Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 677



Urteilskopf

132 III 677

  81. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Establishment X. und
Establishment Y. in Liquidation gegen Z. und Mitb. (Berufung)
  5C.261/2005 / 5C.262/2005 vom 2. Mai 2006

Regeste

  Erbschaftsklage, Art. 598 ff. ZGB; Auskunftsklage gegen
Erbschaftsbesitzer.

  Im internationalen Verhältnis richtet sich die Zuständigkeit zur
Beurteilung der Erbschaftsklage nach Art. 86 IPRG (E. 3.2 und 3.3).

  Voraussetzungen zur Erhebung der Erbschaftsklage (E. 3.4 und 3.5).

  Gegenüber Dritten als Erbschaftsbesitzer besteht ein erbrechtlicher
Anspruch auf Auskunft (E. 4).

Sachverhalt

  U. verstarb am 19. Mai 2003 an seinem letzten Wohnsitz in K./ZH. Mit
letztwilliger Verfügung vom 12. Mai 1999 bestimmte er die Stiftung S. mit
Sitz in Zürich zu seiner Erbin. Seine Ehefrau T. und seine Tochter V. setzte
er auf den Pflichtteil und legte die ihnen zukommenden Anteile mittels
Teilungsvorschriften fest. Zudem richtete er mit letztwilliger Verfügung vom
22. April 2002 eine Reihe von Vermächtnissen aus. In seinem Testament vom 9.
Mai 2003 ernannte er Rechtsanwalt Z. zu seinem Willensvollstrecker.

  Z. (nachfolgend: der Kläger) erwirkte beim Einzelrichter im summarischen
Verfahren des Bezirksgerichts Horgen am 15. Januar 2004 ein Verfügungsverbot
über bestimmte Nachlasswerte, welche Massnahme mit einer Frist zur
Einreichung einer ordentlichen Klage verbunden war, ansonsten diese ohne
weiteres dahinfalle. Am 19. Februar 2004 machte der Kläger beim
Bezirksgericht Horgen eine Erbschafts- und Auskunftsklage gegen die F. AG
mit Sitz in E. (nachfolgend: Beklagte 1) sowie gegen die Establishment Y. in
Liquidation (nachfolgend: Beklagte 2) und die Establishment X. (nachfolgend:
Beklagte 3), beide mit Sitz in D./Fürstentum Liechtenstein, anhängig. In
seiner Klagebegründung vom 11. August 2004 verlangte er von allen Beklagten
die Herausgabe von 25 namentlich bezeichneten Kunstwerken (Rechtsbegehren
A.1), soweit sie sich in ihrem Besitz befinden. Von der Beklagten 2 und 3
verlangte er zusätzlich die Herausgabe aller Vermögens- und Erbschaftssachen
in ihrem Besitz und die Abtretung aller ihnen zustehenden Forderungen
(Rechtsbegehren A.2). Von der Beklagten 1 verlangte er die Herausgabe aller
weiteren nicht in Rechtsbegehren A.1 aufgeführten Vermögenswerte, welche im
Auftrag oder für Rechnung der Beklagten 2 und 3 bei ihr oder bei von ihr
beauftragten Dritten gelagert seien oder welche sich sonst auf Rechnung der
Beklagten 2 und 3 in ihrem Besitz befinden (Rechtsbegehren A.3). Überdies
seien die Beklagten zu verpflichten, über alle in den Rechtsbegehren A.1 und
A.2 genannten Kunstwerke, Vermögenswerte, Erbschaftssachen und Forderungen,
die sich nicht mehr in ihrem Besitz befinden bzw. über welche sie nicht mehr
verfügen, Auskunft zu erteilen, wem sie übergeben bzw. an wen sie übertragen
wurden und auf wessen Weisung dies geschehen war (Rechtsbegehren B).

  Die Beklagten erhoben im Rahmen des Schriftenwechsels die Einrede der
örtlichen Unzuständigkeit und beantragten, auf die Begehren nicht
einzutreten. Zudem schlossen sie jeweils auf Abweisung der Klage. Der Kläger
schloss auf Abweisung der Unzuständigkeitseinreden

aller Beklagten betreffend die Erbschaftsklage (Rechtsbegehren A). T.
stellte als Nebenintervenientin ebenfalls den Antrag, die
Unzuständigkeitseinreden aller Beklagten betreffend die Erbschaftsklage
(Rechtsbegehren A) abzuweisen.

  Mit Beschluss vom 17. Mai 2005 wies das Bezirksgericht Horgen die
Unzuständigkeitseinreden der Beklagten ab.

  Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von den Beklagten dagegen
erhobenen Rekurse am 5. September 2005 ab und bestätigte den
erstinstanzlichen Beschluss.

  Die Beklagten 2 und 3 sind mit Berufungen vom 11. bzw. 12. Oktober 2005 an
das Bundesgericht gelangt. Sie beantragen jeweils, den obergerichtlichen
Beschluss aufzuheben und auf die klägerischen Begehren nicht einzutreten.
Das Bundesgericht weist die Berufungen ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.

  3.1  Anlass der Berufung bildet die Frage, ob der Richter am letzten
Wohnsitz des Erblassers in der Schweiz zuständig ist, die Erbschafts- und
Auskunftsklage des Willensvollstreckers gegen zwei Anstalten in
Liechtenstein zu behandeln.

  3.2  Das Obergericht hat zu Recht das Vorliegen eines internationalen
Verhältnisses im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IPRG angenommen. Gemäss Art. 86
Abs. 1 IPRG sind für das Nachlassverfahren und die erbrechtlichen
Streitigkeiten die schweizerischen Gerichte oder Behörden am letzten
Wohnsitz des Erblassers zuständig. Vorliegend ist der Erblasser unstrittig
Schweizer Bürger gewesen und an seinem schweizerischen Domizil (in K./ZH)
verstorben. Strittig ist, ob der Richter für die Behandlung der Erbschafts-
und Auskunftsklage zuständig ist, welche der Willensvollstrecker gegen zwei
in Liechtenstein domizilierte Anstalten erhoben hat bzw. ob es sich bei
dieser Klage um eine erbrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 86 Abs. 1
IPRG handelt.

  3.3  Die Lehre stützt sich für die Auslegung des Anknüpfungsbegriffs
"erbrechtliche Streitigkeiten" auf BGE 119 II 77 E. 3a S. 81 (mit Hinweis
auf BGE 99 II 277 E. 3 S. 280; vgl. DUTOIT, Droit international privé
suisse, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 4. Aufl. 2005,
N. 2 zu Art. 86 IPRG; SCHNYDER, Basler Kommentar, Internationales
Privatrecht, N. 10 zu Art. 86 IPRG; HEINI, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2.
Aufl. 2004, N. 2 zu Art. 86

IPRG). Nach dieser Rechtsprechung ist eine Klage erbrechtlicher Natur, wenn
sich die Parteien auf einen erbrechtlichen Titel berufen, um einen Teil
ihrer Erbschaft zu fordern und die Existenz ihrer Rechte feststellen zu
lassen. "Erbrechtliche Streitigkeiten" betreffen demnach Klagen, mit denen
Bestand oder Höhe erbrechtlicher Ansprüche geltend gemacht oder bestritten
werden (HEINI, a.a.O.). Dazu gehört auch die Erbschaftsklage gemäss Art. 598
ZGB, mit welcher die Herausgabe der Erbschaft oder einer Erbschaftssache
verlangt wird (FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl.
2003, N. 13 zu Art. 598 ZGB; PATRICK SOMM, Die Erbschaftsklage des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Diss. Basel 1993, S. 113). Es ist zu
Recht unstrittig, dass dem Kläger als Willensvollstrecker (FORNI/PIATTI,
a.a.O., N. 4 zu Art. 598 ZGB mit Hinweisen) nach dem Erbstatut - d.h. nach
schweizerischem Recht, da der Erblasser Schweizer Bürger mit letztem
Wohnsitz in der Schweiz ist (Art. 90 IPRG) - die Erbschaftsklage gegen die
Beklagten als Nichterben grundsätzlich zur Verfügung steht (BBl 1983 I 382,
S. 390; SCHNYDER, a.a.O., N. 10 zu Art. 86 IPRG, N. 5 zu Art. 92 IPRG).

  3.4  Zur Frage, ob die Erbschaftsklage zur Verfügung steht, gelten weiter
die nachfolgenden Grundsätze.

  3.4.1  Vorab ist festzuhalten, dass ein Erbe im Fall, dass ihm
Erbschaftssachen vorenthalten werden und er sie sich verschaffen will,
zunächst zu jener Klage greifen kann, die schon dem Erblasser zugestanden
hätte. Der Erbe geht dann so vor, wie wenn es der Erblasser täte, wenn er
noch lebte; er hat den betreffenden Anspruch geerbt
(TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 12.
Aufl. 2002, S. 664 f., sog. "Sonder- oder Singularklage des Erben").

  3.4.2  Zur Erbschaftsklage ist nach Art. 598 Abs. 1 ZGB befugt, "wer auf
eine Erbschaft oder auf Erbschaftssachen als gesetzlicher oder eingesetzter
Erbe ein besseres Recht zu haben glaubt als der Besitzer". Diese Klage
stützt sich auf die blosse Erbberufung des Klägers; darin stimmen sich
Rechtsprechung (BGE 91 II 327 E. 3 S. 331, "une pareille action est fondée
sur la vocation successorale du demandeur"; 45 I 302 E. 2 S. 308) und Lehre
überein (TUOR/ SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, a.a.O.; STEINAUER, Le droit des
successions, Bern 2006, S. 527 Rz. 1114; FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 1 zu Art.
598 ZGB).

  3.4.3  Ruft hingegen der Kläger seine Eigenschaft als Erbe nur an, um
darzutun, dass er Inhaber eines Rechtes sei, das dem Erblasser zustand, so
erhebt er, selbst wenn er die Rückgabe der Erbschaftssache verlangt, nicht
eine Erbschaftsklage; er führt diesfalls nur die Klage, die seinem
Rechtsvorgänger zustand (BGE 91 II 327 E. 3 S. 331; 45 I 302 E. 2 S. 308).
Auch hier hat der Kläger seine Erbberufung darzutun, doch bildet sie
diesfalls lediglich ein Mittel zur Rechtfertigung der Sachlegitimation und
nicht - wie bei der Erbschaftsklage - den Klagegrund (TUOR/PICENONI, Berner
Kommentar, N. 4 zu Art. 598 ZGB; ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 1 zu Art. 598
ZGB; SOMM, a.a.O., S. 11 f.).

  3.4.4  Der Erbe als Kläger hat die Wahl, ob er diese Vermögenswerte mit
der Erbschaftsklage oder mit einer Sonderklage herausverlangen will
(STEINAUER, a.a.O., S. 528 Rz. 1115 a.E., mit Hinweisen auf die einhellige
Lehre). Er geht mit Erbschaftsklage vor, wenn er - wie dargelegt - den
Anspruch auf seine Erbberechtigung stützt. Er wählt die Sonderklage, wenn er
sich auf sein Erbrecht nur beruft, um seine Sachlegitimation darzutun, und
seinen Anspruch auf einen einem anderen Rechtsgebiet - z.B.
Obligationenrecht - entnommenen Grund stützt; hierfür steht ihm die
Erbschaftsklage nicht zur Verfügung, d.h. eine derartige, einem bestimmten
Rechtsgebiet entnommene, mithin individuelle Charakterisierung des Anspruchs
führt nicht zur Erbschaftsklage (TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 4 zu Art. 598
ZGB, N. 9 zu Vorbem. zum fünften Abschnitt; SOMM, a.a.O., S. 11 f., mit
Hinweisen).

  3.4.5  Die Abgrenzung der Erbschaftsklage von einer Sonderklage hängt
somit von der Rechtsgrundlage ab, auf welche sich der Kläger stützt. Ihr
kommt allerdings insoweit eine begrenzte Bedeutung zu, als das Bundesgericht
den Anwendungsbereich der Erbschaftsklage erweitert hat. Nach der
Rechtsprechung ist die Erbschaftsklage auch zulässig, wenn die Eigenschaft
des herausverlangten Vermögenswertes als Erbschaftssache nicht strittig ist,
und der Beklagte einen Sondertitel - wie etwa eine Schenkung des Erblassers
- geltend macht; in solchen Fällen ist die Gültigkeit des Sondertitels
vorfrageweise zu prüfen (BGE 91 II 327 E. 6 S. 337 [Praxisänderung]; 119 II
114 E. 4a S. 116, nach Auseinandersetzung mit der uneinigen Lehre;
STEINAUER, a.a.O., S. 531 Rz. 1128 und Fn. 18, welcher diese Auffassung mit
weiteren Hinweisen auf die Lehre bestätigt).

  3.5  Um die Natur der hier in Frage stehenden Klage zu ermitteln, sind der
Inhalt der Rechtsbegehren und deren Begründung entscheidend

(BGE 130 III 547 E. 2.1 S. 549). Zu prüfen ist im Folgenden, ob der Kläger
eine Erbschaftsklage erhoben hat bzw. ob ihm dieses Rechtsinstitut im
vorliegenden Fall - in Anbetracht seiner Vorbringen und denjenigen der
Beklagten - zur Verfügung steht.

  3.5.1  Der Kläger verlangte in seiner Eingabe an das Bezirksgericht Horgen
vom 11. August 2004 von den Beklagten 2 und 3 die Herausgabe von 25 einzeln
bezeichneten Kunstwerken, von nicht näher umschriebenen Vermögenswerten und
Erbschaftssachen in deren Besitz sowie die Abtretung von Forderungen, die
ihnen zustehen (Rechtsbegehren A.1 und A.2). Dass er sein Begehren als
"Erbschaftsklage" bezeichnet, ist im Hinblick auf die Frage, ob ein
erbrechtlicher Streit vorliegt, unerheblich. Zur Begründung führt der Kläger
aus, der Erblasser sei an den zwei beklagten liechtensteinischen Anstalten
wirtschaftlich ausschliesslich berechtigt gewesen. Diese besässen
Vermögenswerte, insbesondere Bilder, die früher einmal dem Erblasser gehört
hätten und vor seinem Tod an diese übertragen bzw. diesen gutgeschrieben
worden waren, weshalb sie in den Nachlass gehörten. Der Kläger schildert im
Einzelnen, wie sich diese verschiedenen Vorgänge abgespielt haben sollen. Er
behauptet zudem, dass der Erblasser nie für Dritte aufgetreten sei, sondern
immer ausschliesslich seine eigenen Interessen gewahrt habe. Zwischen diesem
und den Beklagten 2 und 3 habe eine wirtschaftliche Identität bestanden.
Infolgedessen gehörten deren Vermögenswerte in den Nachlass des Erblassers.

  3.5.2  Das Herausgabebegehren zielt somit ausschliesslich darauf ab, den
Nachlass des Erblassers um (bestimmte und unbestimmte) Gegenstände und
Forderungen zu vervollständigen, die sich im Verfügungsbereich von zwei
Nichterben befinden. Zwar beruft sich der Kläger auch auf (vertragliche)
Rückgabeansprüche aus einem fiduziarischen Rechtsverhältnis. Dennoch stützt
er sein Begehren in erster Linie auf die Erbberufung. Lediglich im Sinne
einer Vorwegnahme eventueller Einwände der Beklagten wird ausgeführt, die
Konstruktion mittels liechtensteinischer Anstalten habe es dem Erblasser
erlaubt, frei über die Vermögenswerte zu verfügen, und er habe bis zu seinem
Tode darüber auch frei verfügt, weshalb die Beklagten die Vermögenswerte
auszuhändigen hätten. Nicht Gegenstand der Auseinandersetzung bilden
hingegen typische erbrechtliche Fragen wie die Gültigkeit der letztwilligen
Verfügungen, die Erbberechtigung der gesetzlichen und eingesetzten Erben,
die Pflichtteile der gesetzlichen Erbinnen oder die Befugnisse des
Willensvollstreckers.

Der Kläger strebt sein Ziel auf dem Wege einer Erbschaftsklage an.

  3.5.3  Die Beklagte 3 betont mit Bezug auf ihre Geltendmachung eines
besseren Rechts an den Erbschaftssachen, dass nur in dem Fall, der im Jahre
1965 zur Praxisänderung geführt hatte (vgl. E. 3.4.5), sowohl die
Erbberechtigung des Klägers wie auch die Herausgabe von Vermögenswerten des
Erblassers strittig war. Dies trifft zu; indessen kann sie daraus nichts für
sich ableiten. Das Bundesgericht entschied bei dieser Konstellation, dass
die beiden Begehren kumuliert werden können (BGE 91 II 327 E. 3 S. 331 f.).
Hingegen lag dem Fall, welcher zur Bestätigung dieser Rechtsprechung führte
(BGE 119 II 114), nur ein Herausgabebegehren gegen einen Dritten auf einen
bestimmten Gegenstand zugrunde. Der Kläger war unbestrittenermassen
eingesetzter Erbe (vgl. BGE 119 II 114 E. 4a S. 116). Entscheidend für die
Zulässigkeit der Erbschaftsklage war indes in beiden Fällen die
Argumentation von LEUCH (vgl. BGE 91 II 327 E. 6 S. 336), wonach das
Begehren gegen einen Beklagten gerichtet sei, der das Erbrecht des Klägers
verletze, indem er am Besitz der Erbschaftssache festhalte. Dies geschehe
unter Hinweis auf ein erbrechtliches Motiv oder auf einen Sondertitel. Der
Beklagte bzw. Besitzer verletze das Erbrecht ausdrücklich, wenn er selbst
das Erbrecht beansprucht; er verletze es tatsächlich, wenn er überhaupt
keinen Rechtsgrund für seinen Besitz anrufe oder wenn er einen besonderen -
nicht erbrechtlichen - Rechtsgrund anrufe. Die Erbschaftsklage sei auf jeden
Fall abzuweisen, wenn der Sondertitel (z.B. Schenkung, Kauf, oder Miete)
sich als gültig erweise. Um einen solchen Einwand überhaupt prüfen zu
können, müsse dem Richter die Gelegenheit gegeben werden, vorfrageweise zum
Sondertitel Stellung zu nehmen. Diese Argumentation hat nach wie vor
Gültigkeit. Soweit das Bundesgericht davon zwischenhinein - ohne Bezugnahme
auf die massgebliche Rechtsprechung und in einer Sache, deren Streitpunkt
ausserhalb des Erbrechts lag - abgewichen ist (BGE 98 II 88 E. 3 S. 95),
kann daran nicht festgehalten werden.

  3.5.4  Im vorliegenden Fall sind die beiden Beklagten unbestrittenermassen
Nichterben. Die Beklagte 2 trug in ihrer Klageantwort vom 8. Dezember 2004
vor, dass der Erblasser weder Inhaber der Gründerrechte an ihr noch ein von
ihr Begünstigter gewesen sei, sondern ausschliesslich ein Vollmachtträger.
Damit gehörten ihre Aktiven nicht in den Nachlass. Überdies habe sie die
verlangten Kunstgegenstände unentgeltlich an die Beklagte 3 zu Eigentum

übertragen. Die Beklagte 3 berief sich in ihrer Klageantwort vom 8. Dezember
2004 auf den Erwerb der herausverlangten Kunstwerke von der Beklagten 2.
Zudem behauptete sie, dass der Erblasser zur Zeit des Todes keine
Gründerrechte mehr an ihr hatte. Damit gehören ihrer Ansicht nach weder die
strittigen Kunstwerke noch ihre Aktiven in den Nachlass. Aufgrund dieser
Einwände wird ein Sondertitel in Gestalt der Schenkung zu prüfen sein,
welcher der Herausgabe entgegen stehen kann. Zudem wird die wirtschaftliche
Berechtigung des Erblassers im weitesten Sinn an den beiden Beklagten
auszuleuchten sein. Diese aktuelle Ausgangslage spricht gemäss den
voranstehenden Überlegungen für die Behandlung des Herausgabebegehrens als
Erbschaftsklage und infolgedessen für die Annahme einer erbrechtlichen
Streitigkeit im Sinne von Art. 86 Abs. 1 IPRG. Damit ist die schweizerische
Zuständigkeit gegeben.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Weiter ist zu prüfen, ob das Auskunftsbegehren vom Anknüpfungsbegriff
der "erbrechtliche Streitigkeiten" gemäss Art. 86 Abs. 1 IPRG erfasst ist.
Entscheidend ist, ob dem Willensvollstrecker als Kläger nach dem Erbstatut -
d.h. hier nach schweizerischem Recht - ein gesetzliches Informationsrecht
gegen die Beklagten als Nichterben zur Verfügung steht (vgl. E. 3.3).

  4.2  Der Kläger verlangt in seiner Eingabe an das Bezirksgericht Horgen
vom 11. August 2004 von den Beklagten 2 und 3 nicht nur die Herausgabe von
25 einzeln bezeichneten Kunstwerken und aller Vermögenswerte und
Erbschaftssachen im Besitz der Beklagten 2 und 3 bzw. die Abtretung aller
Forderungen, über welche diese verfügen. Er verlangt von den Beklagten 2 und
3 zudem, dass sie bezüglich sämtlicher im Herausgabebegehren genannten
Werte, soweit sie nicht mehr in deren Besitz seien bzw. sie darüber nicht
mehr verfügen können, mitteilen, wem sie sie übergeben bzw. übertragen haben
und auf welche Anweisung hin dies geschehen sei (Rechtsbegehren B).
Entscheidend für die Qualifizierung dieses Begehrens als erbrechtlicher
Streit ist auch hier nicht die Bezeichnung, sondern dessen Umschreibung und
die Begründung, mit welcher die gewünschten Informationen verlangt werden
(vgl. E. 3.5). Der Kläger rechtfertigt seinen Auskunftsanspruch mit
Hinweisen auf die Lehre, wonach Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB auch
gegenüber Dritten analog anzuwenden seien. Zudem stehe ihm dieses Recht als
Korrelat zum Herausgabeanspruch, nämlich aus seinem Recht auf Besitz am
Nachlass, zu. Er könne nur aufgrund der

geforderten Informationen seiner Aufgabe als Willensvollstrecker nachkommen.
Überdies sei er von den beiden gesetzlichen Erbinnen beauftragt worden, die
ihnen zustehenden Auskunftsansprüche ebenfalls geltend zu machen.
Schliesslich schildert er die Vertragsbeziehungen zwischen dem Erblasser und
den Beklagten, welche ihm ebenfalls einen Anspruch auf Auskunftserteilung
verschaffen würden.

  4.2.1  Nach Art. 610 Abs. 2 ZGB haben die Erben einander jede Auskunft zu
erteilen, die für die korrekte Teilung des Nachlasses nach Gesetz oder
letztwilliger Verfügung erforderlich ist. Gemeint sind damit alle Angaben,
die bei einer objektiven Betrachtungsweise möglicherweise geeignet
erscheinen, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen (BGE 127 III
396 E. 3 S. 402). Dem Willensvollstrecker steht der Auskunftsanspruch
gegenüber den Erben im Hinblick auf die Durchführung der Erbteilung in
gleicher Weise zu, wie er diese über die für ihre Erbansprüche wesentlichen
Tatsachen zu unterrichten hat (BGE 90 II 365 E. 3b S. 373). Das Erbrecht
statuiert neben der Auskunftspflicht unter Erben einzig die Pflicht eines
jeden, den Behörden bei der Errichtung eines öffentlichen Inventars alle
verlangten Aufschlüsse über die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu
erteilen (Art. 581 Abs. 2 ZGB). Zwar kennt unser Privatrecht grundsätzlich
keinen allgemeinen Informationsanspruch, was insbesondere im Vertragsrecht
auf die Vorstellung von eigenverantwortlichen Parteien zurückgeht (vgl.
MERZ, Berner Kommentar, N. 270 ff. zu Art. 2 ZGB). Gleichwohl wird die
geltende Regelung der Auskunftspflicht von der Lehre gelegentlich als
lückenhaft bezeichnet, was mit den Vorstellungen des historischen
Privatrechtsgesetzgebers zusammenhängen soll, wonach Auskunftsrechte
prozessualer Natur seien und damit vom kantonalen Recht zu regeln sind
(ANDREAS SCHRÖDER, Informationspflichten im Erbrecht, Diss. Zürich 1999, S.
43, 126/127, mit Hinweisen).

  4.2.2  Die Lehre unterscheidet beim erbrechtlichen Informationsanspruch
des Erben, ob eine erbrechtliche Verpflichtung des Dritten ihm gegenüber
besteht oder nicht (vgl. SCHRÖDER, a.a.O., S. 146, 151). Ist dies nicht der
Fall, so wird das Auskunftsrecht verschieden begründet. Gewisse Autoren
weisen auf die Erbenstellung hin (DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl.
2002, S. 174, § 13 Rz. 14; THOMAS LEIMGRUBER, Die Befugnisse des einzelnen
Miterben beim Erbgang und bei der Nachlassverwaltung, Diss. Basel 1978, S.
39 f.). Nach anderer Auffassung wird eine analoge Anwendung von Art. 607

Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB verlangt (ADRIANO OSWALD, Die
Auskunftspflicht im Erbgang, Diss. Zürich 1976, S. 75 ff., 82 ff.).
Schliesslich wird sogar eine analoge Anwendung von Art. 170 Abs. 2 ZGB
gefordert (SCHRÖDER, a.a.O., S. 149 f.). Besteht möglicherweise eine
erbrechtliche Verpflichtung des Erben gegenüber Dritten, aber keine
materiellrechtliche Sonderverbindung, so schlägt die Lehre überwiegend eine
analoge Heranziehung von Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB vor
(SCHRÖDER, a.a.O., S. 151 ff., 153 f.; BRÜCKNER/WEIBEL, Die erbrechtlichen
Klagen, 2. Aufl. 2006, S. 21, Rz. 31 Anm. 46; im Ergebnis gl.M. DRUEY,
Information als Gegenstand des Rechts, Zürich 1995, S. 336). Das Fehlen
einer solchen Sonderverbindung wird etwa mit dem Beispiel relativiert, dass
der Gesetzgeber selber den Pflichtteil bestimmter Erben schütze, weshalb sie
ihr Recht gegenüber dem Schenkungsempfänger, der nicht Erbe sei, mit einer
Herabsetzungsklage durchsetzen könnten. Dafür brauche der Erbe vom Dritten
die gleichen Informationen wie von einem Miterben. Diese Überlegungen gälten
im Übrigen auch gegenüber dem Erbschaftsbesitzer (SCHRÖDER, a.a.O., S. 154,
mit Hinweisen).

  4.2.3  Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist nicht
sehr ergiebig. In einem Urteil aus dem Jahre 1963 wird festgehalten, dass
sich die angesprochene Bank (also ein Dritter) gegenüber den Erben ihres
Kunden nicht auf das Bankgeheimnis berufen könne, da jedem Erben das Recht
auf Kenntnis über den Nachlass zustehe, um seine Rechte geltend zu machen
(BGE 89 II 87 E. 6 S. 93). Alsdann verpflichtete das Bundesgericht einen
Willensvollstrecker im Hinblick auf eine mögliche Herabsetzungsklage
gegenüber den Erben zur Auskunftserteilung betreffend die Zuwendungen des
Erblassers an eine Stiftung, deren Stiftungsorgan er war. Zwar nehme die
Stiftung nicht selber am Erbgang teil und könne daher aufgrund
erbrechtlicher Bestimmungen nicht zur Auskunft verpflichtet werden. Ein
Willensvollstrecker sei gegenüber den Erben auskunftspflichtig, selbst wenn
die Stellung als Stiftungsorgan eine Interessenkollision mit sich bringe.
Gegenüber dem legitimen Interesse der Erben an Information über allfällige
Geldleistungen an die Stiftung müsse das Geheimhaltungsinteresse der
Stiftung zurücktreten (BGE 90 II 365 E. 3c und d S. 373 ff.).

  4.2.4  Nicht entscheidend für die Beantwortung der Frage, gegenüber wem
der Erbe auskunftsberechtigt ist, ist seine Informationsnot. Das geltende
Privatrecht kennt, wie bereits angeführt, keinen

allgemeinen Informationsanspruch, der Platz greift, wo immer Informationen
geeignet wären, Rechtsansprüche zu verwirklichen (E. 4.2.1). Daraus ergibt
sich, dass jeder geltend gemachte Auskunftsanspruch, der sich nicht
unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sorgfältig auf seine Berechtigung geprüft
werden muss. Tritt ein Erbe kraft Universalsukzession an die Stelle des
Erblassers (Art. 560 ZGB), so besteht kein Bedarf, ihm über das aufgrund
einer Vertragsbeziehung - beispielsweise mit der Bank - bestehende und nun
durch Erbrecht erworbene Auskunftsrecht hinaus noch ein eigenes
erbrechtliches Auskunftsrecht einzuräumen (SCHRÖDER, a.a.O., S. 148). Sind
mehrere Erben vorhanden, treten sie gemeinsam an die Stelle des Erblassers,
da unser Erbrecht keine Singularsukzession kennt (SCHWANDER, Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl. 2003, N. 2 zu Art. 560 ZGB). Damit
stellt sich die Frage, ob dem einzelnen Erben gegenüber Dritten gleichwohl
ein eigenes Auskunftsrecht zusteht, bzw. wie sich ein solches erbrechtlich
rechtfertigen liesse. Die in der Literatur vertretene Lösung einer analogen
Anwendung von Art. 170 ZGB (SCHRÖDER, a.a.O., S. 149 ff.) wäre erst dann zu
prüfen, wenn sich weder ein ererbtes (STEINAUER, a.a.O., S. 580, Rz. 1246c)
noch ein im Erbrecht originär verankertes Auskunftsrecht begründen liesse.
Richtet sich der Informationsanspruch gegen einen Dritten, der dem Erben
möglicherweise erbrechtlich verbunden ist, wie der Empfänger einer Schenkung
im Hinblick auf eine allfällige Herabsetzungsklage, so postuliert die
(bereits erwähnte) Lehre ein Auskunftsrecht analog der Regelung unter
Miterben (Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB). Ein solcher Anspruch
wird im Wesentlichen mit der Gleichbehandlung von Miterben und Nichterben
bei der Herabsetzung begründet. Die gleiche Interessenlage bestehe gegenüber
dem Dritten als Erbschaftsbesitzer (SCHRÖDER, a.a.O., S. 153 f. mit
Hinweisen). Dieser Vorschlag überzeugt, denn er erlaubt, eine vom
Gesetzgeber nicht bedachte Einschränkung der Informationsrechte auf die
Miterben zu durchbrechen.

  4.2.5  Im vorliegenden Fall richtet sich das Auskunftsbegehren gegen zwei
Nichterben. Es wird vom Kläger als Korrelat zum Herausgabeanspruch geltend
gemacht. In der Tat hängt das Schicksal des Auskunftsbegehrens
vollumfänglich von der Beurteilung des Herausgabebegehrens ab. Sollte sich
der Kläger mit Letzterem in allen Punkten durchsetzen, so wird Ersteres
hinfällig. Im gegenteiligen Fall wird das Auskunftsbegehren ihm bei
gegebenen Voraussetzungen ermöglichen, ein weiteres Herausgabebegehren gegen
die nun

bekannten Besitzer bzw. Berechtigten zu prüfen. Daraus ergibt sich, dass das
Auskunftsbegehren dem Herausgabebegehren folgend ebenfalls als von
erbrechtlicher Natur im Sinne von Art. 86 Abs. 1 IPRG zu qualifizieren ist.
Damit ist auch hierfür die schweizerische Zuständigkeit gegeben.

  4.2.6  Ob die beiden pflichtteilsgeschützten Erbinnen ihren
Auskunftsanspruch an den Willensvollstrecker abtreten können, wie er in der
Klagebegründung vom 11. August 2004 geltend macht, braucht bei diesem
Ergebnis nicht mehr geprüft zu werden.