Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 305



Urteilskopf

131 V 305

  42. Auszug aus dem Urteil i.S. S. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
  I 723/04 vom 26. August 2005

Regeste

  Art. 38 Abs. 1 und 4, Art. 60 Abs. 2, Art. 82 Abs. 2 ATSG; Art. 20 Abs. 1
VwVG; Art. 32 Abs. 1 OG: Fristbeginn nach In-Kraft-Treten des ATSG bei
Zustellung des Einspracheentscheides während des Fristenstillstandes.

  Das fristauslösende Ereignis (hier: Zustellung des Einspracheentscheides)
kann nach ATSG während der Dauer des Fristenstillstandes eintreten, weshalb
die Rechtsmittelfrist am ersten Tag nach Ablauf des Fristenstillstandes zu
laufen beginnt. (Erw. 4)
  In casu aber intertemporalrechtlicher Vorbehalt des Art. 82 Abs. 2 ATSG zu
Gunsten kantonalen Rechts. (Erw. 5)

Sachverhalt ab Seite 305

  A.- Mit Einspracheentscheid vom 10. August 2004 bestätigte die IV-Stelle
des Kantons Zürich ihre Verfügung vom 13. April 2004, womit die bisher an
S., geboren 1957, ausgerichtete Viertelsrente auf Ende Januar 2003
revisionsweise aufgehoben wurde. Der Einspracheentscheid wurde am 11. August
2004 zugestellt.

  B.- Mit gleichentags der Post übergebener Eingabe vom 15. September 2004
liess S. - unter Berücksichtigung der kantonalen beziehungsweise

der eidgenössischen Gerichtsferien - Beschwerde erheben mit dem
Rechtsbegehren, es sei der Einspracheentscheid aufzuheben und ihr die bisher
ausgerichtete Invalidenrente weiterhin zu gewähren. Mit Entscheid vom 30.
September 2004 trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wegen
verspäteter Eingabe auf die Beschwerde nicht ein.

  C.- S. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei das kantonale Gericht
anzuweisen, auf die Beschwerde vom 15. September 2004 einzutreten.

  Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.

  2.1  Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) in Kraft getreten.
Dieses Gesetz koordiniert das Sozialversicherungsrecht des Bundes, indem es
unter anderem ein einheitliches Sozialversicherungsverfahren festlegt und
die Rechtspflege regelt (Art. 1 Ingress und lit. b ATSG). Die allgemeinen
Verfahrensbestimmungen finden sich im 4. Kapitel. Dessen 2. Abschnitt (Art.
34 ff. ATSG) regelt das Sozialversicherungsverfahren und enthält in Art. 38
die Vorschriften über die Berechnung und den Stillstand der Fristen.
Berechnet sich eine Frist nach Tagen oder Monaten und bedarf sie der
Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie nach Art. 38 Abs. 1 ATSG am Tag
nach ihrer Mitteilung zu laufen. Nach Abs. 4 dieser Norm stehen gesetzliche
oder behördliche Fristen, die nach Tagen oder Monaten bestimmt sind, still:
a. vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern;
b. vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c. vom 18. Dezember bis und mit dem 1. Januar.

  Im 3. Abschnitt des 4. Kapitels des ATSG finden sich die Bestimmungen zum
Rechtspflegeverfahren, wozu auch Art. 60 ATSG gehört. Danach ist die
Beschwerde innerhalb von dreissig Tagen

nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen
welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen (Abs. 1). Die
Artikel 38 bis 41 sind sinngemäss anwendbar (Abs. 2).

  Unter der Marginalie "Übergangsbestimmungen" hält Art. 82 Abs. 2 ATSG
fest, dass die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege diesem Gesetz
innerhalb von fünf Jahren nach seinem In-Kraft-Treten anzupassen haben und
dass bis dahin die bisherigen kantonalen Vorschriften gelten.

  2.2  Nach Art. 20 Abs. 1 VwVG beginnt eine Frist an dem auf ihre
Mitteilung folgenden Tage zu laufen, wenn sie sich nach Tagen berechnet und
der Mitteilung an die Parteien bedarf. Art. 22a VwVG sieht weiter vor, dass
gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, still
stehen:
a. vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern;
b. vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c. vom 18. Dezember bis und mit dem 1. Januar.

  Nach Art. 32 Abs. 1 OG wird bei Berechnung der Fristen der Tag, an dem die
Frist zu laufen beginnt, nicht mitgezählt.

  2.3  Gemäss § 13 Abs. 3 lit. b des zürcherischen Gesetzes über das
Sozialversicherungsgericht vom 7. März 1993 (GSVGer; LS 212.81) in der bis
Ende 2004 geltenden Fassung stehen die gesetzlichen und richterlichen
Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, unter anderem vom 15. Juli bis und
mit dem 15. August still. Nach § 191 des zürcherischen
Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (GVG; LS 211.1) wird der Tag
der Eröffnung einer Frist oder der Tag der Mitteilung eines Entscheides bei
der Fristberechnung nicht mitgezählt.
  (...)

Erwägung 4

  4.

  4.1  Das erstinstanzliche Gerichtsverfahren ist im ATSG in den Art. 56 ff.
geregelt; Art. 60 Abs. 2 ATSG verweist für die Fristen auf Art. 38 bis 41
ATSG, welche Normen damit vom Verwaltungsverfahren in das
Verwaltungsjustizverfahren transformiert werden und deshalb hier
grundsätzlich anwendbar sind. Da sich vorliegend die Frage der
Fristberechnung stellt, ist Art. 38 ATSG

einschlägig. Diese Regelung ist abschliessend, so dass grundsätzlich
diejenige des VwVG nicht massgebend ist (Art. 55 Abs. 1 ATSG in Verbindung
mit Art. 60 Abs. 2 ATSG und Art. 38 ATSG), was aber eine Berücksichtigung
der Rechtsprechung zum VwVG nicht ausschliesst (vgl. Erw. 4.2 hienach).

  4.2  Art. 38 Abs. 1 ATSG lautet wie folgt: "Berechnet sich eine Frist nach
Tagen oder Monaten und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt
sie am Tag nach ihrer Mitteilung zu laufen"/"Si le délai, compté par jours
ou par mois, doit être communiqué aux parties, il commence à courir le
lendemain de la communication"/"Se il termine è computato in giorni o in
mesi e deve essere notificato alle parti, inizia a decorrere il giorno dopo
la notificazione." Abgesehen von den nach Monaten bestimmten Fristen
entspricht dies praktisch dem Wortlauf des Art. 20 Abs. 1 VwVG ("Berechnet
sich eine Frist nach Tagen und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so
beginnt sie an dem auf ihre Mitteilung folgenden Tage zu laufen"/"Si le
délai compté par jours doit être communiqué aux parties, il commence à
courir le lendemain de la communication"/"Un termine computato in giorni, se
deve essere notificato alle parti, comincia a decorrere il giorno dopo la
notificazione"). Art. 32 Abs. 1 OG lautet in dieser Hinsicht jedoch anders:
"Bei Berechnung der Fristen wird der Tag, an dem die Frist zu laufen
beginnt, nicht mitgezählt."/"Dans la supputation des délais, le jour duquel
le délai court n'est pas compté."/"Nel computo dei termini non è compreso il
giorno iniziale." Damit ist grundsätzlich die Rechtsprechung zu Art. 32 Abs.
1 OG (BGE 122 V 60) hier nicht (direkt) massgebend, während die
Rechtsprechung zu Art. 20 VwVG (AHI 1998 S. 211 ff.) zu berücksichtigen ist.
AHI 1998 S. 212 sieht (in der Originalsprache französisch; VSI 1998 S. 218)
vor, "que selon le texte clair de l'art. 20 al. 1 PA, ... le délai de
recours commence à courir le jour suivant la communication, indépendamment
du fait que la décision ait été notifiée à son destinataire durant les
féries consacrées par l'art. 22a PA ou en dehors de celles-ci" und "que le
délai de recours qui devrait courir dès le lendemain de la communication est
toutefois suspendu durant les féries et court à nouveau dès la fin de
celles-ci (art. 22a PA)". Damit wird in diesem Urteil betreffend Art. 20
VwVG davon ausgegangen, dass das fristauslösende Ereignis - die Eröffnung
eines Hoheitsaktes - während des Fristenstillstands eintritt, aber die Frist
selber nicht zu laufen beginnt.

  4.2.1  Es ist im Folgenden zu prüfen, ob die Rechtsprechung zu Art. 20
VwVG auch hier anwendbar ist. Zu beantworten ist dabei die - dogmatische -
Frage, ob sich das fristauslösende Ereignis (hier Mitteilung des
Einspracheentscheides) während des Fristenstillstandes rechtsgültig
verwirklichen kann oder ob dieses nach Ablauf des Fristenstillstandes
fingiert wird. Letzteres hätte zur Folge, dass davon ausgegangen wird, die
Partei oder ihr Vertreter habe den Einspracheentscheid nicht effektiv
während des Fristenstillstandes, sondern erst am Tag nach dem Ende des
Fristenstillstandes erhalten. Dies führt zur weiteren Frage, was genau die
Folgen des Fristenstillstandes sind. Es könnte argumentiert werden, dass im
Fall des Stillstehens einer Frist diese nicht ausgelöst werden könne. Das
ist jedoch nicht überzeugend, da Fristenstillstand per se nicht ohne
weiteres bedeutet, dass das fristauslösende Ereignis als solches nicht
eintreten kann und später nach Ende des Fristenstillstandes fingiert werden
muss, sondern nur, dass die Frist still steht und deshalb auch nicht zu
laufen beginnt. Diese Überlegung wird denn auch durch Art. 134 OR bestätigt,
welche Regelung - im Rahmen der privatrechtlichen Verjährung - im Wortlaut
explizit festhält, dass in den von dieser Norm geregelten Fällen die
Verjährung nicht beginnt und still steht ("ne court point et, si elle avait
commencé à courir, elle est suspendue" resp. "non comincia, o, se
cominciata, resta sospesa"), während eine entsprechende Anordnung des
Gesetzgebers sich weder in Art. 38 Abs. 4 ATSG noch in Art. 22a VwVG findet.
KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2.
Aufl., Zürich 1998, Rz 344, halten (allerdings eher beiläufig) fest,
Fristenstillstand bedeute, dass die Frist während der Gerichtsferien gehemmt
werde; diese Aussage schliesst somit die Möglichkeit des Eintritts des
fristauslösenden Ereignisses nicht aus, sondern setzt sie vielmehr voraus.

  4.2.2  Das Argument in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, bei einer
Zählung ab dem ersten Tag nach Ende des Fristenstillstandes verblieben nicht
ganze dreissig Tage Rechtsmittelfrist, überzeugt nur auf den ersten Blick:
Ende des Fristenstillstandes ist 24.00 Uhr des letzten Tages, so dass um
00.00 Uhr des nächsten Tages der anzufechtende Entscheid bereits zur
Kenntnis genommen werden kann. Es verbleiben dann effektiv nicht dreissig
ganze Tage, weil die Kenntnisnahme des Entscheides mindestens die "logische
Sekunde" dauert und damit nur 29 Tage, 23 Stunden, 59 Minuten

und 59 Sekunden Rechtsmittelfrist verbleiben. Diese Argumentation setzt aber
bereits voraus, dass die Kenntnisnahme nicht während des Fristenstillstandes
erfolgen kann und ist deshalb bereits eine Folge des Entscheides über diesen
- erst noch zu regelnden - Streitpunkt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass
das fristauslösende Ereignis die Zustellung ist; diese wird jedoch
allenfalls erst nach Ablauf der postalischen Abholfrist fingiert (BGE 127 I
31 sowie Urteil G. des Bundesgerichts vom 5. November 2002, 4P.188/2002,
Erw. 2). Ist eine Partei bis zum Ende des Fristenstillstandes tatsächlich
nicht anwesend, holt sie den (eingeschrieben zugestellten)
Einspracheentscheid frühestens am 16. August ab, so dass die Frist wegen der
an diesem Tag erfolgten Eröffnung erst am 17. August zu laufen beginnt. Da
der Einspracheentscheid hier aber bereits während des Fristenstillstandes
gültig entgegengenommen worden ist, muss sich dies die Partei anrechnen
lassen. Die Zustellung ist vorliegend derart erfolgt, dass die postalische
Abholfrist nach dem Ende des Fristenstillstandes abgelaufen wäre; wie es
sich verhält, wenn eine Zustellung während des Fristenstillstandes in der
Weise erfolgt, dass die postalische Abholfrist in dieser Zeit abläuft, kann
offen bleiben.

  4.2.3  Diese Überlegungen führen dazu, dass das fristauslösende Ereignis -
die Zustellung des Hoheitsaktes - innerhalb des Fristenstillstandes
rechtsgültig eintreten kann. Infolge des Fristenstillstandes kann die Frist
jedoch nicht zu laufen beginnen; dies ist - nach Wegfall des Hindernisses -
am ersten Tag nach Ablauf des Fristenstillstandes der Fall. Diese Lösung
deckt sich mit der Rechtsprechung zum (abgesehen von den Monatsfristen)
praktisch identisch formulierten Art. 20 VwVG (AHI 1998 S. 211 ff.).

  4.3  Dass das fristauslösende Ereignis während des Fristenstillstandes
eintreten kann, wird zudem durch die Materialien des ATSG bestätigt (vgl. zu
deren Bedeutung BGE 130 V 476 Erw. 6.5.1).

  Für die Kommission des Ständerates waren bei der Ausarbeitung des
Sozialversicherungsverfahrens - insbesondere auch bei der Regelung des
Fristenrechts - "die Bestimmungen des VwVG richtunggebend" (Bericht vom 27.
September 1990 [BBl 1991 II 260 unten; Sonderdruck S. 76 unten). Auch der
Bundesrat orientierte sich in seiner vertieften Stellungnahme vom 17. August
1994 am VwVG (resp. wollte sogar nur auf das VwVG verweisen [vgl. BBl 1994 V
940 ff.; Sonderdruck S. 20 ff.; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates
vom 17. April 1991; BBl 1991 II 915]). Die

Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit hat in
ihrem Bericht vom 26. März 1999 Art. 46 VE-ATSG (der inhaltlich Art. 38 ATSG
entspricht) im Hinblick auf Monatsfristen ergänzt und die Idee des
Bundesrates der Einfügung eines Fristenstillstands aufgegriffen (BBl 1999 V
4596; Sonderdruck S. 74). Jedoch hat die Kommission nicht ausgeführt, dass
nicht auch sie sich an den Regeln des VwVG ausrichten würde. In der
parlamentarischen Beratung hat der Ständerat dem Antrag seiner Kommission
kommentarlos zugestimmt, nachdem der Berichterstatter ausgeführt hatte, dass
die Kommission nicht das VwVG anwendbar erklären, sondern - im Sinne der
Bürgerfreundlichkeit - im ATSG die Verfahrensbestimmungen koordinieren
möchte (Amtl. Bull. 1991 S 778; was aber nicht dagegen spricht, dass sich
die Kommission am VwVG ausgerichtet hat, wie sie in ihrem Bericht
erläuterte). Der Nationalrat hat den Antrag seiner Kommission (mit den
Änderungsvorschlägen betreffend Monatsfristen und Fristenstillstand)
kommentarlos angenommen (Amtl. Bull. 1999 N 1244), dem sich der Ständerat
angeschlossen hat (Amtl. Bull. 2000 S 181). In der zweiten Lesung hat sich
der Nationalrat nicht mehr mit Art. 46 VE-ATSG befasst (Amtl. Bull. 2000 N
650).

  Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sich an der Regelung
des VwVG orientierte und nichts grundlegend Neues schaffen wollte. Damit ist
für die hier streitige Frage aber konsequenterweise die gleiche Lösung
massgebend, welche im Bereich des VwVG gilt.

  4.4  Da das fristauslösende Ereignis innerhalb des Fristenstillstandes
eintreten kann (Erw. 4.2 f. hievor), führt dies dazu, dass die
Rechtsmittelfrist am ersten Tag nach Ablauf des Fristenstillstandes zu
laufen beginnt. Somit ist hier die Rechtsprechung zu Art. 20 VwVG sinngemäss
anwendbar (AHI 1998 S. 211 ff.; vgl. auch Erw. 4.2 hievor), während
diejenige zum - vom Wortlaut abweichenden - Art. 32 Abs. 1 OG nicht
einschlägig ist und mithin auch nicht auf die Meinung von KIESER (UELI
KIESER, ATSG-Kommentar, N 12 in fine zu Art. 38), abgestellt werden kann, da
der Autor auf die Rechtsprechung zu letzterer Norm verweist. Weil die
Vorinstanz für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich
festgestellt hat, dass der Einspracheentscheid am 11. August 2004 eröffnet
worden ist (Art. 105 Abs. 2 OG), begann in der Folge die Beschwerdefrist am
ersten Tag nach Ende des Fristenstillstandes, d.h. am 16. August 2004, zu
laufen und endete

am 14. September 2004. Damit ist die am 15. September 2004 der Post
übergebene erstinstanzliche Beschwerde verspätet.

  Entgegen der Auffassung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden bei
diesem Ergebnis keine verfassungsmässigen Rechte verletzt: Dem Einwand der
Ungleichbehandlung ist entgegenzuhalten, dass ein unterschiedlicher
Sachverhalt vorliegt, wenn ein Einspracheentscheid während des
Fristenstillstandes oder am Tag nach Ablauf des Fristenstillstandes
entgegengenommen (und damit eröffnet) wird; dies hat auch eine
unterschiedliche Regelung zur Folge (vgl. BGE 130 I 70 Erw. 3.6, 129 I 3
Erw. 3 Ingress, 268 Erw. 3.2, 357 Erw. 6, 128 I 312 Erw. 7b, 127 V 454 Erw.
3b). Eine Verletzung des Legalitäts- und Vertrauensprinzips ist ebenfalls
nicht ersichtlich. Vor allem aber sind Bundesgesetze nach Art. 191 BV für
die Gerichte massgebend, d.h. die Regelung des Art. 38 ATSG ist für das
Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich. Verfassungsmässige
Auslegung bedeutet auch, dass die verfassungsmässige Ordnung der
Gewaltenteilung respektiert wird und nicht jedes für eine Partei missliebige
Auslegungsergebnis unter Hinweis auf die Verfassung als Rechtsverletzung
aufgefasst werden kann. Vorliegend handelt es sich um Rechtsfragen im
Zusammenhang mit einem Gesetz, so dass in erster Linie dieses anzuwenden und
auszulegen ist und die Verfassung dabei nur (aber immerhin) insoweit zu
berücksichtigen ist, als einer verfassungskonformen Auslegung Rechnung zu
tragen ist (ohne dass dabei jedoch eine verfassungsmässig nicht vorgesehene
Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt wird). Es besteht denn auch - was
gerade in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist - keine Hierarchie der
Auslegungsmethoden in dem Sinne, dass einer Methode (z.B. der
verfassungskonformen Auslegung) generell der Vorrang zukäme, was letztlich
nichts anderes bedeuten würde, als dass diese Methode die einzig anwendbare
wäre. An dieser fehlenden Methodenhierarchie ändert im Übrigen nichts, dass
nach der Rechtsprechung das Gesetz in erster Linie - aber eben nicht nur -
nach seinem Wortlaut auszulegen ist (BGE 130 V 232 Erw. 2.2),  weshalb der
grammatikalischen Auslegung auch keine höherrangige Bedeutung als anderen
Methoden zukommt.

  Das Argument der Versicherten, der Fristenstillstand wolle den
Justizbeamten Urlaub in der allgemein üblichen Ferienzeit und den
Prozessparteien ungestörte Ferien sowie Oster- und Weihnachtsfeiertage
ermöglichen, ist schliesslich nicht stichhaltig. Die-

ser Zweck des Fristenstillstandes wird nicht vereitelt, wenn eine Zustellung
zu dieser Zeit erfolgt; die Rechtsmittelfrist beginnt ja nicht zu laufen.

Erwägung 5

  5.  Vorliegend ist jedoch zusätzlich die Übergangsproblematik zu
berücksichtigen.

  5.1  Art. 82 Abs. 2 ATSG sieht vor, dass die Kantone ihre Bestimmungen
über die Rechtspflege innerhalb von fünf Jahren seit In-Kraft-Treten des
ATSG diesem Gesetz anzupassen haben und dass bis dahin die bisherigen
kantonalen Vorschriften gelten ("Dans l'intervalle, les dispositions
cantonales en vigueur restent applicables"/"Fino a quel momento sono valide
le prescrizioni cantonali in vigore precedentemente"). Dies ergibt sich denn
auch aus den Materialien (vgl. dazu BGE 130 V 476 Erw. 6.5.1), hält doch der
Bericht der Kommission des Ständerates vom 27. September 1990 fest, dass bis
"zur Neufassung der kantonalen Vorschriften ... Beschwerden nach bisherigem
Recht behandelt" werden (BBl 1991 II 271; Sonderdruck S. 87), während sich
sowohl der Bundesrat in seiner vertieften Stellungnahme vom 17. August 1994
(vgl. BBl 1994 V 962; Sonderdruck S. 42) wie auch die Kommission des
Nationalrats für soziale Sicherheit und Gesundheit im Bericht vom 26. März
1999 (vgl. BBl 1999 V 4671; Sonderdruck S. 149) dazu nicht geäussert haben.
Die Aussage im Bericht der Kommission des Ständerates ist allerdings
insofern zu relativieren, als darin für die neu zu regelnden
Verfahrensbestimmungen nur auf die Art. 63 und 67 des VE-ATSG (entsprechend
Art. 57 und 61 ATSG) verwiesen wird; wäre allerdings beabsichtigt gewesen,
nur diese beiden Bereiche des vorinstanzlichen Verfahrens der Übergangsfrist
des Art. 90 VE-ATSG resp. des Art. 82 Abs. 2 ATSG zu unterstellen, hätte
dies einerseits im Gesetzestext seinen Niederschlag gefunden und
andererseits wäre im Bericht der Kommission auch begründet worden, weshalb
nicht alle, sondern nur bestimmte Normen des vorinstanzlichen Verfahrens der
Übergangsfrist zu unterwerfen seien.

  5.2  Der Kanton Zürich hat den Fristenstillstand in § 13 Abs. 3 lit. b
GSVGer ZH geregelt, indem - nach der hier massgebenden bis Ende 2004
geltenden Fassung - die gesetzlichen und richterlichen Fristen, die nach
Tagen bestimmt sind, unter anderem vom 15. Juli bis und mit dem 15. August
stillstehen. Weiter ist vorgesehen,

dass nach § 12 GSVGer ZH in Verbindung mit § 191 GVG ZH der Tag der
Eröffnung der Frist oder der Tag der Mitteilung eines Entscheides bei der
Fristberechnung nicht mitgezählt wird; in dieser Hinsicht sieht die
zürcherische Praxis vor, dass bei einer Zustellung während der
Gerichtsferien der erste Tag danach bei der Fristberechnung mitzähle (ZR 95
[1996] Nr. 39). Da der Kanton Zürich eine Regelung des Fristenstillstandes
kennt und ihm von Gesetzes wegen (maximal) fünf Jahre zustehen, um eine
allfällig von Art. 60 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 38 ATSG abweichende
Normierung anzupassen, ist die entsprechende gesetzliche Grundlage
spätestens bis Ende Dezember 2007 (oder bis zu einer allfällig früheren
Abänderung durch den kantonalen Gesetzgeber) gültig. In BGE 130 V 324 Erw.
2.1 ist aber festgehalten worden, das Verfahrensrecht des Kantons Zürich
genüge bereits heute den vom ATSG aufgestellten Minimalanforderungen an die
kantonalen Beschwerdeverfahren. Dies kann hinsichtlich der hier zu
beurteilenden Regelung des Fristenstillstandes bestätigt werden, entspricht
sie doch derjenigen des ATSG (vgl. Erw. 4 hievor).

  5.3  Da die vorinstanzliche Beschwerde erst am 15. September 2004 der Post
übergeben worden ist, die Frist aber auch nach der kantonalen Regelung
bereits am 14. September 2004 abgelaufen ist, hat das kantonale Gericht zu
Recht auf Nichteintreten erkannt.