Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 II 161



Urteilskopf

132 II 161

  14. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Eidgenössisches Finanzdepartement sowie Eidgenössische
Personalrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
  2A.621/2005 vom 30. Januar 2006

Regeste

  Art. 6 Abs. 2, 8 Abs. 1 und 12 ff. BPG, Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4, 28, 320
und 328b OR; Aufhebung eines öffentlichrechtlichen Arbeitsvertrags wegen
Willensmangels.

  Der Allgemeine Teil des Obligationenrechts und insbesondere die Normen
über die Willensmängel finden im Dienstrecht des Bundes analog Anwendung (E.
3). Ein öffentlichrechtlicher Arbeitsvertrag kann wegen Willensmangels
aufgehoben werden, wenn eine Bewerberin während des Vorstellungsgesprächs
ein gegen sie hängiges Strafverfahren verschweigt, das geeignet ist, ihre
Arbeitsleistung und damit die Vertragserfüllung wesentlich zu
beeinträchtigen (E. 4).

Sachverhalt

  X. (geb. 1970) bewarb sich am 18. April 2003 bei der Oberzolldirektion
(OZD) um eine Vollzeitstelle als Sachbearbeiterin/Revisorin für die
Behandlung von Rückerstattungsanträgen im Bereich Mineralölsteuer. Sie
unterschrieb am 4. Juni 2003 den entsprechenden öffentlichrechtlichen
Arbeitsvertrag, der ihren Stellenantritt auf den 1. Juli 2003 vorsah. Am 25.
Juni 2003 forderte die Oberzolldirektion X. auf, zu einer ihr zugetragenen
Information Stellung zu nehmen, wonach sie in ein Strafverfahren wegen eines
Kapitalverbrechens verwickelt sei; gleichzeitig bekundete sie die Absicht,
das Dienstverhältnis allenfalls rückgängig machen zu wollen. X. bestätigte,
dass gegen sie ein Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Tod ihres Freundes
im Gange sei und es zu einer Gerichtsverhandlung kommen werde. Am 27. Juni
2003 teilte die Oberzolldirektion ihr mit, dass sie unter diesen Umständen
den Arbeitsvertrag vom 4. Juni 2003 widerrufe.

  X. widersetzte sich dem und bot der Oberzolldirektion wiederholt ihre
Arbeit an, worauf diese am 12. September 2003 unter dem Titel
"Rückgängigmachung des Arbeitsvertrages" verfügte, dass das
Arbeitsverhältnis mit X. "fristlos, d.h. rückwirkend per 26. Juni 2003,
gekündigt" werde; es würden keine Lohnkosten oder Entschädigungen
ausbezahlt. Da X. die Zulässigkeit dieser Verfügung bestritt und davon
ausging, ihr Anstellungsverhältnis dauere fort, beantragte die
Oberzolldirektion dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) am 4. November
2003, die "Gültigkeit der Kündigung" festzustellen bzw. die "fristlose
Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Stellenantritt" zu bestätigen.

  Das Eidgenössische Finanzdepartement entschied am 14. April 2005, der
umstrittene Arbeitsvertrag sei ungültig. Zur Begründung führte es aus, dass
X. aufgrund ihrer vorvertraglichen Pflichten gehalten gewesen wäre, die
Oberzolldirektion über das hängige Strafverfahren zu informieren;
stattdessen habe sie diese mit einer ausweichenden Antwort über ihre
Situation getäuscht, so dass sich die Anstellungsbehörde bei
Vertragsabschluss in einem wesentlichen Irrtum über die Eignung und
Verfügbarkeit der Bewerberin für die ausgeschriebene

Stelle befunden habe. Die Eidgenössische Personalrekurskommission bestätigte
diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 22. September 2005.

  Das Bundesgericht weist die von X. hiergegen eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.  Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die allgemeinen Bestimmungen
des Obligationenrechts (OR; SR 220) und insbesondere die Regeln über die
Willensmängel (Art. 23 ff. OR) im Dienstrecht des Bundes analog Anwendung
fänden. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies. Zu Unrecht:

  3.1  Mit dem Bundespersonalgesetz sollte das Dienstrecht des Bundes
flexibilisiert und den obligationenrechtlichen Regeln angenähert werden (BBl
1999 S. 1609; HARRY NÖTZLI, Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im
Bundespersonalrecht, Bern 2005, N. 11 ff.; ANNIE ROCHAT PAUCHARD, La
nouvelle loi sur le personnel de la Confédération [LPers], in: RDAT 2001 II
S. 549 ff., dort S. 551 f.). Nach Art. 6 Abs. 2 des Bundespersonalgesetzes
vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) gelten für das Arbeitsverhältnis
sinngemäss die einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts, soweit das
Bundespersonalgesetz oder andere Bundesgesetze nichts anderes vorsehen (vgl.
BBl 1999 S. 1609; PETER HELBLING, Entwicklung im Personalrecht des Bundes;
Anmerkungen zum Bundespersonalgesetz, in: Helbling/Poledna, Personalrecht
des öffentlichen Dienstes, Bern 1999, S. 1 ff., dort S. 23; ROCHAT PAUCHARD,
a.a.O., S. 552). Dieser Verweis bezieht sich nicht nur auf die
arbeitsrechtlichen Bestimmungen des OR (Art. 319 ff. OR), sondern auf
sämtliche Regeln, die sich im Hinblick auf die Besonderheiten des
öffentlichen Arbeitsverhältnisses für einen analogen Beizug als ergänzendes
öffentliches Recht (vgl. BBl 1999 S. 1610) eignen (vgl. NÖTZLI, a.a.O., N.
47 f.; ROCHAT PAUCHARD, a.a.O., S. 556; MINH SON NGUYEN, Droit fédéral de la
fonction publique: de la décision au contrat, in: Freiburger Zeitschrift für
Rechtsprechung [FZR] 2004/2 S. 136 ff., dort S. 145). Er umfasst auch - wie
der Bundesrat in seiner Botschaft zum Bundespersonalgesetz festgehalten hat
(BBl 1999 S. 1610) und im Rahmen der parlamentarischen Beratungen bestätigt
wurde (AB 1999 N 2061 [Voten David und Villiger]) - den Allgemeinen Teil des
OR und insbesondere die Normen über die Willensmängel beim Vertragsabschluss
(Art. 1-40 OR; PETER HELBLING, Der öffentliche

Dienst auf dem Weg in das OR, in: AJP 2004 S. 242 ff., dort S. 248;
derselbe, Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Bund: Ein Vergleich
zwischen OR und BPG, in: FZR 2004/2 S. 168 ff., dort S. 169 f.; LILIANE
SUBILIA-ROUGE, La nouvelle LPers: quelques points de rencontre avec le droit
privé du travail, in: RDAF 2003 S. 289 ff., dort S. 299). Dies entspricht
dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Grundsatz, wonach auf Willensmängel
bei verwaltungsrechtlichen Verträgen die Regeln von Art. 23 ff. OR analog
anzuwenden sind (vgl. BGE 105 Ia 207 E. 2c S. 211 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, S. 320, N. 10).

  3.2
  3.2.1  Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Personalrecht des
Bundes enthalte in Art. 12 ff. BPG eine detaillierte abschliessende Regelung
über die Auflösung des Dienstverhältnisses, weshalb kein Platz für eine
Irrtumsanfechtung bleibe, verkennt sie, dass jene die Kündigung, d.h. die
Beendigung des ursprünglich gültig zustande gekommenen Vertrages betrifft,
wogegen sich die Irrtumsanfechtung auf den Vertragsabschluss und damit auf
dessen Zustandekommen bezieht (vgl. INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bern 2003, Rz. 36.01; GAUCH/
Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd.
1, 8. Aufl., Zürich 2003, Rz. 760; BRUNO PELLEGRINI, Die Anfechtung des
Arbeitsvertrages wegen Willensmängeln, Bern 1983, S. 7 ff.; WOLFGANG
PORTMANN, Individualarbeitsrecht, Zürich 2000, N. 130 ff.). Hierfür verweist
das Bundespersonalrecht grundsätzlich auf die Regeln des OR. Kündigung und
Irrtumsanfechtung verfolgen unterschiedliche Zwecke und kommen - wie im
Privatrecht - deshalb auch im Arbeitsrecht des Bundes alternativ zur
Anwendung, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. WILHELM
HEITKAMP, Rechtsfragen der Bewerbung, Diss. Zürich 1986, S. 24 f.; DANIEL
EGLI, Die Verdachtskündigung nach schweizerischem und nach deutschem Recht,
Bern 2000, S. 11; MANFRED REHBINDER, Rechtsfragen der Bewerbung, in:
Wirtschaft und Recht 35/1983 S. 54 ff., dort S. 63).

  3.2.2  Dabei ist einzig den verfahrensrechtlichen Besonderheiten des
Bundesdienstrechts Rechnung zu tragen: Die Irrtumsanfechtung durch den
öffentlichrechtlichen Arbeitgeber darf zu keiner Umgehung des Rechtsschutzes
des Arbeitnehmers nach dem Bundespersonalgesetz führen. Nach Art. 13 Abs. 3
BPG muss der Arbeitgeber das Dienstverhältnis in Form einer Verfügung
kündigen, soweit

sich die Parteien über die Beendigung nicht einigen können; dasselbe hat zu
gelten, soweit sich der öffentlichrechtliche Arbeitgeber auf einen
Willensmangel beim Abschluss des Arbeitsvertrags nach Art. 8 Abs. 1 BPG
beruft. Zwar erfolgt die Geltendmachung der Unverbindlichkeit des Vertrags
wegen Irrtums durch eine Gestaltungserklärung (vgl. BGE 128 III 70 E. 2),
die als solche keiner besonderen Form oder Begründung bedarf, selbst wenn
ein formbedürftiges Geschäft vorliegt (vgl. INGEBORG SCHWENZER, a.a.O., Rz.
39.13 f.); bestreitet der Bedienstete indessen, dass das entsprechende
Gestaltungsrecht besteht oder wirksam ausgeübt worden ist, muss hierüber
verfügt und damit der dienstrechtliche Beschwerdeweg geöffnet werden. Dies
ergibt sich aus Art. 34 Abs. 1 BPG, wonach der Arbeitgeber eine Verfügung zu
erlassen hat, soweit bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis keine
Einigung zustande kommt. Ist der Konsens hinsichtlich des
öffentlichrechtlichen Arbeitsvertrags durch tatsächlich übereinstimmend
verstandene oder nach dem Vertrauensprinzip als übereinstimmend zu
verstehende Willenserklärungen begründet worden und will sich der
Arbeitgeber nachträglich auf einen Willensmangel bzw. eine fehlerhafte
Willensbildung berufen, hat dies als Streitigkeit aus dem Dienstverhältnis
im Sinne dieser Bestimmung und nicht als solche um dessen Begründung (vgl.
hierzu ANDRÉ MOSER, Der Rechtsschutz im Bund, in: Helbling/Poledna,
Personalrecht des öffentlichen Dienstes, a.a.O., S. 533 ff., dort S. 537 f.;
PETER HÄNNI, Personalrecht des Bundes, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2004, N.
256) zu gelten, auch wenn wegen des Willensmangels im Resultat allenfalls
tatsächlich kein Vertrag zustande gekommen ist.

  3.2.3  Der Beschwerdeführerin wurde der Rechtsmittelweg mit der Verfügung
der Oberzolldirektion vom 12. September 2003 geöffnet, womit sie nicht
schlechter gestellt war als im Falle der Kündigung. Es ist deshalb zu
prüfen, ob - wie die Vorinstanzen angenommen haben - die Voraussetzungen für
die Geltendmachung eines Willensmangels erfüllt waren.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Der Vertrag kann von einer Partei für unverbindlich erklärt werden,
wenn sie sich bei dessen Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat
(Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) oder wenn sie getäuscht worden ist (Art. 28 OR),
wobei in diesem Fall der Irrtum kein wesentlicher zu sein braucht. Ein
Grundlagenirrtum liegt vor, wenn der Anfechtende sich über einen bestimmten
Sachverhalt geirrt hat,

der für ihn notwendige Vertragsgrundlage bildete und der nach Treu und
Glauben im Geschäftsverkehr als gegeben vorausgesetzt werden durfte (vgl.
BGE 123 III 200 E. 2). Ein täuschendes Verhalten im Sinne von Art. 28 OR ist
anzunehmen, wenn dem Betroffenen widerrechtlich Tatsachen vorgespiegelt oder
verschwiegen wurden, ohne die er den Vertrag nicht oder nicht mit dem
entsprechenden Vertragsinhalt abgeschlossen hätte (vgl. BGE 129 III 320 E.
6.3 S. 326). Das Verschweigen von Tatsachen ist dabei insoweit verpönt, als
eine Aufklärungspflicht besteht. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich auf
Grund der Umstände im Einzelfall (vgl. BGE 116 II 431 E. 3a S. 434).

  4.2  Dem Arbeitnehmer erwachsen im Rahmen der Vertragsverhandlungen
gewisse vorvertragliche Auskunfts- und Offenbarungspflichten (vgl. Urteil
4C.189/2002 vom 27. September 2002, E. 1.3; BGE 122 V 267 E. 3). Deren
Umfang und Tragweite sind in Doktrin und Praxis im Einzelnen umstritten
(vgl. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362
OR, 6. Aufl., Zürich 2006, N. 10 zu Art. 320 OR sowie N. 9 ff. zu Art. 328b
OR;  BGE 122 V 267 E. 3b S. 269). Generell gilt, dass der Arbeitnehmer im
Rahmen seiner Auskunftspflicht Fragen, welche in einem unmittelbaren
Zusammenhang zum Arbeitsplatz und der zu leistenden Arbeit stehen,
wahrheitsgetreu zu beantworten hat, falls der erfragte Umstand von
unmittelbarem objektivem Interesse für das spezifische Arbeitsverhältnis
ist, was sich nach dessen vorgesehenen Dauer, der zu verrichtenden Arbeit,
der Art des Betriebs sowie der zukünftigen Stellung des Arbeitnehmers in
diesem beurteilt (vgl. FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl., Basel
2005, S. 69 ff.; REHBINDER/ PORTMANN, in: Basler Kommentar, N. 5 ff. zu Art.
320 OR; PORTMANN, a.a.O., N. 138 ff.; REHBINDER, a.a.O., S. 60;
BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/ BRUCHEZ, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht,
Basel/Genf/München, 3. Aufl., Basel 2005, N. 6 ff. zu Art. 320 OR;
STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 5 ff. zu Art. 328b OR). Unabhängig von der zu
besetzenden Stelle hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Offenbarungspflicht
alles von sich aus mitzuteilen, was ihn zu deren Übernahme als (absolut)
ungeeignet erscheinen lässt, die vertragsgemässe Arbeitsleistung praktisch
ausschliesst oder diese doch erheblich behindert (vgl. MARGRIT
WEBER-SCHERRER, Rechtliche Aspekte der Information zwischen den
Arbeitsvertragsparteien unter besonderer Berücksichtigung des Notwehrrechts
der Lüge, Zürich 1999, S. 227 [bezüglich Krankheit und Invalidität];
HEITKAMP, a.a.O.,

S. 68 [in fine]; REHBINDER/PORTMANN, a.a.O., N. 9; PORTMANN, a.a.O., N. 153
ff.; REHBINDER, a.a.O., S. 62). Das ist etwa der Fall, wenn er die fragliche
Arbeitsleistung mangels entsprechender Fähigkeiten überhaupt nicht erbringen
kann (fehlende Ausbildung oder Berufspraxis), wenn er zur Arbeitsleistung
infolge chronischer Leiden, schwerer oder ansteckender Krankheiten
ausserstande ist oder wenn feststeht, dass er bei Dienstantritt aller
Voraussicht nach krank oder zur Kur sein wird (Urteil 4C.189/2002 vom 27.
September 2002, E. 1.3). Ob und wieweit bezüglich eines hängigen
Strafverfahrens (Ermittlungs-, Untersuchungs- und Hauptverfahren) eine
Auskunfts- bzw. Offenbarungspflicht besteht, ist in der Doktrin umstritten
(vgl. STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 328b OR, S. 384 f.); eine
solche wird tendenziell hinsichtlich arbeitsplatzbezogener Delikte und
bezüglich solcher Verfahren bejaht, bei denen die konkret absehbare Gefahr
einer Arbeitsverhinderung oder doch das erhebliche Risiko einer wesentlichen
Verminderung der Arbeitsleistung besteht (vgl. STREIFF/VON KAENEL, a.a.O.,
N. 9 zu Art. 328b OR, S. 384 f.; WEBER-SCHERRER, a.a.O., S. 220; HEITKAMP,
a.a.O., S. 111; REHBINDER, a.a.O., S. 62).

  4.3  Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn das
Finanzdepartement und die Personalrekurskommission vorliegend davon
ausgegangen sind, der mit der Beschwerdeführerin abgeschlossene
Arbeitsvertrag habe an einem Willensmangel gelitten:
  4.3.1  Gegen die Beschwerdeführerin wurde im Oktober 2000 eine
Strafuntersuchung wegen vorsätzlicher Tötung eingeleitet. Sie stand unter
dem Verdacht, am 16. Oktober 2000 ihren damaligen Freund durch einen Schuss
in den Rücken getötet und hernach verbrannt und vergraben zu haben. Das
entsprechende Tötungsdelikt bzw. die Person der Beschwerdeführerin bildeten
Gegenstand einer breiten Berichterstattung in den Medien. Zwar betraf das
Strafverfahren ihren Privatbereich, doch hatte es - auch wenn die
vorgesehene Funktion der Beschwerdeführerin bei der Oberzolldirektion nicht
leitender Natur war - dennoch unmittelbare Auswirkungen auf ihre berufliche
Eignung und Verfügbarkeit für die verabredete Arbeitsleistung: Die Stelle
als Sachbearbeiterin/Revisorin im Bereich Mineralölsteuer umfasste gemäss
Ausschreibung die Beratung von Gesuchstellern in allen Fragen der
verschiedenen Steuerrückerstattungen und sah zahlreiche, weitgehend
selbständig wahrzunehmende telefonische und schriftliche Kontakte mit Kunden
vor. Das hängige Strafverfahren und dessen landesweite Publizität waren
geeignet,

diese Tätigkeit wesentlich zu erschweren und das effiziente Erfüllen des
Pflichtenhefts grundlegend in Frage zu stellen. Wegen der zahlreichen
Aussenkontakte berührte die Anstellung der Beschwerdeführerin unmittelbar
die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Oberzolldirektion als staatlicher
Kontrollinstanz, zumal die Beschwerdeführerin im Strafverfahren anfänglich
falsche Aussagen (angeblicher Überfall maskierter Dritter auf sie und ihren
Freund) gemacht hatte, bevor sie die Verwicklung in den Tod ihres Partners
zugestand, worüber die Medien wiederum umfassend berichtet hatten. Nach Treu
und Glauben wäre die Beschwerdeführerin deshalb gehalten gewesen, die OZD im
Rahmen ihrer Bewerbung über diese Situation zu informieren, selbst wenn sie
davon ausging, dass es sich beim Tod ihres Freundes um einen "Unfall"
gehandelt habe, und sie darauf hoffte, nicht oder bloss zu einer bedingten
Strafe verurteilt zu werden.

  4.3.2  Wegen des hängigen Strafverfahrens war auch mit einer deutlichen
Beeinträchtigung der Arbeitsleistung in zeitlicher und qualitativer Hinsicht
zu rechnen. Bei der vorgesehenen Aktivität handelte es sich um eine
Vollzeitstelle, welche die Beschwerdeführerin wegen der mit dem aufwendigen
Strafverfahren verbundenen Belastungen nur schwer und bloss bei einer
relativ weitgehenden Anpassung ihrer Arbeitszeiten hätte versehen können;
eine solche wäre jedoch - zumindest in der Einführungsphase - praktisch kaum
möglich und dem Arbeitgeber nicht zumutbar gewesen. Die Beschwerdeführerin
hielt in einem Schreiben an das Finanzdepartement vom 28. November 2003
fest, dass sie ihre (damalige) Halbtagesstelle ohne Not namentlich auch
deswegen nicht verlieren wolle, weil sie in Bezug auf ihre Arbeitszeiten
dort über eine relativ grosse Flexibilität verfüge, was angesichts der
vielen anstehenden Besprechungen mit ihrem Rechtsanwalt sowie Ärzten und
Therapeuten "absolut notwendig" sei. Unter diesen Umständen musste für sie
mit Blick auf den Umfang des Untersuchungsverfahrens, den bevorstehenden,
absehbar länger dauernden Prozess und die nicht bloss abstrakte Möglichkeit
der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bereits bei der Bewerbung ohne
weiteres klar gewesen sein, dass sie das Stellenprofil nicht oder doch nur
sehr beschränkt würde erfüllen können. Auch aus diesem Grund wäre sie nach
Treu und Glauben gehalten gewesen, die Oberzolldirektion anlässlich des
Vorstellungsgesprächs über das hängige Strafverfahren und die damit
verbundenen Auswirkungen zu informieren.

  4.3.3  Dies hat sie nicht getan, sondern auf die Frage nach ihren
Beschäftigungen in den Jahren 2000 bis 2002 vielmehr ausweichend erklärt,
sich weitergebildet und um Pferde gekümmert zu haben. Sie hat die
Oberzolldirektion damit über die wirklichen Verhältnisse bzw. ihre Eignung
und Verfügbarkeit zur Erfüllung des Vertrags vom 4. Juni 2003 getäuscht,
wobei sie sich der Relevanz der verschwiegenen Tatsache bewusst war: Von der
Oberzolldirektion auf das Strafverfahren angesprochen, erklärte sie am 25.
Juni 2003, sie habe darauf nicht hingewiesen, da es, wenn sie dies früher
jeweils getan habe, nicht zum Vertragsabschluss gekommen und sie wie "Dreck"
behandelt worden sei. Entgegen ihren Einwänden ging es beim umstrittenen
Punkt nicht - in Verletzung der Unschuldsvermutung (vgl. für den Fall einer
Verdachtskündigung: Urteil 4C.103/ 1999 vom 9. August 1999, E. 3b,
veröffentlicht in: Pra 89/2000 Nr. 11 S. 56 ff.) - um irgendeine Form von
Vorverurteilung, sondern ausschliesslich um ihre Eignung und Verfügbarkeit
zur Erfüllung der Aufgaben als Sachbearbeiterin/Revisorin bei der
Oberzolldirektion. An den entsprechenden Informationen hatte diese als
Arbeitgeberin auf Grund der konkreten Umstände ein den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf Persönlichkeitsschutz überwiegendes Interesse (vgl.
BGE 122 V 267 E. 3b S. 269), weshalb - entgegen ihrer Kritik - kein
"Notlügerecht" bestand, soweit ein solches grundsätzlich anerkannt werden
kann (vgl. VISCHER, a.a.O., S. 70 mit Hinweisen auf die verschiedenen
Lehrmeinungen; PORTMANN, a.a.O., N. 133).

  4.4  Die Oberzolldirektion durfte den Arbeitsvertrag mit ihr somit wegen
Willensmangels für einseitig unverbindlich erklären. Dies hat sie am 27.
Juni 2003 getan, indem sie der Beschwerdeführerin mitteilte, der
Arbeitsvertrag vom 4. Juni 2003 werde wegen "den inzwischen aufgetauchten
Hinweisen" widerrufen. Auch wenn sie in diesem Schreiben nicht ausdrücklich
von einem Willensmangel sprach, ergab sich daraus doch klar, dass sie den
Vertrag nicht gegen sich gelten lassen und die Parteien so stellen wollte,
wie wenn es nie zur übereinstimmenden Willenserklärung gekommen wäre, was
als Anfechtung genügte (vgl. PELLEGRINI, a.a.O., S. 73 f.). Ihr Wille, den
Vertrag nicht gelten zu lassen, ergab sich im Übrigen auch daraus, dass sie
der Beschwerdeführerin die Bewerbungsunterlagen retournierte, was
unterstrich, dass sie nicht bereit war, die Anstellung nachträglich zu
bestätigen. Aus der auf Drängen des Anwalts der Beschwerdeführerin
ergangenen "Kündigungsverfügung"

vom 12. September 2003 lässt sich inhaltlich nichts anderes ableiten. Die
Formulierung rückwirkende "fristlose Kündigung" vor dem Stellenantritt unter
dem Titel "Verfügung betreffend Rückgängigmachung des Arbeitsvertrags"
schloss dessen Anerkennung unter nachfolgender Kündigung aus. Auch wenn
gewisse Passagen der Verfügungsbegründung unglücklich formuliert waren, ging
es dabei darum, das Schreiben vom 27. Juni 2003 zu bestätigen, wonach der
Vertrag nicht anerkannt werde.

  4.5  War der Vertrag für die Oberzolldirektion wegen Willensmangels damit
einseitig unverbindlich, erübrigt es sich, auf die einzelnen Einwände der
Beschwerdeführerin bezüglich der Zulässigkeit einer allfälligen ordentlichen
oder ausserordentlichen Kündigung einzugehen. Inwiefern die Anrufung des
Willensmangels durch die Arbeitgeberin rechtsmissbräuchlich sein könnte, ist
nicht ersichtlich. Die Oberzolldirektion war nicht gehalten, das
Arbeitsverhältnis zu kündigen, solange sie den Arbeitsvertrag nicht
anerkannt hatte. Dass sie allenfalls die Möglichkeit hierzu gehabt hätte,
machte ihre Berufung auf einen Willensmangel nicht treuwidrig.