Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 178



131 V 178

26. Urteil i.S. Helsana Versicherungen AG gegen W. und Verwaltungsgericht
des Kantons Thurgau

    K 101/04 vom 18. März 2005

Regeste

    Art. 25 KVG; Art. 7 KLV: Spitalexterne Krankenpflege bei psychisch
erkrankten Personen.

    Leistungsvoraussetzungen

    im Allgemeinen (Erw. 2.1 und 2.4)

    bei Massnahmen der Abklärung und Beratung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a
KLV (Erw. 2.2.1)

    bei Massnahmen der Untersuchung und Behandlung nach Art. 7 Abs. 2
lit. b KLV (Erw. 2.2.2)

    bei Massnahmen der Grundpflege nach Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV
(Erw. 2.2.3)

Sachverhalt

    A.- W., geboren 1948, ist bei der Helsana Versicherungen AG
(nachfolgend: Helsana) nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung
(KVG) versichert und hat Zusatzversicherungen nach dem Bundesgesetz
über den Versicherungsvertrag (VVG) abgeschlossen. Laut Diagnose von
Frau Dr. med. M., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,
leidet sie an paranoider Schizophrenie. Sie wird seit 1999 durch R.,
diplomierte psychiatrische Krankenpflegerin, betreut, wofür die Helsana
Leistungen aus der obligatorischen Krankenversicherung erbrachte. Nach
Erhalt einer neuen ärztlichen Verordnung für die Zeit vom 1. April bis
30. Juni 2002, worin ein voraussichtlicher Pflegebedarf von zwölf Stunden
im Monat angegeben wurde, liess die Helsana die Versicherte wissen, dass
die Leistungspflicht für die vorgesehenen Massnahmen überprüft werde;
gleichzeitig verlangte sie von R. ergänzende Unterlagen (Bedarfsplan,
Fragebogen Spitex). Am 8. Mai 2002 teilte sie der Leistungserbringerin
mit, die Rechnungstellung entspreche nicht dem anwendbaren Tarifvertrag;
zudem stellten die Lebensbegleitung und -beratung sowie psychiatrische
Behandlungen, wie Krisenintervention, keine Pflichtleistungen nach
Art. 7 KLV dar. R. erklärte sich damit nicht einverstanden und machte
geltend, bei den erbrachten Leistungen handle es sich um Massnahmen der
Abklärung und Beratung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. a KLV. Auf eine
ärztliche Verordnung für Massnahmen der Abklärung und Beratung, ein-
bis zweimal pro Woche für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2002
teilte die Helsana der Leistungserbringerin am 5. August 2002 mit, dass
die durchgeführten Massnahmen weder in Art. 7 KLV noch im Tarifvertrag
aufgeführt seien und sozialpsychiatrische Leistungen nicht vergütet werden
könnten. Eine Rechnung für Juli und August 2002 wies sie am 26. November
2002 zurück. Nach einem Briefwechsel mit der Helsana verlangte der Ehemann
der Versicherten am 13. Dezember 2002 eine beschwerdefähige Verfügung. Nach
anfänglicher Ablehnung erliess die Helsana am 4. Februar 2003 eine
Verfügung, mit der sie eine Leistungspflicht aus der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung für die Zeit ab 1. Juli 2002 ablehnte, weil
es um sozialpsychiatrische Behandlungen gehe und keine Massnahmen der
psychiatrischen Grundpflege durchgeführt würden. Die dagegen erhobene
Einsprache wies sie mit Entscheid vom 15. September 2003 ab.

    B.- W. reichte beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau Beschwerde
ein und beantragte, in Aufhebung des Einspracheentscheids sei die Helsana
zu verpflichten, die von R. erbrachten Leistungen zu vergüten; eventuell
sei ein ergänzender Bericht der Leistungserbringerin einzuholen und ein
zweiter Schriftenwechsel durchzuführen.

    Das kantonale Gericht forderte die Versicherte auf, die
Pflegedokumentation der Leistungserbringerin für die Monate Juli und August
2002 beizubringen, welcher Aufforderung die Versicherte mit Eingabe vom 9.
März 2004 nachkam. Nach Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels
hiess das Gericht die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es die
Helsana verpflichtete, die durchgeführten Massnahmen zu entschädigen,
wobei davon auszugehen sei, dass je ein Drittel unter lit. a, b und c
von Art. 7 Abs. 2 KLV zu subsumieren sei (Entscheid vom 14. April 2004).

    Die Helsana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren,
in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei der Einspracheentscheid
vom 15. September 2003 zu bestätigen, und es sei festzustellen, dass für
die streitigen Massnahmen keine Leistungspflicht des Krankenversicherers
bestehe.

    W. lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Das
Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Nach Art. 24 KVG übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen gemäss den Art.
25-31 nach Massgabe der in den Art. 32-34 festgelegten Voraussetzungen. Die
Leistungen umfassen unter anderem Untersuchungen, Behandlungen und
Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär
oder in einem Pflegeheim durch Personen durchgeführt werden, die auf
Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen
erbringen (Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 KVG). Gemäss Art. 33 Abs. 2
KVG bezeichnet der Bundesrat unter anderem die nicht von Ärzten oder
Ärztinnen oder von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen erbrachten
Leistungen nach Art. 25 Abs. 2 KVG näher. Gestützt auf Art. 33 Abs. 5 KVG
hat der Bundesrat diese Aufgabe mit Art. 33 lit. b KVV dem Eidgenössischen
Departement des Innern (EDI) übertragen. Aufgrund dieser Kompetenznorm
hat das Departement in Art. 7 KLV den Leistungsbereich bei Krankenpflege
zu Hause, ambulant oder im Pflegeheim bestimmt. Nach Abs. 1 dieser Norm
übernimmt die Versicherung unter anderem die von Krankenschwestern oder
Krankenpflegern (Art. 49 KVV) oder Organisationen der Krankenpflege
und Hilfe zu Hause auf ärztliche Anordnung oder im ärztlichen Auftrag
erbrachten Leistungen. Gemäss Abs. 2 umfassen die Leistungen im Sinne von
Abs. 1 Massnahmen der Abklärung und Beratung (lit. a), der Untersuchung
und Behandlung (lit. b) sowie der Grundpflege (lit. c). Die Massnahmen
nach lit. a werden umschrieben mit "1. Abklärung des Pflegebedarfs
und des Umfeldes des Patienten und Planung der notwendigen Massnahmen
zusammen mit Arzt (Ärztin) und Patient (Patientin)" und "2. Beratung des
Patienten oder der Patientin sowie gegebenenfalls der nichtberuflich an
der Krankenpflege Mitwirkenden bei der Durchführung der Krankenpflege,
insbesondere bei der Einnahme von Medikamenten oder beim Gebrauch
medizinischer Geräte, und Vornahme der notwendigen Kontrollen". Zu den
Massnahmen der Grundpflege (lit. c) gehören die allgemeine Grundpflege bei
Patienten und Patientinnen, welche die Tätigkeiten nicht selber ausführen
können, wie Beine einbinden, Kompressionsstrümpfe anlegen; Betten, Lagern;
Bewegungsübungen, Mobilisieren; Dekubitusprophylaxe, Massnahmen zur
Verhütung oder Behebung von behandlungsbedingten Schädigungen der Haut;
Hilfe bei der Mund- und Körperpflege, beim An- und Auskleiden, beim Essen
und Trinken (Ziff. 1) sowie die psychiatrische oder psychogeriatrische
Grundpflege (Ziff. 2).

    1.2  Grundlage für den Entschädigungsanspruch von Leistungen
der Krankenschwestern und Krankenpfleger oder der Organisationen der
Krankenpflege und Hilfe zu Hause bildet der ärztliche Auftrag oder
die ärztliche Anordnung, welche aufgrund der Bedarfsabklärung und der
gemeinsamen Planung der notwendigen Massnahmen näher zu umschreiben sind
(Art. 8 Abs. 1 KLV). Die Bedarfsabklärung umfasst die Beurteilung der
Gesamtsituation des Patienten oder der Patientin sowie die Abklärung
des Umfeldes und des individuellen Pflege- und Hilfebedarfs (Art. 8
Abs. 2 KLV). Sie erfolgt aufgrund einheitlicher Kriterien. Das Ergebnis
wird auf einem von den Tarifpartnern geschaffenen Formular festgehalten,
worin insbesondere der voraussichtliche Zeitbedarf anzugeben ist (Art. 8
Abs. 3 KLV). Der ärztliche Auftrag oder die ärztliche Anordnung sind zu
befristen. Sie können bei Akutkranken für maximal drei Monate und bei
Langzeitpatienten oder -patientinnen für maximal sechs Monate erteilt
werden (Art. 8 Abs. 6 KLV). Der ärztliche Auftrag oder die ärztliche
Anordnung können wiederholt werden (Art. 8 Abs. 7 KLV). Für die Leistungen
der Krankenschwestern und Krankenpfleger oder der Organisationen der
Krankenpflege und Hilfe zu Hause vereinbaren die Vertragspartner oder
setzen die zuständigen Behörden Tarife fest, die nach Art und Schwierigkeit
der notwendigen Leistungen abzustufen sind (Art. 9 Abs. 3 KLV).

    1.3  Der Tarif zum Vertrag zwischen dem Konkordat der Schweizerischen
Krankenversicherer (KSK, heute santésuisse) und dem Schweizer Berufsverband
der Krankenschwestern und Krankenpfleger (SBK) vom 23. Mai 1997 sieht
für die von freiberuflich tätigen Krankenschwestern und Krankenpflegern
erbrachten Leistungen im Sinne von Art. 7 KLV vier Tarifpositionen vor. Mit
13 Taxpunkten pro 10 Minuten werden Massnahmen der Bedarfsabklärung und
Beratung (lit. a) und mit 12 Taxpunkten pro 10 Minuten Massnahmen der
Untersuchung und Behandlung (lit. b) entschädigt, wobei sowohl Massnahmen
nach lit. a als auch solche nach lit. b nur von einer Krankenschwester oder
einem Krankenpfleger nach Art. 49 KVV durchgeführt werden dürfen. Für
Massnahmen der Grundpflege gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV enthält
der Tarifvertrag zwei Positionen. Während Massnahmen der Grundpflege,
die in Verbindung mit Massnahmen der Bedarfsabklärung und Beratung
(Tarifposition a) und/oder der Untersuchung und Behandlung (Tarifposition
b) erbracht werden, mit 11 Taxpunkten pro 10 Minuten entschädigt werden
(Tarifposition c1), beläuft sich die Entschädigung für Massnahmen der
Grundpflege, die nicht in Verbindung mit Massnahmen der genannten Art
stehen, auf 6,5 Taxpunkte pro 10 Minuten (Tarifposition c2). Dabei
wird davon ausgegangen, dass Massnahmen der Grundpflege, die nicht die
Qualifikation einer diplomierten Pflegeperson erfordern, mit Tarifposition
c2 zu entschädigen sind (RKUV 2003 Nr. KV 264 S. 322 Erw. 3.2).

Erwägung 2

    2.  In grundsätzlicher Hinsicht ist streitig, welche Pflichtleistungen
die Krankenversicherer im Rahmen von Art. 7 KLV bei psychisch erkrankten
Personen zu übernehmen haben.

    2.1  Auszugehen ist davon, dass der Krankheitsbegriff körperliche und
geistige bzw. psychische Beeinträchtigungen der Gesundheit umfasst (Art. 2
Abs. 1 KVG, gültig gewesen bis 31. Dezember 2002, und Art. 3 Abs. 1 ATSG,
in Kraft getreten am 1. Januar 2003). Dementsprechend haben psychisch
erkrankte Personen grundsätzlich in gleicher Weise wie Personen mit einem
körperlichen Gesundheitsschaden Anspruch auf Leistungen für spitalexterne
Krankenpflege gemäss Art. 7 KLV. Die Bestimmung bezieht sich inhaltlich
zwar weit gehend auf somatische Krankheiten und enthält eine spezifisch
auf psychische Erkrankungen zugeschnittene Norm lediglich unter dem Titel
der Massnahmen der Grundpflege nach Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV. Im Rahmen
des KVG sind die psychischen Erkrankungen den körperlichen Krankheiten
jedoch gleichgestellt, was auch bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 2 KLV
zu beachten ist. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in der
Vernehmlassung vom 15. Dezember 2003 im Verfahren K 97/03 sinngemäss
ausführt und das BAG in seiner am 3. März 2004 verfassten Stellungnahme
zu einem Rundschreiben des SBK und des Spitex-Verbandes Schweiz vom
26. Januar 2004 wiederholt, soll mit lit. c Ziff. 2 der Bestimmung
(psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege) die Gleichbehandlung
der psychischen mit den körperlichen Krankheiten bei den Pflegemassnahmen
sichergestellt werden. In ähnlichem Sinn hat sich der Bundesrat in der
Antwort vom 29. Januar 2003 auf die Einfache Anfrage von Nationalrätin
Stephanie Baumann zur ambulanten psychiatrischen Pflege vom 25. November
2002 geäussert (02.1130; Amtl. Bull. 2003 N 523; Beilagen, S. 95).

    2.2  Die Leistungspflicht nach Art. 7 KLV bei psychisch erkrankten
Personen setzt voraus, dass ein behandlungsbedürftiger psychischer
Gesundheitsschaden vorliegt. Aus dem Erfordernis des ärztlichen Auftrags
oder der ärztlichen Anordnung (Art. 8 Abs. 1 KLV) folgt des Weiteren,
dass die erkrankte Person in ärztlicher Behandlung stehen muss (GEBHARD
EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 130). Keine ärztliche Behandlung im Sinne
des KVG bilden psychotherapeutische Massnahmen, die lediglich zum Zweck der
Selbsterfahrung, der Selbstverwirklichung oder der Persönlichkeitsreifung
oder zu einem anderen nicht auf die Behandlung einer Krankheit gerichteten
Zweck durchgeführt werden (Art. 2 Abs. 2 KLV). In solchen Fällen besteht
auch kein Anspruch auf Pflegemassnahmen nach Art. 7 KLV. Entscheidend
für die Leistungspflicht des Krankenversicherers ist somit, dass es sich
um krankheitsbedingte Pflegemassnahmen und nicht um Massnahmen handelt,
die aus andern persönlichen oder sozialen Gründen erforderlich sind.

    2.2.1  Psychisch erkrankte Personen haben zunächst wie die körperlich
Erkrankten Anspruch auf Massnahmen der Abklärung und Beratung gemäss Art. 7
Abs. 2 lit. a KLV. Die Massnahmen umfassen die Abklärung des Pflegebedarfs
und des Umfeldes der versicherten Person sowie die Planung der notwendigen
Massnahmen einerseits (Ziff. 1) und die Beratung des Patienten oder der
Patientin sowie gegebenenfalls der nichtberuflich an der Krankenpflege
Mitwirkenden bei der Durchführung der Krankenpflege anderseits (Ziff. 2).
Die Abklärung und Beratung kann sich sowohl auf die Behandlungspflege
nach Abs. 2 lit. b als auch auf die Grundpflege nach Abs. 2 lit. c der
Verordnungsbestimmung beziehen (vgl. EUGSTER, aaO, Rz 114). Nach dem
Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 lit. a Ziff. 2 KLV müssen die Massnahmen der
Beratung auf die Durchführung der Krankenpflege ("pour les soins", "per
l'effettuazione delle cure") gerichtet sein. Dazu gehört laut Verordnung
insbesondere die Beratung bei der Einnahme von Medikamenten oder beim
Gebrauch medizinischer Geräte und die Vornahme der notwendigen Kontrollen.
Bei psychisch Erkrankten hat die Beratung den besondern Anforderungen an
die Krankenpflege bei psychischen Beeinträchtigungen Rechnung zu tragen. Im
Einzelfall kann etwa die Anleitung und Einübung von Bewältigungsmechanismen
(sog. Coping-Strategien), die Unterstützung in Krisensituationen oder
die Beratung im Umgang mit Krankheitssymptomen erforderlich sein (vgl.
Richtlinien des Zentralvorstandes des Spitex-Verbandes Schweiz vom 12. Mai
1997). Die Massnahmen dürfen indessen nicht therapeutischen Charakter
aufweisen, sondern haben sich auf die pflegerische Betreuung der psychisch
erkrankten Person zu beschränken. Zudem dürfen sie sich nicht in einer
(vom Gesundheitsschaden bzw. der Krankenpflege unabhängigen) Beratung
in persönlicher oder sozialer Hinsicht oder in der Mithilfe im Haushalt
erschöpfen.

    2.2.2  Unter der Behandlungspflege gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV
sind Pflegemassnahmen mit diagnostischer oder therapeutischer Zielsetzung
zu verstehen (EUGSTER, aaO, Rz 114). Entsprechende Massnahmen, wie
beispielsweise die Verabreichung von Medikamenten durch die Pflegeperson
auf Anordnung des Arztes (Ziff. 7), fallen auch bei psychisch erkrankten
Personen in die Leistungspflicht der Krankenversicherer. Dagegen
können keine Massnahmen vergütet werden, die psychotherapeutischen
Charakter aufweisen. Nur die von den Ärzten durchgeführte Psychotherapie
und die sog. delegierte Psychotherapie (vgl. hiezu BGE 125 V 441)
gehören zu den Pflichtleistungen der Krankenversicherung, nicht aber
die von freiberuflichen nichtärztlichen Psychotherapeuten erbrachten
Leistungen (BGE 125 V 284; RKUV 2003 Nr. KV 255 S. 240 ff.). Umso
weniger sind psychotherapeutische Untersuchungen und Behandlungen durch
(psychiatrische) Pflegepersonen zu übernehmen. Anspruchsbegründend sind
nur pflegerische Massnahmen in Zusammenhang mit der Untersuchung und
Behandlung psychisch erkrankter Personen. Weil von den Pflegepersonen keine
psychotherapeutischen Massnahmen vorgenommen werden dürfen und Beratungen
hinsichtlich des Umgangs mit dem Krankheitsbild sowie stützende Gespräche
in Krisensituationen - soweit keine ärztliche Intervention erforderlich
ist - unter lit. a der Verordnungsbestimmung zu subsumieren sind, bleibt
für Massnahmen der Behandlungspflege nach Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV nur
wenig Raum.

    2.2.3  Schliesslich haben psychisch erkrankte Personen gemäss Art. 7
Abs. 2 lit. c KLV Anspruch auf die in Ziff. 1 dieser Bestimmung genannten
Massnahmen, wozu etwa die Hilfe bei der Mund- und Körperpflege, beim An-
und Auskleiden sowie beim Essen und Trinken gehören. Im Gegensatz zu
den Leistungskategorien von Art. 7 Abs. 2 KLV (vgl. hiezu RKUV 1998 KV
Nr. 28 S. 184 Erw. 3) ist die Aufzählung der einzelnen Massnahmen in
Art. 7 Abs. 2 lit. c Ziff. 1 KLV dem Wortlaut nach ("wie", "tels que",
"quali") nicht abschliessend. Fraglich ist, ob aufgrund von Ziff. 2 der
Bestimmung Anspruch auf weitere, spezifisch auf psychisch erkrankte
Personen zugeschnittene Massnahmen besteht. Nach Auffassung von BSV
und BAG eröffnet die Bestimmung kein neues Leistungsspektrum, sondern
berücksichtigt allein den höheren zeitlichen Aufwand in der Grundpflege
bei den psychisch erkrankten Personen. In gleichem Sinn hatte sich
das BSV bereits in einem Beschwerdeverfahren betreffend den Tarif für
die in Pflegeheimen erbrachten Leistungen im Kanton Waadt geäussert. Im
diesbezüglichen Entscheid vom 20. Dezember 2000 (auszugsweise publiziert
in: VPB 66/2002 Nr. 66.69 S. 817 ff.; zusammengefasst in RKUV 2001
Nr. KV 186 S. 471 ff.) folgte der Bundesrat grundsätzlich dieser
Betrachtungsweise, stellte gleichzeitig aber fest, Art. 7 Abs. 2 lit. c
Ziff. 2 KLV sei eine weiter gehende Bedeutung beizumessen, weil die in
Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 1-12 und lit. c Ziff. 1 KLV genannten Massnahmen
ausschliesslich solche der körperlichen Grundpflege erwähnten. Es sei
offensichtlich, dass psychisch beeinträchtigte Personen einer besonderen
Pflege bedürften, welche im Rahmen des in Art. 7 Abs. 2 KLV enthaltenen
Leistungskataloges allein unter lit. c Ziff. 2 dieser Bestimmung
subsumiert werden könne (in VPB 66/2002 Nr. 66.69 S. 817 ff. nicht
publizierte Erw. 9.4 des bundesrätlichen Entscheids). Davon scheint auch
der Verordnungsgeber bei den Vorarbeiten zu der auf den 1. Januar 1998 in
Kraft getretenen Neufassung von Art. 7 KLV (AS 1997 2039) ausgegangen zu
sein. Im bereinigten Antrag an die Eidgenössische Kommission für allgemeine
Leistungen (ELK) hatte die mit der Ausarbeitung eines Verordnungsentwurfs
beauftragte Arbeitsgruppe vorgeschlagen, Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV mit einer
Ziffer 2 "Spezifische psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege"
zu ergänzen. Im Kommentar zu dieser Bestimmung wurde ausgeführt, es
gehe dabei vor allem um helfende, beratende und überwachende Präsenz
bei Patientinnen oder Patienten, bei denen dadurch eine Versorgung
teilstationär oder zu Hause (oder allenfalls beides in Abstimmung
aufeinander) möglich und ein permanenter Klinikaufenthalt vermeidbar
sei. Die ELK stimmte der vorgeschlagenen Bestimmung mehrheitlich zu. Auch
wenn in der definitiven Fassung von Art. 7 Abs. 2 lit. c Ziff. 2 KLV
nicht mehr von einer spezifischen psychiatrischen oder psychogeriatrischen
Grundpflege die Rede ist, muss davon ausgegangen werden, dass mit dieser
Bestimmung nicht bloss die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 lit. a, b und
c Ziff. 1 auf psychisch beeinträchtigte Personen sichergestellt, sondern
darüber hinaus eine Kostenübernahmepflicht für besondere Massnahmen
bei psychisch Erkrankten statuiert werden sollte. Für diese Auslegung
sprechen auch Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung, welche darin zu
erblicken sind, psychisch erkrankten Personen eine Krankenpflege zu Hause
zu ermöglichen und damit eine allenfalls notwendige stationäre Behandlung
zu vermeiden. Im Hinblick darauf, dass Art. 7 Abs. 2 lit. c Ziff. 1 KLV bei
der (nicht abschliessenden) Aufzählung der in Betracht fallenden Massnahmen
(unter anderem "Betten, Lagern", "Bewegungsübungen, Mobilisieren", "Hilfe
bei der Mund- und Körperpflege, beim An- und Auskleiden, beim Essen und
Trinken") unmittelbar auf alltägliche Lebensverrichtungen Bezug nimmt,
ist Ziff. 2 der Verordnungsbestimmung in dem Sinne auszulegen, dass
zur psychiatrischen und psychogeriatrischen Grundpflege Massnahmen zu
rechnen sind, welche der Überwachung und Unterstützung psychisch erkrankter
Personen bei der Alltagsbewältigung dienen (vgl. in diesem Sinne auch HARDY
LANDOLT, Grundlagen des Pflegerechts, Bern 2001, Bd. I, S. 24 f. Rz 39;
vgl. auch Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Neuordnung
der Pflegefinanzierung vom 16. Februar 2005, in: BBl 2005 S. 2033 ff.,
hier: S. 2066). Gegenstand von Massnahmen der Grundpflege nach Art. 7
Abs. 2 lit. c Ziff. 2 KLV können allerdings nur Beeinträchtigungen in den
grundlegenden alltäglichen Lebensverrichtungen bilden und nur so weit,
als sie krankheitsbedingt sind. Es muss sich zudem um Massnahmen der
Personenhilfe und nicht der Sachhilfe (insbesondere Haushaltshilfe)
handeln (EUGSTER, aaO, Rz 114). Dabei geht es vorab darum, dass die
psychisch erkrankte Person die alltäglichen Lebensverrichtungen wieder
selbst zu besorgen vermag ("Hilfe zur Selbsthilfe").

    2.3  Nicht zu übersehen ist, dass sich gewisse Massnahmen
(beispielsweise Überwachung und Unterstützung im Alltag sowie in
Krisensituationen) im Einzelfall sowohl unter lit. a (Beratung) als
auch unter lit. c (Grundpflege) von Art. 7 Abs. 2 KLV subsumieren
lassen und eine klare Abgrenzung der Massnahmen der psychiatrischen
oder psychogeriatrischen Grundpflege gemäss lit. c Ziff. 2
der Verordnungsbestimmung von den nicht zu den Pflichtleistungen
gehörenden Massnahmen der Hilfe im Haushalt und der sozialen Betreuung
mit Schwierigkeiten verbunden ist. Im Hinblick auf eine rechtsgleiche
Praxis wäre es - ungeachtet der laufenden Bestrebungen zur Neuordnung
der Pflegefinanzierung - zu begrüssen, wenn der Verordnungsgeber, nach
Anhörung der zuständigen Fachkommission (ELK), die unter dem Titel der
psychiatrischen oder psychogeriatrischen Grundpflege als Pflichtleistungen
zu vergütenden Massnahmen und den Leistungsbereich nach lit. a und
b der Bestimmung bei psychisch Erkrankten näher umschreiben würde.
Denn es ist offensichtlich, dass der geltende Wortlaut von Art. 7 KLV,
welcher einseitig von den somatischen Erkrankungen ausgeht, nicht zu
befriedigen vermag.

    2.4  Anzumerken bleibt, dass es für die Beurteilung der
Leistungspflicht in grundsätzlicher und masslicher Hinsicht eindeutiger
Angaben bezüglich der im Einzelfall angeordneten und durchgeführten
Massnahmen bedarf (Art. 42 Abs. 3 Satz 2 KVG). Vorauszusetzen ist ein
klarer ärztlicher Auftrag oder eine ärztliche Anordnung hinsichtlich
der erforderlichen Massnahmen, welche aufgrund der Bedarfsabklärung
und der gemeinsamen Planung näher zu umschreiben sind (Art. 8
Abs. 1 KLV). Der Krankenversicherer kann verlangen, dass ihm die
relevanten Elemente der Bedarfsabklärung mitgeteilt werden (Art. 8
Abs. 5 KLV). Erforderlichenfalls ist ihm zuhanden des Vertrauensarztes
(Art. 57 KVG) eine umfassende Dokumentation der erbrachten Leistungen
(Pflegedokumentation) einzureichen. Schliesslich ist eine detaillierte
und verständliche Rechnungstellung vorauszusetzen (Art. 42 Abs. 3 Satz
1 KVG). Genügen die vorhandenen Angaben nicht für eine zuverlässige
Beurteilung der Leistungspflicht, hat der Krankenversicherer ergänzende
Unterlagen einzufordern. Wird dieser Aufforderung nicht oder nur ungenügend
nachgekommen, ist er befugt, die Leistungspflicht für die beantragten
Massnahmen abzulehnen.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Das streitige Leistungsbegehren stützt sich auf eine
ärztliche Anordnung von Frau Dr. med. M., Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie. Leistungserbringerin ist die diplomierte psychiatrische
Krankenpflegerin R., welche freiberuflich den Mobilen Betreuungsdienst
X. führt. Sie erfüllt unbestrittenermassen die für die Zulassung als
Leistungserbringerin für die Krankenversicherung geltenden Anforderungen
(Art. 49 KVV) und ist dem Tarifvertrag zwischen dem KSK (heute santésuisse)
und dem SBK vom 23. Mai 1997 (vgl. Erw. 1.3 hievor) angeschlossen. Die
formellen Voraussetzungen für eine Vergütung der streitigen Massnahmen
durch den Krankenversicherer sind damit erfüllt. Zu prüfen ist, ob die
durchgeführten Massnahmen zu den Pflichtleistungen nach Art. 7 KLV gehören.

    3.2  Laut ärztlicher Diagnose leidet die Beschwerdegegnerin an
paranoider Schizophrenie (ICD-10 F20.0). Es liegt somit ein psychischer
Gesundheitsschaden mit Krankheitswert vor, welcher grundsätzlich Anspruch
auf Leistungen nach Art. 7 KLV zu begründen vermag. In der ärztlichen
Anordnung vom 26. Juli 2002 wird die Art der durchzuführenden Massnahmen
mit "Massnahmen der Abklärung und Beratung" umschrieben und der Bedarf mit
"ein- bis zweimal wöchentlich, maximal 240 Minuten pro Woche" angegeben. In
dem vom Krankenversicherer eingeholten Fragebogen für Krankenpflege zu
Hause bezeichnet die Leistungserbringerin die Pflegesituation als komplex
und instabil und umschreibt die gestützt auf Art. 7 Abs. 2 lit. a KLV
durchgeführten Massnahmen wie folgt:

    - Anleitung, Beratung und Abklärung bei Bewältigung von alltäglichen

        Anforderungen, mit Einbezug des Krankheitsbildes

    - Pflegerische Gespräche, vorbeugende Anleitung, Beratung, um erneutem

        Klinikeintritt vorzubeugen

    - Motivationsarbeit in Bezug auf Krankheitsannahme oder deren

        Bewältigung im bestehenden sozialen Netz. Im Besonderen aktive

        Beratung und Unterstützung der ärztlich verordneten medikamentösen

        Therapie

    - Anleitung, Beratung bei Angst und Panik

    - Planung der notwendigen Massnahmen in Zusammenarbeit mit Dr. med. M.

    Aus der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Pflegedokumentation
für die Monate Juli und August 2002 geht hervor, dass die Versicherte
über Schwindel und Angstgefühle sowie depressive Stimmungen klagte. Die
durchgeführten Massnahmen bestanden zur Hauptsache in einem Angsttraining,
stützenden Gesprächen, gemeinsamen Spaziergängen, gemeinsamem Essen,
Erstellen einer Wochen-Haushaltsplanung und Überwachung bei der Medikation.

    3.3  Aufgrund der vorhandenen Angaben kann der Auffassung der
Beschwerdegegnerin nicht gefolgt werden, wonach die durchgeführten
Massnahmen vollumfänglich nach Art. 7 Abs. 2 lit. a KLV (Massnahmen
der Abklärung und Beratung) zu entschädigen sind. Ebenso wenig
kann der Meinung der Beschwerdeführerin beigepflichtet werden,
wonach als pflegerische Massnahmen lediglich die Überwachung der
Medikation und das Blutdruckmessen zu rechnen seien, wogegen es sich
bei der Gesprächsführung und dem Angsttraining um psychotherapeutische
Massnahmen und bei der Haushaltsplanung, den Spaziergängen sowie der
Essenszubereitung um Massnahmen der sozialen Integration handle, für welche
der Krankenversicherer nicht aufzukommen habe. Nach dem Gesagten können
die durchgeführten Betreuungsgespräche zur Behebung oder Milderung von
krankheitsbedingten Angststörungen durchaus Massnahmen der Beratung gemäss
Art. 7 Abs. 2 lit. a KLV darstellen (Erw. 2.2.1 hievor). Es handelt sich
dabei nicht notwendigerweise um psychotherapeutische Massnahmen, welche
nur dann zu Lasten des Krankenversicherers gehen, wenn sie vom Arzt oder in
Form der sog. delegierten Psychotherapie durchgeführt werden. Erforderlich
ist, dass nicht der therapeutische, sondern der pflegerische Charakter der
Massnahme im Vordergrund steht (Erw. 2.2.2 hievor), was im vorliegenden
Fall allerdings als fraglich erscheint. Soweit die Versicherte wegen des
psychischen Leidens und der damit verbundenen Beeinträchtigung des Antriebs
einer Unterstützung und Hilfe bei den alltäglichen Lebensverrichtungen,
insbesondere der Führung des Haushaltes bedarf, fallen Leistungen
der Grundpflege nach Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV in Betracht (Erw. 2.2.3
hievor). Erforderlich ist, dass die Hilfs- und Überwachungsbedürftigkeit
direkte Folge der psychischen Erkrankung bildet und sich die Massnahmen
auf eine Unterstützung und Überwachung (Personen- und nicht Sachhilfe)
beschränken. Schliesslich kann auch dem vorinstanzlichen Entscheid nicht
gefolgt werden, wonach die erbrachten Leistungen teils als Massnahmen
der Abklärung und Beratung (so die Gespräche), teils als Massnahmen der
Untersuchung und Behandlung (so insbesondere die Blutdruck-Messungen) und
teils als Massnahmen der Grundpflege zu betrachten sind, wobei der Anteil
mangels einer klaren Unterscheidung seitens der Leistungserbringerin
ermessensweise auf je ein Drittel festzusetzen ist. Zum einen ist
fraglich, ob es sich bei den durchgeführten Massnahmen ausnahmslos
um solche nach Art. 7 Abs. 2 KLV handelt. Insbesondere bleibt offen,
ob es bei den stützenden Gesprächen und dem Angsttraining nicht doch um
therapeutische Massnahmen ging, welche die Leistungserbringerin anstelle
oder im Auftrag des Arztes oder der Ärztin erbracht hat. Zum andern
entbehrt die von der Vorinstanz vorgenommene ermessensweise Aufteilung
der Massnahmen (je ein Drittel Massnahmen nach lit. a, b und c von Art. 7
Abs. 2 KLV) einer hinreichenden Grundlage. Sie vermag schon deshalb nicht
zu überzeugen, weil den Massnahmen der Behandlungspflege nach Art. 7
Abs. 2 lit. b KLV offensichtlich nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Im
Übrigen können nur Leistungen vergütet werden, die klar ausgewiesen
und effektiv durchgeführt worden sind (Erw. 2.4 hievor). Diesbezüglich
bestehen aber Zweifel, zumal die Pflegedokumentation eine unzutreffende
Eintragung (Massnahmen vom 13. August 2002) enthält, welche bisher nicht
klargestellt worden ist. Mangels näherer An- gaben lässt sich zudem nicht
feststellen, inwieweit sich die durchgeführten Massnahmen im Rahmen der
ärztlichen Anordnung halten. Die Sache ist daher an den Krankenversicherer
zurückzuweisen, damit er von der behandelnden Ärztin ergänzende Angaben
zu den krankheitsbedingt erforderlichen Massnahmen einhole und über den
Leistungsanspruch nach Massgabe der dargelegten rechtlichen Erwägungen
neu entscheide.