Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 V 1



131 V 1

1. Auszug aus dem Urteil i.S. S. gegen Schweizerische Ausgleichskasse und
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen

    H 49/04 vom 13. Oktober 2004

Regeste

    Art. 29bis ff. AHVG und Art. 50 ff. AHVV; Art. 29quinquies Abs. 3
und 4 AHVG, Art. 52f Abs. 2bis AHVV; Art. 122 ff. ZGB: Rentenberechnung.

    Die Vorschriften über die Berechnung der Renten der Alters- und
Hinterlassenenversicherung stellen abgesehen von Art. 52f Abs. 2bis
AHVV (Anrechnung von Erziehungsgutschriften bei geschiedenen oder
unverheirateten Eltern, welchen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht)
zwingendes Recht dar. Der gegenseitige Verzicht der Ehegatten auf
nacheheliche Unterhaltsleistungen und auf Leistungen im Hinblick auf die
Altersvorsorge im Rahmen der 2. Säule hat daher nicht zur Folge, dass
bei Eintritt des Versicherungsfalles (Alter oder Tod) die Renten ohne
Einkommenssplitting zu berechnen wären. Dies gilt vorbehältlich anders
lautender Staatsverträge auch für nicht in der Schweiz getroffene und nicht
schweizerischem Recht unterliegende Scheidungsvereinbarungen. (Erw. 1.1)

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügungen vom 23. April 2003 sprach die Schweizerische
Ausgleichskasse dem 1936 geborenen, in Deutschland wohnhaften S. eine
Altersrente von monatlich Fr. 189.- vom 1. August 2001 bis 31. Mai
2002, Fr. 243.- vom 1. Juni bis 31. Dezember 2002 und Fr. 249.- ab
1. Januar 2003 zu. Die Verwaltung wies darauf hin, die von ihm und
seiner früheren Ehefrau I. während der Kalenderjahre der gemeinsamen
Ehe erzielten Einkommen seien geteilt und beiden Ehegatten je zur Hälfte
angerechnet worden. Mit Einspracheentscheid vom 2. Juni 2003 bestätigte
die Ausgleichskasse die Rentenverfügung.

    B.- Die von S. hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische
Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit
Entscheid vom 21. Januar 2004 ab.

    C.- S. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Rechtsbegehren,
die Altersrente sei neu (ohne Einkommenssplitting) zu berechnen.

    Die Schweizerische Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Die Rekurskommission hat die letztinstanzlich erneut vorgetragenen
Einwendungen gegen die Berechnung der Altersrente ab 1. August 2001
im Wesentlichen mit der Begründung als nicht stichhaltig bezeichnet,
die Teilung und gegenseitige je hälftige Anrechnung der während der
Kalenderjahre der gemeinsamen Ehe erzielten Einkommen geschiedener
Ehegatten (Art. 29quinquies Abs. 3 und 4 AHVG) sei zwingender Natur. Das
ist im Sinne des Nachstehenden richtig.

    1.1  Die Vorschriften über die Berechnung der Renten der Alters- und
Hinterlassenenversicherung sind abgesehen vom hier nicht interessierenden
Art. 52f Abs. 2bis AHVV (Anrechnung von Erziehungsgutschriften bei
geschiedenen oder unverheirateten Eltern, denen die elterliche Sorge
gemeinsam zusteht) einer Vereinbarung grundsätzlich nicht zugänglich. Es
handelt sich hiebei um zwingendes Recht. Die Regelung der Nebenfolgen
einer Scheidung ist somit für die Rentenberechnung ohne Bedeutung. Der
gegenseitige Verzicht der Ehegatten auf nacheheliche Unterhaltsleistungen
und auf Leistungen im Hinblick auf die Altersvorsorge im Rahmen der
2. Säule (vgl. Art. 122 ff. ZGB), soweit scheidungsrechtlich zulässig (SJ
2002 I S. 540 Erw. 4b), hat daher nicht zur Folge, dass bei Eintritt des
Versicherungsfalles (Alter oder Tod) die Renten ohne Einkommenssplitting
zu berechnen wären. Das muss umso mehr gelten, als die Rechtsfolgen eines
solchen Verzichts in der Regel nicht oder zumindest kaum je in ihrer ganzen
Tragweite absehbar sind. An AHV-Berechnungsvorschriften derogierende
Scheidungsvereinbarungen wären mithin noch strengere Anforderungen zu
stellen als bei einem Verzicht auf Versicherungsleistungen im Bereich
der AHV und IV (vgl. dazu BGE 129 V 1). In diesem Urteil erachtete das
Eidgenössische Versicherungsgericht den Verzicht einer Ehefrau auf die ihr
seit 1. Dezember 1997 ausgerichtete Teilrente zu Gunsten einer Vollrente
des Ehemannes samt Zusatzrente ab 1. Februar 2000 als unzulässig.

    Das soeben Gesagte, insbesondere die Ordnung gemäss
Art. 29quinquies Abs. 3 und 4 AHVG über das Einkommenssplitting,
gilt vorbehältlich anders lautender Staatsverträge auch für nicht in
der Schweiz getroffene und nicht schweizerischem Recht unterliegende
Scheidungsvereinbarungen. Ebenfalls kommt es nicht auf Wohnsitz und
Staatszugehörigkeit der anspruchsberechtigten Person an. Die am 19. Juni
1981 notariell beglaubigte Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer
und seiner damaligen Ehefrau über den gegenseitigen Verzicht auf die
Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäss §§ 1587 f. BGB hat somit
für die Berechnung der schweizerischen Altersrente keine Bedeutung.

    1.2  Im Weitern sehen weder das Abkommen vom 25. Februar 1964 zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland
über soziale Sicherheit noch das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene
Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
andererseits über die Freizügigkeit (FZA) vor, dass in die Berechnung der
Altersrente auch die in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten
einzubeziehen sind (vgl. BGE 130 V 51). Die als Folge des FZA geänderte
Ermittlung der Rentenskala bei laufenden Teilrenten für die Zeit ab 1. Juni
2002 ist im Übrigen berücksichtigt worden. Die neue Berechnungsweise hat
zu einer höheren anwendbaren Rentenskala (9) und damit zu einer Erhöhung
der Altersrente von Fr. 189.- auf Fr. 243.- geführt (vgl. zum Ganzen
Kreisschreiben zur Einführung der linearen Rentenskala bei laufenden Renten
[KSLRS] gültig ab 1. Juni 2002; BGE 130 V 55 Erw. 5.4).