Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 132 III 249



Urteilskopf

132 III 249

  29. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. gegen Y.
(Berufung)
  4C.212/2005 vom 11. Oktober 2005

Regeste

  Art. 46 Abs. 1 VRV; Art. 59 Abs. 2 und 49 Abs. 1 SVG; Unfall auf einer
Strasse ohne Trottoir; Selbstverschulden des nicht links auf der Fahrbahn
gehenden Fussgängers.

  Bedeutung der einzelnen Mitursachen im Rahmen von Art. 59 Abs. 2 SVG;
quotenmässige Aufteilung des Gesamtschadens (E. 3.1).

  Auslegung des in Art. 49 Abs. 1 SVG enthaltenen und in Art. 46 Abs. 1 VRV
konkretisierten Gebots des Linksgehens bei fehlendem Trottoir (E. 3.2 und
3.3).

  Bemessung des Schadenersatzes im Rahmen von Art. 59 Abs. 2 SVG; Festlegung
der Haftungsquote; Gewicht des Selbstverschuldens (E. 3.5).

Sachverhalt

  A.- X. (Kläger, Berufungskläger und Zivilkläger) spazierte am 17. Dezember
2000, um 17.20 Uhr, entlang der rechten Seite der A.-strasse in Richtung B.
Ihm folgte der Zeuge C. Im Bereich der D. näherte sich der von E. kommende
und auf der A.-strasse nach B. fahrende Y. (Beklagter, Berufungsbeklagter
und Angeklagter) in seinem Personenwagen. Er erfasste mit seinem Fahrzeug
den Zivilkläger, der bei dieser Kollision schwer verletzt wurde. Der
Angeklagte hatte den Zivilkläger nicht gesehen und vorerst angenommen, er
habe einen Pfosten gerammt.

  Am 29. Mai 2002 sprach das Bezirksgericht Aarau den Angeklagten schuldig
in folgenden Punkten: der fahrlässigen schweren Körperverletzung gemäss Art.
125 Abs. 2 StGB; der fahrlässigen Führerflucht nach Verkehrsunfall mit
Verletzten gemäss Art. 55 Abs. 1 VRV und Art. 51 Abs. 1 und 2 in Verbindung
mit Art. 92 Abs. 2 SVG und Art. 100 Ziff. 1 SVG; des Führens eines
Personenwagens in nicht betriebssicherem Zustand gemäss Art. 29 in
Verbindung mit Art. 93 Ziff. 2 SVG und Art. 57 Abs. 1 VRV (Dispositiv-Ziffer
2). Der Angeklagte wurde zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten und einer
Busse von Fr. 800.- verurteilt (Dispositiv-Ziffer 3). Es wurde richterlich
festgestellt, dass der Angeklagte für den dem Zivilkläger verursachten
Schaden hafte. Der Entscheid über Schadenshöhe und Schadensmass wurde auf
den Zivilweg verwiesen (Dispositiv-Ziffer 8).

  Das Obergericht des Kantons Aargau hiess am 28. August 2003 die Berufung
des Zivilklägers gut, hob Ziffer 8 des Urteilsdispositivs des
Bezirksgerichts Aarau vom 29. Mai 2002 auf und wies die Sache an das
Bezirksgericht zurück. Das Bezirksgericht Aarau fasste darauf mit Urteil vom
10. März 2004 Ziffer 8 des Urteilsdispositivs vom 29. Mai 2002 neu. Es
stellte richterlich fest, dass der Angeklagte dem Zivilkläger für den
verursachten Schaden vollumfänglich hafte.

  B.- Mit Urteil vom 3. Mai 2005 hiess das Obergericht des Kantons Aargau
die Berufung des Angeklagten teilweise gut und änderte das erstinstanzliche
Urteil dahingehend ab, dass richterlich festgestellt wurde, der Angeklagte
hafte dem Zivilkläger für den verursachten Schaden zu 90 %. Das Gericht
hielt aufgrund der Aussagen für erstellt, dass der Zivilkläger kurz vor der
Kollision auf dem sich verjüngenden, etwa 30 cm breiten Kiesstreifen rechts
der nach B. führenden Strasse spazierte und sich nicht auf, sondern
unmittelbar neben der Fahrbahn und damit am Strassenrand befand, als der
Angeklagte ihn erfasste. Das Gericht würdigte dieses Verhalten als Verstoss
gegen Art. 49 Abs. 1 SVG und lastete es dem Zivilkläger als leichtes
Verschulden an. Selbst wenn er diese Verkehrsregel nicht verletzt hätte,
wäre ihm nach den Erwägungen des Gerichts vorzuwerfen, dass er
zivilrechtlich fahrlässig den im Volksmund bekannten Slogan "links gehen -
Gefahr sehen" nicht beachtet habe; jedenfalls hätte es dem allgemeinen
Sorgfaltsstandard entsprochen, weiter rechts in der nicht sehr hohen, ebenen
Wiese zu gehen, wie dies der Zeuge C. gemäss eigener Aussage getan hatte.

  C.- Mit eidgenössischer Berufung stellt der Zivilkläger das Begehren, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau (3. Strafkammer) vom 3. Mai 2005
sei aufzuheben und es sei in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils
richterlich festzustellen, dass der Angeklagte ihm für den verursachten
Schaden vollumfänglich hafte. Er rügt im Wesentlichen eine Verletzung von
Art. 59 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 44 OR und beanstandet, dass ihm
die Vorinstanz zu Unrecht ein Selbstverschulden vorgeworfen und jedenfalls
die beidseitigen Verschulden falsch abgewogen habe.

  Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

  3.  Der Zivilkläger rügt, die Vorinstanz habe ihm bundesrechtswidrig ein
(Selbst-)Verschulden am Unfall angelastet und damit Art. 59 Abs. 2 SVG bzw.
Art. 44 OR verletzt. Er bestreitet insbesondere, dass ihm eine Verletzung
von Art. 49 SVG vorgeworfen werden könne.

  3.1  Nach Art. 58 Abs. 1 SVG haftet der Halter für den Schaden, wenn durch
den Betrieb seines Motorfahrzeugs ein Mensch getötet oder verletzt oder
Sachschaden verursacht wird. Beweist der Halter, dass ein Verschulden des
Geschädigten beim Unfall mitgewirkt

hat, so bestimmt der Richter gemäss Art. 59 Abs. 2 SVG die Ersatzpflicht
unter Würdigung aller Umstände. Er kann bei dieser Würdigung den Halter im
Unterschied zur allgemeinen Norm des Art. 44 OR von der Haftpflicht nicht
völlig befreien, wenn die Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 1 SVG nicht
vorliegen (BGE 124 III 182 E. 4c S. 185). Im Übrigen ist auch im Rahmen von
Art. 59 Abs. 2 SVG grundsätzlich der Gesamtschaden von 100 % auf die
einzelnen haftpflichtrechtlich relevanten Ursachen zu verteilen, wobei
allerdings über die Methode nicht völlige Einigkeit besteht (vgl. etwa REY,
Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 1331;
SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. II,
Bern 1988, N. 1316 f.). In der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird in der
Regel jeder Mitursache ein Anteil am Gesamtschaden quotenmässig zugewiesen
(vgl. BGE 129 III 65 E. 7.3 S. 70; 113 II 323 E. 1c S. 328; 95 II 573 E. 3
S. 580; vgl. BREHM, Berner Kommentar, 2. Aufl., N. 34 ff. zu Art. 44 OR).
Dieses Vorgehen wird von einem überwiegenden Teil der Lehre befürwortet
(OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl., Zürich
1995, S. 468 ff.; BUSSY/RUSCONI, Code Suisse de la circulation routière, 3.
Aufl., Lausanne 1996, N. 2.2 zu Art. 59 SVG; DESCHENAUX/TERCIER, La
responsabilité civile, 2. Aufl., Bern 1982, § 28 Rz. 29; WERRO, La
responsabilité civile, Bern 2005, N. 1227-1229; ebenso wohl auch
SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 1321). Ein anderer Teil der Lehre geht davon aus,
dass grundsätzlich der kausal Haftpflichtige den gesamten Schaden zu tragen
hat; je nach Art und Mass des Selbstverschuldens des Geschädigten wird ein
Abzug vom vollen Schadenersatz gemacht. Ein zusätzliches Verschulden des
Fahrzeuglenkers (das dem Halter in jedem Fall nach Art. 58 Abs. 4 SVG
anzurechnen ist) fällt bei dieser Methode (nur) insoweit in Betracht, als es
das ersatzmindernde Selbstverschulden des Geschädigten neutralisiert, das
heisst den Abzug wegen Selbstverschuldens reduziert oder aufhebt (so MERZ,
Schweizerisches Privatrecht, Bd. VI/1, Basel 1984, S. 224 f.; KELLER,
Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 6. Aufl., Bern 2002, S. 316 f.;
GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, §
10 N. 74 unter Verweis auf BGE 111 II 429 E. 3 S. 442 ff.; 88 II 131 E. 2 S.
134 ff.). Der Vorinstanz ist beizupflichten, wenn sie mit Verweis auf die in
der Lehre mehrheitlich vertretene Ansicht davon ausgeht, dass der
Gesamtschaden "sektoriell" auf jede der einzelnen erheblichen Mitursachen zu
verteilen sei, wobei sich mit der zunehmenden

Anzahl derartiger haftpflichtrelevanter Ursachen jeder einzelne Anteil
entsprechend verringert. Denn den einzelnen Mitursachen kann im Rahmen von
Art. 59 Abs. 2 SVG (Art. 44 Abs. 1 OR) nicht unbesehen der konkreten
Umstände allein aus ihrer haftpflichtrechtlichen Begründung grössere oder
geringere Bedeutung beigemessen werden. Auch diese quotenmässige Aufteilung
des Gesamtschadens schliesst aber nicht aus, einer sehr untergeordneten
Ursache (namentlich einem sehr leichten Selbstverschulden) eine derart
geringe Quote zuzuordnen, dass sie praktisch unbeachtet zu bleiben hat (vgl.
BREHM, a.a.O., N. 35 f. zu Art. 44 OR).

  3.2  Die Vorinstanz hat das Selbstverschulden des Zivilklägers mit der
Verletzung von Art. 49 Abs. 1 SVG begründet. Nach dieser Bestimmung müssen
Fussgänger die Trottoirs benützen. Wo solche fehlen, haben sie am
Strassenrand und, wenn besondere Gefahren es erfordern, hintereinander zu
gehen ("A défaut de trottoir, ils longeront le bord de la chaussée et, si
des dangers particuliers l'exigent, ils circuleront à la file."/"In mancanza
di questi [sc. marciapiedi] essi [sc. pedoni] devono tenersi sul margine
della strada e, se è richiesto da particolari pericoli, circolare in fila
indiana."). Wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen, haben sie sich an
den linken Strassenrand zu halten ("sur le bord gauche de la chaussée"/"sul
margine sinistro della strada"), namentlich ausserorts in der Nacht. Diese
Bestimmung wird in Art. 46 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13.
November 1962 (VRV; SR 741.11) konkretisiert. Nach Art. 46 Abs. 1 VRV haben
die Fussgänger auf der Fahrbahn ("la chaussée"/"sulla carreggiata") rechts
statt links zu gehen, "wenn sie nur dort die Möglichkeit zum Ausweichen
haben oder wenn sie ein Fahrzeug, ausgenommen einen Kinderwagen, mitführen.
Sie vermeiden ein häufiges Wechseln der Strassenseite." Strassen sind nach
Art. 1 Abs. 1 VRV die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder
Fussgängern benutzten Verkehrsflächen. Der dem Fahrverkehr dienende Teil der
Strasse ist nach Art. 1 Abs. 4 VRV die Fahrbahn ("la chaussée"/"la
carreggiata"). Während der Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 SVG in der deutschen
und italienischen Fassung darauf hindeuten könnte, dass das Gebot an die
Fussgänger, bei fehlendem Trottoir grundsätzlich auf der linken Seite zu
gehen, sich auf die ganze Strassenfläche bezieht, ergibt sich aus dem
französischen Wortlaut, dass sich dieses Gebot nur auf die Fahrbahn, also
auf den dem Fahrverkehr vorbehaltenen Teil der Strasse, bezieht. Dem
französischen Wortsinn entspricht die Konkretisierung

in Art. 46 Abs. 1 VRV, der die Ausnahmen vom Grundsatz des Gebots, links zu
gehen, in sämtlichen drei Sprachen ausdrücklich für die Benützung der
Fahrbahn ("chaussée"/"carreggiata") regelt. Strassenrand in Art. 49 Abs. 1
SVG ist daher - ebenso wie in Art. 34 Abs. 1 SVG - zu verstehen als
"Fahrbahnrand" (vgl. SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen
Strassenverkehrsrechts, Bd. I, 2. Aufl., Bern 2002, N. 672). Die
französische Fassung, wonach das Gebot des Linksgehens nur besteht, wenn der
Fussgänger mangels Trottoir die Fahrbahn benützen muss, entspricht dem Sinn
und Zweck der Regelung. Kann der Fussgänger eine Fläche neben der Fahrbahn
benützen, so kann er auf dieser - da sie dem Fahrverkehr nicht zur Verfügung
steht - ebenso wie auf einem Trottoir gehen, ohne grundsätzlich mit dem
motorisierten Verkehr in Konflikt zu geraten. Der Zivilkläger ging nach den
Feststellungen im angefochtenen Urteil neben der Fahrbahn; er hat die
Verhaltensregel von Art. 49 Abs. 1 SVG nicht verletzt.

  3.3  Der Vorinstanz kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie dem
Zivilkläger eventualiter vorwirft, er habe den im Volksmund bekannten Slogan
"links gehen - Gefahr sehen" und damit eine elementare Vorsichtsmassregel
missachtet. Die beim Erlass des SVG von der nationalrätlichen Kommission ins
Gesetz aufgenommene Regel sollte nach dem historischen Willen des
Gesetzgebers den Fussgänger nicht verpflichten, unter allen Umständen links
zu gehen. Es sollte ihm vielmehr die Freiheit belassen werden, auf der
rechten Seite zu gehen, insbesondere wenn er dort besser geschützt ist, weil
z.B. links direkt an der Strasse eine Mauer entlangführt oder eine Böschung
oder ein Graben besteht, während rechts die Flur frei und offen ist;
gleiches gilt, wenn der Fussgänger nach kurzer Distanz rechts abzweigen muss
(Berichterstatter Müller, in: Sten.Bull. 1958 S, S. 110). Dass die Regel,
auf der Fahrbahn links zu gehen, von den konkreten örtlichen Verhältnissen
abhängig ist, ergibt sich aus der Vorschrift von Art. 49 Abs. 1 SVG selbst,
welche das Gebot von den Umständen abhängig macht und namentlich auch aus
der Konkretisierung in Art. 46 Abs. 1 VRV, der typische Fälle für Ausnahmen
aufführt, in denen das Gegenteil gilt. Es wird denn auch in der Lehre die
Ansicht vertreten, der - im Rahmen des Anwendungsbereichs von Art. 49 Abs. 1
SVG - rechts gehende Fussgänger dürfe in der Regel davon ausgehen, dass
Fahrzeuge mit genügendem seitlichem Abstand an ihm vorbeifahren bzw. ihm
rechtzeitig ausweichen, wenn er sich selbst möglichst nahe

am Strassenrand hält (SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 959; BUSSY/RUSCONI, a.a.O.,
N. 3.3.5 zu Art. 49 SVG). Dies gilt erst recht, wenn die Regel von Art. 49
Abs. 1 SVG keine Anwendung findet, weil sich der Fussgänger nicht auf der
Fahrbahn, sondern daneben fortbewegt. Dem Zivilkläger kann nicht
grundsätzlich vorgeworfen werden, dass er elementare Vorsichtsmassnahmen
ausser Acht liess, weil er nach den Umständen nicht gefahrlos auf der
rechten Strassenseite hätte gehen können. Denn nach der Feststellung der
Vorinstanz hätte er gleich wie sein Begleiter - Zeuge C. - die Möglichkeit
gehabt, statt auf dem schmalen Kiesstreifen unmittelbar neben der Fahrbahn
zu marschieren, sich weiter rechts zu halten und die ebene Wiese zu
benützen, welche mit nicht sehr hohem Gras bewachsen war.

  3.4  Dem Zivilkläger kann aufgrund der im vorliegenden Verfahren für das
Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
nicht vorgeworfen werden, dass er eine Verkehrsregel verletzte oder
elementare Vorsichtsmassnahmen ausser Acht liess. Es kann ihm höchstens
vorgeworfen werden, dass er nach den Umständen nicht genügend Vorsicht zu
seinem eigenen Schutz walten liess, indem er keinen hinreichend grossen
Abstand zur Fahrbahn auch für den Fall einhielt, dass ein Fahrzeug
seinerseits keinen genügenden Abstand zum rechten Fahrbahnrand beachten
würde. Der Zivilkläger hätte nach den Feststellungen der Vorinstanz die
Kollision vermeiden können, wenn er - wie sein Begleiter - einen grösseren
Abstand zur Fahrbahn gehalten hätte. Die Vorinstanz hat es bei dieser
Sachlage zwar im Ergebnis zutreffend abgelehnt, dem Zivilkläger ein mehr als
leichtes Verschulden anzulasten. Sie ist bei ihrer Würdigung aber zu Unrecht
davon ausgegangen, dass der Zivilkläger eine Verkehrsregel oder doch eine
elementare Vorsichtsmassnahme verletzt habe, indem er die bereits Kindern
beigebrachte Verhaltensregel "links gehen - Gefahr sehen" missachtet habe.
Der Zivilkläger hat die Kollision lediglich begünstigt, indem er keinen
grösseren Abstand zum Fahrbahnrand einhielt. Dieses Verhalten vermag zwar
die Adäquanz der vom Zivilkläger zu vertretenden tatsächlichen Mitursache
nicht von vornherein auszuschliessen; indessen ist der geringen Intensität
der Unfallursache jedenfalls im Zusammenspiel mit den andern, vom
Angeklagten zu vertretenden Ursachen im Rahmen der Schadenersatzbemessung
gebührend Rechnung zu tragen (BGE 123 III 110 E. 3c S. 115).

  3.5  Das Bundesgericht prüft die Bemessung des Schadenersatzes im Rahmen
von Art. 59 Abs. 2 SVG ebenso wie nach Art. 44 OR grundsätzlich frei. Da der
Entscheid aber weitgehend auf der Ausübung richterlichen Ermessens beruht
(Art. 4 ZGB), greift das Bundesgericht nur ein, wenn das Sachgericht
grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen
ist, wenn es Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im
Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen oder umgekehrt Umstände ausser
Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen; ausserdem greift
das Bundesgericht in Ermessensentscheide ein, wenn sich der Entscheid als
offensichtlich unbillig, in stossender Weise ungerecht erweist (BGE 128 III
390 E. 4.5 S. 399; 130 III 182 E. 5.5.2, je mit Hinweisen). Die Vorinstanz
hat mit der Bemessung der Haftungsquote des Zivilklägers ihr Ermessen
rechtsfehlerhaft ausgeübt. Sie hat zunächst das Gewicht des
Selbstverschuldens des Zivilklägers unzutreffend gewürdigt, indem sie
annahm, er habe eine Verkehrsregel verletzt oder eine elementare
Vorsichtsmassnahme unbeachtet gelassen; diese Qualifikation beeinflusst die
Bemessung der Haftungsquoten. Die Vorinstanz hätte aufgrund der von ihr
verbindlich festgestellten Umstände das Selbstverschulden des Zivilklägers
nicht nur als leicht, sondern als im Verhältnis zu den übrigen erheblichen
Mitursachen mit deutlich weniger als 10 % - und damit als vernachlässigbar -
bewerten müssen. Denn abgesehen von der Betriebsgefahr - welche die
Vorinstanz mit 30 % wohl zu niedrig bemessen hat - hat der Angeklagte nach
den Erwägungen der Vorinstanz mehrere Verkehrsregeln verletzt, indem er
insbesondere keinen genügenden Abstand zum rechten Strassenrand einhielt
(Art. 34 Abs. 1 und 4 SVG i.V.m. Art. 7 VRV), nicht genügend aufmerksam
(Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV) und aufgrund eines
Blutalkoholgehalts von mindestens 0,73 Promille in herabgesetztem Masse
fahrfähig war (Art. 31 Abs. 2 SVG). Schliesslich benutzte der Angeklagte
nach den Feststellungen der Vorinstanz ein Fahrzeug, von dem er wusste, dass
die Lichtanlage vorne rechts defekt war, weil nur das Standlicht
funktionierte. Mit einem derartigen Verhalten muss kein anderer
Verkehrsteilnehmer rechnen. Das nur leichte Verschulden des Zivilklägers -
dem entscheidend (nur) vorgeworfen werden kann, dass er einen zu geringen
Abstand zum Fahrbahnrand einhielt - tritt bei dieser Sachlage als
Unfallursache derart in den Hintergrund, dass es nur mit einer Quote von
weniger als 10 % bemessen werden kann und daher unberücksichtigt zu bleiben
hat.