Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 460



Urteilskopf

132 III 460

  52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Stiftung U. gegen A.
(Berufung)
  4C.432/2005 vom 22. März 2006

Regeste

  Art. 400 Abs. 1 OR; Vermögensverwaltungsvertrag; Herausgabe von
Retrozessionen und Finder's Fees.

  Voraussetzungen eines rechtsgültigen Verzichts des Auftraggebers auf die
Herausgabe von Retrozessionen und ähnlichen Einnahmen des
Vermögensverwalters (E. 4).

Sachverhalt

  A.- Die Stiftung U. (Klägerin und Berufungsklägerin), wurde im Jahre 1993
gegründet; sie wurde wirtschaftlich von B. und dessen Ehefrau beherrscht. A.
(Beklagter und Berufungsbeklagter) verwaltete das Stiftungsvermögen seit der
Gründung bis im Sommer 1998 als Angestellter verschiedener Banken. Im Jahre
1998 nahm er eine selbständige Erwerbstätigkeit auf und führte die
Verwaltung des Vermögens der Stiftung in eigener Verantwortung und auf
eigene Rechnung weiter. Das Stiftungsvermögen wuchs auf über 100 Millionen
Franken an.

  Anfangs Februar 2000 wurde B. von der Staatsanwaltschaft Mannheim
verhaftet und in der Folge wegen Vermögensdelikten in Milliardenhöhe, die er
über seine Gesellschaft "D. GmbH" begangen hatte, zu einer mehrjährigen
Gefängnisstrafe verurteilt. Über die "D. GmbH" eröffnete das Amtsgericht
Karlsruhe am 4. Februar 2000 das Insolvenzverfahren; am 1. Mai 2000 wurde
das Insolvenzverfahren über das Vermögen von B. eröffnet. Im Rahmen eines
Rechtshilfeverfahrens wies die Bezirksanwaltschaft Zürich am 10. Februar
2000 unter anderem auch den Beklagten an, ihr sämtliche Dokumente betreffend
B. herauszugeben und belegte die B. zuzurechnenden Vermögenswerte
einstweilen mit einem Verfügungsverbot.

  Am 14. Februar 2000 stellte der Beklagte der Klägerin eine Honorarrechnung
für seine Vermögensverwaltung über den Betrag von Fr. 847'500.-, den er am
16. Februar 2000 auf seinem Bankkonto gutgeschrieben erhielt. Am 15. Februar
2000 erstattete der Beklagte der Meldestelle für Geldwäscherei eine
Verdachtsmeldung betreffend die Klägerin. Auf Strafanzeige der
Bezirksanwaltschaft Zürich vom 21. Februar 2000 eröffnete die
Staatsanwaltschaft Graubünden am 7. März 2000 ein Strafverfahren wegen
Geldwäscherei gegen den Beklagten und dehnte dieses Verfahren im Frühjahr
2001 auf den Tatbestand der Veruntreuung aus. Das Strafverfahren wurde in
der Folge im November 2002 teilweise eingestellt; im Übrigen wurde der
Beklagte am 30. Oktober 2003 vom Bezirksgerichtsausschuss

Maloja freigesprochen; der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
bestätigte dieses Urteil am 9. Juni 2004.

  Am 14. Mai 2002 stellte die Klägerin beim Vermittleramt des Kreises
Oberengadin folgende Rechtsbegehren:

   "1. Der Beklagte sei unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter
       zur Bestrafung nach Art. 292 StGB zu verpflichten, der Klägerin
       umfassend Rechenschaft über seine Tätigkeit als Beauftragter der
       Klägerin abzugeben und insbesondere sämtliche Aufzeichnungen, Bücher
       und Belege herauszugeben, welche über die von ihm im Zusammenhang mit
       der Verwaltung des Vermögens der Klägerin bezogenen Honoraransprüche
       und Provisionen (Retrozessionen), über sämtliche vom Beklagten
       getätigten Barbezüge und weitere erhaltene Vermögenswerte sowie über
       deren Verwendung, umfassend Aufschluss zu geben.

    2. Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin sämtliche von ihm
       im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Beauftragter der Klägerin
       vereinnahmten Provisionen (Retrozessionen) der Bank X., der Bank Y.
       sowie der Bank Z., alle Niederlassungen in St. Moritz, herauszugeben
       und es sei der Beklagte überdies zu verpflichten, der Klägerin
       sämtliche von ihm als Beauftragter der Klägerin erlangten
       Vermögenswerte, über deren auftragsgemässe Verwendung und/oder
       Weiterleitung der Beklagte keine Rechenschaft ablegen kann,
       zurückzuerstatten bzw. zu bezahlen, und zwar in der Höhe des nach
       erfolgter Rechenschaftsablegung des Beklagten festgestellten
       Herausgabeanspruchs der Klägerin, mindestens jedoch in der Höhe von
       Fr. 1'392'500.-, zuzüglich Zins ab Datum der Klageeinleitung an".

  Die Klägerin erhöhte ihre Forderung in der Folge auf Fr. 2'783'873.28.

  Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und verlangte
widerklageweise noch ein Honorar für seine Verwaltungstätigkeit von Februar
2000 bis Februar 2001 in Höhe von Fr. 565'000.-.

  B.- Das Bezirksgericht Maloja wies die Klage mit Urteil vom 3. November
2004 ab. Die Widerklage wurde gutgeheissen und die Klägerin/Widerbeklagte
verpflichtet, dem Beklagten/Widerkläger Fr. 565'000.- zuzüglich 5 % Zins
seit 4. Juli 2002 zu bezahlen. Das Gericht kam zum Schluss, der Beklagte
habe den wirtschaftlich Berechtigten regelmässig über seine
Verwaltungstätigkeit informiert, die vorhandenen Akten seien im
Strafverfahren beschlagnahmt worden und ständen der Klägerin zur Verfügung,
weshalb eine erneute Rechenschaftslegung des Beklagten nicht geschuldet sei.
Das Gericht stellte sodann fest, die Parteien seien sich über die
Entgeltlichkeit des Auftrags zur Vermögensverwaltung einig; da keine der
Parteien eine Vereinbarung über die Höhe des Entgelts beweisen konnte,
setzte das Gericht die Entschädigung nach Verkehrsübung

auf 0.5 % des verwalteten Vermögens pro Jahr fest und schloss, die dem
Beklagten von Banken ausgerichteten Retrozessionen ständen ihm gemäss
Branchenübung und der mit B. stillschweigend getroffenen Vereinbarung zu.
Das Bezirksgericht kam sodann zum Schluss, dass der Verwaltungsauftrag des
Beklagten auch für die Zeit von Februar 2000 bis Februar 2001 weiterhin
bestand und sprach ihm dafür den in der Widerklage begehrten Betrag zu.

  Das Kantonsgericht von Graubünden wies die von der Klägerin gegen dieses
Urteil erhobene Berufung am 23. Mai 2005 ab. Das Gericht hielt zunächst
fest, die Klägerin habe ihr Rechtsbegehren auf Rechenschaftsablegung nicht
mehr erneuert, weshalb darüber nicht mehr zu befinden sei; auch sei die
nachträgliche Zeugeneinvernahme von Dr. E. zu Recht erfolgt. Das Gericht
verneinte sodann die Pflicht des Beklagten zur Herausgabe der Retrozessionen
und Finder's Fees mit der Begründung, die Parteien hätten dies vereinbart;
eventuell habe sie der Beklagte auf eigene Rechnung erhalten und nach Art.
400 Abs. 1 OR daher nicht herauszugeben; schliesslich stehe der
Ablieferungspflicht auch die Verkehrsübung entgegen.

  C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden
sowohl staatsrechtliche Beschwerde wie auch eidgenössische Berufung
eingereicht.

  Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 400 und Art. 6 OR verletzt,
indem sie die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der Retrozessionen
und Finder's Fees abgewiesen habe.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

  4.  Die Klägerin rügt hauptsächlich, die Vorinstanz habe in Verletzung von
Bundesrecht verneint, dass der Beklagte zur Herausgabe der von ihm im Rahmen
der Verwaltung des Vermögens der Klägerin eingenommenen Retrozessionen und
Finder's Fees verpflichtet sei. In der Bankenbranche wird unter Retrozession
der Vorgang bezeichnet, dass eine Bank gestützt auf eine entsprechende
Vereinbarung einem Dritten (insbesondere einem Vermittler im
Vermögensverwaltungs- und Kapitalanlagegeschäft) einen Anteil einer
vereinnahmten Kommission weitergibt (vgl. die Definition bei BOEMLE/GSELL et
al., Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Zürich 2002, S. 903;
EMCH/RENZ/ARPAGAUS, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004, N.1691
S. 553). Die Klägerin versteht unter dem Ausdruck "Finder's Fee" eine
einmalige Entschädigung,

welche der Vermögensverwalter von einer Bank für die Zuführung von neuen
Vermögenswerten bzw. neuer Kunden(gelder) erhält (vgl. HESS, Zur Stellung
des externen Vermögensverwalters im Finanzmarktrecht, AJP 1999 S. 1432;
EMCH/RENZ/ARPAGAUS, a.a.O., N. 1693 S. 554).

  4.1  Auf den Vermögensverwaltungsvertrag finden die auftragsrechtlichen
Regeln Anwendung (BGE 124 III 155 E. 2b S. 161; 115 II 62 E. 1; Urteil
4C.97/1997 vom 29. Oktober 1997, E. 3a, publ. in: SJ 1998 S. 200). Nach Art.
400 Abs. 1 OR ist der Beauftragte schuldig, auf Verlangen jederzeit über
seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge
derselben aus irgendeinem Grund zugekommen ist, zu erstatten. Die
Ablieferungspflicht betrifft nicht nur diejenigen Vermögenswerte, die der
Beauftragte direkt vom Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhält,
sondern auch indirekte Vorteile, die dem Beauftragten infolge der
Auftragsausführung von Dritten zukommen. Der Beauftragte soll durch den
Auftrag - abgesehen von einem allfälligen Honorar - weder gewinnen noch
verlieren; er muss daher alle Vermögenswerte herausgeben, welche in einem
inneren Zusammenhang zur Auftragsausführung stehen; behalten darf er nur,
was er lediglich bei Gelegenheit der Auftragsausführung, ohne inneren
Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, von Dritten erhält (FELLMANN,
Berner Kommentar, N. 115, 117, 127 zu Art. 400 OR; WEBER, Basler Kommentar,
N. 12 zu Art. 400 OR; TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl. 2003, N. 4705
f.). Zu den indirekten Vorteilen, die der Beauftragte herausgeben muss,
zählen beispielsweise Rabatte, Provisionen, Schmiergelder usw. (FELLMANN,
a.a.O., N. 128 und 132 zu Art. 400 OR; WEBER, a.a.O., N. 14 zu Art. 400 OR).
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zuwendung nach dem Willen des Dritten
ausschliesslich dem Beauftragten zugute kommen soll oder nicht (Urteil
4C.125/2002 vom 27. September 2002, E. 3.1; FELLMANN, a.a.O., N. 131 zu Art.
400 OR mit weiteren Hinweisen). Retrozessionen - und wohl regelmässig auch
Finder's Fees, sofern der Beauftragte dem Auftraggeber im Rahmen des
Vertrags geraten hat, die zur Verwaltung überlassenen Vermögenswerte bei
einer bestimmten Bank (neu) zu deponieren (a.M. offenbar DE CAPITANI,
Retrozessionen an externe Vermögensverwalter, Festschrift Jean-Paul
Chappuis, Zürich 1998, S. 29 Ziff. 13) - werden dem Beauftragten
ausgerichtet, weil er im Rahmen des Auftrags bestimmte Verwaltungshandlungen
vornimmt oder veranlasst; sie fallen im Zusammenhang mit der Verwaltung des
Vermögens an und unterliegen

der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR (vgl. EMCH/RENZ/ARPAGAUS,
a.a.O., N. 1694 S. 554; JÖRG/ARTER, Herausgabe- und Rechenschaftspflicht des
unabhängigen Vermögensverwalters, Der Schweizer Treuhänder 2004, S. 297 f.;
HESS, a.a.O., S. 1432; WATTER, Über die Pflichten der Bank bei externer
Vermögensverwaltung, AJP 1998 S. 1177 Rn. 27). Aus BGE 112 III 90 E. 4e S.
97 ergibt sich entgegen der Ansicht der Vorinstanz nichts Gegenteiliges.

  4.2  Die auftragsrechtliche Ablieferungspflicht kann die Hauptpflicht sein
oder eine Nebenpflicht bilden (FELLMANN, a.a.O., N. 151 f. zu Art. 400 OR;
WEBER, a.a.O., N. 10 zu Art. 400 OR). Ob der Auftraggeber auf die
Ablieferung überhaupt oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig
verzichten kann, ist in der Lehre umstritten. Während eine ältere
Lehrmeinung die Pflicht zur Herausgabe im Sinne von Art. 400 OR für zwingend
hält und einen Verzicht auf die Ablieferung erst zulässt, wenn der
Verzichtende weiss, was und wieviel er erlässt (GAUTSCHI, Berner Kommentar,
N. 38 d/f zu Art. 400 OR), wird die Gültigkeit einer Verzichtsvereinbarung
in der neueren Lehre überwiegend bejaht (vgl. WERRO, Commentaire Romand, N.
20 zu Art. 400 OR; FELLMANN, a.a.O., N. 154 zu Art. 400 OR; DE CAPITANI,
a.a.O., S. 27; WATTER, a.a.O., S. 1177 Rn. 27; EMCH/RENZ/ARPAGAUS, a.a.O.,
S. 554; vgl. allerdings WEBER, Basler Kommentar, N. 10/21 zu Art. 400 OR;
differenzierend HOFSTETTER, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne
Auftrag, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/6, Basel 2000, S. 119). Art.
400 OR enthält kein ausdrückliches Verzichtsverbot und es sind auch keine
Gründe erkennbar, welche gegen die dispositive Natur der Ablieferungspflicht
sprechen. Mit der überwiegenden neueren Lehre ist daher grundsätzlich die
Gültigkeit einer Vereinbarung zu bejahen, wonach der Auftraggeber auf die
Ablieferung bestimmter, auch künftig anfallender Werte verzichtet. Immerhin
ergeben sich Schranken aus der eigentlichen Fremdnützigkeit des Auftrags,
welche durch eine entsprechende Vereinbarung nicht aufgehoben werden kann
(vgl. FELLMANN, a.a.O., N. 154 zu Art. 400 OR). Die Fremdnützigkeit als
solche wird zwar nicht berührt, wenn die Ablieferung von Einnahmen wie sog.
Retrozessionen im Vermögensverwaltungsvertrag eine Nebenpflicht bildet und
dem Beauftragten dadurch im Ergebnis ein - zusätzliches - Entgelt für seine
Tätigkeit zukommen soll. Die Pflicht zur Ablieferung bildet aber auch hier
ein zentrales Element der Fremdnützigkeit des Auftrags und ist mit der
Rechenschaftspflicht des Beauftragten so eng verbunden, dass sie als deren
Folge erscheint

(vgl. BGE 110 II 181 E. 2 S. 182; GUHL/SCHNYDER, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, S. 553 Rz. 20). Von der Lehre wird daher
zutreffend verlangt, dass der Auftraggeber über zu erwartende Retrozessionen
vollständig und wahrheitsgetreu informiert sein muss, und dass sein Wille,
auf deren Ablieferung zu verzichten, aus der Vereinbarung entsprechend klar
hervorgehen muss (EMCH/RENZ/ARPAGAUS, a.a.O., S. 554 f.; DE CAPITANI,
a.a.O., S. 27; vgl. auch LOMBARDINI, Droit bancaire suisse, Zürich 2002, S.
506). Diese Anforderung rechtfertigt sich zusätzlich aus der Erwägung, dass
eine solche Vereinbarung zu Interessenkonflikten führen kann, da durch (zu)
häufige Transaktionen ein nennenswertes Zusatzeinkommen erzielt werden kann
(zum sog. Churning vgl. WATTER, a.a.O., S. 1177).

  4.3  Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, wenn sie annimmt, ein
Verzicht auf die Ablieferung von im Rahmen der Vermögensverwaltung
anfallenden Retrozessionen ergebe sich auch daraus, dass entsprechende
Vereinbarungen als üblich gelten könnten. Nach der Feststellung im
angefochtenen Urteil leiten 81 % der Vermögensverwalter Retrozessionen nicht
an ihre Kunden weiter und bestehen 28.5 % ihrer Einnahmen aus
Retrozessionen. Aus der allgemeinen tatsächlichen Verbreitung der
Einbehaltung von Retrozessionen allein kann weder in Bezug auf den Grundsatz
noch die Höhe derartiger Einnahmen eine übliche Vergütung nach Handels- oder
Ortsgebrauch im Sinne von Art. 394 Abs. 3 OR abgeleitet werden (vgl. BGE 120
V 515 E. 4b/bb S. 520). Abgesehen davon, dass die entsprechenden Einnahmen
von der Art und Häufigkeit von Vermögenstransaktionen abhängen, bildet die
Vereinbarung über die Einbehaltung der umstrittenen Retrozessionen und
ähnlicher Einnahmen keine Honorarabrede, auch wenn damit im Ergebnis die
Entschädigung des Vermögensverwalters für seine Tätigkeit erhöht wird. Denn
es kann nicht als üblich unterstellt werden, dass ein Auftraggeber unbesehen
auf Rechenschaft verzichte und mit Einnahmen des Beauftragten einverstanden
sei, deren Ausmass er weder kennen noch kontrollieren kann. Die
Standesregeln des Verbandes Schweizerischer Vermögensverwalter verlangen
denn auch im Gegenteil, dass der Vermögensverwalter gegenüber dem Kunden
sämtliche derartigen Leistungen offen legt und im Vertrag mit dem Kunden
festhält, wem die Rückvergütungen zukommen sollen (EMCH/RENZ/ARPAGAUS,
a.a.O., N. 1694 S. 554; vgl. Art. 10 i.V.m. Art. 7 Anhang B Standesregeln
VSV). Derartige Standesregeln können nach der Rechtsprechung als Ausdruck
einer Berufsübung zur Auslegung

und Ergänzung eines Vertrags beigezogen werden (Urteil 4C.236/1997 vom 31.
Oktober 1997, publ. in: SJ 1998 S. 379, E. 3b mit Verweis auf BERTSCHINGER,
Sorgfaltspflichten des Vermögensverwalters bei Derivaten - Bemerkung zum
Urteil des Bundesgerichts vom 28. Juli 1995 [4C.467/1994] in SZW 1996 S. 240
ff.; vgl. auch FELLMANN, a.a.O., N. 71 zu Art. 396 OR; LOMBARDINI, a.a.O.,
S. 503). Sie stehen hier einer Auslegung entgegen, wonach der Beauftragte
mangels gegenteiliger Absprache die im Rahmen der Vermögensverwaltung
eingenommenen Retrozessionen nicht abliefern müsse. Es bedarf einer
Vereinbarung der Parteien, aus der sich der Wille des informierten Mandanten
eindeutig ergibt, auf die Ablieferung der dem Mandatar im Rahmen des
Auftrags bezahlten Retrozessionen (ganz oder teilweise) zu verzichten.

  4.4  Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall eine entsprechende
Vereinbarung bejaht. Die Vorinstanz erwog zunächst in Würdigung der Beweise,
dass auf die widersprüchliche Aussage des an der Klägerin wirtschaftlich
Berechtigten B. (über die konkrete Kenntnis bzw. Unkenntnis von bezogenen
Retrozessionen und Finder's Fees) nicht abgestellt werden könne. Die
Vorinstanz stellte hingegen auf die Aussage des Stiftungsratspräsidenten der
Klägerin (Dr. E.) ab. Aus dem Umstand, dass der Stiftungsratspräsident
wusste, dass Retrozessionen und Finder's Fees an den Beklagten bezahlt
wurden, könne - so die Vorinstanz - nur geschlossen werden, dass "sich die
Parteien stillschweigend, aber zumindest durch konkludentes Handeln darüber
einig waren, dass die Retrozessionen und Finder's Fees beim Beklagten
verbleiben sollen." Die Vorinstanz hat angenommen, dass der Beklagte
angesichts sämtlicher Umstände davon ausgehen durfte, die Klägerin sei damit
einverstanden gewesen, dass der Beklagte die Entschädigungen behalte, zumal
sie Stillschweigen bewahrte.

  Die Vorinstanz erwog sodann in Anlehnung an die Begründung der ersten
Instanz, dass der wirtschaftlich Berechtigte B. durch sein Stillschweigen
betreffend die (allgemeine) Geschäftsabwicklung der Klägerin, "wozu auch die
ihm allgemein bekannte Usanz der Auszahlung von Retrozessionen und Finder's
Fees zählt", sein Einverständnis erklärte; denn ohne das Vorliegen einer
solchen "Einigung" wäre nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin trotz
Kenntnis des Bezugs von Retrozessionen und Finder's Fees nicht
eingeschritten sei; ausserdem deute eine Besprechungsnotiz des Beklagten
darauf hin, dass zwischen dem wirtschaftlich Berechtigten der Klägerin (B.)
und dem Beklagten sogar ausdrücklich vereinbart worden sei, dass

dem Beklagten auch die Kommissionen als Honorar verbleiben sollten. Die
Vorinstanz leitete jedoch aus diesen Feststellungen nichts ab und traf
insbesondere keine Feststellungen über eine allfällige Befugnis des
wirtschaftlich Berechtigten zur Vertretung der Klägerin bzw. zur Genehmigung
ihrer Geschäfte. Sie hielt es vielmehr für das zwischen den Parteien
geltende Vertragsverhältnis für letztlich belanglos, ob die wirtschaftlich
berechtigten Personen der (Nicht-)Ablieferung von Retrozessionen und
Finder's Fees zugestimmt hätten oder nicht.

  Die Vorinstanz erwog schliesslich, dass der damalige
Stiftungsratspräsident der Klägerin (Dr. E.) zwar nicht um die konkrete Höhe
der Auszahlungen, aber immerhin darum gewusst habe, dass solche Auszahlungen
in der Schweiz üblich seien; ausserdem sei ihm die Grössenordnung der
verwalteten Vermögenswerte bekannt gewesen; ebenso sei er über deren Stand
per Ende Jahr jeweils informiert worden und habe Kenntnis vom konkreten
Verwaltungshonorar gehabt; folglich habe er auch die Höhe der Retrozessionen
und Finder's Fees "fassbar abschätzen" können.

  4.5  Das von der Vorinstanz festgestellte Wissen des Organs der Klägerin
über die Grössenordnung der vom Beklagten eingenommenen Retrozessionen und
Finder's Fees genügt nicht für einen rechtswirksamen Verzicht auf
Rechenschaftslegung und Ablieferung mit dem die Herausgabepflicht nach Art.
400 Abs. 1 OR wegbedungen wird. Die von der Vorinstanz festgestellte
Schätzbarkeit der Höhe der Retrozessionen aufgrund der Grössenordnung des
verwalteten Vermögens, des vereinbarten Verwaltungshonorars und der
Üblichkeit solcher Einnahmen vermittelte der Klägerin keine hinreichend
genaue Kenntnis über die tatsächlich anfallenden Retrozessionen und Finder's
Fees; denn diese hängen von weiteren Faktoren wie insbesondere der Anzahl
getätigter Geschäfte und der Vereinbarung über die Höhe derartiger
Entschädigungen an den Vermögensverwalter durch Dritte ab. Über die genaue
Höhe der konkreten Einnahmen des Beklagten hatte die Klägerin (bzw. ihr
Stiftungsratspräsident) nach den Feststellungen der Vorinstanz keine
Kenntnis. Auch wenn daher der Beklagte wusste, dass dem
Stiftungsratspräsidenten als Organ der Klägerin die Üblichkeit derartiger
Entschädigungen bekannt war und dass er um die Grössenordnung des
verwalteten Vermögens wusste, durfte er nach Treu und Glauben aus dem
blossen Stillschweigen der Klägerin bzw. deren Organe nicht ableiten, er sei
von der Rechenschaftsablegung und Ablieferung der ihm im

Rahmen der Verwaltung des Vermögens der Klägerin von Dritten bezahlten
Retrozessionen und ähnlichen Einnahmen befreit. Angesichts der Bedeutung der
Rechenschaftspflicht für den fremdnützigen Auftrag hätte es vielmehr dem
Beklagten oblegen, die Klägerin bzw. deren zuständige Organe über die
konkret anfallenden Retrozessionen und Finder's Fees in Kenntnis zu setzen.
Ohne ausdrückliche und eindeutige Verzichtserklärung der Klägerin auf
Rechenschaftslegung und Ablieferung hätte sich der Beklagte zumindest
vergewissern müssen, dass die Auftraggeberin ihm die im Rahmen der
Vermögensverwaltung anfallenden Einnahmen als zusätzliche Entschädigung für
seine Tätigkeit in Kenntnis der konkreten Vereinbarung mit den Banken über
deren Höhe sowie der mutmasslichen Häufigkeit der entschädigungspflichtigen
Transaktionen überlassen wollte. Aus dem blossen Stillschweigen der Klägerin
durfte der Beklagte nach den im angefochtenen Urteil festgestellten
Umständen nicht auf einen Verzicht der Klägerin auf Herausgabe dieser der
Klägerin zustehenden Einnahmen schliessen.

  4.6  Die Vorinstanz hat bundesrechtswidrig angenommen, dass die
umstrittenen Retrozessionen nicht der Ablieferungspflicht gemäss Art. 400 OR
unterfallen und bundesrechtswidrig aus dem blossen Stillschweigen der
Auftraggeberin geschlossen, dass der Beauftragte nach Treu und Glauben davon
ausgehen durfte, die Klägerin sei mit der Nicht-Ablieferung von
Retrozessionen und ähnlichen im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallender
Entschädigungen einverstanden. Die Berufung ist in diesem Punkt begründet.
Da dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen darüber zu entnehmen sind,
welche Beträge aus welchen Rechtsgeschäften der Beklagte im Zusammenhang mit
der Verwaltung des Vermögens der Klägerin von Dritten eingenommen hat, ist
das angefochtene Urteil entsprechend dem Eventualantrag der Klägerin
aufzuheben. Die Sache ist zur Ergänzung der massgebenden Feststellungen im
Rahmen der rechtsgenügenden Vorbringen in diesem Punkt und zu neuem
Entscheid im Rahmen der prozessual zulässigen Rechtsbegehren gemäss den
vorstehenden Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1
OG).