Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 416



Urteilskopf

133 III 416

  51. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. B. gegen
C., F.A. und D. (Berufung)
  5C.158/2006 vom 23. März 2007

Regeste

  Ausgleichungswert eines Erbvorbezuges (Art. 630 ZGB).

  Wird ein unüberbautes Grundstück mittels Erbvorbezug übertragen und
anschliessend vom vorempfangenden Erben parzelliert, überbaut und verkauft,
so richtet sich die Ausgleichung nach dem (Verkehrs-)Wert des (unüberbauten)
Grundstücks im Zeitpunkt der vorzeitigen Veräusserung (E. 6.3.1 und 6.3.4).

  Methode der Verkehrswertschätzung (E. 6.3.3).

  Geht der ausgleichungspflichtige Erbe bezüglich der zugewendeten Sache
einer unternehmerischen Tätigkeit nach, gelangt Art. 630 Abs. 2 ZGB und
damit ein allfälliger Verwendungsausgleich nicht zur Anwendung (E. 6.3.4).

Sachverhalt ab Seite 416

  E.A. verstarb am 3. März 1999. Er hinterliess als seine gesetzlichen Erben
die Ehefrau F.A. sowie seine drei Söhne C., D. und B.

  Die Ehegatten A. schlossen keinen Ehevertrag ab, am 23. September 1994
jedoch einen Erbvertrag (mit Nachtrag/Ergänzung vom 31. März 1995), mittels
welchem C. auf den Pflichtteil gesetzt und diverse Teilungsvorschriften
vereinbart wurden.

  Auf Anrechnung an seinen Erbteil hat der Erblasser seinem Sohn B. im Jahre
1994 die unüberbaute Parzelle Nr. e abgetreten. Einen Anrechnungswert haben
die Vertragsparteien in der öffentlichen Urkunde

damals nicht vereinbart. B. hat das Grundstück parzelliert, die
Teilgrundstücke anschliessend überbaut und in den Jahren 1997 und 1998
verkauft.

  C. reichte gegen seine Miterben Klage ein und begehrte die
Ungültigerklärung des Erbvertrages mit Nachtrag/Ergänzung sowie die
Feststellung und Teilung des Nachlasses von E.A. Insbesondere verlangte er,
der Beklagte B. sei zu verpflichten, erhaltene Erbvorbezüge - insbesondere
den Vorempfang der Parzelle Nr. e - zur Ausgleichung zu bringen.

  Streitig war im kantonalen Verfahren der Ausgleichungswert dieses
Erbvorbezuges.

  Das Bezirksgericht Frauenfeld erkannte auf Gültigkeit des Erbvertrages
inkl. Nachtrag, stellte das eheliche Nettovermögen, die
ausgleichungspflichtigen Vorempfänge sowie den Nettonachlass betragsmässig
fest und führte die Erbteilung durch.

  Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung von B. an das Obergericht des
Kantons Thurgau hiess dieses teilweise gut und bestimmte den Anrechnungswert
der Parzelle Nr. e auf Fr. 1'542'990.-, um daraufhin die Teilung des
Nachlasses vorzunehmen.

  B. beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung unter anderem
eine Herabsetzung des Betrages, welchen er bezüglich der vorempfangenen
Parzelle zur Ausgleichung bringen muss. Das Bundesgericht weist die Berufung
ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

  6.

  6.3
  6.3.1  Das Grundstück ist von Seiten des Erblassers an den Beklagten auf
Anrechnung an dessen Erbteil abgetreten worden und deshalb zur Ausgleichung
zu bringen (vgl. Art. 626 ZGB). Dabei erfolgt gemäss Art. 630 Abs. 1 ZGB die
Ausgleichung - mangels gegenteiliger erblasserischer Anordnung - nach dem
(Verkehrs-) Wert der Zuwendung zur Zeit des Erbganges oder, wenn die
(zugewendete) Sache vorher veräussert worden ist, nach dem dafür erzielten
Erlös. Gegenstand der Zuwendung war eine unüberbaute Parzelle. Da es sich
bei dieser um ein nichtlandwirtschaftliches Grundstück handelte, gilt das
Verkehrswertprinzip (EITEL, Berner Kommentar, N. 18 ff. zu Art. 630 ZGB;
FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 630 ZGB; LIONEL SEEBERGER, Die
richterliche Erbteilung, Diss.

Freiburg 1992, S. 295). Massgebend ist der Verkehrswert zur Zeit des
Erbganges, ausser die Sache sei zuvor veräussert worden. Für diesen Fall
sieht das Gesetz - in Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen (z.B. Art.
206 Abs. 2 ZGB) - vor, dass für die Bewertung der Zeitpunkt der Veräusserung
massgebend ist und der Ausgleichungswert dem "erzielten Erlös" entspricht.
Bei einer vorzeitigen Veräusserung wird dabei vom Gesetzgeber idealerweise
angenommen, der Erlös stimme mit dem damaligen Verkehrswert überein. Wird
die Sache jedoch unter diesem Wert veräussert, so ist ihr der objektive
(Schätzungs-) Wert anzurechnen, den die Sache im Veräusserungszeitpunkt
hatte (vgl. dazu FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 5 zu Art. 630 ZGB; EITEL, a.a.O.,
N. 33 ff. zu Art. 630 ZGB; ESCHER/ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 10 zu Art.
630 ZGB; SEEBERGER, a.a.O., S. 300 f.; HEINZ VONRUFS, Der massgebende
Zeitpunkt für die Bewertung der Erbschaftsgegenstände bei
Pflichtteilsberechnung, Ausgleichung und Teilung, Diss. Zürich 1952, S. 51).

  6.3.2  Anhand der - im kantonalen Berufungsverfahren eingereichten -
(rekonstruierten) Abrechnung über die Überbauung und den Verkauf der
Liegenschaft hat der Beklagte einen tatsächlich erzielten Erlös von Fr.
918'720.- für die unüberbaute Parzelle Nr. e behauptet. Dieser in der
Bauabrechnung "eingesetzte Grundstückswert" hat der Beklagte mittels einer
Rückrechnung aus der Differenz zwischen dem Erlös aus den Verkäufen der
überbauten Parzellen und den gesamten Aufwendungen inklusive eines
Unternehmensgewinns von Fr. 277'563.- ermittelt. Das Obergericht hat
ausführlich dargelegt, dass und weshalb auf die Bauabrechnung des Beklagten
und seines Partners H. beweismässig nicht abgestellt werden könne. Seine
Schlüsse beruhen auf Beweiswürdigung, die im Rahmen der Berufung nicht
überprüft werden kann. Die darauf bezogenen Vorbringen des Beklagten sind
nicht zu hören (vgl. BGE 127 III 73 E. 6a S. 81; 119 II 84 E. 3 S. 84).

  6.3.3  Der Beklagte kritisiert die obergerichtliche Methode der
Verkehrswertschätzung. In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf den
Unterschied zwischen Tat- und Rechtsfrage bei Bewertungsfragen hinzuweisen.
Das Bundesrecht bestimmt hierbei, nach welchen Rechtsgrundsätzen (Methode,
Massstab) die Bewertung vorzunehmen ist, wogegen die nach diesen Grundsätzen
vorzunehmende Wertermittlung grundsätzlich eine vom kantonalen Gericht
abschliessend zu beurteilende Tatfrage darstellt. Im Folgenden wird daher
geprüft, ob das Obergericht eine zulässige und nachvollziehbare
Bewertungsmethode

herangezogen und diese auch richtig angewandt hat. Der Amtsbericht des
Grundbuchamtes Frauenfeld (GBA) fusst auf der von Lehre und Praxis
anerkannten - und vom Bundesgericht primär angewandten - Vergleichswert-
oder statistischen Methode (auch Preisvergleichsmethode genannt; vgl. zum
Ganzen: Das Schweizerische Schätzerhandbuch, Bewertung von Immobilien, Stand
2005, Hrsg. Schweizerische Vereinigung kantonaler
Grundstückbewertungsexperten SVK und Schweizerische
Schätzungsexpertenkammer/Schweizerischer Verband der Immobilien-Treuhänder
SEK/SVIT, S. 50 und S. 99 ff.), die primär auf die tatsächlich bezahlten
Preise abstellt (vgl. BGE 114 Ib 286 E. 7 S. 295). Gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung führt diese zulässige Methode dann zu
richtigen Resultaten, wenn Vergleichspreise in genügender Anzahl für Objekte
ähnlicher Beschaffenheit zur Verfügung stehen. Diesem Erfordernis ist das
Obergericht durch das Abstellen auf den Amtsbericht, der seiner Schätzung
neun Vergleichspreise aus Landverkäufen in einem Umkreis von 500 Metern in
vergleichbarer Lage und Zone zugrunde gelegt hat, bundesrechtskonform
nachgekommen. Aufgrund der besseren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse im
Rahmen der Auswahl von Schätzungsmethode und Vergleichsgrundstücken verfügt
die kantonale Instanz über ein gewisses Ermessen. In diesen
Beurteilungsspielraum greift das auf eine reine Rechtskontrolle beschränkte
Bundesgericht nur mit Zurückhaltung dann ein, wenn die Auffassung der
Vorinstanz als unvertretbar erscheint (vgl. BGE 130 III 193 E. 2.3 S. 197;
126 III 223 E. 4a S. 227). Dafür aber sind Anhaltspunkte weder ersichtlich
noch dargetan.

  6.3.4  Der Beklagte beruft sich mehrfach unter Hinweis auf Art. 630 ZGB
auf sein Unternehmerrisiko infolge Überbauung der zugewendeten Liegenschaft.
Seine Darlegungen sind schwer nachvollziehbar. Gemäss Art. 630 Abs. 1 ZGB
erfolgt die Ausgleichung nach dem Wert des für die Zuwendung erzielten
Erlöses. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung sind Verwendungen unter den Erben
nach den Besitzesregeln (Art. 938 bis 940 ZGB) in Anschlag zu bringen. Dies
gilt sowohl für notwendige als auch für nützliche Verwendungen des
gutgläubigen Besitzers.

  Verwendungen sind Leistungen aus freien Stücken im Interesse einer
(fremden) Sache (vgl. STARK, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 939 ZGB). In der
Literatur wird vorwiegend die Meinung vertreten, dass es sich bei den
Verwendungen im Sinne des Ausgleichungs- und des Besitzesrechts um
Ausbesserungs- sowie Sicherungsarbeiten etc.

handelt, mithin um Handlungen zur (passiven) Erhaltung einer Sache im Sinne
einer Werterhaltung und -steigerung (vgl. STARK, a.a.O., N. 2 zu Art. 939
ZGB; EITEL, a.a.O., N. 50 zu Art. 630 ZGB; auch ein bereits existierender
Betrieb kann werterhaltenden Massnahmen zugänglich sein, vgl. dazu BGE 130
III 441).
  Art. 630 Abs. 2 ZGB liesse sich zwar auch für den vorliegenden Fall eine
Antwort entnehmen, jedoch widerspricht diese Sinn und Zweck des
Ausgleichungsrechts. Denn im vorliegenden Fall hat der
ausgleichungspflichtige Beklagte unter Verwendung des Zuwendungsobjektes
(unüberbautes Grundstück) mit der Abparzellierung und der anschliessenden
Überbauung und dem Verkauf der einzelnen Objekte ein eigentliches
Unternehmen betrieben. Das Konzept und die systematische Einordnung von Art.
630 Abs. 2 ZGB lässt jedoch den Schluss zu, dass der Gesetzgeber nicht an
solche Fälle gedacht hat, diese mithin nicht unter diesen
Ausgleichungstatbestand subsumiert werden können. Denn erzielte der
ausgleichungspflichtige Erbe durch die unternehmerische Tätigkeit einen
grossen Gewinn, so wäre es unbillig, müsste er diesen Gewinn mit den
Miterben teilen. Umgekehrt wäre es auch für die ausgleichungsberechtigten
Miterben unbillig, müssten sie unternehmerische Verluste - auf deren
Entstehung sie keinerlei Einfluss ausüben konnten - mittragen, wenn der
erzielte Erlös die Verwendungen nur knapp überstiege oder jener gar unter
diesen läge.

  Nach dem Gesagten widerspricht eine Beteiligung am Unternehmerrisiko -
d.h. an Gewinn oder Verlust - dem Grundgedanken der Ausgleichung. Sobald der
Ausgleichungsschuldner - wie hier - mit dem Zuwendungsobjekt einer
unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, können demnach solche Handlungen nicht
mehr als Verwendungen im Sinne von Art. 630 Abs. 2 ZGB angesehen werden. Zum
selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man vom Zweck der einzelnen
Handlungen in Bezug auf das Zuwendungsobjekt ausgeht. So ist der primäre
Zweck der Verwendungen derjenige der Werterhaltung im Hinblick auf die
zukünftige Erbteilung, währenddem mit der unternehmerischen Tätigkeit einzig
die Gewinnerzielung angestrebt wird. Für den vorliegenden Fall bleibt somit
kein Raum für eine andere Lösung als - abweichend vom Konzept des Art. 630
ZGB - diejenige, dass auf das ursprüngliche und unveränderte
Zuwendungsobjekt (unüberbautes Grundstück) abzustellen und dessen
Verkehrswert im Zeitpunkt der vorzeitigen Veräusserung zu bestimmen ist. Im
Ergebnis hat das Obergericht demnach kein Bundesrecht verletzt.