Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 IV 12



Urteilskopf

132 IV 12

  3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft sowie Obergericht des Kantons Aargau (Staatsrechtliche
Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde)
  6P.51/2005 / 6S.141/2005 vom 30. November 2005

Regeste

  Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung, kaufmännische Buchführung.

  Eventualverpflichtungen sind in der Jahresrechnung auszuweisen. Die
Unterlassung der Buchung erfüllt, soweit die Jahresrechnung ein besseres
Bild als in Wirklichkeit zeigt, den Tatbestand der Falschbeurkundung (E. 8).

  Der vom Verwaltungsrat zuhanden der Revisionsstelle abgegebenen
Vollständigkeitserklärung kommt keine erhöhte Glaubwürdigkeit zu (Änderung
der Rechtsprechung; E. 9).

Auszug aus den Erwägungen: ab Seite 12

                           Aus den Erwägungen:
  I. Staatsrechtliche Beschwerde

Erwägung 1

  1.

  1.1  Das Obergericht geht von folgendem Sachverhalt aus:
  Der Beschwerdeführer X. war zum Tatzeitpunkt Mitglied des Verwaltungsrates
und als Direktor Mitglied der Konzernleitung der A.-Holding. Innerhalb des
Verwaltungsrates war er Finanzchef der A.-Gruppe. Zudem fungierte er als
Geschäftsführer a.i. der A.-Leasing und Finanzierungs AG und war Direktor
der A.-Finanz

AG, zweier Tochtergesellschaften der A.-Holding. Verwaltungsratspräsident
der A.-Holding war der ebenfalls angeklagte Y.

  Mit Vertrag vom 25. Juli 1991 gewährte die A.-Finanz AG der B.-Holding,
deren Hauptaktionär und Verwaltungsratspräsident Y. war, ein Darlehen über
den Betrag von Fr. 12 Mio. für eine Laufzeit von drei Monaten. Der Vertrag
wurde seitens der A.-Finanz AG u.a. vom Beschwerdeführer und seitens der
B.-Holding u.a. von Y. unterzeichnet.

  Das Darlehen wurde nach mehrmaliger Verlängerung auf Drängen von S.,
Verwaltungsratsmitglied der A.-Holding, und der Revisionsstelle schliesslich
auf den 31. März 1992 zurückbezahlt, so dass es am Bilanzstichtag in den
Büchern der A.-Gruppe nicht mehr existierte. Für die Rückzahlung des
Darlehens gewährte die D.-Bank der B.-Holding einen Festgeldvorschuss in der
Höhe von Fr. 12 Mio. bis zum 30. April 1992. Sie eröffnete hiezu für die
A.-Holding ein Festgeldkonto und schrieb diesem Konto die Fr. 12 Mio. direkt
gut. Die A.-Holding nahm dabei den Betrag von Fr. 12 Mio. als Treuhänderin
in eigenem Namen für ihre Tochtergesellschaft A.-Finanz AG entgegen. Diese
Festgeldanlage sollte der D.-Bank von der A.-Holding gleichzeitig als
Sicherheit für ihren Kredit an die B.-Holding verpfändet werden, was in
Wirklichkeit indes nicht rechtsgültig geschah. In der Folge wurden Ende Mai
1992 von der A.-Finanz AG zugunsten der B.-Holding zwei neue
Darlehensverträge über DM 5 Mio. und Fr. 7,5 Mio. erstellt. Der
Darlehensbetrag von Fr. 12 Mio. wurde gestützt auf einen Vergütungsauftrag
der A.-Holding vom 28. Mai 1992 am folgenden Tag vom Festgeldkonto bei der
D.-Bank auf das Konto der B.-Holding überwiesen. Durch dieses Vorgehen war
wirtschaftlich gesehen der Zustand vor der Rückzahlung des Darlehens per 31.
März 1992 wieder hergestellt. Das neue Darlehen musste per 31. Dezember 1992
nach ebenfalls mehrmaliger Verlängerung bei der A.-Holding im vollen Betrag
wertberichtigt werden.

  1.2  Die Anklage wirft dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang
Falschbeurkundung in Bezug auf die kaufmännische Buchführung vor. Er habe es
unterlassen, die (vermeintliche) Verpfändung der Festgeldanlage der
A.-Holding bei der D.-Bank als Sicherheit zugunsten des Darlehens der
D.-Bank an die B.-Holding in den Jahresrechnungen der A.-Finanz AG und der
A.-Holding sowie in der konsolidierten Konzernrechnung entsprechend

Art. 670 Abs. 1 aOR als Eventualverpflichtung auszuweisen. Darüber hinaus
hätte angesichts der schlechten finanziellen Situation der B.-Holding,
gleich wie wenn das Darlehen effektiv weiter bestanden hätte, eine
Wertberichtigung bei der A.-Finanz AG vorgenommen und auch in der
Konzernrechnung ein um Fr. 12 Mio. schlechteres Ergebnis ausgewiesen werden
müssen. Schliesslich wäre im Jahresabschluss der A.-Holding eine Korrektur
hinsichtlich der Beteiligung an der A.-Finanz AG vorzunehmen gewesen.

  Im Weiteren legt die Anklage dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 11.
Mai 1992 bzw. am 4. September 1992 zuhanden der Kontrollstelle zwei
inhaltlich unwahre Vollständigkeitserklärungen der A.-Finanz AG bzw. der
A.-Holding betreffend den Abschluss per 31. März 1992 ausgestellt. Darin
habe er wahrheitswidrig bestätigt, dass ausser den bilanzierten Passiven und
den aufgeführten Eventualverpflichtungen keine weiteren Verbindlichkeiten
bestünden und in der vorgelegten Buchhaltung alle das Geschäftsjahr
1991/1992 betreffenden buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle enthalten
seien.
  (...)
  II. Nichtigkeitsbeschwerde
  (...)

Erwägung 8

  8.

  8.1  Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich der Urkundenfälschung
schuldig, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu
schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu
verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift
oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten
Urkunde benützt oder eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet
oder beurkunden lässt. Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das
Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel
entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell
geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb unter anderem
nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher
Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB).

  Die Urkundenfälschung i.e.S. erfasst das Herstellen einer unechten
Urkunde, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Urheber
nicht identisch ist. Demgegenüber betrifft die Falschbeurkundung

die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der
wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht
übereinstimmen. Die Falschbeurkundung erfordert eine qualifizierte
schriftliche Lüge. Eine solche wird nach der neueren bundesgerichtlichen
Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit
zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt.
Dies ist der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit
der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie unter anderem in der
Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften wie
etwa den Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR liegen, die gerade den
Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln
hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen
genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der
Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt (BGE
117 IV 35 E. 1; zuletzt 129 IV 130 E. 2.1 und 128 IV 265 E. 1.1.1, je mit
Hinweisen).

  Nach ständiger Rechtsprechung wird der kaufmännischen Buchführung und
ihren Bestandteilen bezüglich der in ihnen aufgezeichneten wirtschaftlichen
Sachverhalte kraft Gesetzes (Art. 957 OR) Wahrheitsgarantie zuerkannt
(zuletzt BGE 129 IV 130 E. 2.2 mit Hinweisen). Die Buchhaltung muss ein
genaues und vollständiges Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage
vermitteln. Dabei hat die Bilanz die Vermögensverhältnisse eines
Unternehmens auf einen bestimmten Stichtag hin korrekt auszuweisen. Eine
falsche Buchung erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung, wenn sie ein
falsches Gesamtbild der Buchführung zeichnet und dabei Buchungsvorschriften
und -grundsätze verletzt, die errichtet worden sind, um die Wahrheit der
Erklärung und damit die erhöhte Glaubwürdigkeit der Buchführung zu
gewährleisten. Blosse Verstösse gegen zivilrechtliche Buchungsvorschriften
genügen jedoch nicht. Solche Grundsätze werden namentlich in den
gesetzlichen Bestimmungen über die ordnungsgemässe Rechnungslegung des
Aktienrechts in Art. 662a ff. OR und in den Bilanzvorschriften in Art. 958
ff. OR aufgestellt, die den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen
(BGE 129 IV 130 E. 2.3 mit Hinweisen).

  8.2  Gemäss Art. 670 aOR sind Bürgschaften, Garantieverpflichtungen und
Pfandbestellungen zugunsten Dritter in der Bilanz oder in einer Beilage je
in einer Gesamtsumme aufzuführen (Abs. 1;

vgl. Art. 663b Ziff. 1 OR). Für Vermögenseinbussen, die hieraus zu erwarten
sind, ist in der Bilanz durch Rücklagen (Rückstellungen) Deckung zu
verschaffen (Abs. 2; vgl. Art. 669 Abs. 1 OR). Ausweispflichtige
Eventualverpflichtungen sind bedingte Verbindlichkeiten, die auf
Verpflichtungen zugunsten Dritter gründen und denen bei Inanspruchnahme
entsprechende Forderungen gegenüberstehen (BGE 116 II 533 E. 2a/aa/aaa).

  8.3  Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, die beabsichtigte Verpfändung
der Festgeldforderung von Fr. 12 Mio. hätte gemäss Art. 670 Abs. 1 aOR als
Eventualverpflichtung in der Jahresrechnung der A.-Finanz AG sowie in der
konsolidierten Konzernrechnung ausgewiesen werden müssen. Zudem hätte
angesichts der schlechten finanziellen Situation der B.-Holding, gleich wie
wenn das Darlehen effektiv weiterbestanden hätte, bei der A.-Finanz AG eine
Wertberichtigung vorgenommen werden müssen. Die Unterlassung dieser
Buchungen ist, da die Jahresrechnung als Ganzes ein besseres Bild als in
Wirklichkeit zeigte, als Falschbeurkundung zu qualifizieren (vgl. NIKLAUS
SCHMID, Fragen der Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, ZStrR 95/1978
S. 294 ff.).

  Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, führt zu keinem anderen
Ergebnis. Zwar trifft zu, dass die B.-Holding per 31. März 1992 das Darlehen
an die A.-Finanz AG zurückbezahlt hat. Dies war ihr aber nur möglich, weil
die D.-Bank ihr hiefür Kredit gewährte, für welchen die A.-Finanz AG
Sicherheit leistete, was in Übereinstimmung mit der Vorinstanz bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Fortbestand des Darlehens zu würdigen
ist. Damit wäre auch eine Wertberichtigung geboten gewesen. Es mag zwar
zutreffen, dass Wertberichtigungen auf Eventualverpflichtungen oder anderen
Verbindlichkeiten nicht vorgenommen werden können. Indes wirft dies die
Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht vor. Sie legt ihm vielmehr zur Last,
er habe die Eventualverpflichtung nicht im Anhang zur Jahresrechnung der
A.-Holding und der A.-Finanz AG aufgeführt und habe auch keine
Rückstellungen und Wertberichtigungen in der Bilanz vorgenommen. Die
Wertberichtigungen beziehen sich somit nicht auf die Eventualverpflichtung.
Vielmehr hätten ein Wertberichtigungsaufwand bei der A.-Finanz AG in der
Erfolgsrechnung und auf der Passivseite der Bilanz ein Rückstellungskonto in
der Höhe von Fr. 12 Mio. ausgewiesen werden müssen. Schliesslich trifft zu,
dass die Vorinstanz ausführt, die Eventualverpflichtung hätte auch im Anhang
zur Jahresrechnung

der A.-Holding aufgeführt werden müssen. Insofern handelt es sich indes
offensichtlich um ein Versehen, das gemäss Art. 277bis Abs. 1 BStP von Amtes
wegen berichtigt werden kann. Denn gemäss der Anklageschrift wird dem
Beschwerdeführer lediglich vorgeworfen, er hätte die Eventualverpflichtung
abgesehen von der Jahresrechnung der A.-Finanz AG auch in derjenigen des
Konzerns ausweisen müssen.

  Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

Erwägung 9

  9.

  9.1  Der Beschwerdeführer macht hinsichtlich der beiden von ihm
ausgestellten Vollständigkeitserklärungen zuhanden der Kontrollstelle vom
11. Mai 1992 und vom 4. September 1992 geltend, den Schriften komme
angesichts ihrer beschränkten inhaltlichen Bedeutung keine erhöhte
Glaubwürdigkeit zu. Dies ergebe sich daraus, dass das Ergebnis der
Abschlussprüfung nicht geschmälert werde, wenn eine
Vollständigkeitserklärung fehle oder explizit verweigert werde. Umgekehrt
könne daher auch nicht angenommen werden, die Erklärung vermöge die
Vollständigkeit der an die Revisionsstelle weitergeleiteten Informationen zu
beweisen. Dies gelte im vorliegenden Fall besonders hinsichtlich der für die
A.-Holding am 4. September 1992 abgegebenen Erklärung. Die Prüfungsberichte
der Revisionsstelle an die Generalversammlung datierten vom 3. Juli 1992, so
dass die Revisionsstelle der Vollständigkeitserklärung offensichtlich
keinerlei Gewicht beigemessen habe.

  9.2  Die Vorinstanz nimmt an, der Vollständigkeitserklärung komme aufgrund
der besonders vertrauenswürdigen und garantenähnlichen Stellung des
Verwaltungsrates als Aussteller sowie aufgrund des Umstandes, dass dieser
damit Verantwortung für die Vollständigkeit der Auskünfte übernehme, erhöhte
Überzeugungskraft zu. Es sei der Revisionsstelle praktisch nicht möglich,
alle Geschäftsvorgänge einer Gesellschaft zu kontrollieren, weshalb sie sich
auch auf diese Äusserungen des Verwaltungsrates verlassen können müsse. Für
die Urkundenqualität sei auch nicht entscheidend, ob die Erklärung erst nach
der Erstellung der Jahres- oder Konzernrechnung abgegeben werde. Denn die
Prüfungsarbeiten der Revisionsstelle gälten erst mit Abschluss ihres
Berichts, in einem weiteren Sinne sogar erst nach Beschlussfassung der
Generalversammlung über die Genehmigung der Jahresrechnung als beendet. Nach
der Vornahme der eigentlichen Prüfungshandlungen sei die Abschlussprüfung
daher noch nicht abgeschlossen.

  9.3
  9.3.1  Die Vollständigkeits- oder Bilanzerklärung steht im Zusammenhang
mit der Auskunftspflicht des Verwaltungsrates gegenüber der Revisionsstelle
(Art. 728 Abs. 2 aOR; vgl. Art. 728 Abs. 2 OR). In ihr bestätigt der
Verwaltungsrat zuhanden der Revisionsstelle, dass in den Büchern alle
buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle erfasst und alle
bilanzierungspflichtigen Vermögenswerte und Verpflichtungen berücksichtigt
sind sowie allen bilanzierungspflichtigen Risiken und Werteinbussen Rechnung
getragen worden ist. Die Erklärung dient der Abgrenzung der
Verantwortlichkeiten, indem sie klar stellt, dass Verwaltungsrat oder
Geschäftsleitung des Unternehmens die Verantwortung für die Vollständigkeit
der Auskünfte tragen. Im Weiteren dient sie der Erfassung von Vorgängen, die
sich nicht in der Jahresrechnung niederschlagen. Gleichzeitig bezweckt sie
den Schutz der Revisionsstelle vor Haftung. Die Vollständigkeitserklärung
ersetzt die Prüfungshandlungen indes nicht (ROLF WATTER, Basler Kommentar,
OR II, 2. Aufl., Basel 2002, N. 25 zu Art. 728 OR; Schweizer Handbuch der
Wirtschaftsprüfung 1998, Bd. 2, N. 3.264 S. 157 f.; Grundsätze zur
Abschlussprüfung [GzA], Treuhand-Kammer, Ausgabe 2001, Nr. 7; PETER BÖCKLI,
Neuerungen im Verantwortlichkeitsrecht für die Revisionsstelle, Zürich 1994,
S. 47 f.; GIORGIO BEHR/ARTHUR BUCK, Die Bilanzerklärung, in: Schweizer
Treuhänder 1976, Nr. 10 S. 26 ff.).

  9.3.2  Das Bundesgericht hat der Vollständigkeitserklärung in einem
früheren Entscheid erhöhte Überzeugungskraft und eine besondere Funktion
zuerkannt. Die fragliche Erklärung sei nicht einfach eine schriftliche
Behauptung, sondern ein Dokument, mit dem die Vollständigkeit der
Buchhaltung bewiesen werden solle und bewiesen werden könne. Die
Revisionsstelle habe in der Regel keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die
Vollständigkeitserklärung richtig sei, sondern müsse sich auf die
verbindliche Äusserung der massgebenden Angestellten und Organe der
Aktiengesellschaft verlassen (BGE 105 IV 189 E. 2d S. 193 f.).

  9.3.3  Diese Rechtsprechung hält einer Überprüfung im Lichte der neueren
Praxis zur Falschbeurkundung (seit BGE 117 IV 35) nicht stand.

  Dies ergibt sich in erster Linie daraus, dass die
Vollständigkeitserklärung gesetzlich nicht als Bestandteil der
kaufmännischen Buchführung

vorgeschrieben ist und ihr von daher keine erhöhte Glaubwürdigkeit in Bezug
auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Buchhaltung zukommt (vgl. schon
MAX LEBEDKIN, Bilanzerklärung als Urkunde?, SJZ 77/1981 S. 75). Dass sie in
der Praxis dennoch von der Revisionsstelle regelmässig vom Verwaltungsrat
einverlangt wird, ändert daran nichts (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht,
3. Aufl., Zürich 2004, § 15 N. 142; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/ NOBEL,
Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 33 N. 29 f.; vgl. auch Botschaft
zur Änderung des Obligationenrechts [Revisionspflicht im Gesellschaftsrecht]
sowie zum BG über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und
Revisoren vom 23. Juni 2004, BBl 2004 S. 4031 [ad Art. 730b Abs. 1 OR]).
Eine erhöhte Glaubwürdigkeit kommt der Vollständigkeitserklärung aber auch
aufgrund ihrer Funktion nicht zu. Dies gilt im besonderen Masse, soweit die
Schrift der Entlastung der Revisionsstelle in einem allfälligen
Verantwortlichkeitsprozess dient. Eine besondere Garantie für die Wahrheit
lässt sich auch nicht aus der besonders vertrauenswürdigen Stellung des
Verwaltungsrates ableiten, denn eine solche kommt ihm im Verhältnis zur
Revisionsstelle nicht zu. Denn die Vollständigkeitserklärung ist nicht nur
Grundlage, sondern auch Objekt der Prüfungsarbeit (BÖCKLI, a.a.O., S. 48).
Der Prüfer darf sich denn auch nicht auf sie verlassen, sondern muss, wenn
er begründete Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der
Bestätigungen hat, die erforderlichen zusätzlichen Prüfungen vornehmen
(Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung 1998, Bd. 2, N. 3.2642 S. 157
f.). Ausserdem hindert das Fehlen der Vollständigkeitserklärung die Prüfung
nicht, sondern führt höchstens zu einer Anmerkung im Abschlussbericht
(Grundsätze zur Abschlussprüfung [GzA] Nr. 7 Ziff. 3.6 und 4.5).

  Auch wenn somit die Vollständigkeitserklärung als zusätzliche,
zusammenfassende und bekräftigende Erklärung der Richtigkeit der Buchhaltung
im Rahmen der gesetzlichen Wahrheitspflicht des Buchführenden gegenüber der
Revisionsstelle abgegeben wird (so NIKLAUS SCHMID, Fragen der
Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, ZStrR 95/1978 S. 309 f.),
unterscheidet sie sich doch erheblich von der Buchführung und auch von der
Revision selbst. Die Buchführung dient in erster Linie der Selbstinformation
des Unternehmens und damit der Förderung der Interessen der
Betriebsangehörigen. Ausserdem bildet sie eine wichtige Voraussetzung für
die Ausübung verschiedener Schutzrechte durch die Gesellschafter.

Dem Revisionsbericht kommt besondere Bedeutung zu, weil die Revisionsstelle
den Eigenkapitalgebern nicht zustehende Einsichts- und Kontrollrechte in
finanziellen Belangen ersetzt. Sowohl Rechnungslegung als auch
Rechnungsprüfung dienen schliesslich auch dem Schutz der Gläubiger und
stellen in dieser Hinsicht Korrelate zum Fehlen der persönlichen Haftung der
Gesellschafter dar (BGE 122 IV 25 E. 2b; Botschaft, BBl 2004 S. 3975 f.).
Aus diesen Gründen wird beiden Instituten erhöhte Glaubwürdigkeit zuerkannt.
Demgegenüber erschöpft sich die Vollständigkeitserklärung in einer von der
zuständigen Instanz gegenüber der Revisionsstelle abgegebenen Behauptung,
der im Falle der Unwahrheit lediglich der Charakter einer schriftlichen Lüge
zukommt. Die Vollständigkeitserklärung erlangt daher gegenüber der
Buchführung selbst keine eigenständige Bedeutung. Sind sowohl die
kaufmännische Buchführung wie die Vollständigkeitserklärung inhaltlich
unrichtig, erfolgt somit lediglich ein Schuldspruch wegen Falschbeurkundung
in Bezug auf die Buchführung. Dass der Beschwerdeführer zwei unrichtige
Vollständigkeitserklärungen abgegeben hat, erfüllt für sich allein somit den
Tatbestand der Falschbeurkundung nicht.

  Der Schuldspruch der mehrfachen versuchten Falschbeurkundung verletzt
daher in diesem Punkt Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich insoweit als
begründet.