Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 161



131 V 161

22. Auszug aus dem Urteil i.S. IV-Stelle des Kantons St. Gallen gegen N.
und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen

    I 446/04 vom 24. Januar 2005

Regeste

    Art. 8 Abs. 2 HVI: Amortisationsbeiträge sind auch ohne vorherige
Bezeichnung der Hilfsmittel (in casu Treppenlift) durch das Bundesamt
für Sozialversicherung möglich.

    Aus der rechtlichen Gleichstellung der Abgabeformen folgt, dass
Amortisationsbeiträge nach Art. 8 Abs. 2 HVI auch bei Anschaffung eines
Treppenliftes in Betracht fallen, wenn die Gegebenheiten des konkreten
Falles dies nahelegen. (Erw. 4)

Sachverhalt

    A.- N., geboren 1966, liess im Juni 2003 bei der Invalidenversicherung
die Abgabe eines Treppenlifts als Hilfsmittel in ihrem Haushalt
beantragen. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen zog den Bericht vom
24. Februar 2003 über die am 6. Februar 2003 erfolgte Abklärung im
Haushalt bei und holte weitere Auskünfte ein. Mit Verfügung vom 1. Juli
2003 lehnte die Verwaltung die Abgabe eines Treppenliftes ab, da durch
dieses Hilfsmittel keine Steigerung der Leistungsfähigkeit im Haushalt
erreicht werden könne. Dies wurde durch Einspracheentscheid vom 7. November
2003 bestätigt.

    B.- Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die dagegen
unter Beilage eines ärztlichen Berichts erhobene Beschwerde mit Entscheid
vom 29. April 2004 gut und stellte fest, dass N. Anspruch auf einen
Treppenlift habe.

    C.- Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben.

    N. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen,
während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.6  Die Sache geht zurück an die Verwaltung, damit sie
die Eingliederungswirksamkeit eines Treppenliftes abkläre, die
weiteren Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung (vgl. BGE 129 V 68
Erw. 1.1.1) prüfe und anschliessend neu verfüge. Sie wird dabei auch die
Progredienz des Leidens und dessen Einfluss auf die Aufgabenerfüllung
zu berücksichtigen haben (so kann z.B. - wegen der beim Leiden der
Versicherten erfahrungsgemäss erhaltenen emotionalen und intellektuellen
Fähigkeiten - die Kindererziehung oder die Erledigung von Zahlungen
etc. wohl auch bei fortschreitender Krankheit wahrgenommen werden).

Erwägung 4

    4.  Sollte allein das Fortschreiten des Leidens der Abgabe
eines Treppenliftes entgegenstehen, wird die IV-Stelle Folgendes zu
berücksichtigen haben: Die Versicherte hat den Treppenlift bereits selber
angeschafft; wegen der grundsätzlichen Gleichstellung der verschiedenen
Abgabeformen der Hilfsmittel (BGE 113 V 267) ist in der Folge allenfalls
eine Kostenvergütung gemäss Art. 8 Abs. 1 HVI zu leisten. Nach Art. 8
Abs. 2 HVI wird bei den durch das BSV zu bezeichnenden kostspieligen
Hilfsmitteln, die ihrer Art nach auch für andere Versicherte Verwendung
finden können, die Kostenvergütung in Form jährlicher Amortisationsbeiträge
geleistet, welche entsprechend den Kosten und der möglichen
voraussichtlichen Benützungsdauer festgesetzt werden. Für Motorfahrzeuge
nach Ziff. 10 HVI Anhang ist dieser Modus durch das BSV vorgesehen
worden (vgl. Ziff. 10.01.1* ff. sowie Anhang 2 des Kreisschreibens über
die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung [KMHI]),
nicht aber für den hier streitigen Treppenlift. Die - erwähnte -
Gleichheit der Abgabeformen, d.h. die grundsätzliche Gleichstellung
von Amortisationsbeiträgen und Hilfsmittelabgabe, steht im Widerspruch
zu Art. 8 Abs. 2 HVI, wonach Amortisationsbeiträge nur bei den vom
BSV bezeichneten Hilfsmitteln möglich sind. Es ist nicht einzusehen,
weshalb bei einem unbestrittenermassen kostspieligen Hilfsmittel wie dem
Treppenlift diese vorgängige Bezeichnung durch das BSV notwendig sein
sollte. Insoweit ist der Regelung des Art. 8 Abs. 2 HVI die Anwendung
zu versagen, da sie in dieser Hinsicht ohne vernünftigen Grund eine
rechtliche Unterscheidung trifft (Amortisationsbeiträge nur für speziell
bezeichnete Hilfsmittel und nicht etwa nur für Hilfsmittel, bei denen die
Kostspieligkeit nicht offensichtlich ist; vgl. zur Überprüfungsbefugnis
bundesrätlicher Verordnungen BGE 130 I 32 Erw. 2.2.1 mit Hinweisen). Damit
liegt es im pflichtgemässen, gegebenenfalls gerichtlich überprüfbaren
(Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 81 Erw. 6) Ermessen der IV-Stelle,
allenfalls Amortisationsbeiträge an die Anschaffung eines Treppenliftes zu
sprechen, wenn die Verwaltung die Voraussetzungen als erfüllt betrachtet
und diese Abgabeform für angemessen hält. Es könnten also gegebenenfalls
- anstelle eines einmaligen Beitrages gemäss Ziff. 14.05.2 KHMI in
Verbindung mit Ziff. 2.1 Anhang 1 KHMI - wegen der Progredienz des
Leidens, welche die Haushaltführung mit der Zeit verunmöglichen dürfte,
grundsätzlich Amortisationsbeiträge geleistet werden, und zwar so lange
als die Beschwerdegegnerin für die Aufgabenerfüllung im Haushalt durch
den Treppenlift eingliederungswirksam versorgt ist (und auch die weiteren
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind).