Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 133 III 273



Urteilskopf

133 III 273

  31. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG und
Y. AG gegen Z. Inc. (Berufung)
  4C.384/2006 vom 1. März 2007

Regeste

  Art. 12 Abs. 1bis aURG; Auslegung des Begriffs "audiovisuelles Werk".

  Als "audiovisuelle Werke" im Sinn von Art. 12 Abs. 1bis aURG gelten
ausschliesslich die für die öffentliche Aufführung vorgesehenen Kinofilme;
Video- und Computerspiele fallen nicht unter diesen Begriff (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 273

  A.- Die Z. Inc. (Klägerin) ist Miturheberin des Computer-Videospiels
"Enter the Matrix". In der Schweiz ist die G. GmbH zum alleinigen

Vertrieb von "Enter the Matrix" berechtigt. Die X. AG (Beklagte 1) handelt
unter anderem mit Computer-Videospielen. Sie bezieht die Verkaufsware bei
Lieferanten im Ausland oder in der Schweiz. Als Zwischenhändlerin bedient
sie Endverkäufer in der Schweiz, unter anderem die Y. AG (Beklagte 2). In
dieser Funktion als Zwischenhändlerin hat die Beklagte 1 das
Computer-Videospiel "Enter the Matrix" bei Lieferanten aus Deutschland und
Italien bezogen ("parallel importiert") und an die Beklagte 2 verkauft. Die
Beklagte 2 hat die Computer-Videospiele "Enter the Matrix" an Endkonsumenten
in der Schweiz vertrieben.

  B.- Am 23. Mai 2003 reichte die Klägerin beim Obergericht des Kantons
Zürich gegen die Beklagten Klage ein wegen Verletzung ihrer Miturheberrechte
am Computer-Videospiel "Enter the Matrix" und stellte folgende Anträge:

   "1. Es sei den Beklagten mit sofortiger Wirkung zu verbieten,
       Werkexemplare von "Enter The Matrix", die nicht von der - durch die
       Klägerin exklusiv zum Vertrieb in der Schweiz ermächtigten - G. GmbH
       bezogen worden sind, in der Schweiz anzubieten, weiter zu veräussern
       oder sonstwie zu verbreiten.

    2. Die Beklagten seien zu verpflichten, die Anzahl der unautorisiert in
       die Schweiz importierten Werkexemplare von "Enter The Matrix", d.h.
       Lagerbestand und Anzahl bereits an Dritte weiterverbreiteten
       Werkexemplare, sowie deren Herkunft anzugeben.

    3. Die Beklagten seien zur Rechnungslegung betreffend die unautorisiert
       in die Schweiz importierten bzw. hier zu Lande verbreiteten
       Werkexemplare "Enter The Matrix" zu verpflichten.

    4. Für den Fall der Widerhandlung gegen die beantragten Anordnungen sei
       den Beklagten bzw. ihren Organen die Bestrafung gemäss Art. 292 StGB
       anzudrohen.

    5. Es seien die in Ziff. 1 und 2 beantragten Anordnungen
       superprovisorisch, ohne Anhörung der Beklagten im vorliegenden
       Hauptprozess anzuordnen; eventualiter seien diese Anordnungen nach
       Anhörung der Beklagten als vorsorgliche Massnahmen im Hauptprozess
       anzuordnen.

    6. Die Beklagten seien zur Leistung von Schadenersatz bzw. zur
       Herausgabe des unrechtmässig erzielten Gewinnes zu verpflichten.

    7. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der
       Beklagten."

  Gestützt auf das Massnahmebegehren gemäss Ziff. 5 der Anträge hat der
Referent den Beklagten mit Verfügung vom 27. Mai 2003 superprovisorisch
verboten, das Computer-Videospiel "Enter the

Matrix" durch andere Lieferanten als die G. GmbH in die Schweiz zu
importieren oder zu erwerben und zu vertreiben.

  Die Beklagten erhoben mit der Klageantwort vom 18. Juni 2003 Widerklage
mit dem Begehren, die Klägerin sei zu verpflichten, ihnen den entgangenen
Gewinn wegen des durch die vorsorglichen Massnahmen verunmöglichten Verkaufs
der Computer-Videospiele "Enter the Matrix" bzw. sämtlichen aus dem
verunmöglichten Angebot dieser Computer-Videospiele entstandenen Schaden zu
ersetzen.

  Am 26. September 2006 fällte das Obergericht des Kantons Zürich folgendes
Teilurteil:

   "1. a)  Die Beklagten werden verpflichtet, innert 60 Tagen ab Rechtskraft
           dieses Teilurteils schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung
           zu legen über:

           - die Menge, die Einstandspreise und die Verkaufspreise der von
             ihnen bis 31. März 2004 eingekauften und verkauften Computerspiele
             "Enter the Matrix", wobei Menge und Preise separat nach Monat,
             Version (Xbox, PS2, CD-Rom, Game-Cube) und Sprache (deutsch, franz.,
             ital.) auszuweisen sind

           - ihre unmittelbar im Hinblick auf den betreffenden Gewinn getätigten
             Aufwendungen (Gestehungskosten), aufgeschlüsselt nach Kostenfaktoren.

       b)  Die Beklagten werden zudem verpflichtet, innert 60 Tagen ab
           Rechtskraft dieses Teilurteils der Klägerin folgende Dokumente aus
           ihren Geschäftsbuchhaltungen, erfassend den Zeitraum bis 31. März
           2004, vorzulegen:

           - Kopien der Verträge, Rechnungen, Lieferscheine und dergleichen mit
             der Menge und den Einstandspreisen der eingekauften Exemplare
             "Enter the Matrix" sowie die entsprechenden Aufwandkontenauszüge
             ihrer Buchhaltungen

           - Verträge, Rechnungen, Lieferscheine, Preislisten und Tarife mit der
             Menge und den Verkaufspreisen der verkauften Exemplare von "Enter
             the Matrix" sowie die entsprechenden Ertragskontenauszüge ihrer
             Buchhaltungen

           - Weitere Unterlagen ihrer Geschäftsbuchhaltungen, aus denen sich
             die von ihnen im Rahmen der Auskunftserteilung geltend gemachten
             Aufwendungen belegen lassen, also Kostenkalkulationen und
             dazugehörige Aufwandkontenauszüge.

    2. [in der berichtigten Fassung gemäss Verfügung des Obergerichtes vom
       3. Oktober 2006] Die Verpflichtungen der Beklagten gemäss Ziff. 1
       erfolgen unter der Androhung der Bestrafung ihrer Organe wegen
       Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von

       Art. 292 StGB (Bestrafung mit Haft oder Busse) im Unterlassungsfall.
       Die Anordnung weiterer Vollstreckungsmittel bleibt vorbehalten.

       Der Klägerin wird aufgegeben, der I. Zivilkammer von der erfolgten
       Auskunft und Rechnungslegung durch die Beklagten umgehend Mitteilung
       zu machen."

  C.- Mit Berufung vom 30. Oktober 2006 beantragen die Beklagten dem
Bundesgericht, die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 des Teilurteils des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. September 2006 seien aufzuheben und
die Klage vom 23. Mai 2003 sei abzuweisen.

  Die Klägerin beantragt im Wesentlichen, die Berufung sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.  Im vorliegenden Berufungsverfahren ist umstritten, ob das
Video-Computerspiel "Enter the Matrix" unter die seinerzeit geltende Fassung
von Art. 12 Abs. 1bis aURG fiel, welche Bestimmung im Sinn einer
Sonderregelung für "audiovisuelle Werke" in Abweichung vom Grundsatz der
internationalen Erschöpfung gemäss Art. 12 Abs. 1 URG (SR 231.1) die
nationale Erschöpfung vorsah, womit der Parallelimport des erwähnten
Computer-Videospiels durch die Beklagten unzulässig gewesen wäre.

  3.1  Art. 12 Abs. 1bis aURG wurde durch Art. 36 Abs. 3 des Bundesgesetzes
vom 14. Dezember 2001 über Filmproduktion und Filmkultur (Filmgesetz, FiG;
SR 443.1) eingefügt. Diese Bestimmung trat am 1. August 2002 in Kraft, wurde
jedoch bereits per 1. April 2004 durch die heute geltende Fassung von Art.
12 Abs. 1bis nURG ersetzt. Der hier massgebende Art. 12 Abs. 1bis aURG hat
folgenden Wortlaut (AS 2002 S. 1913):

    Das Werkexemplar eines audiovisuellen Werkes darf nur weiterveräussert
    oder sonst wie verbreitet werden, wenn der Urheber oder die Urheberin es
    im Inland veräussert oder der Veräusserung im Inland zugestimmt hat.

  Die revidierte, am 1. April 2004 in Kraft getretene und heute noch
geltende Fassung von Art. 12 Abs. 1bis nURG lautet wie folgt:

    Exemplare von audiovisuellen Werken dürfen so lange nicht
    weiterveräussert oder vermietet werden, als der Urheber oder die
    Urheberin dadurch in der Ausübung des Aufführungsrechts (Art. 10 Abs. 2
    Bst. c) beeinträchtigt wird.

  Das Obergericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass Art. 12 Abs. 1bis
aURG zwar vorwiegend dem Zweck des Filmgesetzes - nämlich der Förderung der
Filme - diene. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte, weshalb Art. 12 Abs. 1bis
aURG lediglich Filmwerke und nicht auch andere audiovisuelle Werke fördern
sollte. Das hier zu beurteilende Computer-Videospiel "Enter the Matrix" sei
als audiovisuelles Werk zu qualifizieren. Durch den Parallelimport der
Computer-Videospiele hätten die Beklagten daher in der relevanten Zeitspanne
vom 1. August 2002 bis zum Inkrafttreten der revidierten Fassung von Art. 12
Abs. 1bis nURG am 1. April 2004 das Urheberrecht der Klägerin und ihrer
Miturheberin verletzt.

  Dagegen wendet die Klägerin im Wesentlichen ein, dass Art. 12 Abs. 1bis
aURG nur auf Filmwerke, die für die Kinoauswertung vorgesehen seien,
anwendbar sei. Abgesehen davon sei das Computer-Videospiel "Enter the
Matrix" ohnehin nicht als audiovisuelles Werk, sondern als Computerprogramm
im Sinn von Art. 2 Abs. 3 URG zu qualifizieren.

  3.2  Der Sinn des hier anwendbaren Art. 12 Abs. 1bis aURG ist durch
Auslegung zu ermitteln. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst
heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde
liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode
ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu
lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das
an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die
sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein
befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht
einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die
einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu
unterstellen. Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn
sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit
weiterhelfen (BGE 131 III 33 E. 2 S. 35 mit Hinweisen).

  3.2.1  Nach dem Gesetzeswortlaut (grammatikalische Auslegung) findet Art.
12 Abs. 1bis aURG auf "audiovisuelle Werke" Anwendung. Das Obergericht weist
zutreffend darauf hin, dass der Gesetzgeber an anderen Stellen durchaus zu
unterscheiden wisse zwischen dem enger gefassten Begriff der "filmischen
Werke" (Art. 2 Abs. 2 lit. g und Art. 30 Abs. 3 URG) sowie dem umfassenderen
Begriff

"audiovisuelle Werke" (Art. 2 Abs. 2 lit. g, Art. 12 Abs. 1bis URG [sowohl
in der hier massgebenden als auch in der aktuellen Fassung] und Art. 30 Abs.
3 URG). Ausgehend vom Wortlaut von Art. 12 Abs. 1bis aURG spricht somit
wenig für die Auffassung der Beklagten, dass unter dem Begriff
"audiovisuelle Werke" nur "Filmwerke" zu verstehen seien. Wenn dem so wäre,
hätte der Gesetzgeber auf den andernorts verwendeten Begriff "Filmwerke"
zurückgegriffen. Immerhin ist bereits bei der grammatikalischen Auslegung
darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung von Art. 12 Abs.
1bis nURG am umfassenden Begriff "audiovisuelle Werke" festgehalten hat,
obwohl sich diese Bestimmung angesichts des Hinweises auf das
Aufführungsrecht des Schutzrechtsinhabers (Art. 10 Abs. 2 lit. c URG) nur
auf "Filmwerke" bezieht, die für die (Kino-)Aufführung bestimmt sind. Wenn
aber sowohl die frühere als auch die heute geltende Fassung von Art. 12 Abs.
1bis URG den identischen Begriff "audiovisuelle Werke" verwenden, obwohl
Video- und Computerspiele jedenfalls nicht mehr unter die aktuelle Fassung
von Art. 12 Abs. 1bis nURG fallen, kann nicht von einem klaren
Gesetzeswortlaut ausgegangen werden.

  3.2.2  Aufschlussreicher als die Gesetzesauslegung nach dem Wortlaut ist
eine Auslegung von Art. 12 Abs. 1bis aURG nach dem Willen des Gesetzgebers
(historische Auslegung). Im vorliegenden Fall kommt den Materialien eine
erhebliche Bedeutung zu, weil die auszulegende Vorschrift erst am 1. August
2002 in Kraft getreten und damit jüngeren Datums ist (BGE 127 III 342 E. 2a
S. 344 mit Hinweisen). Auf die Materialien ist freilich nur dann
abzustellen, wenn sich daraus die Auffassung des Gesetzgebers zweifelsfrei
ergibt (BGE 124 II 193 E. 5c S. 200 mit Hinweisen). Art. 12 Abs. 1bis aURG
wurde im Rahmen der Revision des Filmgesetzes unter Rückgriff auf die
Expertenkommission Moor eingefügt. Als hauptsächlichen Zweck nennt der
Schlussbericht der Expertenkommission die Verhinderung des Imports von
Filmen auf DVDs und Videokassetten in die Schweiz, um die kulturpolitisch
unerwünschte Durchbrechung der "Auswertungskaskade" von neu produzierten
Kinofilmen zu unterbinden (ZÄCH/UNTERNÄHRER, Kinofilmauswertung und
Parallelimporte, sic! 11/2002 S. 790). Unter wirtschaftlicher
Auswertungskaskade für Kinofilme ist zu verstehen, dass neu produzierte
Kinofilme zuerst in den Kinos vorgeführt und erst danach auf DVDs oder
Videokassetten bzw. durch Pay-TV und Fernseher verwertet werden
(ZÄCH/UNTERNÄHRER, a.a.O., S. 787;

LERCH/VOGEL, Zulässigkeit des Imports audiovisueller Werkexemplare im Lichte
der Wirtschaftsverfassung, sic! 5/2003 S. 416). In der ständerätlichen
Beratung äusserte sich Ständerat Bieri zu Art. 12 Abs. 1bis aURG wie folgt
(AB 2001 S 535 f.):

   "Es geht um den Schutz vor dem Grauimport von Videokassetten. Der
    illegale Import oder Vertrieb solcher Videokassetten soll verboten und
    geahndet werden können. Auch die EU kennt diese Bestimmung, mit der sie
    sich gegen den illegalen Import aussereuropäischer Filme wehrt. Der
    Produzent muss seine Rechte zur Aufnahme eines Films oder einer
    Videokassette freigeben. Die Expertenkommission Moor sah eine solche
    Bestimmung ebenfalls vor. Der Bundesrat hat darauf verzichtet, weil er
    sie im Rahmen der anstehenden Revision des Urheberrechtsgesetzes
    aufnehmen wollte. Diese Revision lässt nun länger auf sich warten.
    Deshalb schlägt die Kommission im Einverständnis mit dem Bundesrat eine
    solche Bestimmung vor."

  Aus diesem Votum, das in der parlamentarischen Beratung unwidersprochen
geblieben ist, ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber im Rahmen der
Revision des Filmgesetzes den urheberrechtlichen Schutz von "Filmwerken" im
Auge hatte. Die gegenteilige Auffassung des Obergerichts, es gebe keine
Anhaltspunkte dafür, weshalb Art. 12 Abs. 1bis aURG lediglich "Filmwerke"
und nicht auch andere "audiovisuelle Werke" fördern sollte, ist nicht
überzeugend. Wie erwähnt ging es dem Gesetzgeber darum, aus
kulturpolitischen Überlegungen die Kaskadenauswertung von Kinofilmen gegen
Importe von Filmen auf DVDs und Videokassetten zu schützen. Daraus erhellt,
dass der Gesetzgeber auf den urheberrechtlichen Schutz von "filmischen
Werken" abzielte, auch wenn er den weiter gefassten Begriff "audiovisuelle
Werke" verwendete. Aufgrund einer historischen Auslegung ergibt sich somit,
dass Computer- und Videospiele von Art. 12 Abs. 1bis aURG nicht erfasst
sind.

  3.2.3  Zum gleichen Ergebnis führt eine Auslegung der umstrittenen
Bestimmung nach ihrem Sinn und Zweck (teleologische Auslegung). Wie soeben
erwähnt, ging es dem Gesetzgeber mit der Schaffung von Art. 12 Abs. 1bis
aURG darum zu verhindern, dass DVDs und Videokassetten von Filmen bereits im
Handel erhältlich sind, bevor die betreffenden Filmwerke auf der Stufe Kino
ausgewertet sind (Schutz der Auswertungskaskade). Dies kommt insbesondere
auch in den Vorarbeiten zum heute geltenden Art. 12 Abs. 1bis nURG klar zum
Ausdruck, die nach der Rechtsprechung bei der Auslegung des hier
massgebenden Art. 12 Abs. 1bis aURG

mitberücksichtigt werden dürfen (BGE 131 II 13 E. 7.1 S. 31 f. mit
Hinweisen). So führte Ständerat Schiesser in der parlamentarischen Beratung
zu Art. 12 Abs. 1bis nURG Folgendes aus (AB 2003 S 337):

   "Es geht um die Abgrenzung des Begriffs 'audiovisuelles Werk' gegenüber
    anderen Werkkategorien wie Computerspielen, die ebenfalls als
    audiovisuelle Werke eingestuft werden könnten. Für Werke wie
    Computerspiele soll weiterhin nach Art. 12 Abs. 1 URG der Grundsatz der
    internationalen Erschöpfung gelten, da hier die für den Spielfilm
    typische Kaskadenauswertung keine Rolle spielt und somit keine
    Rechtfertigung für eine Sonderregelung besteht. Unter die neue Regelung
    von Art. 12 Absatz 1bis URG sollen somit nur jene audiovisuellen Werke
    fallen, für welche die öffentliche Vorführung die primäre Nutzungsform
    darstellt."

  Mit diesem unwidersprochen gebliebenen Votum wird unmissverständlich zum
Ausdruck gebracht, dass die in Art. 12 Abs. 1bis nURG vorgesehene
urheberrechtliche Sonderregelung bezweckt, die für Kinofilme typische
Kaskadenauswertung zu schützen. Obwohl Video- und Computerspiele auch unter
den Begriff "audiovisuelle Werke" fallen könnten, ist diese Bestimmung nur
auf Filmwerke zugeschnitten, die für die Kinoaufführung vorgesehen sind.
Unter Berücksichtigung der kulturpolitischen Zweckbestimmung der
urheberrechtlichen Sonderregelung kann daher ausgeschlossen werden, dass
auch Computer- und Videospiele, die zwar als audiovisuelle Werke verstanden
werden könnten, unter Art. 12 Abs. 1bis nURG fallen. Wie sich aus dem oben
aufgeführten Auszug aus dem Votum von Ständerat Schiesser ergibt, kann für
die seinerzeitige - und hier massgebende - Fassung für Art. 12 Abs. 1bis
aURG, welche den gleichen Begriff der "audiovisuellen Werke" verwendete,
nichts anderes gelten.

  3.2.4  Zum gleichen Ergebnis führt schliesslich auch eine Ermittlung der
Bedeutung von Art. 12 Abs. 1bis aURG unter Berücksichtigung der
Gesetzessystematik (systematische Auslegung). Gemäss Art. 12 Abs. 1 URG darf
ein Werkexemplar, das ein Urheber oder eine Urheberin veräussert hat oder
dessen Veräusserung zugestimmt worden ist, weiterveräussert oder sonst wie
verbreitet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes gilt im
Urheberrecht grundsätzlich uneingeschränkt die internationale Erschöpfung
(BGE 124 III 321 ff.). Freilich wurde der Grundsatz der internationalen
Erschöpfung aus kulturpolitischen Überlegungen im Interesse der Ermöglichung
der Kaskadenauswertung von Kinofilmen

seinerzeit durch den Erlass von Art. 12 Abs. 1bis aURG durchbrochen (Verbot
von Parallelimporten durch die Einführung der nationalen Erschöpfung) und
später durch die heute geltende Fassung von Art. 12 Abs. 1bis nURG in
zeitlicher Hinsicht eingeschränkt (Zulässigkeit von Parallelimporten erst
nach der Kinoauswertung des betreffenden Films in der Schweiz). In Bezug auf
den Vertrieb von Video- und Computerspielen sind jedoch keine
kulturpolitischen Gründe ersichtlich, die eine Sonderregelung rechtfertigen
würden (vgl. oben zitiertes Votum von Ständerat Schiesser, in: AB 2003 S
337). Auch bei einer systematischen Auslegung zeigt sich somit, dass für
Computer- und Videospiele der Grundsatz der internationalen Erschöpfung
gemäss Art. 12 Abs. 1 URG massgebend war.

  3.3  Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass sich Video- und
Computerspiele zwar aufgrund des Wortlautes von Art. 12 Abs. 1bis aURG unter
den Begriff "audiovisuelle Werke" subsumieren liessen (E. 3.2.1). Die
Berücksichtigung der Materialien (E. 3.2.2), des Gesetzeszwecks (E. 3.2.3)
und der Gesetzessystematik (E. 3.2.4) ergibt jedoch eindeutig, dass Art. 12
Abs. 1bis aURG nur auf den urheberrechtlichen Schutz von Kinofilmen
zugeschnitten ist. Video- und Computerspiele werden hingegen vom Schutzzweck
dieser Bestimmung nicht erfasst. Die umstrittene Frage, ob Video- und
Computerspiele ausschliesslich als Computerprogramme (Art. 2 Abs. 3 URG)
oder unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich auch als audiovisuelle
Werke (Art. 2 Abs. 2 lit. g URG) geschützt werden können, muss damit nicht
beurteilt werden. Entscheidend ist, dass Art. 12 Abs. 1bis aURG aus
kulturpolitischen Überlegungen ausschliesslich auf - für die öffentliche
Aufführung vorgesehene - Kinofilme, nicht jedoch auf Video- und
Computerspiele anzuwenden ist.

Erwägung 4

  4.  Da aus den dargelegten Gründen die Sonderregelung von Art. 12 Abs.
1bis aURG auf Video- und Computerspiele nicht anwendbar war, unterstehen
diese Werke Art. 12 Abs. 1 URG, welche Bestimmung die internationale
Erschöpfung vorsieht. Die umstrittenen Parallelimporte des Video- und
Computerspiels "Enter the Matrix" konnten daher mit den Mitteln des
Urheberrechts nicht unterbunden werden. Der auf der Grundlage von Art. 62
Abs. 2 URG geltend gemachte Anspruch auf Schadenersatz bzw. Gewinnherausgabe
erweist sich genau gleich wie die zur Durchsetzung dieses Anspruchs geltend
gemachte Auskunftserteilung und Rechnungslegung als unbegründet.

Aus diesen Gründen ist die Berufung gutzuheissen, das Teilurteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. September 2006 aufzuheben und die
Klage abzuweisen. Im Übrigen ist die Sache zur Beurteilung der Widerklage
und zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im kantonalen
Verfahren ans Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen.