Themenbereichen
durchsucht. Die interessierenden Artikel werden gekennzeichnet, eingescannt,
in ein computerlesbares Textformat übersetzt, am Computer bearbeitet
(ausgeschnitten) und in Kopie auf einer Datenbank gespeichert. Wenn die
Mitarbeiter auch in den von den Verlagen angebotenen Online-Ausgaben
recherchieren, werden die digitalisiert vorliegenden Artikel entweder direkt
aus dem Netz heruntergeladen oder aber ausgedruckt und anschliessend
eingescannt. Beim vollständigen Einscannen werden die ausgewählten
Presseerzeugnisse vollständig oder teilweise - sofern lediglich einzelne
Rubriken erfasst werden sollen - mit einem Scanner seitenweise
digitalisiert. Anschliessend werden die Zeitungsseiten in Volltextdateien
umgewandelt, und es wird anhand von vorgegebenen Stichwörtern

eine Selektion vorgenommen. Die beim Suchvorgang gefundenen Artikel werden
vom Programm ausgeworfen und in einer entsprechenden Datei abgespeichert.
Die digitalen Artikel werden bearbeitet, abgespeichert und beim
kommerziellen Anbieter nach den jeweiligen Suchprofilen den einzelnen Kunden
zugeordnet.

  5.2  Für die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 2 URG ist zunächst nicht
erforderlich, dass die berechtigte Person das Werk selbst zur Verfügung
stellt (BGE 128 IV 201 E. 3.5 S. 214; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 20 zu Art.
19 URG; GASSER, a.a.O., S. 109 f.; KAESSNER, a.a.O., S. 1279; TOBIAS
BAUMGARTNER, Privatvervielfältigung im digitalen Umfeld, Diss. Zürich 2006,
S. 85; der Entwurf des Bundesrates zu einem Urheberrechtsgesetz von 1984
hatte dies hingegen in Art. 29 Abs. 3 - ausser für öffentlich zugängliche
Dokumentationszentren gemäss Abs. 2 der Norm - ausdrücklich vorgesehen; BBl
1984 III 173, S. 271). Der Dritte darf also aus eigenen Beständen kopieren.
Voraussetzung ist immerhin der rechtmässige tatsächliche Zugang zum
Originalexemplar (BGE 128 IV 201 E. 3.5 S. 214). Darüber hinaus muss auch
bei Art. 19 Abs. 2 URG die Schranke von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG
berücksichtigt werden; die vollständige oder weitgehend vollständige
Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare ausserhalb des
privaten Kreises ist demnach unzulässig (BGE 128 IV 201 E. 3.5 S. 214; die
geplante Neufassung von Art. 19 Abs. 2 URG sieht den Vorbehalt von Abs. 3
ausdrücklich vor; BBl 2006 S. 3443).

  5.3  Dem Obergericht ist insoweit zuzustimmen, als der zum Eigengebrauch
Berechtigte selbst bestimmen muss, was kopiert werden soll, damit Art. 19
Abs. 2 URG zur Anwendung kommt. Ein Kopieren auf Vorrat durch den Dritten
ist damit ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht des Obergerichts legt der zum
Eigengebrauch Berechtigte jedoch auch dann fest, welche Werkexemplare zu
erstellen sind, wenn er den Presseausschnitt- oder
Dokumentationslieferdiensten lediglich die Stichworte für die Auswahl der
Werke nennt, weil auch in diesem Fall die Selektion auf seinen Kriterien
beruht.

  5.4  Da die Recherche und die Selektion der Artikel urheberrechtlich
irrelevante Handlungen sind, greifen die Presseausschnitt- oder
Dokumentationslieferdienste damit nicht in die Urheberrechte der Klägerinnen
ein. Darüber hinaus bestimmen die Kunden selber, welche Artikel kopiert
werden sollen. Die Klägerinnen machen

nicht geltend, die Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienste hätten
keinen rechtmässigen tatsächlichen Zugang zu den Originalexemplaren. Sofern
die Dienste bei der Herstellung der Kopie keine anderen Handlungen
vornehmen, als der zum Eigengebrauch Berechtigte selber vornehmen dürfte
(siehe dazu oben E. 3.3), fällt die Vervielfältigung des Werkexemplars
deshalb unter Art. 19 Abs. 2 URG.

Erwägung 6

  6.  Die Klägerinnen wenden schliesslich ein, der Beschleunigungseffekt
durch die elektronische Vervielfältigung und Verbreitung von Pressespiegeln
gefährde sie offensichtlich in hohem Masse, da die Tätigkeit der
Medienbeobachtungsunternehmen nunmehr einer Verlagstätigkeit gleichkomme und
den Kauf der im Handel angebotenen Printmedien als entbehrlich erscheinen
lasse. Die Anwendung von Art. 19 Abs. 2 URG auf die genannte Tätigkeit der
Medienbeobachtungsunternehmen verletze deshalb den in verschiedenen
internationalen Abkommen vorgesehenen Dreistufentest.

  6.1  Der in Art. 9 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken
der Literatur und Kunst in der Pariser Fassung vom 24. Juli 1971 (SR
0.231.15; im Folgenden: RBÜ) für die Vervielfältigung und in Art. 13 des
Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum vom
15. April 1994 (SR 0.632.20, Anhang 1C; im Folgenden: TRIPS-Abkommen)
allgemein festgeschriebene Dreistufentest sieht vor, dass (1.)
Beschränkungen und Ausnahmen von ausschliesslichen Rechten auf bestimmte
Sonderfälle eingegrenzt werden, (2.) die normale Verwertung des Werkes nicht
beeinträchtigt werden darf und (3.) die berechtigten Interessen des
Rechtsinhabers nicht unangemessen verletzt werden dürfen (vgl. auch Art. 10
Abs. 1 WCT). Die erste Teststufe schliesst generalklauselartige
Ausnahmebestimmungen aus. Es muss klar sein, welche Zielsetzung mit der
Ausnahme oder Beschränkung verfolgt wird. Die zweite Teststufe verlangt eine
Verhältnismässigkeitsprüfung im Hinblick auf die Verwertungsmöglichkeiten
des Urheberrechts. Dabei bestimmt sich nach der Art des fraglichen Rechts
und nach dem diesbezüglichen Absatzmarkt, was eine normale Verwertung ist.
In der dritten Teststufe ist eine Verhältnismässigkeitsprüfung im engeren
Sinn vorzunehmen. Ein Eingriff in die berechtigten Interessen der
Rechtsinhaber ist unzulässig, sofern er ihnen nicht zugemutet werden darf
(Botschaft 2006, a.a.O., S. 3413). Die Beeinträchtigung ist dann unzumutbar,
wenn die Interessen Dritter diejenigen des Rechtsinhabers nicht zu
überwiegen

vermögen (CHRISTOPH GASSER/SANDRO MACCIACCHINI/REINHARD OERTLI, in:
Müller/Oertli, a.a.O., N. 16 der Vorbem. zu Art. 19 URG). Durch die Zahlung
einer angemessenen Vergütung kann die durch eine Schranke verursachte
Verletzung berechtigter Interessen so abgemildert werden, dass keine
Verletzung der dritten Teststufe vorliegt (MARTIN SENFTLEBEN, Grundprobleme
des urheberrechtlichen Dreistufentests, in: GRUR International 2004 S.
200/205; BAUMGARTNER, a.a.O., S. 112). Auf Grund der unterschiedlichen
Formulierungen in den verschiedenen internationalen Erlassen, die den
Dreistufentest vorsehen, ist unklar, um wessen Interessen es im Rahmen
dieser dritten Stufe überhaupt geht. Während Art. 9 RBÜ und Art. 10 WCT vom
Urheber sprechen, nennt Art. 13 TRIPS-Abkommen den Rechtsinhaber. Die
Interessen der Verwerter stimmen aber nicht notwendigerweise mit denjenigen
der Urheber überein. Da der Dreistufentest dem Schutz des Urhebers
mindestens ebenso dient wie demjenigen der Verwerter, geht es nicht an, ihn
ausschliesslich aus der Optik des Verwerters vorzunehmen (RETO M. HILTY,
Urheberrecht in der Informationsgesellschaft - Schweizer Modell vs.
Europäische Vorgaben, in: sic! 12/2004 S. 966/969; derselbe,
Vergütungssystem, a.a.O., S. 825 f.; vgl. auch SENFTLEBEN, a.a.O., S. 209).

  6.2  Da die Beschränkung des ausschliesslichen Rechts nur den Fall
betrifft, dass anstelle des zum Eigengebrauch Berechtigten ein Dritter ein
Werkexemplar herstellt, ist die erste Teststufe im vorliegenden Fall
unproblematisch. Die normale Verwertung einer Zeitung liegt sodann - wie die
Klägerinnen selbst festhalten - im Verkauf sowie in der Nutzung der
Online-Ausgaben und der Electronic Papers. Nach den verbindlichen
Feststellungen des Obergerichts ist die klägerische Behauptung, die
Tätigkeit der Medienbeobachtungsunternehmen führe zu einem Rückgang der
Auflagen und zum Verlust von Lesern, unbelegt und unsubstantiiert. Eine
Verletzung der zweiten Teststufe liegt demnach nicht vor.

  6.3  Im Rahmen der dritten Teststufe ist eine Abwägung zwischen den
Interessen der Rechtsinhaber und denjenigen Dritter vorzunehmen. Der
einzelne Informationssuchende wird in der immer dichter werdenden,
unstrukturierten Datenflut zunehmend auf Spezialisten angewiesen sein. Das
gilt gerade für kleine Betriebe, die für die Informationssuche kaum
professionelle eigene Angestellte bezahlen können (HILTY, Urheberrecht,
a.a.O., S. 968). Auf Grund der praktisch nicht mehr überschaubaren Anzahl
von Pressetiteln hat die

Informationsgesellschaft mit Blick auf die Meinungsvielfalt ein grosses
Interesse daran, dass spezialisierte Anbieter elektronische Pressespiegel
für ihre Kunden erstellen dürfen, ohne dafür auf die Zustimmung der Verlage
angewiesen zu sein (HILTY, Urheberrecht, a.a.O., S. 969; derselbe,
Vergütungssystem, a.a.O., S. 825 ff.; EGLOFF, a.a.O., S. 41; vgl. auch
THOMAS HOEREN, Pressespiegelschranken im Urheberrecht - eine Anfrage an die
Informationsfreiheit, in: Festschrift für Jean Nicolas Druey zum 65.
Geburtstag, Zürich 2002, S. 773/775, wonach ein Verbotsrecht in die
Grundfesten der Informationsfreiheit eingreife und daher nicht begründbar
sei). Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage kann nicht angenommen
werden, es werde in die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber auf
unzumutbare Weise eingegriffen, wenn ihnen anstelle des Verbotsrechts
lediglich ein Vergütungsanspruch eingeräumt wird, da sowohl die Interessen
der Journalisten als auch diejenigen der Verlage zu berücksichtigen sind.
Mit Bezug auf den Pressespiegel ist dem Verlag, der sich in der Regel von
den Journalisten umfassende Nutzungsrechte einräumen lässt, zwar mit einem
Verbotsrecht am besten gedient, da er es damit in der Hand hat, die
Vervielfältigung der Werke zu verhindern oder seine Zustimmung gegen
entsprechendes Entgelt zu erteilen. Der Journalist als Urheber des einzelnen
Artikels hat an einem Verbotsrecht hingegen kein Interesse. Einerseits ist
er daran interessiert, dass seine Beiträge vielen Lesern zur Verfügung
stehen. Andererseits verdient er nur dann an der durch den Presseausschnitt-
oder Dokumentationslieferdienst vorgenommenen Vervielfältigung, wenn statt
des an den Verlag abgetretenen Verbotsrechts ein Vergütungsanspruch besteht
(vgl. Art. 49 Abs. 3 URG). Da sich unter diesen Umständen die Interessen des
Urhebers im Resultat mit denjenigen der Allgemeinheit decken und der Verlag
durch die entgeltliche gesetzliche Lizenz eine Vergütung erhält, ist der
Eingriff in die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber nicht als
unzumutbar anzusehen (vgl. auch HILTY, Urheberrecht, a.a.O., S. 969;
derselbe, Vergütungssystem, a.a.O., S. 820 und 825 f.). Auch die dritte
Teststufe ist demzufolge nicht verletzt.

  6.4  Nach dem Gesagten steht die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 URG, wonach
Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdienste, die für ihre Kunden nach
deren Stichworten elektronische Pressespiegel erstellen, Dritte im Sinn
dieser Norm sein können, nicht im Widerspruch zum Dreistufentest.

Erwägung 7

  7.  Gemäss Ziffer 6.3.24.2 des GT 8/VI zieht die Beklagte Vergütungen nur
für solche elektronische Vervielfältigungen ein, die die Presseausschnitt-
und Dokumentationslieferdienste als Dritte im Sinn von Art. 19 Abs. 2 URG
erstellen und elektronisch versenden. Nach dem Gesagten sind derartige
Konstellationen denkbar. Ziffer 5.5 des GT 8/VI weist darüber hinaus darauf
hin, dass für das vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigen
im Handel erhältlicher Werkexemplare die ausdrückliche Erlaubnis der
betreffenden Rechtsinhaber erforderlich sei. Die Beklagte masst sich demnach
keine Befugnisse der Klägerinnen an, wenn sie gemäss Ziffer 6.3.24.2 des GT
8/VI von den Presseausschnitt- und Dokumentationslieferdiensten Vergütungen
einzieht, sondern erfüllt vielmehr ihre gesetzliche Pflicht, für zwingend
verwertungspflichtige Nutzungen Vergütungsansprüche geltend zu machen (Art.
44 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 und 4 URG). Die Berufung ist begründet.