Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 IV 76



Urteilskopf

132 IV 76

  11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. und Y. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
  6S.23/2006 vom 31. März 2006

Regeste

  Widerhandlung gegen das Lotteriegesetz (Art. 38 Abs. 1 LG); straffreies
Einlegen in eine Lotterie (Art. 38 Abs. 2 LG); lotterieähnliche
Veranstaltung nach dem Schneeballsystem (Art. 43 Ziff. 1 LV).

  Ein sog. "Schenkkreis", bei welchem den Teilnehmern gegen Leistung eines
Einsatzes ein Gewinn in Aussicht steht, der nur erzielt werden kann, wenn es
gelingt, weitere Personen zur Teilnahme am "Schenkkreis" durch Leistung
eines Einsatzes zu veranlassen, ist eine Veranstaltung nach dem
Schneeballsystem und damit eine lotterieähnliche Unternehmung im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 LV (E. 4).

  Die Durchführung einer solchen Veranstaltung ist strafbar. Die Leistung
eines Einsatzes ist als solche nicht strafbar (E. 5).

Sachverhalt

  A.- Der Präsident 3 des Bezirksgerichts Baden verurteilte am 21. Dezember
2004 X. und Y. wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz betreffend die
Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (Art. 38 Abs. 1 LG i.V.m. Art. 1 LG
und Art. 43 Ziff. 1 LV) zu Bussen von 300 Franken.

  Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 21. November 2005 die von den
beiden Gebüssten erhobene Berufung ab.

  B.- X. (Beschwerdeführer 1) und Y. (Beschwerdeführer 2) führen
staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Mit
der Ersteren beantragen sie die Aufhebung des Urteils des Obergerichts, mit
der Letzteren zudem ihre Freisprechung.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:
  I. Nichtigkeitsbeschwerde

Erwägung 2

  2.  Der so genannte "Schenkkreis", an welchem die Beschwerdeführer
teilnahmen, spielt sich gemäss den Feststellungen der Vorinstanz im Prinzip
wie folgt ab. Am "Schenkkreis" sind 15 Personen beteiligt. Das erste,
äusserste Segment besteht aus acht neu hinzugekommenen Personen, das zweite
aus vier, das dritte aus zwei Personen und im innersten Segment, d.h. im
Zentrum, befindet sich eine Person. Die acht Personen des äussersten
Segments zahlen ("schenken") der zentralen Person einen bestimmten
Geldbetrag, im konkreten Fall je Fr. 7'500.-. Die zentrale Person erhält
somit

insgesamt Fr. 60'000.-, was unter Berücksichtigung des allenfalls von ihr in
der Vergangenheit selbst an die damals zentrale Person geleisteten Betrags
von Fr. 7'500.- einen Gewinn von Fr. 52'500.- ergibt. Die "beschenkte"
Person verlässt nach der "Schenkung" den Kreis, worauf sich dieser in zwei
neue "Schenkkreise" zu sieben Personen aufteilt. Diese sieben Personen
rücken in den neu gebildeten "Schenkkreisen" um je ein Segment in Richtung
Zentrum vor. Die beiden neuen "Schenkkreise" müssen nun je acht Personen
finden, welche das erste, äusserste Segment besetzen und zur Zahlung eines
bestimmten Geldbetrages, vorliegend von je Fr. 7'500.-, an die zentralen
Personen der beiden neuen Kreise bereit sind, und so fort. Es ist im Übrigen
möglich, dass eine Position statt nur von einer Person von zwei Personen
besetzt wird, so dass sich im äussersten Segment maximal 16 und im Zentrum
zwei Personen befinden; entsprechend teilen sich diese Personen den Einsatz
und den Gewinn.

Erwägung 3

  3.

  3.1  Nach Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 8. Juni 1923 betreffend die
Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (Lotteriegesetz, LG; SR 935.51)
sind die Lotterien verboten. Als Lotterie gilt gemäss Art. 1 Abs. 2 LG jede
Veranstaltung, bei der gegen Leistung eines Einsatzes oder bei Abschluss
eines Rechtsgeschäftes ein vermögensrechtlicher Vorteil als Gewinn in
Aussicht gestellt wird, über dessen Erwerbung, Grösse oder Beschaffenheit
planmässig durch Ziehung von Losen oder Nummern oder durch ein ähnliches auf
Zufall gestelltes Mittel entschieden wird. Das Gesetz sieht gewisse
Beschränkungen des Lotterieverbots (Art. 2 LG betreffend Tombolas) und
Ausnahmen vom Lotterieverbot (Art. 3 LG betreffend die gemeinnützigen oder
wohltätigen Zwecken dienenden Lotterien) vor. Wer eine durch dieses Gesetz
verbotene Lotterie ausgibt oder durchführt, wird mit Haft oder mit Busse bis
zu 10'000 Franken bestraft (Art. 38 Abs. 1 LG). Das Einlegen in eine
Lotterie ist straffrei (Art. 38 Abs. 2 LG).

  Der bundesrätliche Entwurf eines Lotteriegesetzes (BBl 1918 IV 356 ff.)
hatte auf eine Definition des Lotteriebegriffs verzichtet, weil sie sich
erstens in der Expertenkommission als schwierig erwiesen hatte und weil
zweitens "gerade eine Legaldefinition unter Umständen die Umgehung des
Gesetzes erleichtern könnte, indem man Unternehmungen, die unbestreitbar die
Zwecke und Gefahren der Lotterien in sich schliessen, mit äusserlichen
Merkmalen ausstatten

würde, die ihre Subsumtion unter den gesetzlichen Lotteriebegriff
ausschliessen oder doch sehr zweifelhaft machen würden" (Botschaft des
Bundesrates, BBl 1918 IV 333 ff., S. 343). In den Verhandlungen der
eidgenössischen Räte wurde dann aber doch eine Legaldefinition eingefügt. Um
die damit verbundenen Gefahren auszuschalten, wurde der Bundesrat im Gesetz
ermächtigt, auf dem Verordnungsweg lotterieähnliche Unternehmungen den
Lotterien gleichzustellen (Sten.Bull. 1921 S S. 37, 100, Voten des
Berichterstatters Andermatt; Sten.Bull. 1922 N S. 861, 882, Voten des
Berichterstatters Mächler). Gemäss Art. 56 Abs. 2 LG ist der Bundesrat
befugt, auf dem Verordnungsweg "lotterieähnliche Unternehmungen" den in
diesem Gesetz über die Lotterien enthaltenen Bestimmungen zu unterwerfen
(zum Ganzen BGE 123 IV 175 E. 1).

  Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat Gebrauch gemacht. Nach Art. 43 der
Verordnung vom 27. Mai 1924 zum Bundesgesetz betreffend die Lotterien und
die gewerbsmässigen Wetten (LV; SR 935.511) sind den Lotterien
gleichgestellt:

   "1. alle Veranstaltungen, bei denen das Schneeballsystem (Lawinen-,
       Hydra-, Gella- oder Multiplex-System) zur Anwendung kommt.

       Eine solche Veranstaltung liegt vor, wenn die Lieferung von Waren, die
       Ausrichtung von Prämien oder andere Leistungen zu Bedingungen in
       Aussicht gestellt werden, die für die Gegenpartei des Veranstalters
       nur einen Vorteil bedeuten, wenn es ihr gelingt, weitere Personen zum
       Abschluss gleicher Geschäfte zu veranlassen;

    2. Preisausschreiben und Wettbewerbe jeder Art, an denen nur nach
       Leistung eines Einsatzes oder nach Abschluss eines Rechtsgeschäftes
       teilgenommen werden kann, und bei denen der Erwerb oder die Höhe der
       ausgesetzten Gewinne wesentlich vom Zufall oder von Umständen
       abhängig ist, die der Teilnehmer nicht kennt;

    3. die Aufstellung und der Betrieb von Verkaufs- sowie von
       Spielapparaten, die weder Geld noch geldvertretende Gegenstände
       abgeben, sofern es wesentlich vom Zufall abhängt, ob der gegen
       Leistung eines Einsatzes oder bei Abschluss eines Rechtsgeschäftes in
       Aussicht gestellte Gewinn anfällt oder von welcher Art oder von
       welchem Wert er ist."

  Das Lotteriegesetz definiert den Begriff der lotterieähnlichen
Unternehmung nicht und nennt auch keine Beispiele. Die Auslegung des
Begriffs hat sich am Lotteriebegriff, wie er in Art. 1 Abs. 2 LG definiert
wird, zu orientieren. Der Richter muss nicht nur prüfen, ob die von ihm zu
beurteilende Veranstaltung die Merkmale einer vom Bundesrat einer Lotterie
gleichgestellten Unternehmung gemäss

Art. 43 LV aufweist, sondern auch, ob die Veranstaltung einer Lotterie im
Sinne von Art. 1 Abs. 2 LG ähnlich ist (BGE 123 IV 225 E. 2b).

  3.2  Lotterien im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LG sind mithin Veranstaltungen,
bei welchen dem Teilnehmer (1.) gegen Leistung eines Einsatzes (2.) ein
Gewinn in Aussicht gestellt wird, über den (3.) planmässig (4.) durch ein
auf Zufall gestelltes Mittel entschieden wird. Lotterieähnliche
Unternehmungen im Sinne von Art. 56 Abs. 2 LG sind Veranstaltungen, welche
dieses oder jenes Merkmal der Lotterie im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LG nicht
in gleichem Masse bzw. nicht in gleicher Art und Weise wie die Lotterien
aufweisen. Dabei ist für die Abgrenzung das Kriterium des Zufalls
massgebend. Denn in Bezug auf die übrigen Merkmale der Lotterie - Leistung
eines Einsatzes, Gewinnaussicht, Planmässigkeit (zu Letzterer siehe
ausführlich BGE 99 IV 25 E. 5b S. 35) - sind Unterscheidungen
beziehungsweise Abstufungen nicht möglich; sie sind entweder gegeben oder
nicht vorhanden. Bei den Lotterien gemäss Art. 1 Abs. 2 LG ist der Zufall
allein entscheidend, während ihm bei der lotterieähnlichen Unternehmung im
Sinne von Art. 56 Abs. 2 LG neben anderen Umständen, etwa Beharrlichkeit und
Geschick, eine wesentliche Rolle zukommt (BGE 123 IV 225 E. 2c mit Hinweisen
auf die Lehre).

Erwägung 4

  4.

  4.1  Die einem "Schenkkreis" neu beitretenden (acht) Teilnehmer, welche
das äusserste Segment besetzen, haben einen Geldbetrag an die Person zu
leisten, welche sich im Zentrum des Kreises befindet. Hiefür steht ihnen die
Chance auf einen höheren Geldbetrag und somit auf einen Gewinn in Aussicht.
Diese Gewinnchance ist eine "andere Leistung" im Sinne von Art. 43 Ziff. 1
Abs. 2 LV. Die Teilnehmer können diese Gewinnchance nur realisieren, wenn es
ihnen gelingt, weitere Personen zur Teilnahme am "Schenkkreis" und somit zur
Zahlung eines Geldbetrags, mithin "zum Abschluss gleicher Geschäfte" im
Sinne der zitierten Bestimmung, "zu veranlassen", wodurch sie ein Segment
vorrücken und schliesslich allenfalls ins Zentrum eines Kreises gelangen
können.

  Den neu hinzukommenden Teilnehmern eines "Schenkkreises" steht somit gegen
Leistung eines Einsatzes ein Gewinn in Aussicht. Ob diese neuen Teilnehmer
den Gewinn erzielen, hängt bei aller Beharrlichkeit und allem Geschick auch
wesentlich vom Zufall ab.

  Denn die neu hinzugekommenen acht Personen erhalten - bei einem
"Schenkkreis" von 15 Personen mit einem aus acht Personen bestehenden
äussersten Segment - den Gewinn erst, wenn (16 + 32 + 64) 112 weitere
Teilnehmer angeworben worden sind und bezahlt haben.

  4.2
  4.2.1  Das Lotterie-Merkmal der Planmässigkeit muss auch bei der
lotterieähnlichen Unternehmung erfüllt sein. Die Planmässigkeit ist das
entscheidende Kriterium, um die Lotterien und die lotterieähnlichen
Unternehmungen vom Glücksspiel im Sinne des Spielbankengesetzes zu
unterscheiden (BGE 99 IV 25 E. 5 S. 31 ff., insbesondere E. 5b).
Glücksspiele im Sinne des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1998 über
Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52) sind gemäss
der - im Vergleich zum alten Recht (Art. 2 Abs. 2 aSBG) unveränderten -
gesetzlichen Definition Spiele, bei denen gegen Leistung eines Einsatzes ein
Geldgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht, der ganz
oder überwiegend vom Zufall abhängt (Art. 3 Abs. 1 SBG). Eine Veranstaltung,
bei welcher über den Gewinn nicht planmässig entschieden wird, ist keine
Lotterie beziehungsweise lotterieähnliche Unternehmung, sondern allenfalls
ein Glücksspiel im Sinne des Spielbankengesetzes.

  Planmässigkeit im Sinne des Lotteriegesetzes liegt vor, wenn der
Veranstalter sein eigenes Spielrisiko ausschliesst, sich also nicht dem
Zufall unterwirft (BGE 99 IV 25 E. 5a; 123 IV 175 E. 2c, 225 E. 2d). Bei
einer Veranstaltung nach dem Schneeballsystem trägt der Veranstalter schon
nach der Konzeption einer solchen Unternehmung kein Spielrisiko. Dieses
tragen allein die Teilnehmer, denen es gelingen muss, weitere Personen zum
Abschluss gleicher Geschäfte zu veranlassen (BGE 123 IV 225 E. 2d). Diese
Teilnehmer sind die Gegenpartei des Veranstalters im Sinne von Art. 43 Ziff.
1 Abs. 2 LV.

  4.2.2  Die erste Instanz hat erwogen, dass es beim vorliegend zu
beurteilenden "Schenkkreis" keinen eigentlichen Veranstalter und somit auch
keine Gegenpartei des Veranstalters im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 LV gibt. Es
gebe einzig Personen, welche Interessenten über das System informieren
beziehungsweise durch die Veranstaltung führen. Als eigentliche Veranstalter
könnten diese Personen jedoch nicht bezeichnet werden. Der "Schenkkreis"
erfülle aber ansonsten

sämtliche Merkmale einer lotterieähnlichen Unternehmung beziehungsweise
eines Schneeballsystems. Daher falle er trotz des Fehlens eines
Veranstalters unter Art. 43 Ziff. 1 LV. Die erste Instanz hat in diesem
Zusammenhang auch auf den Zweck des Lotteriegesetzes hingewiesen, der darin
bestehe, Personen vor unnötigem Geldausgeben bei solchen Veranstaltungen zu
schützen.

  Die Vorinstanz ist demgegenüber der Auffassung, dass es bei
"Schenkkreisen" der hier zu beurteilenden Art durchaus einen Veranstalter
gibt. Ein hoher Organisationsgrad sei nicht erforderlich. Es sei nicht zu
verkennen, dass der Beschwerdeführer 1 im konkreten Fall durch seine
Erläuterungen und Instruktionen als konkreter "Veranstalter" aufgetreten
sei. Es könne zudem kein Zweifel darüber bestehen, dass das
Schenkkreisprinzip in dieser Form und mit den dargelegten "Spielregeln"
einmal von jemandem habe definiert und initiiert werden müssen. In diesem
Sinne liege beim "Schenkkreis" eine planmässige Veranstaltung vor, in
welcher die Erstveranstalter jegliches Risiko für sich ausgeschlossen
hätten, indem sie sich beim Start in die Mittelpositionen des
"Schenkkreises" gesetzt hätten.

  4.2.3  Als Veranstalter sind die - vorliegend sieben - Personen anzusehen,
die, ohne Leistung eines Einsatzes, quasi als Gründungsmitglieder einen
"Schenkkreis" begründen, dessen Zweck darin besteht, weitere Personen zum
Beitritt durch Zahlung eines Einsatzes zu veranlassen. Gegenpartei des
Veranstalters sind die Personen, welche dem "Schenkkreis" beitreten und den
Einsatz leisten.

  Die neu beigetretenen Teilnehmer, die einen Einsatz geleistet haben, sind
in besonderem Masse - mehr noch als die Gründungsmitglieder, die keinen
Einsatz geleistet haben - an der Anwerbung von weiteren Teilnehmern
interessiert. Sie werden aber dadurch, dass sie sich um weitere Teilnehmer
bemühen, nicht ihrerseits auch zu Veranstaltern. Sie bleiben vielmehr nach
wie vor Teilnehmer am Spiel. Denn gemäss den Spielregeln ist es gerade ihre
Aufgabe, weitere Teilnehmer zu finden, da sie nur unter dieser Voraussetzung
den gegen Leistung eines Einsatzes in Aussicht stehenden Gewinn erzielen
können. Die Gründungsmitglieder eines "Schenkkreises", die keinen Einsatz
geleistet haben, sind allerdings ebenfalls am Spiel beteiligt, weil auch
ihnen ein Gewinn in Aussicht steht. Sie können aber, da sie keinen Einsatz
geleistet haben, nur gewinnen, nicht verlieren. Die Gründungsmitglieder
haben mithin im Unterschied

zu den neu hinzugekommenen Teilnehmern des "Schenkkreises" kein
Verlustrisiko. Sie stehen zudem, obschon sie keinen Einsatz geleistet haben,
nach der Anlage des Spiels dem Zentrum und damit der Erlangung des in
Aussicht stehenden Gewinns näher als die neu hinzugekommenen Mitglieder, die
einen Einsatz geleistet haben.

  Sind aus einem neu gegründeten "Schenkkreis" mit sieben
Gründungsmitgliedern nach drei Teilungsvorgängen acht Kreise entstanden, so
sind in diesen acht Kreisen allerdings keine Gründungsmitglieder mehr
beteiligt, sondern nur noch jeweils 15 Teilnehmer vereinigt, die alle einen
Einsatz geleistet haben. Ab dieser Phase des Geschehens, die in der Praxis
allerdings nur selten erreicht werden dürfte, sind mithin in den einzelnen
"Schenkkreisen" keine Personen mehr vertreten, die als Veranstalter
angesehen werden können.

  4.2.4  In Anbetracht dieser Besonderheiten sind "Schenkkreise" der
vorliegenden Art im Grenzbereich zwischen lotterieähnlichen Unternehmungen
gemäss Art. 56 Abs. 2 LG i.V.m. Art. 43 Ziff. 1 LV und Glücksspielen nach
Art. 3 Abs. 1 SBG anzusiedeln. Eine Lösung in dem Sinne, "Schenkkreise", an
denen noch Gründungsmitglieder, die keinen Einsatz geleistet haben,
beteiligt sind, als lotterieähnliche Unternehmungen und "Schenkkreise", an
denen nur noch Teilnehmer, die einen Einsatz geleistet haben, mitwirken, als
Glücksspiele zu qualifizieren, ist schon aus Gründen der Praktikabilität
abzulehnen, unter anderem deshalb, weil die Widerhandlungen gegen das
Spielbankengesetz, etwa das vorliegend in Betracht fallende Organisieren von
Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken (Art. 56 Abs. 1 lit. a
SBG), im Unterschied zu den Widerhandlungen gegen das Lotteriegesetz in
Anwendung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht verfolgt werden
(siehe Art. 57 Abs. 1 SBG). Sachgerecht ist vielmehr die Lösung,
"Schenkkreise" der vorliegenden Art in allen Phasen des Geschehens rechtlich
gleich, und zwar als lotterieähnliche Unternehmungen im Sinne von Art. 56
Abs. 2 LG i.V.m. Art. 43 Ziff. 1 LV zu qualifizieren.

  Entscheidend hiefür ist, dass bei "Schenkkreisen" der vorliegenden Art im
Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 LV das Schneeballsystem zur Anwendung
kommt. Schon der historische Gesetzgeber sah gerade in Veranstaltungen nach
dem Schneeballsystem lotterieähnliche Unternehmungen. In seinem Gutachten
und Gesetzesentwurf betreffend die bundesrechtliche Regelung des
Lotteriewesens von

1913 wies Ernst Blumenstein auf den "auch in der Schweiz bekannt gewordenen
Warenverkauf nach dem Hydra-, Schneeballen- oder Lawinensystem" hin. Er
hielt eine prinzipielle Gleichstellung solcher Systeme mit den gewöhnlichen
Lotterien hinsichtlich Verbot und Überwachung mit Rücksicht auf den Zweck
des Lotteriegesetzes für unbedingt notwendig (siehe zum Ganzen BGE 123 IV
225 E. 2d). Mit Rücksicht auf die Vorstellungen des historischen
Gesetzgebers und den Zweckgedanken der Lotteriegesetzgebung sind
Veranstaltungen, bei denen das Schneeballsystem zur Anwendung kommt, als
lotterieähnliche Unternehmungen zu qualifizieren. Dies gilt auch für
Veranstaltungen, bei denen nicht deutlich im Sinne der erläuternden
Umschreibung in Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 LV zwischen einem Veranstalter und
einer Gegenpartei des Veranstalters unterschieden werden kann. Als
lotterieähnliche Unternehmung ist daher auch eine Veranstaltung anzusehen,
bei der nach den Spielregeln gegen Leistung eines bestimmten Einsatzes ein
bestimmter Gewinn in der Höhe eines mehrfachen Betrags in Aussicht steht,
der nur erlangt werden kann, wenn es gelingt, weitere Personen zur Leistung
von Einsätzen zu veranlassen.
  "Schenkkreise" der vorliegenden Art sind demnach als lotterieähnliche
Unternehmungen im Sinne von Art. 56 Abs. 2 LG i.V.m. Art. 43 Ziff. 1 LV zu
qualifizieren. Sie sind somit den Bestimmungen des Lotteriegesetzes
unterworfen, mithin auch der Strafbestimmung von Art. 38 LG.

  4.3  Was die Beschwerdeführer gegen die Qualifizierung des "Schenkkreises"
als lotterieähnliche Unternehmung vorbringen, geht an der Sache vorbei. Es
ist rechtlich unerheblich, bei welchen Naturvölkern in welchen Ländern aus
welchen Gründen die Idee von "Schenkkreisen" entstanden ist, welche Personen
heute in der Schweiz an "Schenkkreisen" der vorliegenden Art teilnehmen und
wozu die Gewinne verwendet werden. Rechtlich unerheblich ist auch, als was
die Teilnehmer die als "Schenkungen" bezeichneten Zahlungen subjektiv
empfinden. Rechtlich entscheidend ist allein, dass die Teilnehmer die
Beiträge offenkundig nur in der Hoffnung leisten, später ihrerseits eine
Zahlung im mehrfachen (vorliegend achtfachen) Betrag zu erhalten, was
voraussetzt, dass weitere Teilnehmer in einer im Laufe des Geschehens rasch
ansteigenden Vielzahl gefunden werden, die eine Zahlung erbringen. Wenn es
den Beteiligten, wie die Beschwerdeführer behaupten, tatsächlich um
Schenkungen aus sozialen und solidarischen Überlegungen ginge,

so wäre hiefür das Konstrukt von "Schenkkreisen" der vorliegenden Art
offensichtlich nicht erforderlich.

Erwägung 5

  5.

  5.1  Gemäss Art. 38 Abs. 1 LG wird bestraft, wer eine durch dieses Gesetz
verbotene Lotterie ausgibt oder durchführt. Nach Art. 38 Abs. 2 LG ist das
Einlegen in eine Lotterie straffrei. Gemäss Art. 4 LG ("Verbotene
Handlungen") sind die Ausgabe und die Durchführung einer durch dieses Gesetz
verbotenen Lotterie untersagt. Die Durchführung einer Lotterie umfasst die
dem Lotteriezweck dienenden Handlungen, wie die Ankündigung oder
Bekanntmachung einer Lotterie, die Ausgabe der Lose, die Empfehlung, das
Feilbieten, die Vermittlung und den Verkauf von Losen, Coupons oder
Ziehungslisten, die Losziehung, die Ausrichtung der Gewinne, die Verwendung
des Ertrages. Art. 4 und Art. 38 LG sind offensichtlich auf die eigentlichen
Lotterien zugeschnitten. Welche Verhaltensweisen im Einzelnen bei den
lotterieähnlichen Unternehmungen im Allgemeinen und bei den Veranstaltungen
nach dem Schneeballsystem im Besonderen, die sich in ihrer Anlage von den
Lotterien in tatsächlicher Hinsicht wesentlich unterscheiden, strafbar sind,
wird im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt.

  5.2
  5.2.1  Die Gründung eines "Schenkkreises", dessen Zweck darin besteht,
weitere Personen zum Beitritt durch Zahlung eines Einsatzes zu veranlassen,
ist der Ausgabe einer Lotterie im Sinne von Art. 4 Satz 1 und Art. 38 Abs. 1
LG gleichzustellen und daher in Anwendung von Art. 56 Abs. 2 LG gemäss Art.
38 Abs. 1 LG strafbar.

  5.2.2  Strafbar ist gemäss Art. 56 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 LG auch
die Durchführung einer lotterieähnlichen Unternehmung, worunter nach Art. 4
Satz 2 LG alle Handlungen fallen, die dem Zweck einer solchen Veranstaltung
dienen. In Berücksichtigung der in Art. 4 Satz 2 LG betreffend die Lotterien
im Einzelnen genannten Durchführungshandlungen macht sich somit etwa
strafbar, wer das Bestehen eines "Schenkkreises" bekannt macht oder wer
einer bestimmten Person den Beitritt zu einem "Schenkkreis" durch Leistung
eines Einsatzes anbietet oder empfiehlt. Durchführungshandlungen können
nicht nur von den Mitgliedern des "Schenkkreises", sondern auch von
Drittpersonen vorgenommen werden, die ihm nicht angehören.

  5.2.3  Die Leistung eines Einsatzes zwecks Beitritts in einen
"Schenkkreis" ist hingegen als solche, für sich allein, keine
Durchführungshandlung.

Allerdings wurde in BGE 97 IV 248 entschieden, dass der Teilnehmer einer
Kettenbriefaktion, welcher die im Spielplan vorgesehenen Handlungen
vornimmt, nicht Einleger ist, sondern an der Durchführung der verbotenen
Lotterie mitwirkt und als selbständiger Täter strafbar ist. In jenem Fall
hatte der Beschuldigte nicht bloss einen Kettenbrief zum Preis von Fr. 10.-
erworben, sondern auch dem an erster Stelle genannten Teilnehmer Fr. 10.-
bezahlt, den Kettenbrief beim Unternehmer unter gleichzeitiger Bezahlung von
Fr. 10.- gegen drei neue Briefe eingelöst und diese in der Folge an drei
neue Teilnehmer weiterverkauft (zitierter BGE S. 250/251), wodurch er sich
offensichtlich nicht nur auf das Einlegen in eine lotterieähnliche
Unternehmung beschränkt, sondern an deren Durchführung mitgewirkt hatte. Aus
BGE 97 IV 248 ergibt sich nicht, dass in einem Fall der vorliegend zu
beurteilenden Art der Erwerb der Mitgliedschaft in einem "Schenkkreis" durch
Leistung eines Einsatzes schon für sich allein nicht bloss als Einlegen,
sondern als Mitwirkung an der Durchführung der lotterieähnlichen
Unternehmung zu betrachten ist. Das Lotteriegesetz enthält keinen
Straftatbestand der "Teilnahme" an einer Lotterie, sondern unterscheidet
zwischen der strafbaren Ausgabe und Durchführung einer Lotterie einerseits
und dem straffreien Einlegen in eine Lotterie andererseits. Wer Lose einer
verbotenen Lotterie anbietet oder verkauft, erfüllt den Tatbestand. Wer
solche Lose kauft, ist hingegen nicht strafbar, obschon auch der Loskauf
offensichtlich dem Lotteriezweck dient und die Lotterie nur dank der
notwendigen Teilnahme des Loskäufers gelingen kann.

  Das Lotteriegesetz enthält in Bezug auf die lotterieähnlichen
Unternehmungen keine speziellen Strafbestimmungen, sondern verweist - durch
Art. 56 Abs. 2 LG - auf Art. 38 LG, der allerdings auf die Lotterien
zugeschnitten ist. Dies ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 1 StGB
(Legalitätsprinzip) nicht unproblematisch, zumal sich die lotterieähnlichen
Unternehmungen im Allgemeinen und die Veranstaltungen nach dem
Schneeballsystem im Besonderen in tatsächlicher Hinsicht wesentlich von den
Lotterien unterscheiden. Daher ist Art. 38 Abs. 1 LG in Bezug auf die
lotterieähnlichen Unternehmungen jedenfalls nicht extensiv auszulegen, indem
schon jede "Teilnahme" an einer solchen Unternehmung eo ipso als strafbar
erachtet wird.

  Die Leistung eines Einsatzes zwecks Beitritts in einen "Schenkkreis" ist
dem Kauf eines Loses bei einer Lotterie, mithin dem Einlegen

in eine Lotterie, gleichzustellen und daher als solche gemäss Art. 38 Abs. 2
i.V.m. Art. 56 Abs. 2 LG nicht strafbar.

  5.3  Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer 1 an den
Sitzungen vom 17. September und vom 8. Oktober 2003 die Teilnehmer des
"Schenkkreises" begrüsste, über den Ablauf orientierte, auf die
strafrechtliche Problematik hinwies und seine Meinung dazu erläuterte. Nach
der Auffassung der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer 1 daher als
Teilnehmer des "Schenkkreises" zu betrachten, und zwar unabhängig davon, ob
er sich im konkreten Fall als Einleger beteiligt habe. Auch bei einem
"Schenkkreis" der vorliegenden Art sei eine bescheidene, kleine Organisation
erforderlich; zumindest hätten ein Raum gemietet und die potentiellen
Teilnehmer über das Datum des "Schenkkreises" orientiert werden müssen. Die
Behauptung des Beschwerdeführers 1, dass solche "Schenkkreise" völlig
selbständig und ohne jegliche Organisation abliefen, entbehre jeder
Realität. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer 1 eine massgebende
organisatorische Rolle übernommen. Daher sei er unabhängig davon, ob er sich
selber mit einem Einsatz am "Schenkkreis" beteiligt habe, der Teilnahme am
"Schenkkreis" und somit der Verletzung von Art. 38 LG schuldig zu sprechen.

  Ob der Beschwerdeführer 1 einen Einsatz leistete, was die Vorinstanz offen
liess, ist unerheblich, da die Leistung eines Einsatzes als solche gemäss
Art. 38 Abs. 2 i.V.m. Art. 56 Abs. 2 LG straffrei ist (siehe E. 5.2.3
hievor).

  Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob der
Beschwerdeführer 1 deshalb allenfalls keinen Einsatz leistete, weil er zu
den Gründungsmitgliedern des "Schenkkreises" gehörte. Sollte der
Beschwerdeführer 1 ein Gründungsmitglied gewesen sein, so hätte er den
Tatbestand von Art. 38 Abs. 1 i.V.m. Art. 56 Abs. 2 LG und Art. 43 Ziff. 1
LV durch "Ausgabe" einer lotterieähnlichen Unternehmung erfüllt (siehe E.
5.2.1 hievor). Wie es sich damit vorliegend in tatsächlicher Hinsicht
verhält, kann dahingestellt bleiben.

  Die festgestellten Handlungen des Beschwerdeführers 1 dienten offenkundig
dazu, potentielle Interessenten zur Leistung eines Einsatzes zu veranlassen.
Sie sind mithin dem Zweck der lotterieähnlichen Unternehmung dienende
Handlungen und somit Durchführungshandlungen im Sinne von Art. 38 Abs. 1
i.V.m. Art. 4 und Art. 56 Abs. 2 LG. Solche Durchführungshandlungen können,
wie dargelegt,

bei einem "Schenkkreis" nicht nur die Gründungsmitglieder und die später
hinzugekommenen Teilnehmer vornehmen, sondern auch Drittpersonen, welche dem
"Schenkkreis" nicht angehören.

  Der Beschwerdeführer 1 hat somit durch die festgestellten Handlungen den
Tatbestand der Durchführung einer lotterieähnlichen Unternehmung (Art. 38
Abs. 1 i.V.m. Art. 4 und Art. 56 Abs. 2 LG sowie Art. 43 Ziff. 1 LV)
erfüllt, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass er weder einen Einsatz
geleistet hatte noch Gründungsmitglied des "Schenkkreises" war.

  5.4  Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz gestand der Beschwerdeführer
2 an der Verhandlung ein, dass er sich einige Wochen zuvor für einen "halben
Platz" eingeschrieben und damit einen Einsatz von Fr. 3'750.- geleistet
habe. Nach der Ansicht der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer 2 somit am
"Schenkkreis" teilgenommen, weshalb er der Verletzung des Lotteriegesetzes
schuldig zu sprechen sei.

  Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Leistung eines Einsatzes
ist dem Einlegen in eine Lotterie gleichzustellen und daher gemäss Art. 38
Abs. 2 i.V.m. Art. 56 Abs. 2 LG straffrei (siehe E. 5.2.3 hievor). Die
Vorinstanz stellt nicht fest, dass der Beschwerdeführer 2 über die Leistung
eines Einsatzes hinaus, wodurch er dem "Schenkkreis" beigetreten ist,
irgendwelche Handlungen vorgenommen habe, die als Durchführungshandlungen im
Sinne von Art. 38 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 LG qualifiziert werden könnten.