Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 91



131 I 91

13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S.
Munizipalgemeinde Ausserbinn gegen Staatsrat und Grosser Rat des Kantons
Wallis (Staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.559/2004 vom 19. Januar 2005

Regeste

    Gemeindeautonomie, Zwangsfusion von Gemeinden; Art. 50 Abs. 1 BV,
Art. 77 Abs. 2 KV.

    Zulässigkeit der Autonomiebeschwerde gegen Beschluss über den
zwangsweisen Zusammenschluss von Gemeinden (E. 1).

    Befugnis des Grossen Rates zur Anordnung von Zwangsfusionen (E. 2)
und gesetzliche Voraussetzungen hierfür gemäss Gemeindegesetz (E. 3.2).

    Keine Verletzung des Anspruchs der betroffenen Gemeinde auf Anhörung
(E. 3.1).

    Verhältnismässigkeit der Anordnung unter allgemeinen und finanziellen
Gesichtspunkten (E. 3.3 und 3.4).

    Keine Verletzung des Gleichheitsgebotes (E. 3.5).

Sachverhalt

    Der Grosse Rat des Kantons Wallis beschloss am 16. September 2004 den
verbindlichen Zusammenschluss der vier Munizipalgemeinden Ausserbinn,
Ernen, Mühlebach und Steinhaus zu einer einzigen Gemeinde. Der
Grossratsbeschluss ordnet die Fusion an und umschreibt das Gebiet
der neuen Gemeinde (Art. 1), nimmt davon indes die Burgergemeinden aus
(Art. 2). Darüber hinaus regelt der Beschluss verschiedenartige, mit dem
Zusammenschluss verbundene Sachbereiche: Die neue Gemeinde hat in geheimer
Urnenabstimmung über Namen und Wappen Beschluss zu fassen (Art. 3); die
Verwaltungsrechnungen der einzelnen Munizipalgemeinden werden auf den
31. Dezember 2004 abgeschlossen und zusammen mit der Fusionsbilanz per
1. Januar 2005 von der ersten Urversammlung der neuen Gemeinde genehmigt
(Art. 4); die bestehenden Reglemente bleiben während einer Übergangsfrist
in Kraft (Art. 5); bis zum Beginn der nächsten Legislaturperiode bleiben
die gegenwärtigen Gemeinderäte im Amt und bilden für die Übergangszeit den
Gemeinderat der neuen Gemeinde, worauf die Wahlen für den zu bestimmenden
Gemeinderat durchzuführen sind (Art. 6-8); der neuen Gemeinde soll
während vier Jahren gemäss Finanzausgleichsrecht ein jährlicher Beitrag
von 261'000 Franken, im ersten Jahr nach dem Zusammenschluss eine weitere
zusätzliche Finanzhilfe von 461'000 Franken sowie aus dem Spezialfonds
für Finanzausgleich schliesslich in zwei jährlichen Tranchen ein
Betrag von 500'000 Franken ausbezahlt werden (Art. 9 und 10). Dieser
Grossratsbeschluss ist auf den 1. Oktober 2004 in Kraft getreten.

    Diesem Fusionsbeschluss sind längere Bemühungen über einen
Zusammenschluss der Gemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus,
teils unter Einbezug der Gemeinde Binn, vorausgegangen. Anlässlich von
Gemeindeabstimmungen vom 22. September 2002 stimmten die Munizipalgemeinden
Ernen, Mühlebach und Steinhaus einem Fusionsprojekt zu, während die
Gemeinde Ausserbinn dieses ablehnte. Mit Botschaft vom 21. April 2004
beantragte der Staatsrat dem Grossen Rat den Zusammenschluss der vier
Gemeinden.

    Die Munizipalgemeinde Ausserbinn erhebt gegen den Grossratsbeschluss
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie
und rügt Missachtungen von Verfahrensrechten und des Grundsatzes der
Verhältnismässigkeit.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten
war.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Der Beschluss des Grossen Rates kann mit keinem kantonalen
Rechtsmittel angefochten werden und ist daher kantonal letztinstanzlich
im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG (vgl. Art. 72 und 74 des Gesetzes
über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege). Die
beschwerdeführende Gemeinde wird durch den angefochtenen Beschluss in
ihrer Existenz berührt und in ihren hoheitlichen Befugnissen betroffen
und ist daher zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der
Gemeindeautonomie legitimiert (vgl. BGE 129 I 410 E. 1.1 S. 412; 121 I
218 E. 2a S. 219 f.; 120 Ia 95 E. 1a S. 96 f., mit Hinweisen). Auf die
Beschwerde kann eingetreten werden.

    Den Walliser Gemeinden kommt unbestrittenermassen Autonomie zu
(vgl. Art. 26 Abs. 2 und Art. 69 ff. der Verfassung des Kantons Wallis
vom 8. März 1907 [KV]; Art. 2 und 3 des Gemeindegesetzes vom 5. Februar
2004 [GG]). Die Beschwerdeführerin kann sich daher mit Autonomiebeschwerde
dagegen zur Wehr setzen, dass der Grosse Rat bei der Anwendung kommunaler,
kantonaler oder bundesrechtlicher Vorschriften gegen das Willkürverbot
verstösst oder, soweit kantonales oder eidgenössisches Verfassungsrecht
in Frage steht, dieses unrichtig auslegt und anwendet. In diesem Rahmen
kann sie die Verletzung der Bestimmungen, welche die Befugnisse der
Gemeinden und deren Zusammenschluss ordnen, rügen, verfassungsrechtliche
Verfahrensrechte anrufen und schliesslich geltend machen, die kantonalen
Instanzen hätten die Tragweite von verfassungsmässigen Rechten missachtet,
soweit diese Vorbringen mit der behaupteten Autonomieverletzung in
engem Zusammenhang stehen (vgl. BGE 128 I 3 E. 2b S. 9; 114 Ia 168 E. 2a
S. 170). Die Anwendung von kantonalem oder eidgenössischem Verfassungsrecht
prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, die Handhabung von Gesetzes-
und Verordnungsrecht lediglich unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots
(vgl. BGE 128 I 3 E. 2b S. 9 mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund ist
die Beschwerde im Folgenden zu prüfen.

Erwägung 2

    2.  Die Gemeinden und ihre Autonomie wurden in der alten
Bundesverfassung nicht erwähnt. Die Gemeindeautonomie und ihr Umfang
waren nicht durch Bundesverfassungsrecht gewährleistet, die Autonomie
wurde vielmehr als Institution des kantonalen Rechts bezeichnet (vgl. BGE
113 Ia 200 E. 2b S. 206 mit Hinweisen). Art. 50 Abs. 1 BV garantiert die
Gemeindeautonomie nunmehr ausdrücklich nach Massgabe des kantonalen Rechts
und verweist damit in Bezug auf den Umfang auf die kantonale Verfassungs-
und Gesetzgebung. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer
Autonomie in der Bedeutung der Bestandesgarantie geltend macht, ist daher
ausschliesslich auf das kantonale Recht abzustellen.

    Die Kantonsverfassung gewährt den Gemeinden in den Schranken von
Verfassung und Gesetzgebung bei der Besorgung ihrer Angelegenheiten
in allgemeiner Weise Autonomie; nach Art. 69 KV ordnen die Gemeinden
ihre Angelegenheiten selbständig. Darüber hinaus garantiert Art. 77
Abs. 2 KV das Gebiet der Einwohnergemeinden und enthält damit eine
Bestandesgarantie. Den gleichen Grundsatz enthält Art. 3 Abs. 2 GG. Der
Bestand wird indessen nicht absolut gewährleistet. Gemäss Art. 26 Abs. 3
KV kann der Grosse Rat nach entsprechender Anhörung durch Dekret Zahl und
Umgrenzung der Gemeinden abändern. Der Grosse Rat ist daher grundsätzlich
befugt, den Zusammenschluss von einzelnen Gemeinden anzuordnen. Im neuen
Gemeindegesetz wird die Fusion oder Trennung von Gemeinden ausführlich
geordnet (Art. 129 ff. GG). Danach kann der Grosse Rat insbesondere zwei
oder mehrere Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen zur Fusion zwingen
(Art. 135 GG).

    Aus diesen Bestimmungen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit,
dass der Grosse Rat zum Zwangszusammenschluss von einzelnen Gemeinden
befugt ist. Die Beschwerdeführerin macht denn auch nicht geltend, der
Bestand der Gemeinden sei absolut garantiert und es fehle dem Grossen Rat
grundsätzlich die Befugnis zur Anordnung von Zwangsfusionen. Sie macht
vielmehr geltend, grundlegende Verfahrensrechte seien nicht eingehalten
worden, es fehlten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer
Zwangsfusion und der angefochtene Beschluss verstosse gegen verschiedene
Verfassungsgrundsätze und -rechte. Darauf ist im Folgenden einzugehen.

Erwägung 3

    3.  Der Zusammenschluss von Gemeinden allgemein und das
Fusionsverfahren im Besondern werden in den Art. 129 ff. und 136 ff. des
Gemeindegesetzes geordnet. Art. 136 Abs. 1 GG hält - übereinstimmend mit
Art. 26 Abs. 3 KV - als Grundsatz fest, dass der Grosse Rat nach Anhören
der Beteiligten die Zahl und die Grenzen der Gemeinden durch einen
Beschluss verändern kann. Die Zwangsfusion von Gemeinden im Einzelnen
wird in Art. 135 GG mit folgender Bestimmung geordnet:

      Art. 135 - Zwangsfusion Der Grosse Rat kann zwei oder mehrere

      Gemeinden zur Fusion zwingen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen

      erfüllt ist: a) wenn ein negativer Entscheid zu einem Fusionsprojekt

      ihren

         finanziellen Weiterbestand gefährdet;

      b) wenn eine einzige Gemeinde das Hindernis zu einer Fusion

      darstellt,

         währenddem die angrenzenden Gemeinden bereits ihre Zustimmung

         zu einer bedeutenden Fusion gegeben haben;

      c) wenn eine Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, das Funktionieren

      der

         Institutionen zu gewährleisten, namentlich dann, wenn sie die

         freigewordenen Ämter aufgrund der beschränkten Einwohnerzahl

         nicht wiederbesetzen kann.

    3.1  In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht die Beschwerdeführerin
vorerst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend und bringt vor, dass
sie weder vom Staatsrat, der vorberatenden Kommission noch vom Grossen Rat
angehört worden sei, dass ihre Einwände nicht ernst genommen worden seien
und dass ihr der Fusionsbeschluss nicht einmal mitgeteilt worden sei. Diese
verfahrensrechtlichen Rügen sind im Rahmen der Autonomiebeschwerde zulässig
und vorweg zu behandeln.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht im
Rechtsetzungsverfahren nach Bundesverfassungsrecht (Art. 29 Abs. 2 BV)
kein Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. BGE 129 I 113 E. 1.4 S. 117;
129 I 232 E. 3.2 S. 237). Im vorliegenden Fall ging der angefochtene
Beschluss zwar vom Grossen Rat aus. Er stellt indessen keinen Akt
der Rechtsetzung dar, sondern hat eine konkrete Anordnung betreffend
Zusammenschluss von Gemeinden zum Gegenstand und ist daher als Verfügung
oder Verwaltungsakt zu betrachten (vgl. BGE 129 I 232 E. 3.3 S. 237). Die
Beschwerdeführerin kann sich daher auf Art. 29 Abs. 2 BV berufen (vgl. BGE
129 I 232 E. 3.2 S. 236). Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird über die
bundesrechtliche Minimalgarantie hinaus vorab durch das kantonale Recht
umschrieben (vgl. BGE 126 I 19 E. 2a S. 21). Die Bestimmungen von Art. 26
Abs. 3 KV und Art. 136 Abs. 1 GG sehen allgemein vor, dass der Grosse Rat
"nach Anhören der Beteiligten" die Zahl und die Grenzen von Gemeinden
verändern kann. Die Grundsätze der Anhörung ergeben sich schliesslich
aus dem Gemeindegesetz: Konzepte zu Fusionsprojekten sind den Gemeinden
zu unterbreiten (vgl. Art. 132 f. GG) und es finden in den Urgemeinden
und den Burgergemeinden Abstimmungen zu Fusionen statt (Art. 137 und
139 GG). Die Zwangsfusion schliesslich geht in den Konstellationen von
Art. 135 lit. a und lit. b GG von (allfällig negativen) Stellungnahmen
der Gemeinden aus. In welcher Form die vom kantonalen Recht vorgesehene
Anhörung im Einzelnen zu gewähren ist und welches deren Grenzen sind,
ist in Anlehnung an den Grundsatz von Art. 29 Abs. 2 BV und aufgrund der
konkreten Verhältnisse zu bestimmen.

    Dem angefochtenen Fusionsbeschluss gingen, wie dargelegt, mehrjährige
Bemühungen um einen Zusammenschluss der vier betroffenen Gemeinden und der
Gemeinde Binn sowie Diskussionen um die Bedingungen hierfür (insbesondere
finanzieller Natur) voraus. Nach einer Abstimmung über eine 5er Fusion
unter Einschluss der Gemeinde Binn im Jahr 1999 stimmten die vier Gemeinden
Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus am 22. September 2002 über
ein Fusionsprojekt ab; die Gemeinde Ausserbinn lehnte dieses mit 19 zu
14 Stimmen (57.6 %) ab, während die übrigen drei Gemeinde zustimmten. In
der Folge wurde unter Einbezug der Gemeinde Ausserbinn mit den drei
fusionswilligen Gemeinden und dem zuständigen Staatsrat das weitere
Vorgehen besprochen (11. November 2002). Am 21. April 2004 verabschiedete
der Staatsrat seine Botschaft über den Zusammenschluss der vier Gemeinden
zuhanden des Grossen Rates. Die vorberatende Grossratskommission, die
Thematische Kommission, lud die Vertreter der betroffenen Gemeinden auf den
24. Juni 2004 zu einer Besprechung ein, an der sich die Gemeindepräsidenten
zum vorgeschlagenen Fusionsprojekt äusserten. Eine weitere Besprechung
mit Vertretern der Gemeinde Ausserbinn fand am 2. Juli 2004 statt; diese
legten ihre Bedenken und die Voraussetzungen für ihr Einverständnis
dar. In zwei Eingaben vom 15. Juni und 26. Juni 2004 wandte sich die
Gemeinde an die Kommission. Am 6. August 2004 stellte die Gemeinde
Ausserbinn der Kommission bzw. dem Grossen Rat Anträge. In einer weitern
Eingabe vom 26. August 2004 schliesslich brachte die Gemeinde Ausserbinn
der Thematischen Kommission ihr Bedauern über die Kommissionsanträge
zum Ausdruck.

    Diese Entstehungsgeschichte zeigt deutlich, dass sich die
Beschwerdeführerin ausgiebig zum vorgesehenen Zwangszusammenschluss äussern
konnte. Sie hatte mehrmals Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen und
bei der vorbereitenden Kommission einzubringen. Insbesondere hat sie die
Bedingungen dargelegt, unter welchen sie einer Fusion allenfalls hätte
zustimmen können, und hat darüber hinaus klare Begehren gestellt. Dass es
sich nicht um eine bloss förmliche Anhörung handelte, sondern die Bedenken
der Gemeinde tatsächlich wahr- und ernstgenommen worden sind, zeigt der
Bericht der Thematischen Kommission mit aller Deutlichkeit. Es ist der
Kommission nicht leicht gefallen, vom gesetzlich vorgesehenen Mittel der
Zwangsfusion im vorliegenden Fall Gebrauch zu machen; mehrere Mitglieder
haben sich für den Standpunkt der Gemeinde stark gemacht; und schliesslich
ist der Antrag der Kommission zuhanden des Grossen Rates lediglich mit
Mehrheitsbeschluss zustande gekommen. Bei dieser Sachlage erweist sich
die Rüge der mangelnden Anhörung im Sinne des kantonalen Rechts bzw. der
Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV als unbegründet.

    Nicht einzugehen ist unter diesen Umständen auf die nicht
näher dargelegte Rüge, die Gemeinde hätte bereits im internen
Vorbereitungsverfahren des Staatsrates angehört werden müssen. Schliesslich
legt die Beschwerdeführerin nicht dar, welche Formvorschriften hinsichtlich
der Bekanntgabe des angefochtenen Grossratsbeschlusses verletzt sein sollen
und inwiefern sie durch die blosse Publikation im Amtsblatt - von der
sie tatsächlich Kenntnis genommen hat - einen Nachteil erlitten haben soll.

    3.2  In materieller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend,
im vorliegenden Fall fehlten offensichtlich die Voraussetzungen
gemäss Art. 135 lit. a und lit. c GG; darüber hinaus finde auch
Art. 135 lit. b GG keine Anwendung, da die Gemeinde Ausserbinn nicht
an alle drei fusionswilligen Gemeinden angrenze und beim vorliegenden
Zusammenschluss nicht von einer bedeutenden Fusion gesprochen werden
könne. Demgegenüber hält der Staatsrat in seiner Vernehmlassung fest,
der angefochtene Grossratsbeschluss stütze sich auf Art. 135 lit. b GG,
dessen Voraussetzungen im Falle der Gemeinde Ausserbinn erfüllt seien.

    Die Bestimmung von Art. 135 lit. b GG ist im Hinblick auf deren
Anwendung im vorliegenden Fall nach den üblichen Kriterien auszulegen.
Dabei ist vom Wortlaut der Vorschrift auszugehen und allenfalls die
Entstehungsgeschichte miteinzubeziehen. In dieser Hinsicht zeigt sich
vorerst, dass die Ablehnung der Fusion durch die beschwerdeführende
Gemeinde Ausserbinn dem Zusammenschluss der vier Gemeinden gemäss dem
vorliegenden Projekt entgegensteht und damit ein Hindernis im Sinne der
genannten Bestimmung darstellt. Unbestritten ist, dass die Gemeinden Ernen,
Mühlebach und Steinhaus der Fusion zugestimmt haben.

    Von Seiten der Beschwerdeführerin wird bestritten, dass diese drei
Gemeinden zur Gemeinde Ausserbinn "angrenzend" sind. Sie macht geltend,
als "angrenzend" im Sinne von Art. 135 lit. b GG könne nur verstanden
werden, dass die Gemeinde Ausserbinn zu allen drei übrigen Gemeinden eine
gemeinsame Grenze habe. Im vorliegenden Fall aber grenze die Gemeinde
Ausserbinn lediglich an die Gemeinde Ernen an. Der Staatsrat bringt
demgegenüber vor, "angrenzend" sei nicht gleichbedeutend wie "umgebend",
und verweist auf die Materialien, wonach eine Zwangsfusion auch sollte
angeordnet werden können, wenn die ablehnende Gemeinde am Rande der neuen
Fusionsgemeinde liegt.

    Der Ausdruck "angrenzend" ist nicht von vornherein klar. Er bringt
auf der einen Seite zum Ausdruck, dass ein Zusammenschluss nur angeordnet
werden kann, wenn eine territorial zusammengehörende Gemeinde geschaffen
wird. Damit wird die Konstellation verschiedener, gebietsmässig nicht
zusammenhängender Gemeinden nicht unter die Bestimmung von Art. 135 lit. b
GG fallen. Auf der andern Seite darf angenommen werden, dass die Bestimmung
sowohl auf Fälle, in denen jede der Gemeinden mit den andern gemeinsame
Grenzen hat, wie auch dort anwendbar ist, wo die Gemeinde in Bezug auf
die neue Fusionsgemeinde zentral liegt und im Falle des Nichteinbezugs
deren territoriale Einheitlichkeit beeinträchtigen würde. Auf der andern
Seite ist es auch haltbar, die Bestimmung zur Anwendung zu bringen, wo
die ablehnende Gemeinde nur zu einer der zustimmenden Gemeinden eine
gemeinsame Grenze hat. Darauf deutet die Entstehungsgeschichte hin,
wonach zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Ausdruck "umgebend"
durch "angrenzend" ersetzt worden ist. Nach den Beratungen sollte über die
einzelne Gemeinde hinaus der regionale Aspekt ausschlaggebend sein. Sinn
und Zweck von Fusionen legen es nahe, auch in einem Tal hintereinander
gelegene Gemeinden zu erfassen. Daraus kann gefolgert werden, dass auch
eine Gemeinde zur Fusion gezwungen werden kann, die - wie im vorliegenden
Fall - nur mit einer der fusionswilligen Gemeinden eine gemeinsame Grenze
aufweist. Insoweit kann dem Grossen Rat keine Willkür vorgehalten werden,
die Bestimmung von Art. 135 lit. b GG auf das vorliegende Fusionsprojekt
und die beschwerdeführende Gemeinde angewendet zu haben.

    Schliesslich bestreitet die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer
"bedeutenden Fusion" im Sinne von Art. 135 lit. b GG. Mit dem Staatsrat
lässt sich indessen mit guten Gründen vertreten, dass die neu zu schaffende
Fusionsgemeinde im Sinne der genannten Vorschrift "bedeutend" ist. Dieser
weist insbesondere darauf hin, dass die neue Gemeinde bevölkerungsmässig
zur zweitgrössten und von der Ausdehnung zur fünftgrössten des Bezirks Goms
würde. Dass im Hinblick auf die Auslegung des Ausdrucks "bedeutende Fusion"
auf die lokalen Verhältnisse und nicht auf andere im Kanton vorherrschende
Gegebenheiten abgestellt wird, hält vor dem Willkürverbot stand.

    Damit ergibt sich, dass der Grosse Rat die Bestimmung von Art. 135
lit. b GG ohne Willkür auf das vorliegende, die vier Gemeinden Ausserbinn,
Ernen, Mühlebach und Steinhaus umfassende Fusionsprojekt anwenden durfte.

    3.3  Die Beschwerdeführerin erachtet den Grossratsbeschluss ferner als
unverhältnismässig. Sie bringt insbesondere vor, dass ein Zusammenschluss
der drei fusionswilligen Gemeinden für sich allein tragfähig wäre und es
der zwangsweisen Beteiligung der Gemeinde Ausserbinn nicht bedürfe. In
seiner Vernehmlassung weist der Staatsrat in diesem Zusammenhang auf
verschiedene Aspekte geographischer und ökonomischer Natur hin.

    Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit stellt kein verfassungsmässiges
Recht, sondern bloss einen verfassungsmässigen Grundsatz dar. Als
solcher kann er indessen im Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung von
Freiheitsrechten angerufen werden (vgl. BGE 126 I 112 E. 5b S. 119; 125
I 161 E. 2b S. 163; 124 I 107 E. 4c/aa S. 115). Die beschwerdeführende
Gemeinde ist somit befugt, sich im Zusammenhang mit der Verletzung
der Gemeindeautonomie auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu
berufen. Dieser verlangt, dass eine Massnahme geeignet ist, das im
öffentlichen Interesse angestrebte Ziel zu erreichen, und sich zudem im
Hinblick auf die Zweck-Mittel-Relation erforderlich und angemessen erweist
(vgl. BGE 130 II 425 E. 5.2 S. 438; 125 I 474 E. 3 S. 482; 124 I 107
E. 4c/aa S. 115; 123 I 152 E. 7 S. 169; 121 I 334 E. 11 S. 349).

    Der Zusammenschluss von Gemeinden wird von der Kantonsverfassung
ausdrücklich vorgesehen (Art. 26 Abs. 3 KV) und im Gemeindegesetz
ausführlich geregelt (Art. 129-143 GG). Der Kanton fördert die Fusion von
Gemeinden in allgemeiner Weise (Art. 129 GG), unterstützt entsprechende
Vorhaben mit finanziellen Leistungen (Art. 130 und 131 GG) und will auf
diese Weise den heutigen Herausforderungen entsprechende Strukturen
auf kommunaler Stufe bereitstellen (vgl. Botschaft des Staatsrates
vom 21. April 2004 zum Beschlussentwurf betreffend Zusammenschluss
der Munizipalgemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus
[im Folgenden: Botschaft des Staatsrates], Ziff. 1). Im Lichte dieser
Bestrebungen erscheint die Fusion von Gemeinden mit kleinen Einwohnerzahlen
und niedrigen Einkünften als sachgerecht (vgl. zu den statistischen
Grundlagen Botschaft des Staatsrates, aaO, Ziff. 2.3 und 4.2.1). Das
gilt nicht nur für die Gemeinden Ernen (412 Einwohner), Mühlebach (76
Einwohner) und Steinhaus (44 Einwohner), sondern gleichermassen für
die Gemeinde Ausserbinn, welche mit 41 Einwohnern (gemäss Botschaft des
Staatsrates, aaO, Ziff. 4.2.1) als Kleinstgemeinde gilt und eine Rechnung
mit Einnahmen aufweist, die zu 37 % aus dem ordentlichen Finanzausgleich
gedeckt werden. Bei dieser Sachlage entspricht der zwangsmässige Einschluss
der Gemeinde Ausserbinn in die Fusion der insgesamt vier Gemeinden den
Bemühungen um Neustrukturierung auf kommunaler Stufe und darf zum Erreichen
dieses Zieles auch als geeignet bezeichnet werden.

    Darüber hinaus kann die Zwangsfusion auch unter dem Gesichtswinkel
der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne nicht als unangemessen
bezeichnet werden. Es ist der Beschwerdeführerin zwar einzuräumen, dass
mit einem blossen Zusammenschluss der drei fusionswilligen Gemeinden mit
insgesamt über 500 Einwohnern eine neue tragfähige Gemeinde geschaffen
werden könnte. Dem stünde ein Nichteinbezug der Gemeinde Ausserbinn
an sich nicht entgegen. Dies hätte indes zur Folge, dass entgegen
den genannten Bestrebungen eine Kleinstgemeinde weiterhin bestehen
bliebe. Heute gehört die Gemeinde Ausserbinn zu den finanzschwächsten
Gemeinden im Kanton. Mehr als ein Drittel ihrer Einnahmen erhält sie aus
dem ordentlichen Finanzausgleich. Dieser aber steht nunmehr in Revision,
ohne dass sein Weiterbestand auf die Dauer garantiert und damit eine
finanzielle Sicherheit der Gemeinde auf die Länge gewährleistet werden
könnte. Solche Umstände lassen den zwangsweisen Anschluss der Gemeinde
Ausserbinn an die drei fusionswilligen Gemeinde auf längere Sicht als
vertretbar erscheinen. Schon heute besteht in verschiedenen Sachbereichen -
Forstwirtschaft, Energieversorgung, Bildungswesen, Pfarrei, Friedhofwesen,
Feuerwehr - eine Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Ausserbinn und
namentlich der Gemeinde Ernen. Der zwangsweise Zusammenschluss kann
daher als Fortsetzung der bereits vorhandenen partnerschaftlichen
Beziehungen verstanden werden und erscheint daher nicht als sachfremd
oder gar abwegig. Die Fusion kann auch unter dem Gesichtswinkel der
geographischen Verhältnisse nicht als unverhältnismässig bezeichnet
werden. Zum einen erfordert das Gemeindegesetz für die Anordnung von
Zwangsfusionen nicht eine geographische Verflechtung zwischen den vom
Zusammenschluss betroffenen Gemeinden. Zum andern ist die Distanz zwischen
den Dorfkernen von Ausserbinn und Ernen derjenigen vergleichbar, wie sie
zwischen Ernen, Mühlebach und Steinhaus besteht. Unter dem Gesichtswinkel
der Verhältnismässigkeit ist schliesslich von Bedeutung, dass sich die
Gemeinde Ausserbinn - anders etwa als die Gemeinde Binn - anlässlich der
Abstimmung vom November 2000 schon einmal für eine Fusion ausgesprochen
hat und infolge des damaligen Scheiterns für eine Fortsetzung des Projektes
eingetreten ist. Das zeigt, dass der Fusion nicht grundsätzlich opponiert
worden ist, sondern die Ablehnung im September 2002 möglicherweise mehr
auf die damit verbundenen Bedingungen und nicht erfüllten Forderungen
zurückzuführen ist.

    Gesamthaft gesehen kann der angefochtene Fusionsbeschluss in Anbetracht
der konkreten Umstände nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden.

    3.4  Im Zusammenhang mit der Rüge der Unverhältnismässigkeit der
Zwangsfusion weist die Beschwerdeführerin zum einen auf die bisherige
finanzielle Situation der Gemeinde Ausserbinn und der Gemeinde Ernen hin
und macht zum andern eine Verletzung der Eigentumsgarantie geltend.

    Der Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie kommt hier keine
selbstständige Bedeutung zu. Zum einen geht es in diesem Zusammenhang um
Vermögenswerte, die der Gemeinde als Trägerin der öffentlichen Gewalt
und nicht als Privatrechtssubjekt zukommen. Zum andern steht mit dem
angefochtenen Beschluss die eigentliche Existenz der Gemeinde Ausserbinn
auf dem Spiele, welche zwingend auch die hoheitlichen Vermögensrechte
umfasst. So verstanden ist nicht ersichtlich, inwiefern der Grosse Rat
mit der Anordnung der Zwangsfusion die Tragweite der Eigentumsgarantie
missachtet haben sollte.

    Das Gemeindegesetz sieht, wie dargelegt, vor, dass der Grosse Rat den
zwangsweisen Zusammenschluss von Gemeinden anordnen kann. Nach Art. 140 GG
entscheidet der Grosse Rat über die Fusion der beteiligten Gemeinwesen
und kann namentlich vorsehen, dass das neue Gemeinwesen alle Rechte
und Pflichten der früheren übernimmt. In diesem Sinne sind in Art. 4
des angefochtenen Grossratsbeschlusses die Verwaltungsrechnungen der
bisherigen Gemeinden und die Übernahme von Aktiven und Passiven durch
die neue Gemeinde geordnet. Diese Anordnungen können sich damit auf das
Gemeindegesetz abstützen und sind insoweit verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden.

    In der Botschaft des Staatsrates zum Fusionsbeschluss wird die
finanzielle Lage der Gemeinde Ausserbinn per 31. Dezember 2002 als
gesund, diejenige der Gemeinde Ernen als schlecht bezeichnet (aaO,
Ziff. 5.4). Diese Ausgangslage vermag indessen für sich allein genommen den
angefochtenen Fusionsbeschluss nicht als unverhältnismässig erscheinen zu
lassen. Zum einen ist mitzuberücksichtigen, dass die Finanzen der beiden
weitern Gemeinden Mühlebach und Steinhaus als gesund bzw. als sehr gesund
betrachtet werden. Zum andern führt der Staatsrat in der Vernehmlassung
aus, dass die kumulierte Nettoschuld der vier Gemeinden per 31. Dezember
2003 rund 2,5 Millionen Franken beträgt, was einer Verschuldung pro
Einwohner von rund 4'300 Franken entspricht und damit weit unter dem
kantonalen Mittel von rund 6'300 Franken liegt. Darüber hinaus wird die
kumulierte Nettoschuld durch die vom Kanton zugesprochene Finanzhilfe
von rund 2 Millionen Franken gleichsam gedeckt (vgl. Art. 8 und 9 des
angefochtenen Grossratsbeschlusses). Damit kann der Fusionsbeschluss
auch unter finanziellen Gesichtspunkten nicht als unverhältnismässig
bezeichnet werden.

    Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebotes im Sinne von Art. 8 Abs. 1 BV. Sie macht
in dieser Hinsicht insbesondere geltend, dass sie zwangsweise in die
Fusion einbezogen worden sei, während die Gemeinde Binn von der Fusion
ausgeschlossen blieb und damit selbstständig bleiben könne.

    Als betroffene Gemeinde kann sich die Beschwerdeführerin in ihrer
Autonomiebeschwerde grundsätzlich auch auf dieses Verfassungsrecht berufen.
Der Anspruch auf Rechtsgleichheit gebietet, Gleiches nach Massgabe der
Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe der Ungleichheit ungleich
zu behandeln. Das Rechtsgleichheitsgebot wird insbesondere verletzt, wenn
gleiche Sachverhalte ohne sachliche Gründe ungleich behandelt werden (vgl.
BGE 129 I 65 E. 3.6 S. 70; 127 I 202 E. 3f/aa S. 209, mit Hinweisen).

    Von einer rechtsungleichen Behandlung der Beschwerdeführerin
im Vergleich zur Gemeinde Binn kann im vorliegenden Zusammenhang der
Zwangsfusion nicht gesprochen werden. Die Situation der beiden Gemeinden
unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht. Zum einen darf berücksichtigt
werden, dass sich die Gemeinde Binn schon seit längerer Zeit gegen jegliche
Fusionspläne zur Wehr setzte, während die Gemeinde Ausserbinn dem Vorhaben
eines Zusammenschlusses vorerst positiv gegenüberstand und nach einem
ersten Scheitern eine Weiterverfolgung des Projektes befürwortete. In
geographischer Hinsicht lässt sich die Lage der das ganze hintere
Binntal umfassenden Gemeinde Binn mit derjenigen von der am Talausgang
gegen das Rhonetal gelegenen Gemeinde Ausserbinn nicht vergleichen. Die
Beschwerdeführerin macht ferner nicht geltend, ihre Situation sei etwa
hinsichtlich Bevölkerungsanzahl oder der finanziellen Lage mit derjenigen
von Binn vergleichbar; insbesondere bringt sie nicht vor, dass mit dem
Weiterbestehen von Binn eine Kleinstgemeinde ohne finanzielle Sicherung
für die Zukunft aufrechterhalten würde. Schliesslich macht sie auch
nicht geltend, dass vor dem Hintergrund der aufgezeigten Bemühungen um
den Zusammenschluss von Kleinstgemeinden das Rechtsgleichheitsgebot eine
andere Ordnung der kleinen Gemeinden geboten hätte. Bei dieser Sachlage
bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht hinreichende sachliche Gründe,
die Gemeinden Binn und Ausserbinn im Hinblick auf die angeordnete
Zwangsfusion unterschiedlich zu behandeln.