Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 295



Urteilskopf

133 III 295

  33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen
Bank X. (Berufung)
  4C.43/2006 vom 28. März 2007

Regeste

  Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Lugano-Übereinkommen.

  Begriff der Einlassung nach Art. 18 LugÜ (E. 5). Durchführung eines
Beweisverfahrens vor Erlass eines selbständigen Zuständigkeitsentscheids (E.
6). Begriff des Verbrauchers nach Art. 13 Abs. 1 LugÜ (E. 7). Begriff des
Dienstleistungsvertrags im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ (E. 8).
Massgebender Zeitpunkt für den Vertragsabschluss im Sinn von Art. 13 Abs. 1
Ziff. 3 LugÜ bei Wiedereröffnung eines inaktiv gewordenen Kontos (E. 9).

Sachverhalt

  A.- A. (Beklagter und Berufungskläger) mit Wohnsitz in Griechenland
verfügte bei der Bank X. (Klägerin und Berufungsbeklagte), einer Bank mit
Sitz in der Schweiz, über ein Konto mit der Nummer 1.

  B.- Mit Eingabe vom 1. Oktober 2004 beantragte die Klägerin dem
Bezirksgericht Zürich, der Beklagte sei zu verpflichten, ihr rund 9 Mio.
US-Dollar zu bezahlen. Der Beklagte stellte daraufhin ein
Sistierungsbegehren, das das Bezirksgericht mit Beschluss vom 23. Februar
2005 abwies. Am 16. März 2005 reichte der Beklagte eine "uneinlässliche
Klageantwort" ein und beantragte, auf die Klage sei infolge Unzuständigkeit
nicht einzutreten. Er machte geltend, bei der gerichtlichen
Auseinandersetzung zwischen den Parteien handle es sich um eine
Konsumentenstreitigkeit im Sinn von Art. 13 ff. des Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ; SR 0.275.11), weshalb
gemäss Art. 14 Abs. 2 LugÜ das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers
zuständig sei. Mit Beschluss vom 10. Juni 2005 wies das Bezirksgericht die
Unzuständigkeitseinrede ab.

  C.- Einen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts erhobenen Rekurs des
Beklagten wies das Obergericht am 12. Dezember 2005 ab. Es kam zum Schluss,
es liege keine Verbraucherstreitigkeit im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3
LugÜ vor, da keine der dafür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sei.
Weder sei der Beklagte Verbraucher, noch seien die abgeschlossenen Verträge
auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet. Dem massgebenden
Vertragsabschluss im Jahr 1982 sei kein ausdrückliches Angebot bzw. keine
Werbung in Griechenland vorausgegangen, und der Beklagte habe die zum
Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen nicht in Griechenland
vorgenommen. Darüber hinaus sei das Bezirksgericht Zürich auch deshalb zur
Behandlung der eingereichten Klage zuständig,

weil sich der Beklagte durch sein Sistierungsbegehren auf das Verfahren in
Zürich eingelassen habe.

  D.- Mit Berufung vom 30. Januar 2006 beantragt der Beklagte dem
Bundesgericht, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12.
Dezember 2005 sei vollumfänglich aufzuheben und die Unzuständigkeit der
zürcherischen Gerichte festzustellen, eventualiter sei die Sache zur neuen
Entscheidung nach Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

  Die Klägerin beantragt, die Berufung sei abzuweisen und der Beschluss des
Obergerichts vom 12. Dezember 2005 zu bestätigen, soweit auf die Berufung
einzutreten ist.

  Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt den
angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur Sachverhaltsergänzung
und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

  5.  Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, Art. 18 LugÜ und Art. 10 GestG
(SR 272) verletzt zu haben, indem es die Zuständigkeit des Bezirksgerichts
Zürich damit begründete, der Beklagte habe sich auf das Verfahren in Zürich
eingelassen.

  5.1  Gemäss Art. 18 Satz 1 LugÜ wird das Gericht eines Vertragsstaates,
das nicht bereits nach anderen Vorschriften des Übereinkommens zuständig
ist, dann für die Behandlung einer Klage zuständig, wenn sich der Beklagte
vor ihm auf das Verfahren einlässt. Der Begriff der Einlassung ist
vertragsautonom auszulegen (YVES DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd.
III, Nr. 7106; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Les Conventions de Bruxelles et de
Lugano, 2. Aufl. 1996, Nr. 149; JAN KROPHOLLER, Europäisches
Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, N. 7 zu Art. 24 EuGVO; DIETMAR CZERNICH/
STEFAN TIEFENTHALER/GEORG E. KODEK, Kurzkommentar Europäisches
Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 2. Aufl. 2003, N. 7 zu Art. 24
EuGVO; a.M. GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz,
3. Aufl. 2002, S. 256). Unter Einlassung ist danach jede Verteidigung zu
verstehen, die unmittelbar auf Klageabweisung abzielt (KROPHOLLER, a.a.O.,
N. 7 zu Art. 24 EuGVO). Handlungen im Vorfeld der Verteidigung wie etwa
Anträge auf Aussetzung, Ruhen oder Vertagung des Verfahrens fallen hingegen
nicht darunter (SABINE SCHULTE-BECKHAUSEN, Internationale Zuständigkeit
durch rügelose Einlassung im Europäischen Zivilprozessrecht, Diss.

Bonn 1994, S. 169; KROPHOLLER, a.a.O., N. 7 zu Art. 24 EuGVO). Die Einrede
der Unzuständigkeit kann nach Abgabe jener Stellungnahme, die nach dem
innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem
angerufenen Gericht anzusehen ist, nicht mehr erhoben werden (Urteil des
EuGH vom 24. Juni 1981 in der Rechtssache 150/80, Elefanten Schuh GmbH gegen
Pierre Jacqmain, Slg. 1981, II-1671, Randnr. 16 f.). Massgebend ist somit
der Zeitpunkt, zu dem nach nationalem Prozessrecht eine Prozesshandlung
vorgenommen wird, die dem autonom zu qualifizierenden Begriff der
"Einlassung auf das Verfahren" entspricht (CZERNICH/TIEFENTHALER/KODEK,
a.a.O., N. 8 zu Art. 24 EuGVO).

  5.2  Der Beklagte stellte zunächst ein Sistierungsbegehren und reichte
nach dessen Abweisung durch das Bezirksgericht Zürich eine "uneinlässliche
Klageantwort" ein, in der er die Einrede der Unzuständigkeit erhob. Das
Obergericht begründete die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich damit,
der Beklagte habe sich durch das Sistierungsbegehren auf das Verfahren in
Zürich eingelassen. Eine derartige Handlung stellt nach dem Gesagten kein
Verteidigungsvorbringen im Sinn einer Einlassung nach Art. 18 LugÜ dar. Das
Obergericht hat deshalb Bundesrecht verletzt, als es von einer Einlassung
des Beklagten auf das Verfahren ausging.

Erwägung 6

  6.  Der Beklagte rügt weiter, das Obergericht habe Bundesrecht verletzt,
indem es für die Beurteilung der Zuständigkeit nach LugÜ auf die
bestrittenen Behauptungen der Klägerin abstellte, statt ein Beweisverfahren
darüber durchzuführen.

  6.1  Die Rüge, die Vorinstanz hätte im Anwendungsbereich des LugÜ mit
Bezug auf die Frage der Zuständigkeit ein Beweisverfahren durchführen
müssen, betrifft die Anwendung der bundesrechtlichen Normen des
internationalen Zivilprozessrechts. Sie kann deshalb im Rahmen der Berufung
erhoben werden (BGE 122 III 249 E. 3a S. 251).

  6.2  Bei der Beurteilung der Zuständigkeit ist primär auf den vom Kläger
eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen; die diesbezüglichen
Einwände der Gegenpartei sind in diesem Stadium grundsätzlich nicht zu
prüfen. Das gilt indessen nur, wenn der Gerichtsstand von der Natur des
eingeklagten Anspruchs abhängt. Ist eine Tatsache in dem Sinn
doppelrelevant, dass sie sowohl für die Zulässigkeit der Klage als auch für
deren Begründetheit von Bedeutung ist, wird sie nur einmal untersucht, und
zwar im Moment

der Prüfung des eingeklagten Anspruchs (BGE 122 III 249 E. 3b/bb S. 252).
Erhebt die beklagte Partei hingegen die Einrede der Unzuständigkeit gestützt
auf eine Behauptung, die allein mit Bezug auf die Frage der Zuständigkeit
relevant ist, und stellt die klägerische Partei diese Sachbehauptung in
Abrede, muss darüber im Zeitpunkt der Zuständigkeitsprüfung Beweis geführt
werden (vgl. auch BGE 122 III 249 E. 3b/cc S. 252 f.).

  6.3  Der Beklagte begründete die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts
Zürich damit, es liege eine Verbrauchersache im Sinn von Art. 13 Abs. 1
Ziff. 3 LugÜ vor, weshalb der auf Grund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Klägerin vereinbarte Gerichtsstand Zürich gemäss Art. 15 LugÜ
unbeachtlich sei. Die Klage auf Zahlung der geforderten Summe kann im
vorliegenden Fall materiell entschieden werden, ohne dass es darauf ankommt,
ob eine Verbrauchersache vorliegt. Soweit der Beklagte mit Bezug auf die
Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 LugÜ Behauptungen
aufgestellt hat, handelt es sich um allein mit Bezug auf die Zuständigkeit
relevante Tatsachen. Im Gegensatz zur Auffassung des Obergerichts muss
deshalb darüber ein Beweisverfahren durchgeführt werden, sofern die Klägerin
die rechtserheblichen Behauptungen bestritten hat.

Erwägung 7

  7.  Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, Art. 8 ZGB und Art. 13 ff.
LugÜ verletzt zu haben, indem es verneinte, dass das Konto Nr. 1.
ausschliesslich privaten Zwecken diente.

  7.1  Art. 8 ZGB gibt der beweispflichtigen Partei in allen
bundesrechtlichen Zivilstreitigkeiten einen Anspruch darauf, für
rechtserhebliche Vorbringen zum Beweis zugelassen zu werden (BGE 132 III 222
E. 2.3 S. 226; 130 III 591 E. 5.4 S. 601), wenn ihr Beweisantrag nach Form
und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Rechts entspricht (BGE 129 III 18
E. 2.6 S. 24 f.; 114 II 289 E. 2a S. 290, je mit Hinweisen). Die allgemeine
Beweisvorschrift ist daher insbesondere verletzt, wenn der kantonale Richter
Behauptungen einer Partei, unbekümmert darum, dass sie von der Gegenpartei
bestritten worden sind, als richtig hinnimmt, oder über rechtserhebliche
Tatsachen überhaupt nicht Beweis führen lässt (BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 601
f. mit Hinweis).

  7.2  Gemäss Art. 13 Abs. 1 LugÜ liegt eine Verbrauchersache vor bei einem
Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der
beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser

Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann. Der Begriff des Verbrauchers
ist eng auszulegen (Urteil des EuGH vom 20. Januar 2005 in der Rechtssache
C-464/01, Johann Gruber gegen Bay Wa AG, Slg. 2005, I-439, Randnr. 32 f. mit
Hinweisen und Randnr. 43). Die Frage, ob eine Person die
Verbrauchereigenschaft besitzt, muss nach der Stellung dieser Person
innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und
Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person
beantwortet werden. Deshalb kann ein und dieselbe Person im Rahmen
bestimmter Vorgänge als Verbraucher und im Rahmen anderer Vorgänge als
Unternehmer angesehen werden (Urteil des EuGH vom 3. Juli 1997 in der
Rechtssache C-269/95, Francesco Benincasa gegen Dentalkit Srl., Slg. 1997,
I-3767, Randnr. 16). Es ist Sache des Gerichts, anhand der ihm vorgelegten
Beweismittel zu entscheiden, ob mit dem betreffenden Vertrag in nicht ganz
untergeordnetem Mass Bedürfnisse gedeckt werden sollten, die der
beruflich-gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind. Dabei hat
es neben Inhalt, Art und Zweck des Vertrags auch die objektiven Umstände des
Vertragsschlusses zu berücksichtigen (Urteil Johann Gruber gegen Bay Wa AG,
a.a.O., Randnr. 47).

  7.3  Für die Beurteilung, ob dem Beklagten vorliegend die
Verbrauchereigenschaft zukommt, ist nach dem Gesagten massgebend, ob der
Zweck, zu dem der Beklagte den Vertrag abgeschlossen hat, als privat im Sinn
von Art. 13 Abs. 1 LugÜ einzustufen ist. Der Beklagte machte im kantonalen
Verfahren geltend, das Konto Nr. 1. habe immer nur privaten Zwecken gedient.
Die Pfandverträge zur gegenseitigen Verpfändung des Kontos Nr. 1. und
verschiedener Geschäftskonten seien auf Drängen der Klägerin abgeschlossen
worden. Ziel sei nicht gewesen, den Negativsaldo von über 3,5 Mio. US-Dollar
des Kontos Nr. 1. zu Gunsten der Gesellschaften des Beklagten zu verpfänden,
sondern die Negativsaldi auf den privaten Konten von ihm bzw. seiner Ehefrau
mit Mitteln der Gesellschaft zu decken. Die Klägerin bestritt diese
Behauptungen. Das Obergericht hat darauf verzichtet, darüber ein
Beweisverfahren durchzuführen. Statt dessen hat es allein auf Grund der
(unbestrittenen) Tatsache, dass eine gegenseitige Verflechtung diverser
Geschäftskonten des Beklagten mit dem fraglichen Konto Nr. 1. bestand, auf
eine erhebliche Bedeutung dieses Kontos für die geschäftliche Tätigkeit des
Beklagten geschlossen und den privaten Zweck verneint.

  7.4  Treffen die Behauptungen des Beklagten mit Bezug auf den Zweck des
Kontos Nr. 1. und der Verpfändungsverträge zu, kann die Gegenseitigkeit der
Verpfändung entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht zu einer Änderung
des privaten Zwecks in einen geschäftlichen führen. Durch den Verzicht auf
Beweisabnahme hat das Obergericht den rechtserheblichen Sachverhalt
ungenügend festgestellt und Art. 8 ZGB sowie Art. 13 Abs. 1 LugÜ verletzt.

Erwägung 8

  8.  Der Beklagte rügt weiter, das Obergericht habe Art. 8 ZGB und Art. 13
ff. LugÜ verletzt, als es davon ausging, der dem eingeklagten Anspruch
zugrunde liegende Vertrag zwischen den Parteien sei kein
Dienstleistungsvertrag im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ.

  8.1  Unter Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ fallen neben den Verträgen über die
Lieferung beweglicher Sachen auch Verträge, die die Erbringung einer
Dienstleistung zum Gegenstand haben. Der Begriff "Erbringung einer
Dienstleistung" ist autonom auszulegen und weit zu fassen (REINHOLD
GEIMER/ROLF A. SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, N.
45 zu Art. 15 EuGVO). Nach dem Bericht der Kommission Schlosser sind
Kreditgeschäfte nicht auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet,
weshalb sie nicht unter diese Bestimmung fallen (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften vom 5. März 1979, Nr. C 59, S. 71/118, Nr. 157). Der
überwiegende Teil der Lehre folgt dieser Ansicht (KROPHOLLER, Europäisches
Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 1998, N. 20 zu Art. 13 EuGVÜ; DIETMAR
CZERNICH/STEFAN TIEFENTHALER, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, N.
19 zu Art. 13 EuGVÜ; ALEXANDER R. MARKUS, Die Konsumentenzuständigkeit der
EuGVO und des revidierten LugÜ, besonders im E-Commerce, in: Schweizerische
Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht [ZZZ] 2004 S.
181/185; KARSTEN THORN, Grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen
in Kreditverträgen zur Finanzierung von Börsenspekulationen, in: Praxis des
Internationalen Privat- und Verfahrensrechts [IPrax] 1995 S. 294/296). Nach
einer anderen Ansicht lässt es sich in Anbetracht der seit dem Bericht
Schlosser erfolgten Weiterentwicklung des Begriffs der Dienstleistung im
Gemeinschaftsrecht nicht mehr rechtfertigen, die Kreditverträge vom
Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ auszunehmen (HÉLÈNE
GAUDEMET-TALLON, Revue critique du droit international privé 2001, S. 146
ff.; dieselbe, Conventions, a.a.O., Nr. 260). Für diese Meinung spricht,
dass Kreditverträge nunmehr unter Art. 15 EuGVO fallen, sofern der
Verbraucher sie zu privaten Zwecken schliesst (vgl. dazu GEIMER/

SCHÜTZE, a.a.O., N. 41 zu Art. 15 EuGVO; KROPHOLLER, Europäisches
Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, N. 20 zu Art. 15 EuGVO), und eine
entsprechende Anpassung des LugÜ gemäss dem vorläufigen Revisionstext vom
12. Oktober 2006 vorgesehen ist. Wie es sich damit verhält, kann jedoch
offen bleiben, da hier - wie zu zeigen sein wird - kein reiner Kreditvertrag
vorliegt und jedenfalls bei einem Vertrag, der neben anderen Leistungen auch
die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat, mit Blick auf den
von Art. 13 ff. LugÜ anvisierten Konsumentenschutz von einer
Verbrauchersache im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ auszugehen ist (in
diese Richtung bereits BGE 121 III 336 E. 6a S. 343). Das gilt zumindest
dann, wenn die vereinbarten Dienstleistungen nicht nur ganz nebensächlichen
Charakter haben.

  8.2  Die Klägerin stützt ihre Ansprüche nach den Feststellungen der
Vorinstanz auf die abgeschlossenen Kredit- und Pfandverträge. Voraussetzung
für die Ausrichtung eines Kontokorrentkredits ist das Bestehen eines
Kontokorrentvertrags (URS EMCH/HUGO RENZ/RETO ARPAGAUS, Das Schweizerische
Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004, Nr. 785). Die nachträgliche Vereinbarung einer
Kreditlimite für die Überziehung des Kontos kann nicht für sich allein
betrachtet werden, sie stellt vielmehr eine Ergänzung des
Kontokorrentvertrags dar. Die Klägerin bestreitet denn auch nicht, dass der
Kontokorrentvertrag in den abgeschlossenen Kreditverträgen mitenthalten bzw.
mitgemeint ist. Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche ist damit der
Kontokorrentvertrag. Im Rahmen eines solchen Vertrags erbringt die Bank
verschiedene Dienstleistungen wie etwa die Ein- und Auszahlung von Bargeld,
die Verbuchung eingehender Zahlungen, die Ausführung von Vergütungsaufträgen
oder die Honorierung von Checks (EMCH/RENZ/ARPAGAUS, a.a.O., Nr. 537; STEFAN
JACQUES SCHMID, Die Geschäftsbeziehung im schweizerischen Bankvertragsrecht,
Diss. Bern 1993, S. 40 f.). Die Vereinbarung einer Kreditlimite im Rahmen
eines Kontokorrentvertrags kann in Anbetracht der weiten Auslegung des
Begriffs "Erbringung einer Dienstleistung" nicht dazu führen, dass der
Kontokorrentvertrag aus dem Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3
LugÜ fällt. Das Obergericht hat damit Bundesrecht verletzt, als es den dem
geltend gemachten Anspruch zugrunde liegenden Vertrag nicht zu den
Dienstleistungsverträgen im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ zählte.

Erwägung 9

  9.  Der Beklagte rügt schliesslich, die Vorinstanz habe Art. 13 ff. LugÜ
und Art. 8 ZGB verletzt, indem sie den Vertragsschluss von

1982 für massgeblich hielt, ohne Beweis darüber abzunehmen, ob im Mai 1995
auf Veranlassung der Klägerin in Athen eine Neueröffnung des inaktiv
gewordenen Kontos erfolgte.

  9.1  Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ setzt für die Anwendbarkeit des 4.
Abschnitts des LugÜ bei Verträgen über die Erbringung einer Dienstleistung
voraus, dass dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des
Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist
(lit. a) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrags
erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (lit. b). Massgebender
Zeitpunkt für die genannten Handlungen von Anbieter bzw. Verbraucher ist
damit das Datum des Vertragsschlusses; spätere Änderungen des Vertrags
können in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Anders zu beurteilen ist
der Fall, dass ein Konto inaktiv geworden ist und in der Folge unter dessen
Nummer ein neuer Kontokorrentvertrag abgeschlossen wird. Die Tatsache
allein, dass das Konto unter einer bereits bestehenden Nummer
(wieder-)eröffnet wird, rechtfertigt es nicht, dem Verbraucher den Schutz
der Art. 13 ff. LugÜ zu versagen, der ihm ohne weiteres zukäme, wenn er das
Konto unter einer neuen Nummer eröffnen würde.

  9.2  Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beklagte
bei der Klägerin im Jahr 1982 ein Konto unter der Nr. 1. eröffnet und am 11.
Mai 1995 einen neuen Kontokorrentvertrag unter derselben Nummer
unterzeichnet. Der Beklagte hat bereits im kantonalen Verfahren behauptet,
das 1982 eröffnete Konto sei in der Folge inaktiv geworden (dormant
account), und hat dazu Beweisanträge gestellt. Auch mit Bezug auf die
Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a und b LugÜ
hat er entsprechende Behauptungen aufgestellt und Beweise offeriert. Indem
das Obergericht über diese rechtserheblichen Tatsachen keinen Beweis abnahm,
hat es Art. 8 ZGB und Art. 13 LugÜ verletzt.