Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 V 310



Urteilskopf

132 V 310

  35. Auszug aus dem Urteil i.S. V. gegen Sozialversicherungsamt
Schaffhausen, AHV-Ausgleichskasse, und Obergericht des Kantons Schaffhausen
  K 25/05 vom 29. März 2006

Regeste

  Art. 2 FZA; Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71; Art. 8 Abs. 1 und
Art. 9 BV; Art. 3 KVG; Art. 2 Abs. 2 und 8 KVV: Ausnahme von der
Versicherungspflicht in der schweizerischen Krankenversicherung.
  Art. 2 Abs. 2 und 8 KVV verstossen weder gegen das Gesetz noch gegen die
Bundesverfassung noch gegen das FZA, soweit sie keine Befreiungsmöglichkeit
vorsehen für Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben, in
der Schweiz wohnen, nach Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 den
schweizerischen Rechtsvorschriften unterstehen, über eine freiwillige
private Krankenversicherung in einem Staat verfügen, dessen
Rechtsvorschriften sie nach der Verordnung Nr. 1408/71 nicht mehr
unterliegen, und bei denen der Grund dafür, dass sie sich in der Schweiz
nicht oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang
zusatzversichern können, nicht in ihrem Alter und/oder Gesundheitszustand
liegt. (Erw. 8 und 9)

Sachverhalt

  A.- Der 1975 geborene deutsche Staatsangehörige V. liess sich Mitte Juli
2004 zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als einzelzeichnungsberechtigter
Geschäftsführer der in der Schweiz ansässigen X. GmbH, an der er als
Gesellschafter mit der Hälfte des Stammkapitals beteiligt ist, in der
Schweiz nieder. Dabei übt er seine berufliche Tätigkeit zu ca. 70 % im
(europäischen) Ausland aus. Anfang August 2004 stellte er unter Hinweis auf
seine in Deutschland bei der Allianz Private Krankenversicherungs-AG
(nachfolgend: Allianz) bestehende Krankenversicherung, deren Schutz sich
auch auf die Schweiz erstreckt, ein Gesuch um Befreiung von der
Krankenversicherungspflicht in der Schweiz. Das Sozialversicherungsamt
Schaffhausen (Ausgleichskasse) lehnte dieses Befreiungsgesuch mit Verfügung
vom 24. August 2004, welche es mit Einspracheentscheid vom 21. September
2004 bestätigte, ab.

  B.- Die von V. gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde wies das
Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 14. Januar 2005 ab.

  C.- V. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem sinngemässen
Rechtsbegehren, er sei in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides und
des Einspracheentscheides von der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz
zu befreien. Eventualiter ersucht er um Sistierung des Verfahrens bis zu
einem politischen Entscheid über die Aufhebung des
Krankenversicherungsobligatoriums.

  Das Sozialversicherungsamt (Ausgleichskasse) und das vom Eidgenössischen
Versicherungsgericht zur Vernehmlassung aufgeforderte Bundesamt für
Gesundheit schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

  5.

  5.1  Nach Art. 3 KVG muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz
innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme in der Schweiz für Krankenpflege
versichern (Abs. 1). Der Bundesrat kann zum einen die Versicherungspflicht
auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ausdehnen, insbesondere auf
solche, die in der Schweiz tätig sind oder dort ihren gewöhnlichen
Aufenthalt haben (Abs. 3 lit. a). Zum andern kann er Ausnahmen von der
Versicherungspflicht vorsehen, namentlich für Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen internationaler Organisationen und ausländischer Staaten
(Abs. 2).

  5.2  Art. 1 der vom Bundesrat erlassenen KVV präzisiert, dass Personen mit
Wohnsitz - im Sinne von Art. 23 bis 26 ZGB - in der Schweiz der
Versicherungspflicht nach Art. 3 KVG unterstehen (Abs. 1). Zudem unterstellt
er unter anderem Personen mit einer Kurzaufenthalts- oder einer
Aufenthaltsbewilligung nach dem Freizügigkeitsabkommen oder dem
EFTA-Abkommen, die mindestens drei Monate gültig ist, der
Versicherungspflicht (Abs. 2 lit. f).

  5.3  Nebst dem vorliegend nicht interessierenden Art. 6 KVV (...), sieht
Art. 2 KVV verschiedene Ausnahmen von der Versicherungspflicht vor... Danach
sind unter anderem auf Gesuch hin von der Versicherungspflicht ausgenommen

   "Personen, die nach dem Recht eines Staates, mit dem keine Regelung über
    die Abgrenzung der Versicherungspflicht besteht, obligatorisch
    krankenversichert sind, sofern der Einbezug in die schweizerische
    Versicherung für sie eine Doppelbelastung bedeuten würde und sie für
    Behandlungen in der Schweiz über einen gleichwertigen
    Versicherungsschutz verfügen" (Abs. 2 Satz 1) und "Personen, für welche
    eine Unterstellung unter die schweizerische Versicherung eine klare
    Verschlechterung des bisherigen Versicherungsschutzes oder der
    bisherigen Kostendeckung zur Folge hätte und die sich auf Grund ihres
    Alters und/oder ihres Gesundheitszustandes nicht oder nur zu kaum
    tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern könnten"
    (Abs. 8 Satz 1).

  (...)

Erwägung 8

  8.

  8.1  (Überprüfung bundesrätlicher Verordnungen; vgl. BGE 131 II 166 Erw.
2.3, 130 V 473 Erw. 6.1, 130 I 32 Erw. 2.2.1, 129 II 164 Erw. 2.3, 129 V 271
Erw. 4.1.1, 329 Erw. 4.1, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 130 V 45 Erw. 4.3)

  8.2  Die Delegationsnorm des Art. 3 Abs. 2 KVG, auf die sich Art. 2 KVV in
Bezug auf Personen mit Wohnsitz in der Schweiz stützt, ermächtigt den
Bundesrat ganz allgemein dazu, Ausnahmen von der Versicherungspflicht
vorzusehen; nur im Sinne nicht abschliessender ("namentlich") Beispiele
werden die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen internationaler Organisationen
und ausländischer Staaten angeführt; es wird weder präzisiert, für welche
anderen Personengruppen Ausnahmen vom Obligatorium vorgesehen werden können
noch an welche Voraussetzungen Ausnahmen zugunsten des ausdrücklich
erwähnten oder eines anderen Personenkreises gegebenenfalls zu knüpfen sind.
Dem Bundesrat wird somit für die Regelung auf Verordnungsebene ein sehr
weiter Spielraum des Ermessens eingeräumt (BGE 129 V 163 Erw. 3.1). Wenn der
Bundesrat Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die grundsätzlich schon
aufgrund des KVG versicherungspflichtig sind (Art. 3 Abs. 1 KVG), von der
Versicherungspflicht ausnehmen kann (Art. 3 Abs. 2 KVG), so kann er erst
recht auch für Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, auf die er die nicht
schon aufgrund des KVG geltende Versicherungspflicht im Grundsatz ausdehnt
(Art. 3 Abs. 3 KVG), von dieser ausnehmen, wobei Art. 3 KVG diesbezüglich
keine Kriterien vorgibt. In Anbetracht des sehr grossen Ermessensspielraums,
über den der Bundesrat verfügt, ist nur zu prüfen, ob Art. 2 KVV
offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten
Kompetenzen herausfällt oder aus andern Gründen verfassungs- oder
gesetzwidrig ist, soweit er für Personen in der Situation des
Beschwerdeführers keine Befreiung von der Versicherungspflicht zulässt.

  8.3  Das Krankenversicherungsobligatorium wurde eingeführt, um die
Solidarität zwischen Gesunden und Kranken zu gewährleisten. In Anbetracht
dieser gesetzgeberischen Absicht ist es folgerichtig, dass die Ausnahmen von
der Versicherungspflicht und damit von der Zugehörigkeit zur
Solidargemeinschaft eng umschrieben werden (BGE 129 V 78 Erw. 4.2 und 166
Erw. 3.6.1; RKUV 2005 Nr. KV 315 S. 28 Erw. 2.2 [Urteil K. vom 22. Oktober
2004, K 22/04], 2000 Nr. KV 102 S. 20 Erw. 4c). Dies dürfte den Bundesrat
insbesondere dazu bewogen haben, eine Ausnahme von der Versicherungspflicht
nach Art. 2 Abs. 2 KVV nur dann zuzulassen, wenn die betreffende Person nach
ausländischem Recht obligatorisch krankenversichert ist, und nach Art. 2
Abs. 8 KVV nur Personen zu ermöglichen, die sich aufgrund ihres Alters
und/oder ihres Gesundheitszustandes

nicht oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang
zusatzversichern könnten. Dabei hat wohl auch die Befürchtung eine Rolle
gespielt, dass sich das schweizerische Obligatorium unterlaufen liesse, wenn
der Nachweis einer ausländischen freiwilligen privaten Versicherung
allgemein als Befreiungsgrund akzeptiert würde. Art. 2 KVV fällt somit,
soweit vorliegend von Belang, nicht offensichtlich aus dem gesetzlich
eingeräumten Kompetenzrahmen heraus (vgl. - zu Art. 2 Abs. 2 KVV - BGE 129 V
164 Erw. 3.1; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 20 Erw. 4c).

  8.5  Zu prüfen bleibt, ob Art. 2 KVV gegen das Gebot der rechtsgleichen
Behandlung oder das Willkürverbot und damit gegen die Bundesverfassung
verstösst - eine mögliche Unvereinbarkeit mit einer Gesetzesbestimmung ist
nicht ersichtlich -, indem er die in den Abs. 2, 4, 4bis, 5, 6, 7 und 8
aufgeführten Personen, nicht aber Personen in der vorliegend
interessierenden Situation, auf Gesuch hin von der Versicherungspflicht
ausnimmt.

  8.5.1  Was Abs. 2 des Art. 2 KVV betrifft, so hat sich das Eidgenössische
Versicherungsgericht mit der Frage der Verfassungsmässigkeit der bis 31. Mai
2002 geltenden alten Fassung (AS 1995 3868) dieser Bestimmung bereits
befasst. Diese unterscheidet sich von der seit 1. Juni 2002 geltenden
Fassung (Verordnung vom 22. Mai 2002, AS 2002 1633) dadurch, dass sich die
Bestimmung noch nicht auf "Personen, die nach dem Recht eines Staates, mit
dem keine Regelung über die Abgrenzung der Versicherungspflicht besteht,
obligatorisch krankenversichert sind", sondern allgemeiner auf "Personen,
die nach ausländischem Recht obligatorisch krankenversichert sind", bezog.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht bejahte die Verfassungsmässigkeit
(RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 21 Erw. 4d und S. 22 Erw. 4e, ebenso z.B. BGE 129 V
164 Erw. 3.1). In seiner Begründung führte es unter anderem aus (RKUV 2000
Nr. KV 102 S. 21 Erw. 4d; im gleichen Sinne z.B. auch Urteil E. vom 6. Juli
2001, K 44/01, Erw. 4b):

   "Dass Art. 2 Abs. 2 KVV nicht die Befreiung jener Personen vom
    Obligatorium vorsieht, die im Ausland über eine nicht-obligatorische
    Krankenversicherung verfügen, kann zwar, wie auch der vorliegende Fall
    zeigt, durchaus zu Problemen für die Betroffenen führen; dies namentlich
    für ältere Personen, die eine freiwillige ausländische
    Krankenversicherung besitzen. Diesen Personen steht der Abschluss einer
    tragbaren Zusatzversicherung nicht ohne weiteres offen; auch können sich
    bei einer allfälligen Rückkehr ins Herkunftsland Schwierigkeiten
    ergeben, wenn die frühere

    freiwillige Krankenversicherung im Hinblick auf das schweizerische
    Obligatorium gekündigt worden ist. Diese Probleme dürften sich indessen
    in manchen Fällen lösen lassen, etwa auf dem Wege der Sistierung des
    ausländischen Versicherungsvertrags oder der temporären Umwandlung der
    ausländischen Versicherung in eine Ergänzungsversicherung zur
    schweizerischen obligatorischen Krankenversicherung. Nicht von der Hand
    zu weisen ist, dass sich möglicherweise auch neue Regelungen im
    (nationalen oder zwischenstaatlichen) schweizerischen Recht aufdrängen."

  Trotz der erkannten Probleme, die den Betroffenen durch die Unterstellung
unter das schweizerische Krankenversicherungsobligatorium entstehen können,
bejahte das Eidgenössische Versicherungsgericht die Verfassungsmässigkeit
von Art. 2 Abs. 2 KVV vorbehaltlos und erklärte ebenso vorbehaltlos, dass
diese Bestimmung keine Befreiung vom Obligatorium vorsieht für Personen, die
im Ausland über eine nicht obligatorische Krankenversicherung verfügen (BGE
129 V 164 Erw. 3.1; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 21 Erw. 4d und S. 22 Erw. 4e).
Es sah somit in der Unterscheidung zwischen obligatorischer und freiwilliger
ausländischer Versicherung und dem Fehlen jeglicher Differenzierung
innerhalb der Gruppe der im Ausland auf nicht obligatorischer Basis
Versicherten in Art. 2 Abs. 2 KVV keinen Verstoss gegen das Gebot der
rechtsgleichen Behandlung oder das Willkürverbot (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 102
S. 21 Erw. 4d). Durch seine allgemeine Antwort brachte es auch seine
Auffassung zum Ausdruck, dass eine ausländische nicht obligatorische
Versicherung nicht aus dem Grunde gleich wie eine obligatorische
Versicherung behandelt werden muss, weil man zum einen bei einer Kündigung
riskiert, später nicht wieder zu gleich guten Konditionen aufgenommen zu
werden, und zum andern - will man dies vermeiden - die Versicherung nur dann
mit der Garantie, sie zu einem späteren Zeitpunkt nach den früheren
Modalitäten - ohne neue Gesundheitsprüfung - weiterführen zu können,
sistieren kann, wenn man - freiwillig - eine Anwartschaftsversicherung
abschliesst, was die Zahlung von Beiträgen impliziert (vgl. für eine
ausdrückliche Verwerfung solcher Argumente Urteil W. vom 29. Juni 2000, K
107/98, Erw. 3a). Ausserdem hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht
die Möglichkeit einer Ausnahme von der Versicherungspflicht gerade auch in
Bezug auf eine Person verneint, die geltend machte, sie sei für eine
schweizerische Gesellschaft überwiegend im Ausland, insbesondere in
Deutschland, tätig und verfüge mit ihrer dort abgeschlossenen freiwilligen
privaten Krankenversicherung über eine

bessere Versicherungsdeckung als nach schweizerischem
Krankenversicherungsrecht (RKUV 1999 Nr. KV 78 S. 316).

  8.5.3  Der Umstand allein, dass nach der seit 1. Juni 2002 in Kraft
stehenden Fassung von Art. 2 Abs. 2 KVV vorausgesetzt wird, dass mit dem
Staat, nach dessen Recht die betroffene Person obligatorisch
krankenversichert ist, keine Regelung über die Abgrenzung der
Versicherungspflicht besteht, vermag grundsätzlich zu keiner von der
bisherigen Einschätzung abweichenden Beurteilung der Frage der
Verfassungsmässigkeit dieser Bestimmung zu führen; denn normalerweise führt
ein die Abgrenzung der Versicherungspflicht regelnder Staatsvertrag dazu,
dass die Rechtsvorschriften nur eines Staates anwendbar sind, sodass eine
Person, die gemäss einem solchen Staatsvertrag den schweizerischen
Rechtsvorschriften unterliegt, in aller Regel nicht in einem anderen Staat
obligatorisch krankenversichert ist. Vorzubehalten ist allerdings der
vorliegend nicht gegebene Fall, dass ein Staatsvertrag - wie das FZA durch
Art. 14c Bst. b in Verbindung mit Anhang VII der Verordnung Nr. 1408/71 -
ausnahmsweise zur Anwendung der Rechtsvorschriften zweier verschiedener
Staaten führt, die beide ein Krankenversicherungsobligatorium vorsehen. Es
liesse sich kein vernünftiger Grund finden, eine Person, die sich trotz des
Bestehens eines an sich der Abgrenzung der Versicherungspflicht dienenden
Staatsvertrags mit zwei Krankenversicherungsobligatorien konfrontiert sieht,
anders zu behandeln als eine Person, die wegen gänzlichen Fehlens eines
völkerrechtlichen Abkommens über die Abgrenzung der Versicherungspflicht
zwei Rechtsordnungen unterliegt, die beide ein
Krankenversicherungsobligatorium vorsehen. Eine solche rechtliche
Unterscheidung verstiesse demnach gegen das Gebot der rechtsgleichen
Behandlung des Art. 8 Abs. 1 BV (vgl. Erw. 8.1 hievor; BGE 131 V 259 Erw.
5.4, 129 V 330 Erw. 4.1). Der Ausdruck "nach dem Recht eines Staates, mit
dem keine Regelung über die Abgrenzung der Versicherungspflicht besteht" in
Art. 2 Abs. 2 KVV ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass damit
nicht nur die Fälle gemeint sind, in denen es an einem die Abgrenzung der
Versicherungspflicht regelnden Staatsvertrag schlechthin fehlt, sondern auch
jene Situationen, in denen ein solches Abkommen zwar besteht, für den
konkreten Fall aber zur Anwendung nicht nur der schweizerischen
Rechtsvorschriften, sondern auch der Gesetzgebung des anderen Staates führt
und in

diesem Sinne die Abgrenzung der Versicherungspflicht nicht regelt. Im Rahmen
des FZA und des EFTA-Übereinkommens könnte sich eine derartige Auslegung für
bestimmte Personen (die nicht schon nach Anhang VI Schweiz Ziff. 3 Bst. b
der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung gemäss FZA über ein Optionsrecht
verfügen) im Übrigen auch aus völkerrechtlichen Gründen aufdrängen (vgl. zu
dieser Problematik Urteile des EuGH vom 19. März 2002 in den Rechtssachen
C-393/99 und C-394/99, Hervein u. a., Slg. 2002, I-2829, und vom 9. März
2006 in der Rechtssache C-493/04, Piatkowski, noch nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht; siehe zur Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung bei der
Auslegung des FZA dessen Art. 16 und bei jener von Anhang K des
EFTA-Übereinkommens Art. 16 dieses Anhangs sowie BGE 132 V 90 Erw. 5.5). Wie
es sich damit verhält, braucht indessen nicht näher geprüft zu werden,
nachdem die erwähnte Auslegung schon nach innerstaatlichem Recht geboten
ist.

  8.5.6  Der neue Art. 2 Abs. 8 KVV kommt nicht allen Personen zugute, für
die eine Unterstellung unter die schweizerische Versicherung eine klare
Verschlechterung des bisherigen Versicherungsschutzes oder der bisherigen
Kostendeckung zur Folge hätte und die sich nicht oder nur zu kaum tragbaren
Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern könnten, sondern nur
jenen, bei denen Letzteres auf ihr Alter und/oder ihren Gesundheitszustand
zurückzuführen ist. Die Norm schützt somit nicht allgemein Personen, für die
der Wechsel zum schweizerischen System zwar einen teureren und/oder weniger
guten Versicherungsschutz bedeutet, die sich aber immerhin - wenn auch
möglicherweise nicht im bisherigen Umfang, aber doch insoweit im bisherigen
Umfang, als diesen Umfang garantierende Versicherungen in der Schweiz
überhaupt angeboten werden - über das gesetzliche Minimum (obligatorische
Krankenpflegeversicherung) hinaus zusatzversichern können (privatrechtliche
Versicherung nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, VVG [vgl.
Art. 12 Abs. 2 und 3 KVG]; z.B. eine Ferien- und Reiseversicherung im
Hinblick auf Geschäftsreisen, die auch den Schutz ergänzen könnte, der bei
Auslandaufenthalten schon aufgrund der in Art. 22 in Verbindung mit Art. 22b
der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Sachleistungsaushilfe besteht). Sie
kann nur von denjenigen Personen mit

Erfolg angerufen werden, die sich - im Rahmen des in der Schweiz nutzbaren
Versicherungsangebots - nur deshalb nicht oder nur zu kaum tragbaren
Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern können, weil sie wegen
ihres Alters und/oder ihres Gesundheitszustandes entsprechende
Zusatzversicherungen entweder überhaupt nicht oder nur zu kaum tragbaren
Bedingungen abschliessen können. Art. 2 Abs. 8 KVV soll mit anderen Worten
nicht den Nachteil verhindern, den eine Person dadurch erleidet, dass das
schweizerische System den Versicherungsschutz, den sie bisher unter dem
ausländischen System genoss, überhaupt nicht oder nicht zu gleich günstigen
Bedingungen vorsieht. Er soll vielmehr den Nachteil vermeiden, der daraus
resultiert, dass eine Person bis zum Erreichen ihres bisherigen
ausländischen Versicherungsniveaus von in der Schweiz tatsächlich
vorhandenen Angeboten wegen ihres Alters und/oder Gesundheitszustandes nicht
oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen Gebrauch machen kann.

  Für diese unterschiedliche Behandlung von Personen, bei denen solche
Gründe des Alters und/oder Gesundheitszustandes vorliegen, auf der einen und
von Personen, bei denen solche Gründe fehlen, auf der andern Seite gibt es
einen vernünftigen Grund. Dieser liegt im Zweck des Obligatoriums, der nicht
nur darin besteht, zu verhindern, dass infolge Fehlens einer Versicherung
unter Umständen bei Risikoeintritt das Gemeinwesen für höhere oder alle
Kosten aufkommen muss, sondern auch darin, die Solidarität zwischen Gesunden
und Kranken zu gewährleisten (Erw. 8.3 hievor; Verwerfung des Arguments,
dass nicht die Solidarität, sondern das Bestehen eines gleichwertigen
Versicherungsschutzes ausschlaggebend sei, im nicht veröffentlichten Urteil
T. vom 29. Juni 2000, K 155/98). Diese Funktion des Obligatoriums würde
nämlich vereitelt, wenn sich so genannte gute Risiken generell durch
Abschluss einer vorteilhafteren privaten Versicherung von der durch das
Obligatorium bezweckten Solidargemeinschaft befreien könnten, was die Kosten
für die in dieser Gemeinschaft verbleibenden Personen in die Höhe triebe. In
Anbetracht dieser Überlegungen kann auch nicht gesagt werden, Art. 2 Abs. 8
KVV lasse sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen oder sei sinn- und
zwecklos. Diese Bestimmung ist somit ebenso wenig verfassungswidrig wie die
vorangehenden Absätze des Art. 2 KVV.

Erwägung 9

  9.

  9.1  Personen, die alle ihre Tätigkeiten in der Schweiz ausüben und in
diesem Staat wohnen, unterstehen nicht anders als der Beschwerdeführer dem
Krankenversicherungsobligatorium (vgl. Erw. 5 hievor). Auch Personen, die
schon immer den schweizerischen Rechtsvorschriften unterlagen, müssen sich
zusatzversichern, wenn sie - insbesondere auf Geschäftsreisen - einen
höheren Versicherungsschutz geniessen wollen als jenen, den die
obligatorische schweizerische Krankenpflegeversicherung und im Rahmen der
Sachleistungsaushilfe gemäss Art. 22 (in Verbindung mit Art. 22b) der
Verordnung Nr. 1408/71 die Rechtsvorschriften des jeweiligen
Aufenthaltsstaates bieten. Eine Person in der Situation des
Beschwerdeführers, bei der nicht Gründe des Alters oder des
Gesundheitszustandes den Abschluss von Zusatzversicherungen verunmöglichen
oder erheblich erschweren, wird demnach durch die KVG-Versicherungspflicht
nicht benachteiligt im Vergleich zu den Personen, die alle ihre Tätigkeiten
in der Schweiz ausüben und/oder schon immer den schweizerischen
Rechtsvorschriften unterstanden, mit anderen Worten im Vergleich zu
Personen, die nie von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben (vgl.
zu diesem Aspekt Urteile des EuGH vom 9. März 2006 in der Rechtssache
C-493/04, Piatkowski, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht,
Randnr. 34, und vom 19. März 2002 in den Rechtssachen C-393/99 und C-394/99,
Hervein u. a., Slg. 2002, I-2829, Randnr. 51). Ein Verstoss gegen ein
gemeinschafts- bzw. abkommensrechtliches Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs.
1 der Verordnung Nr. 1408/71; Art. 2 FZA) kann auch nicht darin erblickt
werden, dass eine Person in der Situation des Beschwerdeführers, die keiner
obligatorischen Krankenversicherung eines anderen Staates untersteht, nicht
von der schweizerischen Krankenversicherungspflicht ausgenommen werden kann
und dadurch gegebenenfalls einen Nachteil erleidet, weil sie sich unter dem
schweizerischen System, dem sie neu untersteht, nicht so gut versichern kann
wie vor der Unterstellung unter die schweizerischen Rechtsvorschriften nach
einem ausländischen System (nach dem sie nicht der gesetzlichen
Krankenversicherung angehörte, sondern sich privat versichern konnte). Denn
ein solcher Nachteil ist eine Folge der mangels einer Harmonisierung
fortbestehenden Unterschiede zwischen den nationalen

Systemen der sozialen Sicherheit, gegen welche sich das
Diskriminierungsverbot nicht richtet (vgl. BGE 131 V 387 Erw. 8.2 mit
Hinweisen).

  9.2  Da sich das Gleichbehandlungsgebot nicht gegen diese Unterschiede
richtet, kann das in der Schweiz, deren Rechtsvorschriften der
Beschwerdeführer aufgrund der im Rahmen des FZA anzuwendenden Verordnung Nr.
1408/71 selbst unterliegt, vorgesehene Versicherungsobligatorium an sich
auch nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung der Allianz führen.

  Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Zulassung der Allianz
als die obligatorische Krankenpflegeversicherung gemäss KVG betreibender
Versicherer (vgl. Art. 11 ff. KVG).