Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 I 49



Urteilskopf

132 I 49

  7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A.
und Mitb. gegen Einwohnergemeinde und Regierungsstatthalteramt Bern sowie
Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Staatsrechtliche Beschwerde)
  1P.579/2005 vom 25. Januar 2006

Regeste

  Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen; Art. 7, 8, 10, 22 und 36 BV.

  Kantonalrechtliche Grundlage für vorübergehende Wegweisungs- und
Fernhaltemassnahmen (E. 2).

  Aus einer selbständigen Anrufung der Menschenwürde (Art. 7 BV) können die
Betroffenen nichts zu ihren Gunsten ableiten; sie können sich auf die
Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV), die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2
BV), das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) und das Willkürverbot
(Art. 9 BV) berufen (E. 5).

  Hinreichende Bestimmtheit der gesetzlichen Norm bejaht (E. 6).

  Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit der Wegweisungs- und
Fernhalteverfügungen gegeben (E. 7).

  Keine Verletzung des Diskriminierungsverbotes (E. 8).

Sachverhalt

  Anlässlich einer koordinierten Aktion der Stadtpolizei Bern wurden am 28.
November 2003 in der Halle des Bahnhofs Bern zwölf Personen angehalten und
kontrolliert. Gleichentags erliess die Stadtpolizei Bern gestützt auf Art.
29 lit. b des Polizeigesetzes des Kantons Bern gegen jede einzelne Person
die folgende Anordnung:

   "Obgenannten Personen wird verboten, sich am oben bezeichneten Ort
    [Perimeter A] in Personenansammlungen aufzuhalten, in welchen Alkohol
    konsumiert wird. Das Verbot gilt für eine Dauer von 3 Monaten seit
    Eröffnung der Verfügung."

  Die Verfügung bezog sich auf den Perimeter A, welcher folgende
Örtlichkeiten einschliesst: Bahnhofhalle, Perrons, alle Aufgänge,
RBS-Bahnhof, Bahnhofplatz, Milchgässli, Teile Bollwerk, Heiliggeistkirche,
Bus-Hauptbahnhof, Tram-Hauptbahnhof, Loebegge, Burgerspital, Bubenbergplatz,
Bogenschützenstrasse, Schanzenpost inkl. Kurzparkplatz, Unterführung
Bubenberg, Parkterrasse (Kurzzeitparking), PTT-Postautobahnhof, Teile
Schanzenstrasse.

  Am 6. Dezember 2003 wurde eine weitere Person in der Bahnhofhalle Bern
angehalten und kontrolliert. Gegen diese ordnete die Stadtpolizei Bern
dasselbe Verbot an.

  Diese Verfügungen wurden erfolglos bei der stadtbernischen Direktion für
Öffentliche Sicherheit (DSI; heute Direktion für Sicherheit,

Umwelt und Energie [SUE]) und beim Regierungsstatthalter von Bern
angefochten. In der Folge erhoben die Unterlegenen Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Die Einzelrichterin verweigerte den
Beschwerdeführern mit Zwischenentscheid vom 14. März 2005 die anbegehrte
unentgeltliche Rechtspflege. Mit Urteil vom 14. Juli 2005 wies das
Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.
Hinsichtlich der erhobenen Verfassungsrügen verwies es im Wesentlichen auf
seinen Grundsatzentscheid vom 17. Mai 2004 (publ. in: Bernische
Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 2005 S. 97); in Bezug auf den konkreten
Sachverhalt bejahte es aufgrund des Polizeigesetzes die Voraussetzungen für
die umstrittenen Fernhaltemassnahmen.

  Dagegen haben die betroffenen Personen beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde erhoben. Sie rügen im Wesentlichen Verletzungen der
Menschenwürde, der Bewegungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, des
Anspruchs auf Nichtdiskriminierung aufgrund der Lebensform, der
Rechtsgleichheit und des Anspruchs auf willkürfreies staatliches Handeln.

  Das Bundesgericht weist die Beschwerde in der Sache ab, soweit darauf
einzutreten war. In Bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege heisst es die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.

  2.1  Die umstrittenen Wegweisungsverfügungen der Stadtpolizei stützen sich
auf Art. 29 lit. b des Polizeigesetzes des Kantons Bern vom 8. Juni 1997
(Polizeigesetz, PolG; BSG 551.1; Art. 29 lit. b PolG entspricht in der seit
dem 3. Juni 2005 geltenden Fassung Art. 29 Abs. 1 lit. b). Im Kapitel
"Polizeiliche Massnahmen und polizeilicher Zwang" des Polizeigesetzes findet
sich der Abschnitt "Polizeiliche Massnahmen". Dieser enthält die folgende
Bestimmung:

    Art. 29 - Wegweisung, Fernhaltung

    Die Polizei kann Personen von einem Ort vorübergehend wegweisen oder
    fernhalten, wenn

    a) sie ernsthaft und unmittelbar gefährdet sind;

    b) der begründete Verdacht besteht, dass sie oder andere, die der
       gleichen Ansammlung zuzurechnen sind, die öffentliche Sicherheit und
       Ordnung gefährden oder stören;

    c) sie Einsätze zur Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der
       öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere durch
       Polizeikräfte, Feuerwehr oder Rettungsdienste behindern;

    d) sie die Polizei an der Durchsetzung vollstreckbarer Anordnungen
       hindern oder stören oder sich einmischen oder

    e) sie die Erfüllung polizeilicher Aufgaben vereiteln oder zu vereiteln
       versuchen.

  2.2  Das Verwaltungsgericht hat die Entstehung von Art. 29 lit. b PolG in
seinem Grundsatzentscheid nachgezeichnet (BVR 2005 S. 97, E. 4.3). Danach
brachte das neue Polizeigesetz in organisationsrechtlicher und materieller
Hinsicht wesentliche Änderungen und Neuerungen. Das Gesetz enthält
namentlich Bestimmungen zu den polizeilichen Standardmassnahmen und zum
polizeilichen Zwang. Die Bestimmung von Art. 29 lit. b PolG war in der
ursprünglichen Vorlage nicht enthalten und wurde im Laufe der
parlamentarischen Beratung eingefügt. Sie sollte im Dienste der Bekämpfung
der Drogenszene und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit stehen, aber zudem auch auf andere Gruppen, insbesondere
Skinheads oder Hooligans angewendet werden können. Abgelehnt wurde die
Ergänzung, wonach Wegweisungen nur bei Verdacht auf eine "erhebliche"
Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sollten
angeordnet werden können.

Erwägung 3

  3.  Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht Rechtsverweigerung
und eine unrichtige bzw. unvollständige Sachverhaltsfeststellung vor und
machen insbesondere geltend, dieses habe nicht dargelegt, inwiefern sie
einer Ansammlung angehörten, dass sie erheblich Alkohol konsumierten, in
welchem Ausmass Abfall und Flaschen herumlagen und sie dafür verantwortlich
waren und inwiefern sie (über den allgemein hohen Lärmpegel in der
Bahnhofunterführung) Lärm verursachten.

  In ihren Verfügungen vom 28. November 2003 bzw. 6. Dezember 2003 hat die
Stadtpolizei den Sachverhalt wie folgt umschrieben:

   "Anlässlich einer koordinierten Aktion in der Bahnhofhalle, wurde die
    obgenannte Person mit 12 weiteren Randständigen festgenommen. Die
    Gruppierung hatte sich beim Stein versammelt und grösstenteils erheblich
    dem Alkohol zugesprochen. Dabei entstand eine grosse Unordnung mit
    Abfall und leeren Alkoholflaschen aller Art. Vor unserem Eintreffen
    herrschte zudem ein lauter Lärmpegel und zahlreiche Passanten nahmen am
    Verhalten der Gruppierung Anstoss."

   "Anlässlich einer Personenkontrolle bei den Steinen in der Bahnhofhalle
    wurde M. mit einer Dose Bier und mit weiteren sechs Szenengängern
    (Alkoholiker) angetroffen. Da sich mehrere Personen am verursachten
    Saufgelage mit viel Unrat (Flaschen, Abfall) störten, wurde M. zwecks
    Kontrolle und Ausstellen von Perimeter auf den PP Bhf gebracht. Trug
    Bargeld von SFr. 5.15, aber keine BM auf sich. Nach Kontrolle
    entlassen."

  Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid im Einzelnen
dargelegt, weshalb es die Tatbestandselemente für die Anwendung von Art. 29
lit. b PolG als gegeben erachtete. Es verwies darauf, dass gewisse Umstände
wie etwa die Zugehörigkeit zu einer Ansammlung nicht eigentlich bestritten
worden waren. Es führte gestützt auf die Polizeirapporte hinsichtlich der
Beschwerdeführer 1-12 insbesondere aus, dass sich die Beschwerdeführer in
einer Gruppierung beim Stein und damit in einer Ansammlung aufgehalten und
grösstenteils erheblich Alkohol konsumiert hätten, dass unbestrittenermassen
Abfall und leere Alkoholflaschen aller Art herumgelegen seien und damit eine
grosse Unordnung entstanden sei, dass grosser Lärm und ein lauter Lärmpegel
geherrscht habe und dass schliesslich zahlreiche Passanten am Verhalten der
Beschwerdeführer Anstoss genommen hätten. In Bezug auf den Beschwerdeführer
13 hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Polizeirapport
festgehalten, dass sich mehrere Personen am verursachten Saufgelage mit viel
Unrat gestört hätten.

  Die Polizeiorgane haben mit Blick auf die individuell eröffneten
Verfügungen und die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung des offen
formulierten Art. 29 lit. b PolG den Sachverhalt in hinreichender Form
darzulegen, wie das Verwaltungsgericht ausführte (BVR 2005 S. 97, E. 7.4).
Gestützt darauf stellt das Verwaltungsgericht den seinem Entscheid zugrunde
liegenden Sachverhalt fest. Es hat sich im angefochtenen Entscheid mit den
Sachverhaltseinwänden der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und im
Einzelnen dargelegt, welche Sachverhaltselemente es als gegeben erachtete.
Von einer formellen Rechtsverweigerung oder Gehörsverweigerung kann daher
von vornherein nicht gesprochen werden. Die Beschwerdeführer setzen sich mit
der Begründung des Verwaltungsgerichts nicht näher auseinander und legen
nicht substantiiert dar, inwiefern der Sachverhalt willkürlich festgestellt
worden sein soll (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); sie beschränken sich darauf,
die Sachverhaltsannahmen des Verwaltungsgerichts in unzureichender und
appellatorischer Weise in Zweifel zu ziehen. In diesem Punkte ist die
Beschwerde daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

  Demnach ist für die verfassungsgerichtliche Prüfung der umstrittenen
Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen von dem vom Verwaltungsgericht
festgestellten Sachverhalt mit den hiervor angeführten Elementen - die sich
in Bezug auf die Beschwerdeführer 1-12 und hinsichtlich des
Beschwerdeführers 13 nicht wesentlich unterscheiden - auszugehen.

Erwägung 4

  4.  Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Beschwerde geltend, dass sowohl
die Bestimmung von Art. 29 lit. b PolG als solche wie auch deren Anwendung
im vorliegenden Fall gegen die Verfassung verstiessen.

  Mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Einzelakt kann die
Verfassungswidrigkeit der zur Anwendung gelangten kantonalen Norm gerügt
werden (sog. inzidente oder akzessorische Normkontrolle). Das Bundesgericht
prüft dabei die Verfassungsmässigkeit der beanstandeten Norm nicht generell
auf alle möglichen Konstellationen hin, sondern nur unter dem Gesichtswinkel
der Anwendung auf den konkreten Fall; soweit die Beschwerdeführer Art. 29
lit. b PolG einer abstrakten Kritik unterziehen, kann darauf nicht
eingetreten werden. Wenn sich die Verfassungsrüge als begründet erweist,
hebt das Bundesgericht daher nicht die beanstandete Norm als solche, sondern
lediglich den gestützt auf sie ergangenen Anwendungsakt auf (BGE 131 I 313
E. 2.2 S. 315; 128 I 102 E. 3 S. 105; 124 I 289 E. 2 S. 291; 114 Ia 50 E. 2a
S. 52).

Erwägung 5

  5.  Die Beschwerdeführer rufen mehrere bundes- oder kantonalrechtlich
garantierte Grundrechte an. Vorerst ist zu prüfen, ob und inwiefern diese
miteinander konkurrierenden Grundrechte auf den vorliegenden Fall Anwendung
finden. Dabei ist, entsprechend dem Vorgehen bei einer inzidenten
Normkontrolle, von dem konkret zugrunde liegenden Verbot auszugehen: Den
Beschwerdeführern wurde während dreier Monaten verboten, sich im Gebiet des
Bahnhofs "in Personenansammlungen aufzuhalten, in welchen Alkohol konsumiert
wird" (vgl. oben Sachverhalt).

  5.1  Nach Art. 7 BV (sowie gemäss Art. 9 KV/BE) ist die Menschenwürde ganz
allgemein zu achten und zu schützen. Die Bestimmung hat allgemein die
Bedeutung eines Leitgrundsatzes für jegliche Staatstätigkeit, bildet als
innerster Kern zugleich die Grundlage der Freiheitsrechte, dient deren
Auslegung und Konkretisierung und ist Auffanggrundrecht. Für besonders
gelagerte Konstellationen kann der Menschenwürde ein eigenständiger Gehalt
zukommen (BGE

127 I 6 E. 5b S. 14 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin). Der
offene Normgehalt kann nicht abschliessend positiv festgelegt werden. Er
betrifft das letztlich nicht fassbare Eigentliche des Menschen und der
Menschen und ist unter Mitbeachtung kollektiver Anschauungen ausgerichtet
auf Anerkennung des Einzelnen in seiner eigenen Werthaftigkeit und
individuellen Einzig- und allfälligen Andersartigkeit. In dieser Ausrichtung
weist die Verfassungsnorm besondere Bezüge zu spezielleren Grundrechten und
insbesondere zu den verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechten auf, die
gerade auch unter Beachtung der Menschenwürde anzuwenden sind (BGE 127 I 6
E. 5b S. 14 f.).

  Es wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich, dass die
Beschwerdeführer aufgrund der konkreten Wegweisungsverfügungen in
eigenständiger Weise in ihrer Menschenwürde betroffen würden. Für sich
allein genommen stellt die Wegweisung der Beschwerdeführer nicht eine
Verachtung ihrer Person oder ihrer Würde, eine Anprangerung ihres
individuellen So-Seins oder eine Demütigung wegen ihrer Eigenart dar; dem
Verbot, sich am bezeichneten Ort in Alkohol konsumierenden
Personenansammlungen aufzuhalten, kann nicht die Bedeutung einer Missachtung
oder gar Negation der Werthaftigkeit der Betroffenen beigemessen werden
(vgl. JÖRG P. MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz [im Folgenden:
Grundrechte], 3. Aufl. 1999, S. 2). Darüber hinaus ist nicht davon die Rede,
dass die Beschwerdeführer anlässlich der Polizeikontrolle in einer ihre
Menschenwürde verachtenden oder sie erniedrigenden Weise behandelt worden
wären. Daraus folgt gesamthaft, dass die Beschwerdeführer aus der
selbständigen Anrufung von Art. 7 BV nichts zu ihren Gunsten ableiten
können.

  Soweit die Beschwerdeführer eine Missachtung der Menschenwürde letztlich
darin erblicken, dass sie aufgrund ihres äusseren, nicht strafbaren
Verhaltens, ihres gegenüber andern Personen unterschiedlichen Auftretens und
ihrer Gruppenbildung in ihrer Persönlichkeit herabgesetzt würden, sprechen
sie spezifischere Grundrechte wie die persönliche Freiheit, das
Diskriminierungsverbot und die Versammlungsfreiheit an.

  5.2  Art. 10 Abs. 2 BV - und ebenso Art. 12 Abs. 1 KV/BE mit demselben
Wortlaut (vgl. WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des bernischen
Verfassungsrechts, Bern 1995, N. 2a zu Art. 12 KV/BE S. 264) - räumt jedem
Menschen das Recht auf persönliche Freiheit,

insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf
Bewegungsfreiheit ein.

  Das Bundesgericht hat unter andern Umständen in Wegweisungs- und
Fernhaltemassnahmen (unterschiedlich schwere) Eingriffe in die
Bewegungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV erblickt (vgl. BGE 128 I 327 E. 3.3
S. 337 und E. 4.3.2 S. 344; 130 I 369 E. 2 S. 372 f.). Die persönliche
Freiheit stellt zwar keine allgemeine Handlungsfreiheit dar und schützt
nicht vor jeglichem physischen oder psychischen Missbehagen, ist aber in
ihrer Ausgestaltung als Bewegungsfreiheit bei der Hinderung, auf
öffentlicher Strasse mit öffentlichen Verkehrsmitteln an einen öffentlich
zugänglichen Ort zu gelangen, als betroffen bezeichnet worden (BGE 130 I 369
E. 2 S. 373 mit Hinweisen; vgl. die Kritik von AXEL TSCHENTSCHER, in: ZBJV
141/ 2005 S. 655).

  Mit den umstrittenen Wegweisungsverfügungen wird den Beschwerdeführern
weder das Begehen und die Benützung des bezeichneten Perimeter-Areals noch
der Zugang zu den Zügen und den Bahnhofeinrichtungen (Schalter und Läden
etc.) verwehrt. Ihre individuelle Bewegungsfreiheit wird nicht berührt.
Betroffen werden sie in erster Linie in kollektiver Weise in ihrer
Gruppenbildung (nachfolgend E. 5.3). Darüber hinaus ist das spezifischen
Gewohnheiten folgende, mit Alkoholkonsum verbundene Zusammensein als Teil
der verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsentfaltung zu betrachten und
insoweit Art. 10 Abs. 2 BV zuzuordnen.

  5.3  Die Beschwerdeführer machen ferner Verletzungen der
Versammlungsfreiheit geltend, wie sie von Art. 22 BV, Art. 11 EMRK und Art.
19 Abs. 1 KV/BE gewährleistet wird. Es ist nicht ersichtlich und dargetan,
dass Art. 11 EMRK (BGE 127 I 164 E. 3d S. 172 f.) und Art. 19 Abs. 1 KV/BE
über die Tragweite von Art. 22 BV hinausgehen würden.

  Gemäss Art. 22 BV verbietet die Versammlungsfreiheit staatliche Massnahmen
gegen Einberufung, Organisation, Durchführung oder Gestaltung einer
Versammlung oder gegen die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an einer solchen.
Zu den Versammlungen im Sinne dieser Bestimmung gehören verschiedenste
Formen des Zusammenfindens von Menschen im Rahmen einer gewissen
Organisation mit einem weit verstandenen gegenseitig meinungsbildenden,
-äussernden oder -austauschenden Zweck (BGE 127 I 164 E. 3b S. 168 mit
Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin).

  Diese Voraussetzungen für die Berufung auf die Versammlungsfreiheit sind
im vorliegenden Fall gegeben (vgl. auch BVR 2005 S. 97, E. 6.5). Die
Beschwerdeführer werden durch die umstrittenen Verfügungen daran gehindert,
sich in der Öffentlichkeit mit andern Personen in einem weit verstandenen
Sinne zu kommunikativen Zwecken zusammenzufinden. Auch freundschaftliche
oder unterhaltende Absichten oder die Pflege von persönlichen Kontakten
genügen für die Annahme einer Versammlung im Sinne von Art. 22 BV; einer
politischen Zielsetzung bedarf es ebenso wenig wie einer Absicht,
Drittpersonen in spezifischer Weise anzusprechen. Die (lose) Gruppenbildung
der Beschwerdeführer unterscheidet sich von zufälligen Ansammlungen von
Einzelpersonen und Schaulustigen, die von Art. 29 PolG ebenfalls erfasst
werden (vgl. BGE 128 I 327 E. 3.2 S. 336; CHRISTOPH ROHNER, St. Galler
BV-Kommentar, Zürich 2002, Rz. 6 zu Art. 22 BV). Die von Art. 11 Ziff. 1
EMRK vorausgesetzte Friedlichkeit kann trotz des Umstandes der Wegweisung
bejaht werden. Daraus ist gesamthaft der Schluss zu ziehen, dass sich die
Beschwerdeführer auf Art. 22 BV berufen können. - Soweit sie allerdings
bestreiten, überhaupt einer Ansammlung im Sinne von Art. 29 lit. b PolG
angehört zu haben, könnten sie die Versammlungsfreiheit nicht anrufen.

  5.4  Die Beschwerdeführer machen ferner Verletzungen des
Diskriminierungsverbotes, des Rechtsgleichheitsgebotes und des
Willkürverbotes geltend. Es steht ausser Frage, dass sich die
Beschwerdeführer darauf berufen können. Entsprechend dem Vorgehen bei der
inzidenten Normkontrolle ist auch hier lediglich zu prüfen, ob die konkrete
Anwendung von Art. 29 lit. b PolG vor Art. 8 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2 und Art.
9 BV standhält.

  5.5  Gesamthaft gesehen ergibt sich, dass sich die Beschwerdeführer auf
die Versammlungsfreiheit und die persönliche Freiheit sowie auf das
Diskriminierungs- und Willkürverbot und das Gleichheitsgebot berufen können
und vor diesem Hintergrund im Folgenden zu prüfen ist, ob die umstrittenen
Verfügungen vor der Verfassung standhalten.

Erwägung 6

  6.  Art. 36 Abs. 1 BV ermöglicht Einschränkungen von Grundrechten. Solche
bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und müssen in schwerwiegenden Fällen
im Gesetz selber vorgesehen sein.

  6.1  Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass sich die gegen die
Beschwerdeführer ausgesprochenen Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen

auf das kantonale Polizeigesetz stützen. Dieses stellt eine
formell-gesetzliche Grundlage dar, weshalb insoweit die Schwere des
Grundrechtseingriffs unerheblich ist. Die Beschwerdeführer anerkennen das
Vorliegen einer formell-gesetzlichen Grundlage, machen indes geltend, das
Polizeigesetz vermöge wegen dessen Unbestimmtheit den Anforderungen an eine
hinreichende gesetzliche Grundlage nicht zu genügen.

  6.2  Das Legalitätsprinzip im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV verlangt u.a.
eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden
Rechtssätze. Das Erfordernis der Bestimmtheit steht im Dienste des
Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit mit den Elementen
der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der
rechtsgleichen Rechtsanwendung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
(sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte) darf das Gebot
nach Bestimmtheit rechtlicher Normen indes nicht in absoluter Weise
verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine
und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und
Anwendung der Praxis überlassen werden muss. Der Grad der erforderlichen
Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von
der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der
Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den
Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von
der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten
Entscheidung ab. In gewissem Ausmass kann die Unbestimmtheit von Normen
durch verfahrensrechtliche Garantien gleichsam kompensiert werden, und es
kommt dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit besondere Bedeutung zu (zum
Ganzen BGE 128 I 327 E. 4.2 S. 339 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und
Doktrin).

  Für das Polizeirecht stösst das Bestimmtheitserfordernis wegen der
Besonderheit des Regelungsbereichs auf besondere Schwierigkeiten. Die
Aufgabe der Polizei und die Begriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
lassen sich kaum abstrakt umschreiben. Die Polizeitätigkeit richtet sich
gegen nicht im Einzelnen bestimmbare Gefährdungsarten und Gefährdungsformen
in vielgestaltigen und wandelbaren Verhältnissen und ist demnach situativ
den konkreten Umständen anzupassen. Die Schwierigkeit der Regelung der
polizeilichen Tätigkeit ist denn auch der Grund, weshalb Art. 36 Abs. 1 Satz
3 BV die polizeiliche Generalklausel anerkennt (zum Ganzen

BGE 128 I 327 E. 4.2 S. 340; 130 I 369 E. 7.3 S. 381, mit Hinweisen auf
Rechtsprechung und Doktrin).

  6.3  Die genannten Schwierigkeiten einer bestimmten Gesetzgebung im
Bereiche des Polizeirechts zeigen sich auch im vorliegenden Fall - und sind
vergleichbar mit der in BGE 128 I 327 beurteilten bündnerischen
Polizeiverordnung. Im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung
und Sicherheit fällt es im Allgemeinen schwer, sowohl hinsichtlich der
Voraussetzungen als auch in Bezug auf die möglichen polizeilichen Massnahmen
bestimmte Normen zu schaffen. Der in Art. 29 PolG verwendete Begriff des
Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist zwar unbestimmt
gehalten, lässt indessen die generelle Ausrichtung entsprechend dem
Polizeirecht klar erkennen. Gleichermassen sind die allgemein umschriebenen
Eingriffsvoraussetzungen der Störung und Gefährdung in Art. 29 lit. b PolG
aus dem Recht der Gefahrenabwehr aus verschiedensten Bereichen bekannt und
nicht grenzenlos. Für das Vorliegen einer Störung oder Gefährdung setzt Art.
29 lit. b PolG einen "begründeten Verdacht" voraus. Dieser geht entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführer über den blossen, einfachen Verdacht hinaus.
Ferner ist die nach Art. 29 lit. b PolG mögliche Massnahme mit den Worten
"von einem bestimmten Ort vorübergehend wegweisen oder fernhalten" und dem
Erfordernis einer "Ansammlung" in zeitlicher und sachlicher Hinsicht recht
präzise umschrieben und damit eingegrenzt. In Anbetracht der Schwierigkeit
der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Massnahme, des offenen
Kreises der Normadressaten und der geringen Schwere des
Grundrechtseingriffes kann die Norm von Art. 29 lit. b PolG als genügend
bestimmt betrachtet werden. Die Umschreibung im Polizeigesetz ist, der
Normstufe entsprechend, enger als die verfassungsrechtlich anerkannte
polizeiliche Generalklausel gemäss Art. 36 Abs. 1 BV (vgl. zur Bündner
Polizeiverordnung BGE 128 I 327 E. 2.3 S. 334, E. 3.2 S. 335 und E. 4.3.3 S.
345; vgl. auch BGE 130 I 369 E. 7.3 S. 383).

  Es zeigt sich zudem, dass den Beschwerdeführern gegen die förmlichen
Wegweisungsverfügungen der Rechtsmittelweg offen stand und sie ihre Rechte
geltend machen konnten. Die Anwendung der umstrittenen Norm ist einer
justizmässigen Prüfung und allfälligen Korrektur in wirksamer Weise
zugänglich. In einem neuesten Entscheid vom 16. August 2005 hat der
Regierungsstatthalter die Anforderungen an einen begründeten Verdacht einer
Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung je nach den
Umständen

und Örtlichkeiten differenziert; er hat diese auf der kleinen Schanze in
Anbetracht eines geringen Personenaufkommens und der konkreten Gegebenheiten
als nicht gefährdet betrachtet und eine entsprechende Wegweisungsverfügung
aufgehoben. Diese verfahrensrechtliche Sicherung vermag die gerügte
Unbestimmtheit der angewandten Norm tatsächlich teilweise zu kompensieren.

  Das Polizeirecht muss schliesslich, wie ausgeführt, unter besonderer
Beachtung der Verhältnismässigkeit ausgelegt und angewendet werden. Art. 29
lit. b PolG erlaubt der Polizei entgegen den Befürchtungen der
Beschwerdeführer nicht, jederzeit und ohne sachlich ausreichenden Anlass
Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen zu erlassen. Es bestehen heute keine
Anhaltspunkte für die Annahme, die kantonalen Instanzen würden Art. 29 lit.
b PolG nicht in einer entsprechenden zurückhaltenden Art und Weise anwenden.

  Soweit die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Bestimmtheit von Art.
29 lit. b PolG eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes und des
Willkürverbotes geltend machen, kommt dieser Rüge im Verfahren der
inzidenten Normkontrolle keine eigenständige Bedeutung zu. Eine Norm
verstösst nicht schon allein wegen ihrer Unbestimmtheit gegen Art. 8 Abs. 1
und Art. 9 BV und hat keineswegs eine rechtsungleiche oder willkürliche
Rechtsanwendung zur Folge (vgl. BVR 2005 S. 97, E. 6.3). Eine unbestimmt
gehaltene Bestimmung schliesst eine Rücksichtnahme auf die Besonderheiten
des Einzelfalls keineswegs aus und lässt sich verfassungskonform auslegen
und anwenden. Die Rüge willkürlicher und rechtsungleicher Rechtsanwendung
ist vielmehr im Zusammenhang mit der Anwendung im Einzelfall zu prüfen.

  Damit erweist sich die Rüge der ungenügenden Bestimmtheit von Art. 29 lit.
b PolG als unbegründet.

Erwägung 7

  7.  Die Beschwerdeführer machen geltend, Art. 29 lit. b PolG sei in ihrem
Fall willkürlich und rechtsungleich angewendet worden. Sie legen eine
Verletzung von Art. 9 und Art. 8 Abs. 1 BV indessen nicht in einer
eigenständigen und den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden
Weise dar, weshalb darauf nicht einzutreten ist.

  Somit ist weiter zu prüfen, ob die umstrittenen Verfügungen durch
hinreichende öffentliche Interessen und den Schutz von Grundrechten Dritter
gerechtfertigt sind, dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen (Art. 36
Abs. 2 und 3 BV) und sich derart vor dem Hintergrund

der Versammlungsfreiheit und der persönlichen Freiheit halten lassen.

  7.1  Nach dem Grundsatzentscheid des Verwaltungsgerichts dient die
umstrittene Norm des Polizeigesetzes nicht der Bekämpfung der (von
Szenenbildungen ausgehenden) Beschaffungs- und Kleinkriminalität. Die
Bestimmung ziele vielmehr darauf ab, den Drogen- und Alkoholszenen auf
öffentlichem Grund und den von solchen regelmässig ausgehenden Störungen und
Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu begegnen. Die
Störung und Gefährdung würden darin erblickt, dass im Zusammenhang mit
Alkoholszenen regelmässig Passanten angepöbelt und aktiv behindert werden,
in aggressiver Form gebettelt wird, in verschiedenen Formen laut und störend
herumgeschrien und Lärm verursacht wird und unter solchen Umständen immer
wieder unkontrolliert Abfall und Unrat abgelagert wird. All diese
Erscheinungen seien geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu
gefährden und zu stören und das Sicherheitsgefühl von Passanten zu
beeinträchtigen. Es entspreche daher einem öffentlichen Interesse, solche
Vorkommnisse zu verhindern und mittels Wegweisung und zeitlich limitierter
Fernhaltung von entsprechenden Gruppen die Polizeigüter zu schützen (BVR
2005 S. 97, E. 8.1).

  Im vorliegenden Fall ist von den oben dargelegten
Sachverhaltsfeststellungen auszugehen und vor diesem Hintergrund zu prüfen,
ob ein öffentliches Interesse an den umstrittenen Verfügungen bestehe. Dabei
ist vorauszuschicken, dass aus dem Verhalten der Beschwerdeführer nicht auf
strafrechtlich relevante Tatbestände geschlossen wird und diesen auch nicht
vorgeworfen wird, die Bahnhofhalle in nicht gemeinverträglicher Weise
benützt zu haben. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass sich die
Beschwerdeführer in Gruppen zusammengefunden haben, die dem Alkohol
erheblich zugesprochen haben, mit Abfall und Unrat grosse Unordnung
hinterlassen, grossen Lärm verursacht und damit ein Verhalten an den Tag
gelegt haben, an welchem zahlreiche Passanten Anstoss genommen haben.

  Solche Erscheinungen sind geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit
zu gefährden oder zu stören. Sie wirken sich direkt auf das den öffentlichen
Raum benützende Publikum aus und beeinträchtigen die Passanten in einer
Weise, die offensichtlich Anstoss erregt. Über die unmittelbare Störung
durch Abfall und Unrat sowie den grossen Lärm hinaus können entsprechende
Begebenheiten

Verunsicherung oder Angstgefühle hervorrufen und die Passanten zu einem
Ausweichen, einem Umweg oder gar zur Benützung eines andern Bahnhofzugangs
veranlassen. All dies wirkt sich unmittelbar auf die öffentliche Ordnung und
Sicherheit aus und stört und gefährdet die Polizeigüter. Darüber hinaus
zeigt die Erfahrung, dass es unter solchen Umständen sehr oft zu
eigentlichen aktiven Behinderungen von Passanten und aggressivem Betteln
kommt. Bei dieser Sachlage kann ein öffentliches Interesse am Schutz der
Polizeigüter nicht verneint werden. Das öffentliche Interesse kann es
gebieten, das den öffentlichen Raum benützende Publikum und die Passanten
vor derartigen Erscheinungen zu bewahren. Es rechtfertigt sich daher im
Grundsatz, entsprechende Vorkehren zu treffen und Gruppen, von denen die
Gefährdungen und Störungen ausgehen, wegzuweisen und fernzuhalten. An der
Bejahung des öffentlichen Interesses an den umstrittenen Massnahmen ändert
auch der Umstand nichts, dass dem Begriff der Gefährdung und Störung der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit eine subjektive Komponente anhaftet. Was
wie im vorliegenden Fall bei mehreren Passanten Anstoss erregte oder gar zu
Verunsicherung und Angstgefühlen führt, kann bei objektivierter Betrachtung
als Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verstanden
werden, der zu begegnen im öffentlichen Interesse liegt.

  Demnach hält es vor der Verfassung stand, im vorliegenden Fall ein
öffentliches Interesse an den umstrittenen Verfügungen zu bejahen.

  7.2  Damit ist weiter zu prüfen, ob die Einschränkung der
Versammlungsfreiheit und der persönlichen Freiheit vor dem Hintergrund der
konkreten Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit gemäss Art. 36 Abs. 3 BV gerecht wird.

  Das Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine behördliche
Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen (oder privaten) Interesse
liegenden Zieles geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen
in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung zumutbar und
verhältnismässig erweist. Erforderlich ist eine vernünftige
Zweck-Mittel-Relation. Eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel
mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden kann (vgl.
BGE 130 I 65 E. 3.5.1 S. 69; 129 I 12 E. 9.1 S. 24; 128 II 259 E. 3.6 S.
275).

  Die auf Art. 29 lit. b PolG abgestützten Wegweisungs- und
Fernhalteverfügungen bezwecken die Vermeidung von Gefährdungen und

Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Sie sind, wie dargetan,
durch ein allgemeines öffentliches Interesse gerechtfertigt. Diesem
Interesse kommt angesichts der konkreten Örtlichkeiten erhebliches Gewicht
zu. Bei dem in den Fernhalteverfügungen konkret genannten Perimeter handelt
es sich nicht um einen beliebigen öffentlichen Raum. Es handelt sich im
Wesentlichen vielmehr um die Zugänge zum Bahnhof und die Durchgänge zu
Geleisen und Bahnhofeinrichtungen. Diese werden von allen Reisenden,
Pendlern und Bahnhofbenützern während der Betriebszeiten durchgehend und in
grosser Anzahl begangen; sie weisen damit eine spezifische Zweckausrichtung
auf. Gerade in Anbetracht dieser speziellen Gegebenheit kommt der Sicherung
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor Gefährdungen und Störungen eine
besondere Bedeutung zu.

  Die Gefährdung und Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit werden
nicht im blossen Umstand des Vorhandenseins einer Ansammlung von Personen
erblickt. Sie stehen vielmehr in unmittelbarem Zusammenhang mit den
Auswirkungen, die von Personenansammlungen, in denen in beträchtlichem
Ausmass Alkohol konsumiert wird, regelmässig und erfahrungsgemäss ausgehen.
Bei dieser Sachlage ist die Wegweisung und das vorübergehende Verbot, sich
im Bahnhofareal zu Alkohol konsumierenden Gruppen zusammenzufinden,
geeignet, der durch diese Erscheinungen hervorgerufenen Gefährdung und
Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu begegnen.

  Die umstrittenen Verfügungen können in dem Sinne als erforderlich
bezeichnet werden, als kaum andere und mildere Massnahmen ersichtlich sind,
das von Art. 29 lit. b PolG angestrebte Ziel zu erreichen und die von
Personenansammlungen mit (erheblichem) Alkoholkonsum ausgehenden negativen
Erscheinungen und die damit verbundene Störung und Gefährdung der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu vermeiden. Da sich die Wegweisungs-
und Fernhalteverfügungen direkt gegen diejenigen Personen richten, die durch
ihr Verhalten für die Störung und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung verantwortlich gemacht werden, reichen sie auch nicht über das
angestrebte Ziel hinaus.

  Die umstrittenen Verfügungen erweisen sich in Abwägung der betroffenen
Grundrechtspositionen der Beschwerdeführer auch als zumutbar und in diesem
Sinn als verhältnismässig. Hierfür ist von der Tragweite des konkreten
Grundrechtseingriffs auszugehen. Dieser

kann nicht als schwerwiegend eingestuft werden. Wie oben dargelegt, werden
die Beschwerdeführer durch die Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen in
ihrer individuellen Bewegungsfreiheit nicht berührt. Sie können ungeachtet
der streitigen Massnahmen den Bereich des Bahnhofs und den umschriebenen
Perimeter zu beliebigen Zwecken benützen. Sie werden auch nicht daran
gehindert, sich im bezeichneten Areal zu treffen und zu versammeln und
meinungsbildende, -austauschende und -äussernde Kontakte zu pflegen, wie das
möglicherweise auch andere Gruppen tun. Der Eingriff in die
Versammlungsfreiheit und die persönliche Freiheit beschränkt sich vielmehr
auf das mit erheblichem Alkoholkonsum gekoppelte Zusammenfinden und
Zusammensein und die nachteiligen Begleiterscheinungen. Solches
Zusammenfinden in einer Gruppe im Bahnhofareal stellt indes, auch unter
Berücksichtigung der Menschenwürde, kein für die Versammlungsfreiheit und
die persönliche Freiheit grundlegendes Element dar. Der Grundrechtseingriff
ist insoweit von geringer Tragweite. Von einer Verletzung der
Kerngehaltsgarantie kann von vornherein nicht gesprochen werden.

  In örtlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die angefochtenen
Verfügungen die Beschwerdeführer lediglich vom eigentlichen Bahnhofareal und
den unmittelbaren Zugängen dazu fernhalten. Dies betrifft ein sehr
beschränktes kleines Gebiet und hat derart gesamthaft gesehen keine schwere
Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit und der persönlichen Freiheit zur
Folge. Den Beschwerdeführern wird nicht untersagt, sich andernorts in
kommunikativer Weise in Gruppen zusammenzufinden und dem Alkohol
zuzusprechen. Weshalb dies nicht möglich sein sollte und warum die
Beschwerdeführer geradezu darauf angewiesen sein sollen, spezifisch im
Bahnhofareal ihre mit Alkoholgenuss verbundenen Zusammenkünfte abzuhalten,
ist nicht ersichtlich und wird in der Beschwerde denn auch in keiner Weise
konkret dargetan. Ein solches Bedürfnis scheint umso kleiner, als mehrere
Beschwerdeführer nach ihren eigenen Angaben in grösserer Entfernung von Bern
oder gar in andern Kantonen wohnen. Auch in dieser Hinsicht erweist sich der
mit den umstrittenen Verfügungen verbundene Grundrechtseingriff als von
geringem Gewicht.

  An dieser Beurteilung vermag auch die dreimonatige Dauer der Wegweisungen
nichts Wesentliches zu ändern. Zum einen vermögen die Beschwerdeführer nicht
darzulegen und ist nicht ersichtlich, dass eine Dauer von drei Monaten nicht
als "vorübergehend" im Sinne

von Art. 29 lit. b PolG bezeichnet werden könnte. Zum andern darf
berücksichtigt werden, dass eine Dauer von drei Monaten einen Mittelweg
zwischen einer kurzen, unter dem Gesichtswinkel der Sicherung der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit weitgehend unwirksamen Frist einerseits
und einer langen und damit nicht mehr als vorübergehend empfundenen
Zeitspanne andererseits einschlägt. Die Beschwerdeführer legen nicht dar,
dass sie durch die Dauer von drei Monaten in spezifischer Weise getroffen
würden und sie in der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Rechte gerade wegen
der angeordneten Zeitspanne übermässig behindert würden. Im Übrigen
verkennen sie, dass die Wegweisung als administrative Massnahme nicht nach
verschuldensabhängigen Kriterien ausgesprochen wird. Demnach kann auch in
zeitlicher Hinsicht nicht von einem schweren Eingriff in die
verfassungsmässigen Rechte gesprochen werden.

  Gesamthaft gesehen ergibt die Abwägung der entgegenstehenden Interessen,
dass von einem unverhältnismässigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit und
die persönliche Freiheit nicht gesprochen werden kann. Zum einen werden die
Beschwerdeführer durch das dreimonatige Verbot, sich in Alkohol
konsumierenden Gruppen im Bahnhof niederzulassen, nicht schwer betroffen.
Zum andern darf dem Bedürfnis nach Schutz der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit an Orten, die in spezifischer Weise den Bahnreisenden und
Pendlern dienen, besonderes Gewicht beigemessen werden. Daraus ergibt sich,
dass die umstrittenen Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen dem Grundsatz
der Verhältnismässigkeit genügen.

Erwägung 8

  8.  Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, sie würden durch die
streitigen Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen in Verletzung von Art. 8
Abs. 2 BV diskriminiert. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht in seinem
Grundsatzurteil entschieden, dass vom Polizeigesetz weder eine direkte noch
eine indirekte Diskriminierung ausgehe (BVR 2005 S. 97, E. 6.2.1 und 6.2.4).

  8.1  Art. 8 Abs. 2 BV verbietet die Diskriminierung, namentlich wegen der
Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen
Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen
Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen
Behinderung. Eine Diskriminierung liegt dann vor, wenn eine Person allein
aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch
und in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt

oder als minderwertig behandelt wurde, rechtsungleich behandelt wird. Die
Diskriminierung stellt eine qualifizierte Art der Ungleichbehandlung von
Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteiligung
von Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen
ist, weil sie an ein Unterscheidungsmerkmal anknüpft, das einen wesentlichen
und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der
betreffenden Person ausmacht. Insoweit beschlägt die Diskriminierung auch
Aspekte der Menschenwürde. - Von einer indirekten oder mittelbaren
Diskriminierung wird gesprochen, wenn keine offensichtliche Benachteiligung
von spezifisch gegen Diskriminierung geschützte Gruppen vorliegt, in ihren
tatsächlichen Auswirkungen indes Angehörige einer solchen Gruppe besonders
stark benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre (zum Ganzen BGE
129 I 217 E. 2.1 S. 223 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin).

  8.2  Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sie durch die Wegweisungs-
und Fernhalteverfügungen in diskriminierender Weise getroffen würden. Die
getroffenen Massnahmen richteten sich gegen Personen mit einer ganz
bestimmten Lebensform und träfen in spezifischer Weise soziale Randgruppen
wegen deren angeblich unüblichen und ungewöhnlichen Auftretens und
Verhaltens, die sich von den subjektiv als "normal" definierten
Verhaltensweisen unterscheiden. - Auch diese Rüge der Verletzung von Art. 8
Abs. 2 BV ist im Rahmen der vorfrageweisen Normkontrolle in Bezug auf die
konkreten Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen, ohne Art. 29 lit. b
PolG einer generellen Prüfung unter dem Gesichtswinkel des
Diskriminierungsverbotes zu unterziehen.

  Die Beschwerdeführer tragen ihre Diskriminierungsrüge in allgemeiner Weise
vor und lassen es bei generellen Hinweisen bewenden. Sie legen insbesondere
nicht konkret dar, inwiefern sie einer sozial bestimmbaren Minderheit oder
Gruppe angehören, die sich mit spezifischem Verhalten und besondern
Lebensformen oder durch eine bestimmte äussere Erscheinung und kulturelle
Prägung von der Mehrheit in verschiedenen Lebensbereichen unterscheidet
(vgl. JÖRG P. MÜLLER, Grundrechte, S. 412). Es ist im vorliegenden Fall
nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer mit möglicherweise
unterschiedlichsten Herkünften, Lebensumständen und Wohnorten - die sich in
Bern selber, in grösserer Distanz von Bern und gar in andern Kantonen
befinden - eine spezifische Gruppe bilden, die durch besondere, nicht frei
gewählte oder schwer aufgebbare Merkmale

gekennzeichnet ist und aus diesem Grunde eines besondern verfassungsmässigen
Schutzes bedürfte (vgl. JÖRG P. MÜLLER, Die Diskriminierungsverbote nach
Art. 8 Abs. 2 der neuen Bundesverfassung, in: Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Die
neue Bundesverfassung, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 1999 S.
106). Allein der Umstand, dass sie sich gelegentlich, häufig oder
regelmässig im Bahnhofareal zusammenfinden, macht sie nicht zu einer Gruppe,
die in spezifischer Weise den verfassungsmässigen Diskriminierungsschutz in
Anspruch nehmen kann. Es ist nicht erkennbar, dass sie wegen der
Besonderheiten der ihnen eigenen Lebensweise gegenüber einer Mehrheit
ungleich und entwürdigend behandelt worden wären. Insbesondere machen sie
auch nicht geltend, dass sie gegenüber andern Gruppen, die die öffentliche
Ordnung und Sicherheit in ähnlicher Weise gefährden oder stören,
diskriminierend ungleich behandelt werden.

  Für den vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die zugrunde liegenden
Massnahmen an eine konkrete Gefährdung und Störung der öffentlichen Ordnung
und Sicherheit anknüpfen. Die umstrittenen Verfügungen verfolgen das Ziel,
die dargelegten Gefährdungen und Störungen der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit, wie sie von Alkohol konsumierenden Personenansammlungen
ausgehen, zu beheben. Sie richten sich nicht in diskriminierender Weise
spezifisch gegen bestimmte Gruppen oder gegen die Beschwerdeführer wegen
bestimmter Merkmale oder ihrer Lebensweise. Es kann auch nicht gesagt
werden, dass sich die Fernhalteverfügungen im Sinne einer indirekten oder
mittelbaren Diskriminierung auf die Beschwerdeführer ohne sachlichen Grund
besonders nachteilig und damit diskriminierend auswirken.

  Die Rüge, die Fernhalteverfügungen verstiessen gegen Art. 8 Abs. 2 BV, ist
unbegründet.

Erwägung 9

  9.  Demnach erweist sich die gegen den Entscheid vom 14. Juli 2005
gerichtete Beschwerde als unbegründet und ist demnach abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. (...)