Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 715



Urteilskopf

132 III 715

  85. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. und B. gegen C.
und Mitb. (Berufung)
  4C.136/2006 vom 28. August 2006

Regeste

  Art. 752 OR; Prospekthaftung; Kausalzusammenhang.

  Für den Nachweis des natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhangs
gilt allgemein das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Auch im
Bereich der Prospekthaftung hat der Kläger, der behauptet, falsche Angaben
im Emissionsprospekt seien kausal für seinen Kaufentschluss und den damit in
Zusammenhang stehenden Schaden gewesen, keinen strikten Beweis für den von
ihm behaupteten Kausalverlauf, sondern nur den Beweis der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu erbringen (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 715

  A.- Der Verwaltungsrat der X. AG beabsichtigte im Jahr 1999, das
Unternehmen, welches bis zu diesem Zeitpunkt stets Verluste geschrieben
hatte, an die Börse zu bringen. Das wichtigste Produkt der X. AG war die
Software "Z". Im Hinblick auf den Börsengang beauftragte der Verwaltungsrat,
welchem unter anderen C. (Beklagter 1), D. (Beklagter 2), E. (Beklagter 3)
und F. (Beklagter 4) angehörten, die Bank Y. mit der Begleitung des
Börsenganges als Lead Bank. Weitere Aufträge wurden an diverse
Rechtsberater, Wirtschaftsprüfer

und an eine PR-Agentur erteilt. Der Emissionsprospekt für den Börsengang
datiert vom 24. November 1999. Darin wurde unter anderem der Ausgabepreis
auf Fr. 240.- pro Aktie festgesetzt. Am 25. November 1999 war der erste
Handelstag der Aktien der X. AG an der Börse. Bereits an diesem ersten Tag
stieg der Aktienkurs von Fr. 240.- um 65 % auf Fr. 390.-.

  Am 3. Dezember 1999 erwarb A. (Kläger 1) 50 Aktien der X. AG zum Kurs von
Fr. 399.-. Der Kaufpreis betrug demzufolge inkl. Kommissionen und Abgaben
total Fr. 20'076.75. Am 10. und 21. Februar 2000 kaufte B. (Kläger 2) je 20
Aktien zum Preis von Fr. 905.- bzw. Fr. 775.- pro Titel. Der entrichtete
Kaufpreis betrug inkl. Kommissionen und Abgaben total Fr. 33'763.15.

  B.- Nach dem Börsengang stieg der Aktienkurs zunächst steil an. Einen
Höchststand erreichte der Kurs am 8. Februar 2000 mit Fr. 1'100.- pro Aktie.
Die Höchstmarke von Fr. 1'100.- wurde nochmals am 2. März 2000 erreicht.

  Im Frühling/Sommer 2000 geriet die X. AG in einen Liquiditätsengpass. Der
Versuch, in genügendem Ausmass Neukunden zu überzeugen, misslang. Am 26.
Oktober 2000 musste der Geschäftsbetrieb eingestellt und am 6. November 2000
die Nachlassstundung beantragt werden. Die Software "Z." wurde am 15.
November 2000 an die neu gegründete new X. AG verkauft. Auch die new X. AG
musste ihren Geschäftsbetrieb im April 2001 einstellen.

  Der Kläger 2 verkaufte seine Aktien am 10. Mai 2000 zum Preis von Fr.
413.-. Daraus resultierte ein Erlös von Fr. 16'439.80. Ausgehend von einem
Kaufpreis von Fr. 33'763.15 erlitt der Kläger 2 einen Verlust von Fr.
17'323.35.

  Der Kläger 1 verkaufte seine Titel zum Preis von Fr. 9.01 und löste dabei
insgesamt noch Fr. 427.50. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises von Fr.
20'076.75 erlitt er einen Verlust von Fr. 19'649.25.

  C.- Am 13. Dezember 2004 gelangten die Kläger ans Handelsgericht des
Kantons Bern und beantragten, die Beklagten 1 bis 4 sowie die Bank Y. seien
unter solidarischer Haftung zu verpflichten, dem Kläger 1 den Betrag von Fr.
19'649.25 sowie dem Kläger 2 den Betrag von Fr. 17'323.35, je zuzüglich Zins
von 5 % seit 18. Oktober 2004, zu bezahlen. Im Verlauf des Verfahrens vor
dem Handelsgericht trafen die Kläger 1 und 2 mit der Bank Y. einen
Vergleich.

  Mit Urteil vom 15. November 2005 wies das Handelsgericht des Kantons Bern
die Klage gegen die verbleibenden Beklagten 1 bis 4 ab.

  D.- Mit Berufung vom 10. April 2006 beantragen die Kläger dem
Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 15.
November 2005 aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

  Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung, soweit darauf
einzutreten sei.

  Das Handelsgericht des Kantons Bern verzichtet auf eine Vernehmlassung.

  E.- Mit Urteil vom heutigen Tag wies das Bundesgericht eine gleichzeitig
erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab.

  Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  Die Aktien der X. AG wurden im November 1999 an die Börse gebracht.
Wichtigstes Produkt der Unternehmung war die Software "Z". Grundlage für den
Börsengang bildete unter anderem der Emissionsprospekt vom 24. November
1999. Der Emissionspreis wurde auf Fr. 240.- festgelegt. Am ersten
Handelstag, dem 25. November 1999, stieg der Aktienkurs von Fr. 240.- um 65
% auf Fr. 390.-. Der Kläger 1 kaufte in der Folge am 3. Dezember 1999 Aktien
der X. AG für Fr. 399.- pro Titel. Der Kläger 2 tätigte am 10. und 21.
Februar 2000 zwei Käufe zum Preis von Fr. 905.- bzw. Fr. 775.- pro Titel.
Der Kläger 1 hielt die Aktien bis zur Eröffnung der Nachlassstundung und
erlitt quasi einen Totalverlust. Der Kläger 2 verkaufte seine Aktien bereits
am 10. Mai 2000, erlitt dabei aber auch einen erheblichen Verlust.

  Die Kläger machen geltend, dass die im Emissionsprospekt gemachten Angaben
in ihrer Gesamtheit irreführend und unvollständig gewesen seien.
Insbesondere seien Mängel der Software "Z" und massive Probleme bei den
Kunden verschwiegen worden. Wegen unrichtiger und irreführender Angaben
verlangen die Kläger gestützt auf Art. 752 OR von den für die Erstellung des
Emissionsprospektes verantwortlichen Beklagten Schadenersatz.

  Das Handelsgericht des Kantons Bern hat die Frage, ob der
Emissionsprospekt täuschend war, vorerst offen gelassen und das Verfahren

auf die Frage der Kausalität beschränkt. Dabei hat es den natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen den Angaben im Emissionsprospekt und dem
Kaufentscheid der Kläger bzw. dem später eingetretenen Schaden verneint. Die
Kläger werfen dem Handelsgericht in diesem Zusammenhang in verschiedener
Hinsicht vor, Bundesrecht verletzt zu haben.

Erwägung 2

  2.  Gemäss Art. 752 OR haftet jeder, der bei der Abgabe oder Verbreitung
von unrichtigen, irreführenden oder den gesetzlichen Anforderungen nicht
entsprechenden Angaben in Emissionsprospekten oder ähnlichen Mitteilungen im
Rahmen der Gründung einer Gesellschaft oder bei der Ausgabe von Aktien,
Obligationen oder anderen Titeln absichtlich oder fahrlässig mitgewirkt hat,
den Erwerbern der Titel für den dadurch verursachten Schaden.

  2.1  Haftungsvoraussetzung der in Art. 752 OR vorgesehenen Prospekthaftung
ist unter anderem, dass die Angaben im Prospekt kausal für den
Kaufentschluss des Anlegers bzw. den später eingetretenen Schaden war (BGE
131 III 306 E. 2.1 S. 308 f. mit Hinweisen). Dabei ist vorausgesetzt, dass
zwischen den Angaben im Emissionsprospekt und dem Schaden sowohl ein
natürlicher als auch ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (BERNARD
CORBOZ, La responsabilité des organes en droit des sociétés, Basel 2005, Rz.
37 ff. zu Art. 752 OR).

  2.2  Die natürliche Kausalität ist gegeben, wenn ein Handeln (z.B. falsche
Angaben im Emissionsprospekt) Ursache im Sinn einer conditio sine qua non
für den Eintritt eines Schadens ist. Dies ist eine Tatfrage, die nur im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde überprüft werden kann.
Rechtsfrage ist demgegenüber, ob zwischen der Ursache und dem
Schadenseintritt ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Dies ist eine
Wertungsgesichtspunkten unterliegende Rechtsfrage, die nur im
Berufungsverfahren überprüft werden kann (BGE 123 III 110 E. 2 S. 111; 113
II 345 E. 2a S. 351, 52 E. 2 S. 55 f.).

  2.3  Nicht nur ein Handeln, sondern auch ein Unterlassen (z.B.
Unterdrücken von relevanten Angaben im Emissionsprospekt) kann kausal für
die Schädigung eines Anlegers sein. Grundsätzlich unterscheidet die
Rechtsprechung auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem und adäquatem
Kausalzusammenhang. Während bei Handlungen die wertenden Gesichtspunkte erst
bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen diese
Gesichtspunkte bei

Unterlassungen in der Regel schon bei der Feststellung des hypothetischen
Kausalverlaufs eine Rolle. Es ist daher bei Unterlassungen in der Regel
nicht sinnvoll, den festgestellten oder angenommenen hypothetischen
Geschehensablauf auch noch auf seine Adäquanz zu prüfen. Die Feststellungen
des Sachrichters im Zusammenhang mit Unterlassungen sind daher entsprechend
der allgemeinen Regel über die Verbindlichkeit der Feststellungen zum
natürlichen Kausalzusammenhang für das Bundesgericht bindend. Nur wenn die
hypothetische Kausalität ausschliesslich gestützt auf die allgemeine
Lebenserfahrung - und nicht gestützt auf Beweismittel - festgestellt wird,
unterliegt sie der Überprüfung im Berufungsverfahren (BGE 132 III 305 E. 3.5
S. 311; 115 II 440 E. 5a S. 447 f., je mit Hinweisen).

  2.4  Im vorliegenden Fall hat das Handelsgericht nach Durchführung eines
Beweisverfahrens gestützt auf Parteiverhöre und auf Urkunden ausführliche
Angaben zum natürlichen Kausalzusammenhang - und in diesem Zusammenhang auch
zum hypothetischen Kausalverlauf - gemacht. Diese auf Beweiserhebungen
beruhenden Erkenntnisse sind Tatsachenfeststellungen, und zwar auch
insoweit, als sie sich auf den hypothetischen Kausalverlauf beziehen. Die
Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz sind für das Bundesgericht
verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Soweit die Kläger die Feststellungen der
Vorinstanz zur natürlichen Kausalität - und insbesondere auch diejenigen zum
hypothetischen Kausalverlauf - in Frage stellen, ist auf die Berufung nicht
einzutreten.

Erwägung 3

  3.  Im Zusammenhang mit dem Kausalitätsnachweis machen die Kläger in
erster Linie geltend, dass im Bereich der Prospekthaftung generell die
Vermutung gelte, dass allfällige falsche Angaben im Emissionsprospekt kausal
für den Kaufentschluss des Anlegers und den damit in Zusammenhang stehenden
Schaden sind. Die Vorinstanz habe Art. 8 ZGB und Art. 752 OR verletzt, indem
sie von dieser Vermutung abgewichen sei und an den Nachweis des
Kausalzusammenhangs zu strenge Beweisanforderungen geknüpft habe.

  3.1  Nach Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene
Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr
Rechte ableitet. Nach dem bundesrechtlichen Regelbeweismass gilt ein Beweis
als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der
Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Ausnahmen von diesem
Regelbeweismass

der vollen Überzeugung ergeben sich einerseits aus dem Gesetz und sind
anderseits durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet worden. Danach
wird insbesondere eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als ausreichend
betrachtet, wo ein strikter Beweis nicht nur im Einzelfall, sondern der
Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar ist und insofern eine
"Beweisnot" besteht (BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324 mit Hinweisen). Nach dem
Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ("la vraisemblance
prépondérante", "la verosimiglianza preponderante") gilt ein Beweis als
erbracht, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven
Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare
Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen (BGE
130 III 321 E. 3.3 S. 325). Eine weitere Beweiserleichterung ist in
denjenigen Fällen vorgesehen, in denen eine Behauptung nur glaubhaft gemacht
werden muss. Die Glaubhaftmachung ("la simple vraisemblance", "la semplice
verosimiglianza") ist vom Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
insoweit zu unterscheiden, als die Glaubhaftmachung insbesondere summarische
Verfahren mit Beweismittelbeschränkungen betrifft. Glaubhaft gemacht ist
dabei eine Tatsache schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse
Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet,
dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 130 III 321 E. 3.3 S. 325
mit Hinweisen).

  3.2  Nach ständiger Rechtsprechung gilt das Beweismass der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit namentlich für den Nachweis des natürlichen bzw.
hypothetischen Kausalzusammenhangs (BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276; 121 III
358 E. 5 S. 363; 107 II 269 E. 1b S. 273, je mit Hinweisen). Auch für die
Verantwortlichkeit aus der Prospekthaftung gelten grundsätzlich die
allgemeinen Haftungsvoraussetzungen. Der Kläger hat daher grundsätzlich den
Nachweis zu erbringen, dass zwischen der pflichtwidrigen Handlung und dem
eingetretenen Schaden ein Kausalzusammenhang besteht. Dem Kläger obliegt der
Beweis, dass er sich beim Kaufentscheid auf fehlerhafte Prospektangaben
gestützt hat und mit besserem Wissen die Titel nicht oder nicht zu diesem
Preis erworben hätte.

  3.2.1  Wie allgemein beim Kausalitätsnachweis ist auch im Bereich der
Prospekthaftung der Nachweis der Kausalität schwer zu erbringen. Der
klagende Anleger dürfte sich oft in "Beweisnot" befinden. Die Rechtsprechung
sieht daher schon seit langem - in Einklang mit dem allgemeinen
Schadenersatzrecht - eine Beweiserleichterung

für den Nachweis des Kausalzusammenhangs vor. Erforderlich ist nicht ein
strikter und absoluter Beweis. Vielmehr hat sich der Richter mit derjenigen
Gewissheit zufrieden zu geben, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und
der Lebenserfahrung verlangt werden kann (BGE 47 II 272 E. 5 S. 293; 59 II
434 E. II/5 S. 451 f.; 76 II 307 E. 6 S. 319). Auch in der Lehre herrscht
Einigkeit darin, dass das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
für den Nachweis des Kausalzusammenhangs ausreicht und kein strikter Beweis
verlangt werden kann. Eine solche Beweiserleichterung gilt zunächst für den
Erstkäufer, der die Aktien innerhalb der Zeichnungsfrist gestützt auf die
Angaben im Prospekt am Primärmarkt zum Emissionspreis erwirbt. In diesem
Fall ist davon auszugehen, dass die Angaben im Prospekt direkt kausal für
den Kaufentschluss sind (CHRISTIAN A. CAMENDZIND, Prospektzwang und
Prospekthaftung bei öffentlichen Anleihensobligationen und Notes, Diss.
Zürich 1989, S. 106; ANDREAS ROHR, Grundzüge des Emissionsrechts, Zürich
1990, S. 222 f.; im Ergebnis gleich BÜRGI/NORDMANN, Zürcher Kommentar,
Zürich 1979, N. 14 zu Art. 752 OR, die jedoch anstatt der zutreffenden
Umschreibung "überwiegende Wahrscheinlichkeit" den auf Verfahren mit
Beweismittelbeschränkung zugeschnittenen Begriff der "Glaubhaftmachung"
verwenden; ähnlich auch PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl.,
Zürich 2004, S. 2029 f., § 18 Rz. 36, am Ende). Das Beweismass der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt nach der neueren Literatur jedoch auch
für den späteren Erwerber, der die Aktientitel am Sekundärmarkt zum - vom
Markt gebildeten - Aktienkurs kauft, und zwar auch dann, wenn er den
Emissionsprospekt nicht gelesen hat. Unter der Annahme eines effizienten
Kapitalmarktes darf der Erwerber nämlich davon ausgehen, dass die
Preisbildung am Markt unter Einbezug der Informationen aus dem
Emissionsprospekt zustande gekommen ist. Freilich ist in diesem Fall im
Rahmen des Wahrscheinlichkeitsbeweises zu berücksichtigen, dass im Laufe der
Zeit andere Faktoren wie neuere Unternehmensdaten, Presseberichte,
Konjunktureinschätzungen, positive oder negative Marktstimmung etc. für die
Einschätzung des Wertpapiers bestimmend werden können (ausführlich mit
weiteren Differenzierungen FRÉDÉRIC H. LENOIR, Prospekthaftung im
Zusammenhang mit Going Publics, Diss. St. Gallen 2004, S. 142 ff.;
ROBERTO/WEGMANN, Prospekthaftung in der Schweiz, SZW 2001 S. 169 f.;
DOBLER/VON DER CRONE, Aktivlegitimation zur Geltendmachung von
Verantwortlichkeitsansprüchen, SZW 2005 S. 213).

  3.2.2  Die soeben umschriebene Beweiserleichterung in Bezug auf das
Beweismass (Wahrscheinlichkeitsbeweis anstatt strikter Beweis) hat keinen
Einfluss auf die Beweislastverteilung. Als Anspruchsvoraussetzung für die
Prospekthaftung liegt die Beweislast auch für den Kausalzusammenhang - genau
gleich wie für die anderen Anspruchsvoraussetzungen - beim Kläger. In der
Literatur wird zwar zum Teil die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht
nachzuweisen, dass er sich auf angebliche Falschangaben im Prospekt
verlassen habe, weil er annehmen dürfe, die Titel würden vom Markt unter
Berücksichtigung der vorhandenen Informationen richtig bewertet (so
insbesondere ROLF WATTER, Basler Kommentar, OR II, 2. Aufl., Basel 2004, N.
26 zu Art. 752 OR; im Ergebnis ähnlich BÖCKLI, a.a.O., § 18 Rz. 36, der von
einer "Vermutung" der natürlichen Kausalität und damit implizit von einer
Beweislastumkehr spricht). Eine solche Umkehr der Beweislast ist jedoch
systemfremd und findet auch im Gesetz keine Stütze. Genau gleich wie im
allgemeinen Schadenersatzrecht hat der Kläger auch bei der Prospekthaftung
den Nachweis zu erbringen, dass zwischen der pflichtwidrigen Handlung und
dem eingetretenen Schaden ein Kausalzusammenhang besteht, weil er sich beim
Kaufentscheid auf die fehlerhaften Prospektangaben gestützt hat und mit
besserem Wissen die Titel nicht oder nicht zu diesem Preis erworben hätte
(BÜRGI/NORDMANN, a.a.O., N. 14 zu Art. 752 OR; DOBLER/VON DER CRONE, a.a.O.,
S. 213; ROHR, a.a.O., S. 223; CAMENDZIND, a.a.O., S. 107 f.).

  3.2.3  Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Kläger,
der sich auf eine Prospekthaftung gemäss Art. 752 OR beruft, insofern in den
Genuss einer Beweiserleichterung gelangt, als er für den Nachweis des
natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhangs keinen strikten Beweis,
sondern nur den Beweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erbringen hat
(vgl. E. 3.2.1). Dagegen ändert diese Beweiserleichterung nichts daran, dass
die Beweislast beim Kläger bleibt. Eine Beweislastumkehr, wie sie in der
Literatur vereinzelt befürwortet wird, ist im Gesetz nicht vorgesehen und
wäre auch systemfremd (vgl. E. 3.2.2). Die Beweiserleichterung reicht aus,
die legitimen Interessen des Klägers, der sich bei der Durchsetzung seiner
Ansprüche in Beweisschwierigkeiten befinden kann, zu schützen. Innerhalb
dieses bundesrechtlich abgesteckten Rahmens verfügt der kantonale
Sachrichter bei der Beweiswürdigung über den erforderlichen
Ermessensspielraum, um den individuell gelagerten Einzelfällen gerecht zu
werden.

  3.3  Im Folgenden sind diese Kriterien auf den vorliegenden Fall
anzuwenden.

  3.3.1  In Bezug auf den Kläger 1 hat die Vorinstanz geprüft, ob sein
Kaufentscheid direkt auf die angeblich fehlerhaften Angaben im
Emissionsprospekt zurückzuführen waren oder ob er von diesen Angaben bei
seinem Investitionsentscheid erheblich beeinflusst war. Im Rahmen der
Beweiswürdigung führte das Handelsgericht aus, der Kläger 1 habe den
Emissionsprospekt zwar kurz durchgesehen, die sprunghafte Kursentwicklung
und die euphorische Anlagestimmung am New Market seien für den Kaufentscheid
ebenfalls gewichtige Faktoren gewesen. Ein direktes Abstellen des
Kaufentscheides auf allenfalls fehlerhafte Angaben im Emissionsprospekt
seien nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erstellt.

  3.3.1.1  Gegen diese Begründung wendet der Kläger 1 ein, das
Handelsgericht habe Art. 8 ZGB und Art. 752 OR verletzt, indem es für den
Nachweis des Kausalzusammenhangs den vollen Beweis verlangt habe. Dieser
Einwand ist unbegründet. Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die
Beweisschwierigkeiten ausdrücklich festgehalten, dass vom Kläger kein
absoluter Beweis verlangt werden könne. Wenn im angefochtenen Urteil für das
geforderte Beweismass die Formulierung "an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit" anstatt die hier bevorzugte Formulierung der
"überwiegenden Wahrscheinlichkeit" verwendet wurde, lässt dies nicht auf
eine Verletzung des bundesrechtlich geforderten Beweismasses schliessen.
Entscheidend ist, dass das Handelsgericht mit aller Deutlichkeit ausgeführt
hat, dass der Kläger mit Blick auf die erheblichen Beweisschwierigkeiten in
den Genuss der bundesrechtlich geforderten Beweiserleichterung komme. Dass
die Beweiswürdigung - auf der Grundlage des bundesrechtlich geforderten
Wahrscheinlichkeitsbeweises - nicht willkürlich ist, wurde im Urteil zur
staatsrechtlichen Beschwerde ausführlich dargetan.

  3.3.1.2  Weiter rügt der Kläger 1, dass für den Nachweis des
Kausalzusammenhangs bei ihm das strengere Beweismass für Erwerber am
Sekundärmarkt anstatt das Beweismass für Erwerber am Primärmarkt zur
Anwendung gebracht wurde. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Wie erwähnt
gilt nach der Rechtsprechung für den Nachweis der natürlichen bzw.
hypothetischen Kausalzusammenhang generell der Beweismassstab der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit.

Das gleiche Beweismass ist auch auf den Nachweis des Kausalzusammenhangs im
Rahmen der Prospekthaftung anzuwenden (E. 3.2.1). Eine Differenzierung an
die Anforderungen des Beweises für Ersterwerber, die neu ausgegebene Aktien
auf dem Primärmarkt erwerben, und für spätere Erwerber, welche die Titel auf
dem Sekundärmarkt kaufen, ist nicht angebracht. Im Gegenteil ist in beiden
Fällen das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fordern. Den
Unterschieden im Einzelfall kann der kantonale Sachrichter im Rahmen seines
Ermessens bei der Beweiswürdigung Rechnung tragen. Im Übrigen scheint der
Kläger 1 ohnehin zu verkennen, dass er nicht als Ersterwerber gelten kann,
wie er vorgibt. Der Kläger 1 hat die Aktien der X. AG nicht zum
Emissionspreis von Fr. 240.-, sondern zum wenige Tage nach dem Börsengang
gehandelten Börsenkurs von Fr. 399.- gekauft. Der seit dem Börsengang innert
weniger Tage massiv angestiegene Börsenkurs widerspiegelt nicht nur die dem
Prospekt zu Grunde liegenden Erkenntnisse, sondern bei gleich bleibender
Informationslage auch weitere Umstände wie Zukunftsglaube,
Risikobereitschaft und Spekulation der Anleger, welche für den Kauf der
Aktien durch den Kläger 1 - ebenfalls - ursächlich gewesen sein können.

  3.3.1.3  Schliesslich wirft der Kläger 1 dem Handelsgericht eine
bundesrechtswidrige Auslegung des Begriffs der natürlichen Kausalität vor.
Effektiv wird an dieser Stelle jedoch beanstandet, dass die Vorinstanz die
natürliche Kausalität des Prospektes für den Erwerb der Titel der X. AG zu
Unrecht verneint habe. Damit kritisiert der Kläger 1 die auf Beweiswürdigung
beruhenden Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, welche für das
Bundesgericht verbindlich sind (Art. 63 Abs. 2 OG). Insoweit ist auf die
Berufung nicht einzutreten.

  3.3.2  Weiter hat die Vorinstanz sowohl in Bezug auf den Kläger 1 als auch
auf den Kläger 2 ausgeführt, dass die durch den Emissionsprospekt
geschaffene Anlagestimmung im Zeitpunkt des Kaufs durch den Kläger 1 am 3.
Dezember 1999 und durch den Kläger 2 am 10. und 21. Februar 2000 nicht
massgebend gewesen sei. Vielmehr seien namentlich der Zukunftsglaube, die
Risikobereitschaft und Spekulation der Anleger ausschlaggebend gewesen.
Diesbezüglich kritisieren die Kläger nicht die Beweislastverteilung bzw. das
von der Vorinstanz geforderte Beweismass. Vielmehr rügen sie die Annahme der
Vorinstanz als bundesrechtswidrig, dass der Emissionsprospekt nicht -
indirekt - kausal für ihren Kaufentscheid

gewesen sei. Damit wenden sie sich aber gegen die Beweiswürdigung, die im
konnexen Beschwerdeverfahren als verfassungskonform geschützt worden ist und
im vorliegenden Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann. Auf diese
Rügen ist daher nicht einzutreten.

  3.4  Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass dem
Handelsgericht im Zusammenhang mit seinen Feststellungen zum natürlichen
Kausalzusammenhang keine Bundesrechtsverletzungen vorgeworfen werden können.
Die Beweislast für den natürlichen oder hypothetischen Kausalzusammenhang
wurde zutreffend den Klägern 1 und 2 auferlegt. Und zutreffend hat die
Vorinstanz für den Nachweis des natürlichen Kausalzusammenhangs das
Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verlangt. Die
Beweiswürdigung in Bezug auf den natürlichen bzw. hypothetischen
Kausalverlauf kann im Berufungsverfahren nicht überprüft werden. Darauf
wurde ausführlich im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde eingegangen.
Damit erübrigt es sich, auf die Kritik der Kläger einzugehen, die sie an der
Eventualbegründung der Vorinstanz zum adäquaten Kausalzusammenhang und
Selbstverschulden üben.