Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 329



Urteilskopf

131 V 329

  45. Auszug aus dem Urteil i.S. Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt gegen
F., betreffend L., und Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
  P 19/04 vom 17. August 2005

Regeste

  Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG: Die Tatbestandselemente der Anrechenbarkeit
eines Verzichtsvermögens sind alternativ zu verstehen.

  Damit ein Verzichtsvermögen in der Berechnung der Ergänzungsleistungen
berücksichtigt werden kann, setzt die Rechtsprechung die Tatbestandselemente
"ohne rechtliche Verpflichtung" resp. "ohne adäquate
Gegenleistung" voraus. Diese beiden Voraussetzungen sind nicht kumulativ,
sondern alternativ zu verstehen. (Erw. 4.3 f.)
  Frage offen gelassen, ob eine in Erfüllung einer sittlichen Pflicht
erfolgte Vermögenshingabe einen Vermögensverzicht im Sinne des Art. 3c Abs.
1 lit. g ELG darstellt. (Erw. 4.2)

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

  4.  Streitig ist der Anspruch auf Ergänzungsleistungen und in diesem
Zusammenhang allein die Frage, ob der mit Schreiben vom 20. Dezember 2001
gewährte und im Februar 2002 bezogene Betrag von Fr. 90'000.- als
Verzichtsvermögen in der Berechnung der Ergänzungsleistungen zu
berücksichtigen ist. Daher hat sich die richterliche Beurteilung
praxisgemäss auf diesen Punkt zu beschränken, wogegen kein Anlass besteht,
die übrigen unbestrittenen Berechnungspositionen in die Prüfung mit
einzubeziehen (BGE 110 V 53 Erw. 4a; ZAK 1992 S. 487 Erw. 1b).

  4.1  Die Vorinstanz führt aus, dass dem Beschwerdegegner und seiner
Ehefrau für die geleistete Pflege gegenüber der Mutter kein Anspruch aus
Arbeitsvertrag zustehe, da die Arbeit in Erfüllung einer gesetzlichen oder
moralischen Pflicht unentgeltlich erbracht

worden sei. Da auch kein Lidlohnanspruch vorliege, habe die Mutter des
Beschwerdegegners der Auszahlung der Fr. 90'000.- nicht in Erfüllung einer
rechtlichen Verpflichtung zugestimmt. Jedoch hätten die Aufwendungen des
Beschwerdegegners und seiner Ehefrau zu einer Ersparnis geführt, indem die
Mutter diese Pflegeleistungen nicht habe einkaufen müssen. Es sei in dieser
Hinsicht nicht bestritten, dass die Pflege während elf Jahren im Umfang von
sechs Stunden pro Woche resp. 24 Stunden pro Monat erbracht worden sei, wie
auch der vom Beschwerdegegner gewählte Stundenansatz von Fr. 23.- nicht
angezweifelt werde; damit resultiere eine Summe von Fr. 72'864.-. In diesem
Umfang stellten die Pflegeleistungen eine Gegenleistung für die erhaltenen
Fr. 90'000.- dar, weshalb nur die Differenz (d.h. Fr. 17'136.-) als
Verzichtsvermögen zu berücksichtigen sei. Dies stehe jedoch unter dem
Vorbehalt, dass die Mutter des Beschwerdegegners bei der Unterzeichnung des
Dokumentes vom 20. Dezember 2001, welches zum Bezug der Fr. 90'000.-
ermächtigte, handlungsfähig gewesen sei. Andernfalls hätte sie sich nicht
verpflichten können und der Barbezug des Geldes sei ohne Rechtsgrund
erfolgt, weshalb ihr ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
zustünde, der in der Berechnung der Ergänzungsleistungen zu berücksichtigen
wäre. Daher habe die Verwaltung zunächst die Handlungsfähigkeit abzuklären
und anschliessend neu zu verfügen.

  Das Beschwerde führende Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt ist
demgegenüber der Auffassung, dass die Pflege aus einer moralischen
Verpflichtung heraus geleistet worden sei und kein entgeltliches
Rechtsgeschäft vorgelegen habe; somit könne die Zahlung von Fr. 90'000.-
nicht nachträglich als Gegenleistung für die erbrachte Unterstützung
angesehen werden. Im Weiteren sei nicht nachgewiesen, dass die Pflege
effektiv während elf Jahren erfolgt sei; schliesslich müssten Leistung und
Gegenleistung innert eines absehbaren zeitlichen Rahmens erfolgen, was bei
der hier vorliegenden Zeitdauer von elf Jahren nicht mehr der Fall sei.

  In seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der
Beschwerdegegner ausführen, dass die Voraussetzungen für die Anrechnung
eines Vermögensverzichts (keine rechtliche Verpflichtung, keine
Gegenleistung) kumulativ vorliegen müssten: Hier sei die Mutter während elf
Jahren unterstützt worden, so dass eine Gegenleistung vorliege und in der
Folge auch kein Vermögensverzicht

angenommen werden könne. Zudem sei die Rüge der Verwaltung, die Pflege habe
nicht elf Jahre gedauert, zu spät erhoben worden.

  4.2  Nach der Rechtsprechung ist der Tatbestand des Art. 3c Abs. 1 lit. g
ELG erfüllt, wenn der Anspruchsberechtigte ohne rechtliche Verpflichtung und
ohne adäquate Gegenleistung auf Einkünfte oder Vermögen verzichtet hat (BGE
121 V 206 Erw. 4b, 120 V 191 Erw. 2b; FERRARI, Dessaisissement volontaire et
prestations complémentaires à l'AVS/AI, in: SZS 2002 S. 419; CARIGIET/KOCH,
Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Supplement, Zürich 2000, S. 100; vgl. auch
eine etwas andere, aber inhaltlich gleiche Formulierung in BGE 121 V 205
Erw. 4a).

  In den Akten finden sich keinerlei Hinweise, dass der Beschwerdegegner und
seine Ehefrau die Pflege und Unterstützung der Mutter in Erfüllung einer
rechtlichen Pflicht erbracht hätten, mit der eine Pflicht der Mutter zur
Bezahlung eines Entgelts korreliert hätte: So fällt auf, dass weder ein
Beleg für eine Honorarabrede vorliegt noch die für die Pflege der Mutter
aufgewendeten Zeiten sowie die entstandenen Auslagen (Fahrspesen,
Barauslagen etc.) aufgeschrieben worden sind. Die in den Akten vorhandenen
Belege für diverse Auslagen datieren von Mai 2002 und sind damit erst nach
der Unterzeichnung des Dokuments im Dezember 2001 und dem Barbezug im
Februar 2002 erstellt worden. Auch die vom Beschwerdegegner vorgenommene
Berechnung des durchschnittlichen Zeitaufwandes für die geleisteten
Hilfsdienste erfüllt die Anforderungen nicht, welche an den Nachweis einer
Abrede über eine rechtliche Verpflichtung zur Pflege der Mutter gestellt
werden müssen. Dieser - offensichtlich im Nachhinein vorgenommene -
Zusammenzug durchschnittlicher Zeitaufwände kann wohl eine plausible
Grundlage für die behauptete vorgenommene Unterstützung darstellen, jedoch
nicht ernsthafte Basis einer Rechnungsstellung (und entsprechender Kontrolle
durch die Gegenpartei) sein; so fällt z.B. auf, dass der monatliche
Stundenaufwand jährlich zwölfmal gerechnet wird und damit auch Zeiten
umfasst, in denen der Beschwerdegegner wegen seiner (in der Vernehmlassung
erwähnten) Ferien die Mutter gar nicht pflegen konnte. Nichts zu seinen
Gunsten kann der Beschwerdegegner aus Art. 13 Abs. 5 bis 7 ELKV ableiten,
wonach - unter gewissen Voraussetzungen und in einem bestimmten Rahmen -
Entschädigungen an Familienangehörige ausgerichtet oder ausgewiesene Kosten
entschädigt

werden; denn die Entgeltlichkeit muss dabei vorher vereinbart werden, damit
überhaupt ausgewiesene Kosten vorliegen können (vgl. Urteil B. vom 12.
Dezember 2003, P 76/02, Erw. 2.1), während durch die Pflege der Mutter keine
länger dauernde wesentliche Erwerbseinbusse im Sinne des Art. 13 Abs. 5 ELKV
des Beschwerdegegners oder seiner Frau geltend gemacht worden ist. Weiter
können die entsprechenden Dienstleistungen resp. deren behauptete Kosten
nicht nach langer Zeit zur Aufrechnung eines Verzichtsvermögens herangezogen
werden, nachdem vorher jahrelang die Hilfe der Angehörigen ohne jede
Gegenleistung angeboten und angenommen worden ist.

  Damit ist nicht erstellt, dass die Pflege in Erfüllung einer rechtlichen
Pflicht erfolgt ist; die Mutter hätte die Unterstützung denn auch nicht auf
dem Rechtsweg einfordern können. Daraus folgt, dass die Leistung der Mutter
ebenfalls ohne auf einem Pflegeverhältnis basierende rechtliche
Verpflichtung erfolgt ist, sondern eine Schenkung, einen Erbvorbezug oder
ein ähnliches Rechtsgeschäft darstellt, wobei das Motiv für die Leistung
durchaus Dankbarkeit für die erbrachte Pflege sein kann, was jedoch keine
Rechtspflicht gegenüber dem Beschwerdegegner und seiner Ehefrau darstellt.
Es handelt sich aber auch nicht um eine sittliche Pflicht (vgl. Art. 239
Abs. 3 OR), denn die Voraussetzungen zur Annahme einer solchen Pflicht sind
streng: Es reicht nicht aus, dass ein bestimmtes Verhalten gesellschaftlich
erwartet wird, sondern das Unterlassen dieses Verhaltens muss als
unanständig qualifiziert werden (EUGEN BUCHER, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl., Zürich
1988, S. 69); dies ist anhand der konkreten Umstände im vorliegenden Fall
bei der Nichtbezahlung der von Sohn und Schwiegertochter erbrachten
Leistungen nicht der Fall. Vor allem aber spricht der Zeitpunkt der nach
Jahren einmalig erbrachten Leistung kurz vor Heimeintritt gegen die
Erfüllung einer sittlichen Pflicht, da das Geld offensichtlich nicht für das
Heim ausgegeben werden, sondern in der Familie bleiben sollte; es ist
deshalb nicht zu entscheiden, wie es sich verhielte, wenn die Mutter während
der jahrelangen Dauer der Leistungserbringung immer wieder einen gewissen
Betrag an Sohn und Schwiegertochter überwiesen hätte, und ob daraus
allenfalls die Annahme einer rechtlichen Pflicht zur Bezahlung der Pflege
abzuleiten wäre. Da im hier vorliegenden Fall keine sittliche Pflicht der
Mutter bestanden hat, kann auch offen

bleiben, ob eine in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erfolgte
Vermögenshingabe einen Vermögensverzicht im Sinne des Art. 3c Abs. 1 lit. g
ELG darstellt oder nicht.

  Mangels Vorliegens einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht liegt somit
ein Vermögensverzicht vor; es ist jedoch weiter zu prüfen, ob der
entsprechende Betrag bei der Bemessung der Ergänzungsleistungen auch
anzurechnen ist.

  4.3  Die Rechtsprechung setzt für die Erfüllung des Tatbestandes des Art.
3c Abs. 1 lit. g ELG voraus, dass der Anspruchsberechtigte ohne rechtliche
Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung auf Einkünfte oder Vermögen
verzichtet hat (Erw. 4.2 hievor). Jedoch ist bisher noch nicht entschieden
worden, in welchem Verhältnis diese beiden Anspruchsvoraussetzungen
zueinander stehen. Zu beurteilen ist deshalb, ob die Tatbestandselemente
"ohne Rechtspflicht" und "ohne angemessene Gegenleistung" kumulativ erfüllt
sein müssen, oder ob es ausreicht, wenn eines der beiden Elemente gegeben
ist, damit ein Vermögenswert, auf den verzichtet worden ist, in die
Berechnung der Ergänzungsleistungen aufgenommen werden muss. Die Vorinstanz
ist in dieser Hinsicht offenbar stillschweigend von kumulativen
Voraussetzungen ausgegangen, hat sie doch eine rechtliche Pflicht verneint,
aber eine Gegenleistung teilweise bejaht (vgl. Erw. 4.1 hievor).

  Vor der 2. Revision des ELG, die auf den 1. Januar 1987 in Kraft getreten
ist, sah alt Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG vor, dass nur diejenigen Einkünfte und
Vermögenswerte anzurechnen sind, auf die zur Erwirkung von
Ergänzungsleistungen verzichtet worden ist. Diese Voraussetzung ist mit der
2. Revision des ELG aufgehoben worden, da es "oft sehr schwierig [war], mit
Sicherheit festzustellen, ob beim Verzicht auf Einkommen oder Vermögen der
Gedanke an eine Ergänzungsleistung tatsächlich eine Rolle gespielt hat oder
nicht" (Botschaft betreffend die zweite Revision des Bundesgesetzes über die
Ergänzungsleistungen zur AHV und IV vom 21. November 1984, BBl 1985 I 106
Ziff. 21.10.1). Vor diesem Hintergrund ist auch die Rechtsprechung zu sehen,
waren doch bis 1987 drei Tatbestandselemente notwendig, die in den Urteilen
- sprachlich korrekt - durch ein Komma sowie ein "und" verbunden worden
sind, so z.B. in EVGE 1967 S. 182 Erw. 2b: "wenn der Versicherte zum
Verzicht rechtlich nicht verpflichtet war, keine äquivalente Gegenleistung
dafür erhalten hat und aus den Umständen

geschlossen werden kann, der Gedanke an eine Ergänzungsleistung habe
wenigstens mitgespielt ..." Nachdem mit der 2. Revision des ELG das Element
der Erwirkungsabsicht weggefallen ist, wurden in der Rechtsprechung die
bisher durch ein Komma getrennten Tatbestandselemente teilweise durch ein
"und" (z.B. die in BGE 114 V 150 nicht publizierte Erw. 3 des Urteils A. vom
19. Oktober 1988, P 27/88, mit Hinweis auf vorherige Rechtsprechung) und
teilweise durch ein "oder" (z.B. ZAK 1989 S. 569 Erw. 2a ebenfalls mit
Hinweis auf vorherige Rechtsprechung) miteinander verbunden. Jedoch ist
bisher noch nicht entschieden worden, ob die beiden Elemente (ohne
rechtliche Pflicht, ohne angemessene Gegenleistung) kumulativ oder
alternativ vorausgesetzt werden; auch in den Materialien (sowohl zum ELG wie
zu den bisherigen Revisionen) finden sich diesbezüglich keine Hinweise.

  4.4  Die Anrechnung eines Verzichtsvermögens bezweckt die Verhinderung von
Missbräuchen, wobei eine einheitliche und gerechte Lösung ermöglicht werden
soll, indem sich die schwierige Prüfung der Frage erübrigt, ob beim Verzicht
auf Einkommen und Vermögen der Gedanke an eine Ergänzungsleistung
tatsächlich eine Rolle gespielt hat oder nicht (BGE 117 V 155 Erw. 2a; AHI
1997 S. 254 Erw. 2 mit Hinweisen).

  Werden die beiden Verzichtselemente kumulativ vorausgesetzt (ist ein
Vermögen also nur dann anrechenbar, wenn beide Kriterien gegeben sind), ist
ein Verzichtstatbestand nicht nur dann zu verneinen, wenn eine Rechtspflicht
und eine angemessene Gegenleistung vorliegen, sondern immer auch dann, wenn
ein Element zu verneinen, das andere aber zu bejahen ist. Damit könnte auch
in den folgenden Fällen ein Vermögen bei der Berechnung der
Ergänzungsleistungen nicht angerechnet werden:
- Es besteht eine Rechtspflicht, jedoch liegt keine angemessene
  Gegenleistung vor. Dies ist z.B. der Fall der gemischten Schenkung, wenn für
  die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von Fr. 50'000.- ein Bild im Wert
  von Fr. 100'000.- zu Eigentum übertragen wird (und ohne dass Zinsen in
  Höhe von Fr. 50'000.- aufgelaufen sind).
- Es besteht keine Rechtspflicht, jedoch liegt eine angemessene
  Gegenleistung vor. Es handelt sich dabei um eine Konstellation wie im hier
  vorliegenden Fall, da für die Leistung der Unterstützung keine rechtliche
  (oder allenfalls sittliche) Pflicht

  bestanden hat (vgl. Erw. 4.2 hievor), jedoch eine angemessene Gegenleistung
  (hier die geleistete Pflege) vorliegt (resp. zumindest behauptet ist).

  Der Fall der gemischten Schenkung stellt jedoch klarerweise einen Fall
einer Verzichtshandlung dar (CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 104 f.), weshalb in
der Fallgruppe "Rechtspflicht/ohne angemessene Gegenleistung" die beiden
Elemente alternativ zu verstehen sind. Dasselbe muss aber auch für die
Fallgruppe "ohne Rechtspflicht/angemessene Gegenleistung" gelten:
Andernfalls könnten ohne rechtliche Verpflichtung und ohne Anspruch auf
Entgelt erbrachte Dienstleistungen im Nachhinein abgegolten werden. Da
vorher keine Entgeltlichkeit vereinbart worden ist und die Leistungen
deshalb freiwillig erfolgt sind, würden die von Privaten ohne Rechtspflicht
erbrachten Leistungen im Nachhinein dennoch von der Allgemeinheit bezahlt
werden, indem der Lebensunterhalt des Schenkers nicht mehr durch den Verzehr
des Vermögens, sondern durch Ergänzungsleistungen finanziert würde. Dafür
sind die Ergänzungsleistungen jedoch nicht geschaffen worden, so
verständlich der Gedanke auch ist, genossene freiwillige Dienste mit
Schenkungen zu "vergelten". In rechtlicher Hinsicht liegt jedoch in solchen
Fällen eben gerade keine Entgeltlichkeit vor, steht doch der Leistung des
Schenkers definitionsgemäss keine entsprechende Gegenleistung des
Beschenkten gegenüber (Art. 239 Abs. 1 OR). Für die Annahme gegenseitig
bindender Rechtspflichten (Pflege und Entgelt) ist vielmehr eine -
allenfalls stillschweigende - Abrede der Entgeltlichkeit und das Bewusstsein
beider Parteien notwendig, dass Hilfe und Unterstützung von einer
Gegenleistung abhängen, welche mindestens bestimmbar sein muss (vgl. GAUCH/
SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd.
I, 8. Aufl., Zürich 2003, Rz 344 ff.).

  Aus dem Gesagten folgt, dass die Voraussetzungen ("ohne rechtliche
Verpflichtung", "ohne adäquate Gegenleistung") zur Anrechnung eines
Verzichtsvermögens nicht kumulativ vorliegen müssen, sondern dass es
ausreicht, wenn alternativ eines der beiden Elemente gegeben ist.

  4.5  Da die beiden Tatbestandselemente des Vermögensverzichts alternativ
zu verstehen sind (vgl. Erw. 4.4 hievor) und hier die Leistung der Fr.
90'000.- ohne Rechtspflicht erfolgt ist (vgl. Erw. 4.2 hievor), liegt ein in
der Berechnung der Ergänzungsleistungen

zu berücksichtigendes Verzichtsvermögen vor. Es kann daher offen bleiben, ob
für die ausgerichtete Leistung eine angemessene Gegenleistung in Form von
Pflege und Unterstützung vorliegt. Weil die Feststellung des Sachverhaltes
das Eidgenössische Versicherungsgericht in
Versicherungsleistungsstreitigkeiten nicht bindet (Art. 132 lit. b OG), wäre
im Übrigen die diesbezügliche Rüge der Verwaltung - entgegen der Auffassung
in der Vernehmlassung des Beschwerdegegners - nicht verspätet erhoben
worden.

  4.6  Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Mutter des
Beschwerdegegners im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Dokumentes, das zum
Bezug der Fr. 90'000.- berechtigt hat, privatrechtlich allenfalls nicht
handlungsfähig gewesen ist und sich damit zur Leistung gar nicht
verpflichten konnte (Art. 18 ZGB). In diesem Fall wäre der Bezug der Fr.
90'000.- ohne Rechtsgrund erfolgt, so dass der Mutter des Beschwerdegegners
ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber diesem und seiner
Ehefrau zustünde. Dieser Anspruch wäre als Vermögenswert in der Berechnung
der Ergänzungsleistungen zu berücksichtigen. Obwohl im letztinstanzlichen
Verfahren ein Arztbericht eingereicht worden ist, der die Handlungsfähigkeit
der Mutter im Zeitpunkt der Unterschrift bejaht, kann diese Frage hier
letztlich offen gelassen werden. Denn im massgebenden Zeitraum bis zum
Verfügungserlass im Jahr 2002 (BGE 121 V 366 Erw. 1b) ist der bezogene
Betrag von Fr. 90'000.- bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen so oder
so im gesamten Umfang zu berücksichtigen, sei es als Verzichtsvermögen (vgl.
Erw. 4.5 hievor) oder sei es als Anspruch der Mutter aus ungerechtfertigter
Bereicherung gegenüber dem Beschwerdegegner und seiner Ehefrau. Insoweit
spielt es keine Rolle, dass in den Jahren ab 2003 die Fr. 90'000.- anders zu
berücksichtigen sind, je nachdem, ob ein Bereicherungsanspruch vorliegt
(diesfalls teilweise Anrechnung gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG als
Einkommen), oder ob ein Verzichtsvermögen angenommen wird (diesfalls
Amortisation gemäss Art. 17a ELV). In dieser Hinsicht ist die Verfügung von
Juli 2002 für den hier massgebenden Zeitraum im Ergebnis korrekt.