Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 268



Urteilskopf

132 III 268

  32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Bank X. gegen A.
(Berufung)
  4C.292/2005 vom 23. November 2005

Regeste

  Art. 9 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 2 GestG; Begriff des Konsumentenvertrages
im Sinne von Art. 22 Abs. 2 GestG; Zweck der Bestimmung; Auslegung einer in
den AGB einer Bank enthaltenen Gerichtsstandsklausel nach dem
Vertrauensprinzip.

  Schutzzweck und Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 2 GestG (E. 2.2.2 und
2.2.3).

  Anwendbarkeit von Art. 22 Abs. 2 GestG bei Bankgeschäften (E. 2.2.4)?
  Auslegung der umstrittenen Gerichtsstandsklausel nach dem
Vertrauensprinzip (E. 2.3.2).

  Bedeutung der in einer Gerichtsstandsklausel verwendeten Bezeichnung "Sitz
der Bank" (E. 2.3.3-2.3.5).

Sachverhalt

  A.- A. (Kläger und Berufungsbeklagter) ist seit vielen Jahren im Bereich
der professionellen Vermögensverwaltung tätig und Gründer der B. AG. Am 19.
September 2000 eröffnete der Kläger bei der Bank X. Genf (Beklagte und
Berufungsklägerin), der Schweizer Tochter des Bankenkonzerns X.L., ein
Konto/Depot. Mit dem Antrag auf Kontoeröffnung unterzeichnete der Kläger
gleichzeitig auch die entsprechenden AGB der Beklagten, ein Mandat für die
Treuhandverwaltung von Anlagen sowie einen Pfandvertrag.

  Mit Kaufvertrag vom 25. September 2000 und nachfolgend ausgeübter Option
veräusserte der Kläger die Aktien der B. AG an die Beklagte. Die Beklagte
überwies den Kaufpreis auf das Konto/Depot des Klägers. Die Parteien
diskutierten in der Folge über einen Rückkauf der Aktien der B. AG und
unterzeichneten am 2. April 2004 diesbezüglich eine "lettre d'intention".
Die Beklagte sieht darin einen verbindlichen Kaufvertrag, während der Kläger
von einer Absichtserklärung ausgeht. Die Beklagte verlangt vom Kläger
Schadenersatz wegen Nichterfüllung des behaupteten Kaufvertrags über die
Rückübertragung der Aktien der B. AG. Ausserdem leitet die Beklagte eine
Forderung gegen den Kläger aus einer von ihr der C. AG abgegebenen Garantie
ab. Für beide Forderungen macht die Beklagte gestützt auf die
Pfandvereinbarung vom 19. September 2000 ein Pfandrecht geltend. Im Juli
2004 blockierte sie das klägerische Konto/Depot.

  B.- Am 16. Dezember 2004 gelangte der Kläger an das Handelsgericht des
Kantons Zürich mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, die
verfügte Sperre auf dem Wertschriftendepot Nr. 0000 innert 24 Stunden nach
Rechtskraft des Urteils aufzuheben und das Depot vollumfänglich freizugeben.

  Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit mit der Begründung, die
Parteien hätten in sämtlichen Verträgen den Gerichtsstand Genf vereinbart.
Im Aktienkaufvertrag vom 25. September 2000 hatten die Parteien Folgendes
festgehalten:

   "In the event of a dispute between the parties relating to the validity,
    interpretation or implementation of this agreement or resulting
    therefrom, each party will endeavour to settle the matter amicably.
    Should an amicable solution not have been reached two months after the
    dispute has

    been raised by one party, each party will be free to bring the case
    before the Courts of the Canton of Geneva to which the parties hereby
    irrevocably submit."

  Das am 19. September 2000 unterzeichnete Mandat für Treuhandanlagen
enthält folgende (fettgedruckte) Klausel: "Ausschliesslicher Gerichtsstand
für alle Rechtsverfahren ist Genf". Die Pfandurkunde vom 19. September 2000
sieht Folgendes vor: "Für jede Anfechtung sind ohne Vorbehalt des Wohnsitzes
der Parteien die Gerichte des Kantons Genf zuständig". Die am 19. September
2000 unterzeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sahen
als ausschliesslichen Gerichtsstand Genf vor. Die AGB der Beklagten vom März
2002 bestimmen schliesslich: "[...] Gerichtsstand ist der Ort des Sitzes der
Bank."

  C.- Mit Beschluss vom 9. Juni 2005 wies das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten ab. Das Gericht kam zum
Schluss, die aktuelle Fassung der AGB der Beklagten enthalte einen
Gerichtsstand am Ort der Zürcher Niederlassung.

  D.- Die Beklagte beantragt mit Berufung, der Beschluss des Handelsgerichts
sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht einzutreten. Sie rügt, die
Vorinstanz habe bundesrechtliche Zuständigkeitsbestimmungen verletzt, indem
sie bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip vom klaren Wortlaut der
Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 9 GestG abgewichen sei.

  Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht, können die Parteien für
einen bestehenden oder für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus
einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren. Geht aus
der Vereinbarung nichts anderes hervor, so kann die Klage nur am
vereinbarten Gerichtsstand angehoben werden (Art. 9 Abs. 1 GestG [SR 272]).

  2.1  Die Vorinstanz hat die Gerichtsstandsvereinbarung in den AGB der
Beklagten vom März 2002 als massgebend erachtet, die Folgendes bestimmt:
"Erfüllungsort, Betreibungsort für Kunden mit Domizil im Ausland und
Gerichtsstand ist der Ort des Sitzes der Bank." Sie kam zum Schluss, dass
der Kläger nach Treu und Glauben als "Sitz" den Ort der Zweigniederlassung
Zürich habe verstehen dürfen.

Die Beklagte - deren Sitz unbestritten in Genf liegt - rügt, die Vorinstanz
habe damit die Klausel bundesrechtswidrig entgegen dem klaren Wortlaut
ausgelegt.

  2.2  Der Kläger macht in der Antwort zunächst wie schon vor der Vorinstanz
geltend, Art. 21 und 22 GestG sähen für die hier umstrittenen Verträge eine
Regelung vor, welche zur Ungültigkeit der in den Vereinbarungen vom 19. und
25. September 2000 enthaltenen Gerichtsstandsklauseln führe. Die Vorinstanz
hat verneint, dass die umstrittenen Verträge als Konsumentenverträge zu
qualifizieren sind; sie hat daher die Gerichtsstandsbestimmung gemäss AGB
2002 der Beklagten unbesehen um Art. 21 f. GestG als gültig erachtet.

  2.2.1  Nach Art. 39 GestG bestimmt sich die Gültigkeit einer
Gerichtsstandsvereinbarung nach bisherigem Recht, wenn sie vor Inkrafttreten
dieses Gesetzes getroffen worden ist. Das GestG ist am 1. Januar 2001 und
somit nach dem Abschluss der umstrittenen Gerichtsstandsvereinbarung im
September 2000 in Kraft getreten; insofern stehen Art. 21 f. GestG der
Gültigkeit nicht entgegen (vgl. DASSER, in: Müller/Wirth [Hrsg.],
Gerichtsstandsgesetz, Zürich 2001, N. 6 ff. zu Art. 39 GestG; REETZ, in:
Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Bundesgesetz über den Gerichtsstand in
Zivilsachen [GestG], Basel 2001, N. 6 ff., insb. N. 8 zu Art. 39 GestG).
Immerhin gilt eine altrechtlich gültige Gerichtsstandsvereinbarung nur
insoweit weiter, als nach Inkrafttreten des GestG keine Vertragsanpassung
erfolgt ist, wozu auch die Zustellung neuer allgemeiner Geschäftsbedingungen
zählt (WALTHER, in: Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.],
Gerichtsstandsgesetz, Bern, 2005, N. 9 zu Art. 39 GestG; KOLLER-TUMLER,
E-Banking und Konsumentenschutz, in: Wiegand [Hrsg.], Berner Bankrechtstag
2001, S. 177). Die Beklagte hat im Jahre 2002 und damit nach Inkrafttreten
des GestG ihre AGB neu formuliert und diese AGB 2002 dem Kläger zugestellt.
Es ist somit nach Inkrafttreten des GestG eine Vertragsanpassung erfolgt.
Die Vorinstanz hat die Vereinbarkeit der - in den AGB 2002 der Beklagten neu
formulierten - Gerichtsstandsklausel zu Recht materiell auf ihre
Vereinbarkeit mit Art. 21 f. GestG geprüft.

  2.2.2  Als Konsumentenverträge gelten nach Art. 22 Abs. 2 GestG Verträge
über Leistungen des üblichen Verbrauchs, die für die persönlichen oder
familiären Bedürfnisse des Konsumenten oder der Konsumentin bestimmt sind
und von der anderen Partei im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen
Tätigkeit angeboten werden.

Der Verbraucher- oder Konsumentenvertrag lässt sich nicht in das übliche
Schema der Vertragsarten eingliedern. Entscheidend ist vielmehr, dass der
Vertrag zwischen einem gewerbsmässigen Anbieter und einem Verbraucher
geschlossen wird, zu dessen privaten Bedarf die vertragliche Leistung
bestimmt ist. Für die Umschreibung des Konsumentenvertrags ist daher der
besondere Schutzzweck der im Interesse des Konsumenten erlassenen Bestimmung
massgebend (BGE 121 III 336 E. 5d mit Hinweisen). Insofern ist im
Gerichtsstandsgesetz aus Gründen des Sozialschutzes neu ein allgemeiner
Klägergerichtsstand eingeführt worden (Art. 22 Abs. 1 lit. a GestG; BRUNNER,
in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Bundesgesetz über den Gerichtsstand in
Zivilsachen, Basel 2001, N. 3 zu Art. 22 GestG; WALTHER, a.a.O., N. 1, 7 ff.
zu Art. 22 GestG; GROSS in: Müller/Wirth [Hrsg.], a.a.O., N. 25 f. zu Art.
22 GestG). Der Anwendungsbereich ist eng zu verstehen, denn der Sozialschutz
beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers ausschliesslich auf private
Abnehmer und auf Leistungen des üblichen Bedarfs (BRUNNER, a.a.O., N. 5 ff.
zu Art. 22 GestG; GROSS, a.a.O., N. 28 zu Art. 22 GestG; WALTHER, a.a.O., N.
12 f. zu Art. 22 GestG).

  2.2.3  Die Anwendung des teilzwingenden Gerichtsstandes gemäss Art. 21
Abs. 1 lit. a GestG hängt nach dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 GestG davon
ab, dass der Vertrag "Leistungen des üblichen Verbrauchs" zum Gegenstand
hat. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte damit der
Konsumenten-Gerichtsstand eingeschränkt werden auf Verträge, deren
Gegenstand den Rahmen des üblichen Konsums nicht sprengt und es sollten auch
für private Abnehmer insbesondere Verträge ausgeschlossen werden, die
Investitionen zum Gegenstand haben (DONZALLAZ, Commentaire de la loi
fédérale sur les fors en matière civile, Bern 2001, N. 48 zu Art. 22 GestG;
GROSS, a.a.O., N. 66 f., 109 ff. zu Art. 22 GestG; WALTHER, a.a.O., N. 19 zu
Art. 22 GestG; BRUNNER, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 22 GestG). Für die
zuständigkeitsbestimmende Voraussetzung der Üblichkeit des Konsums sind
praktikable Richtlinien anzustreben, die sich etwa an der Art des Geschäfts
orientieren (DONZALLAZ, a.a.O., N. 48, 53 zu Art. 22 GestG; KOLLER-TUMLER,
a.a.O., S. 174; GROSS, a.a.O., N. 66 f., 134 f. zu Art. 22 GestG). Immerhin
kann der übliche Bedarf - soll die gesetzgeberische Intention nicht durch
eine ausdehnende Interpretation unterlaufen werden - nicht unbesehen des
Wertes des Vertragsgegenstandes bestimmt werden (GROSS, a.a.O., N. 126 f. zu
Art. 22 GestG; vgl. auch KOLLER-TUMLER, a.a.O.,

S. 175). Für Verträge über Finanzdienstleistungen ist daher nicht allein
nach der Art und dem Zweck des Geschäfts zu beurteilen, ob eine Leistung des
üblichen Bedarfs vorliegt. Vielmehr ist auch das Geschäftsvolumen von
Bedeutung (vgl. GROSS, a.a.O., N. 175 ff. zu Art. 22 GestG). Schliesslich
kann von den Umständen des Einzelfalles nicht abgesehen werden für die
Beurteilung, ob ein Geschäft den Rahmen des üblichen Bedarfs sprengt (vgl.
wohl etwas zu weitgehend WALTHER, a.a.O., N. 34 f. zu Art. 22 GestG).

  2.2.4  Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, wenn er vorbringt, für die
Qualifikation eines Konsumentenvertrags im Sinne von Art. 22 Abs. 2 GestG
sei allein entscheidend, ob er im Verhältnis zur Beklagten (gewerbsmässige
Anbieterin) als Konsument zu qualifizieren sei. Die Vorinstanz hat vielmehr
bundesrechtskonform geprüft, ob das umstrittene Vertragsverhältnis sich noch
im Rahmen des üblichen Gebrauchs bzw. Bedarfs hält oder ob es insbesondere
einer Investition oder der Geldanlage dient, welche diesen Rahmen sprengt.
Sie hat festgestellt, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben einen
namhaften Betrag in Wertschriften und flüssigen Mitteln hinterlegt hatte,
die er nach Möglichkeit zu erhalten und zu verwalten beabsichtige. Sie hat
insbesondere deshalb geschlossen, der Gegenstand der Vertragsleistung halte
sich nicht mehr im Rahmen eines üblichen Gebrauchs im Sinne von Art. 22 Abs.
2 GestG, weil die dadurch gezogene wertmässige Schranke überschritten sei
und auch die Umstände der Depoteröffnung und der Vertragsabwicklung gegen
einen Vertrag im Rahmen des üblichen Geschäftsganges eines Privathaushaltes
sprächen. Die Dienstleistungen der Beklagten, die nach den Bemerkungen des
Klägers in der Konto- und Depotführung sowie der Abwicklung des Zahlungs-
und Wertschriftenverkehrs bestehen, schliessen zwar ihrer Art nach einen
Vertrag im Sinne von Art. 22 Abs. 2 GestG nicht aus. Sie haben jedoch
angesichts des Volumens sowie der Herkunft der Mittel (aus dem Verkauf des
Unternehmens des Klägers an die Beklagte) nicht den üblichen Verbrauch zum
Gegenstand, auf den sich der auf Sozialschutzüberlegungen beruhende
Konsumentengerichtsstand gemäss Art. 22 GestG beschränkt. Die Vorinstanz hat
die Anwendbarkeit des gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a GestG teilzwingenden
Konsumentengerichtsstandes auf die umstrittene Konto-Sperre zutreffend
verneint.

  2.3  Die Gerichtsstandsklausel lautet in der hier massgebenden Fassung der
AGB 2002 der Beklagten wie folgt: "(...) Gerichtsstand ist der Ort des
Sitzes der Bank."

  2.3.1  Die Vorinstanz ist zwar davon ausgegangen, dass "Sitz der Bank"
Genf sei. Sie hat jedoch festgestellt, dass die Beklagte im Jahre 2002 die
Formulierung der Gerichtsstandsklausel in ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen geändert hat; während zuvor ausdrücklich der
Gerichtsstand "Genf" aufgeführt wurde, sei die weniger eindeutige
Bezeichnung des Sitzes neu verwendet worden, was eine gewisse Unklarheit
geschaffen habe; die hinsichtlich des Gerichtsstandes neu formulierten AGB
seien gleichzeitig mit der Neueröffnung der Niederlassung der Beklagten in
Zürich im Dezember 2002 den Kunden zugestellt worden; der Kläger habe
bereits im Oktober 2002 sein Depot und sein Konto auf die Zweigniederlassung
der Beklagten in Zürich übertragen. Die Vorinstanz schloss, der Kläger habe
angesichts dieses zeitlichen Zusammenhangs davon ausgehen dürfen, dass der
Begriff "Sitz der Bank" entgegen dem Wortlaut sowohl den Hauptsitz als auch
die Zweigniederlassung erfasse; der Schluss habe nahe gelegen, dass die
Änderung der Gerichtsstandsklausel mit der Gründung der Zweigniederlassung
im Zusammenhang stand und die Beklagte damit einen Gerichtsstand am Ort der
Zweigniederlassung begründen wollte, zumal sowohl das Gesetz in Art. 935 OR
wie auch der Handelsregisterauszug den Ort der Niederlassung als "Sitz"
bezeichneten.

  Die Beklagte bestreitet, mit der Neuformulierung eine Unklarheit
geschaffen zu haben. Sie weist darauf hin, dass es sich beim Kläger überdies
um eine geschäftserfahrene Person handelt, der seit Jahren erfolgreich im
Bereich der professionellen Vermögensverwaltung tätig ist und eine eigene
Aktiengesellschaft gegründet hatte, die er später der Beklagten für über 5
Millionen CHF verkauft habe.

  2.3.2  Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes gründet auf der
übereinstimmenden Willenserklärung der Parteien (BERGER, in: Kellerhals/von
Werdt/Güngerich [Hrsg.], a.a.O., N. 14 zu Art. 9 GestG; WIRTH, in:
Müller/Wirth [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Zürich 2001, N. 32 ff. zu Art. 9
GestG; DONZALLAZ, a.a.O., N. 65 zu Art. 9 GestG). Für die Auslegung dieser
Vereinbarung ist wie für diejenige anderer Verträge zunächst massgebend, was
die Parteien tatsächlich übereinstimmend gewollt haben (vgl. BGE 123 III 35
E. 2b). An die Feststellung des tatsächlichen Parteiwillens ist das
Bundesgericht im Berufungsverfahren gebunden (BGE 126 III 26 E. 3c). Hat das
kantonale Gericht wie hier einen wirklichen Willen nicht feststellen können,
beurteilt sich nach dem Vertrauensprinzip, welchen Inhalt

eine Willenserklärung hat (BGE 128 III 265 E. 3a). Die Erklärung ist danach
so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den
gesamten Umständen nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste
(BGE 130 III 686 E. 4.3.1, 417 E. 3.2 S. 424, je mit Hinweisen). Dabei
handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüft,
wobei es an die vorinstanzlichen Feststellungen zu den tatsächlichen
Umständen des Vertragsschlusses gebunden ist (BGE 130 III 417 E. 3.2 S.
425).

  2.3.3  Für das Zustandekommen einer Prorogation ist erforderlich, dass die
Parteien hinreichend klar bestimmen, welches Gericht sie als zuständig
erklären, damit das angerufene Gericht zweifelsfrei seine Zuständigkeit
feststellen kann (WIRTH, a.a.O., N. 41 ff., 59 ff. zu Art. 9 GestG; BERGER,
a.a.O., N. 18 zu Art. 9 GestG; vgl. auch DONZALLAZ, a.a.O., N. 66 zu Art. 9
GestG). Zwar erscheint nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass eine
Mehrzahl von Gerichtsständen vereinbart wird, welche dem Kläger wahlweise
zur Verfügung stehen sollen. Dass dies jedoch nicht die Regel sein kann,
ergibt sich aus der gesetzlichen Vermutung, wonach mangels gegenteiliger
Vereinbarung die Klage nur am vereinbarten Gerichtsstand angehoben werden
kann (Art. 9 Abs. 1 GestG). Ist aber ohne besondere Umstände nicht
anzunehmen, dass die Parteien eine Mehrzahl von Gerichtsständen vereinbaren
wollten, so kann der Klausel "Sitz der Bank" nicht die Bedeutung zugemessen
werden, dass zusätzlich am "Sitz jeder Niederlassung" ein Gerichtsstand
bestehen soll. Auch kann nicht angenommen werden, mit der Neuformulierung
sei beabsichtigt worden, statt am Sitz der Bank einen Gerichtsstand am
jeweiligen Ort derjenigen Niederlassung zu prorogieren, mit welcher der
Kunde (die hauptsächlichen) Bankbeziehungen unterhält. Denn eine solche
Vereinbarung hätte eindeutiger und klarer formuliert werden müssen. Als
"Sitz der Bank" kann nicht entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung der "Sitz
der Niederlassung" oder der "Sitz einer der Niederlassungen" verstanden
werden.

  2.3.4  Aus dem Umstand, dass die AGB 2002 mit der neu formulierten
Gerichtsstandsklausel dem Kläger ungefähr zur gleichen Zeit zugestellt
wurden, als er sein Konto und Depot auf die neu gegründete Niederlassung
Zürich übertrug, kann nicht abgeleitet werden, der Kläger habe annehmen
dürfen, es gelte nun als prorogierter Gerichtsstand neu der Sitz der
Niederlassung in Zürich, statt wie bisher der Sitz der Bank in Genf. Die
Gerichtsstandsvereinbarung findet sich in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten

und gilt daher als solche nicht nur für den Kläger persönlich, sondern für
alle Kunden der Beklagten, welche die AGB in ihr Vertragsverhältnis
übernommen haben. Auch dem Kläger als Adressaten der Vereinbarung musste
bewusst sein, dass die allgemein formulierte Klausel für eine Vielzahl von
Bankkunden den Gerichtsstand eindeutig bezeichnen soll. Unter diesen
Umständen konnte der Kläger aber aus der zeitlichen Übereinstimmung der
Neueröffnung einer Niederlassung durch die Beklagte, des Transfers seiner
eigenen Beziehung auf diese neu eröffnete Niederlassung und der Zustellung
neuer AGB an ihn nicht auf die Absicht einer Änderung der
Gerichtsstandsvereinbarung schliessen. Der Sitz der Beklagten war und ist
unbestrittenermassen in Genf. Daher bedeutet die rein redaktionelle Änderung
der Ortsbezeichnung "Genf" auf "Sitz der Bank" inhaltlich keine Änderung der
Gerichtsstandsklausel.

  2.3.5  Der BGE 93 I 323 zugrundeliegende Fall ist mit dem vorliegenden
nicht vergleichbar. Dem Entscheid kommt insofern keine präjudizielle
Bedeutung zu. In jenem Fall war der Erfüllungsort ("lieu d'exécution") als
Gerichtsstand bestimmt, der nach der damaligen Parteivereinbarung bzw. den
damaligen AGB mit dem Ort übereinstimmte, wo das Konto geführt wurde. Die
geschäftsunerfahrene Bankkundin - deren Wohnort im Zeitpunkt des Abschlusses
der Vereinbarung mit dem Sitz der Bank übereinstimmte - durfte nach Treu und
Glauben annehmen, dass mit einer Wohnsitzverlegung die Führung ihres Kontos
an den neuen Wohnort übertragen würde und damit auch der Gerichtsstand
ändern werde, zumal die Bank im zitierten Fall eine Vielzahl von
Niederlassungen in der Schweiz gehabt hatte (BGE 93 I 323 E. 5b S. 329). Im
vorliegenden Fall musste der Kläger aber bei gehörig aufmerksamer Lektüre
der neu formulierten Gerichtsstandsvereinbarung erkennen, dass als
Gerichtsstand nicht der "Sitz" irgendeiner Niederlassung der Beklagten -
auch nicht der kontoführenden -, sondern ausdrücklich der "Sitz der Bank"
bestimmt ist. Er konnte und durfte nicht davon ausgehen, dass mit der
redaktionellen Änderung eine inhaltliche verbunden sei, zumal der "Sitz der
Bank" unbestritten Genf ist und daher die Bezeichnung des Sitzes die
örtliche Zuständigkeit genauso eindeutig bezeichnet wie der Name "Genf".