Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 321



131 I 321

33. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S.
F.A. gegen Wasserversorgung Altdorf sowie Obergericht des Kantons Uri
(Staatsrechtliche Beschwerde)

    2P.303/2004 vom 6. Juni 2005

Regeste

    Art. 9 und 26 BV; Eigentumsgarantie; Wassertaxen; Kündigung einer
altrechtlichen, unentgeltlichen Wasserlieferungspflicht (Grundlast).

    Ein vor dem Inkrafttreten des ZGB rechtmässig erworbenes -
privates und unentgeltliches - Recht auf Quellwasserbezug besteht
(als Grunddienstbarkeit) auch ohne späteren Eintrag im Grundbuch
weiter. Dies gilt auch für die als Ersatz für die Beeinträchtigung
dieses Rechts (infolge Erstellens einer öffentlichen Wasserversorgung)
durch Gerichtsurteil im Jahre 1901 der Gemeinde Altdorf im Sinne einer
Grundlast auferlegte unentgeltliche Wasserlieferungspflicht zu Gunsten der
ursprünglich Berechtigten. Diese Verpflichtung steht zwar unter dem Schutz
der Eigentumsgarantie, kann aber in (analoger oder direkter) Anwendung
von Art. 788 ZGB nach Ablauf von dreissig Jahren gekündigt werden (E. 5).

    Die altrechtliche unentgeltliche Wasserlieferungspflicht kann nur
gegen Entschädigung abgelöst bzw. gekündigt werden. Kriterien für deren
Bemessung; Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (E. 6).

Sachverhalt

    Die Eigentümer der Liegenschaft A. in Altdorf besassen seit dem 16.
Jahrhundert ein Nutzungsrecht an auf Gemeinde- bzw. Korporationsgebiet
liegenden Wasserquellen des Bannwaldes ob Altdorf zur Speisung
ihres Brunnens. Nachdem die Gemeinde bis dahin über keine eigene
Trinkwasserversorgung verfügt hatte, beschloss sie im Jahre 1885,
eine neue Wasserversorgung mit Hydranten zu erstellen. Die im
Zusammenhang mit der Erstellung dieses Werks vorgenommenen Änderungen
von Wasserfassungen und -leitungen führten im Jahre 1898 zu einer
Beeinträchtigung der Wasserführung des Brunnens auf der Liegenschaft
A. Deren damaliger Eigentümer gelangte deshalb - zusammen mit seinem
Nachbarn B. (Miteigentümer der gemeinsamen Leitung) - an das Kreisgericht
Uri und verlangte, das entzogene Wasser sei ihm wieder kostenfrei zu
verschaffen. Das Kreisgericht Uri stellte mit Urteil vom 28./29. Januar
1901 fest, die beiden Kläger hätten durch vorgelegte Urkunden das ihnen
bzw. ihren Rechtsvorfahren zustehende Nutzungsrecht an den Wasserquellen
genügend nachgewiesen. Die Gemeinde Altdorf wurde daher verpflichtet, den
beiden Klägern "genügend Wasser (zehn Minutenliter) von der Gesamtleitung
zu verabfolgen" und ihnen den Anschluss an die Dorfleitung unentgeltlich
zu verschaffen. Hiergegen wandten sich beide Parteien an das Obergericht
des Kantons Uri, welches am 12. Juni 1901 das Urteil des Kreisgerichts
bestätigte.

    Nachdem noch im Jahre 1909 zwischen den Beteiligten strittig war,
ob die Wasserabgabe unentgeltlich zu erfolgen habe, wurde ihnen in der
Folge offensichtlich ein unentgeltliches Wasserbezugsrecht von zehn
Minutenlitern für den Hofbrunnen zugestanden.

    Am 27. Oktober 1995 publizierte der Gemeinderat Altdorf gestützt
auf Art. 32 ("Übergangsvorschriften für alte Wasserrechte") des
kommunalen Wasserversorgungsreglementes vom 21. Oktober 1969 (WVR) im
Amtsblatt des Kantons Uri die Aufforderung, wer alte Wasserrechte ohne
Zahlungspflichten oder mit privilegiertem Tarif (Art. 23 Abs. 4 WVR)
geltend machen wolle, habe diese bei der Wasserkommission anzumelden;
wer die Anmeldung unterlasse, verwirke sein Recht. In der Folge meldete
K.A., der inzwischen verstorbene Ehegatte von F.A., ein unentgeltliches
Wasserrecht an. Nachdem eine vergleichsweise Ablösung des Wasserrechts
nicht erreicht werden konnte, kündigte die Wasserkommission Altdorf
am 25. Juni 1998 die "unentgeltliche Wasserlieferung, die sich auf das
allfällig bestehende alte Wasserrecht stützt" auf den 31. Dezember 1998;
mit Beschluss vom 31. August 1998 bestätigte sie die Kündigung.

    Mit Verfügung vom 3. Oktober 2001 stellte die Wasserkommission
Altdorf F.A. die jeweils durch die Gemeindekasse erhobenen Wassertaxen
für die Jahre 1993 bis 2000 erneut in Rechnung. Dagegen gelangte
F.A. an den Gemeinderat Altdorf. Dieser sistierte das Verfahren,
bis die Gemeindeversammlung ("Offene Dorfgemeinde") am 6. Juni 2002
eine Übergangsbestimmung zur Tarifordnung der Wasserversorgung Altdorf
betreffend Entschädigung aufgehobener Wasserrechte genehmigt hatte, und
wies die Beschwerde am 12. August 2002 (in Bezug auf die Wassertaxen)
ab. Gegen diesen Entscheid wandte sich F.A. an den Regierungsrat des
Kantons Uri, der ihre Beschwerde mit Beschluss vom 28. Januar 2003
guthiess. Ihre zugleich gegen die Übergangsbestimmung zur Tarifordnung
- die eine Ablösung der noch bestehenden Wasserrechte (von null bis
zehn Minutenliter) gegen eine Entschädigung von 9'000 Franken vorsah -
erhobene Beschwerde nahm er als Aufsichtsbeschwerde entgegen und gab
dieser keine Folge.

    Am 28. September 2004 hiess das Obergericht des Kantons Uri die von
der Wasserversorgung Altdorf gegen den Beschluss des Regierungsrates
eingereichte Beschwerde teilweise gut und wies die Sache an die
Wasserversorgung Altdorf zum neuen Entscheid (Berechnung des Wasserzinses
gemäss Tarif ab 1. Juli 1999, unter Präzisierung gewisser Modalitäten)
zurück.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. Dezember 2004 beantragt
F.A. dem Bundesgericht, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri
vom 28. September 2004 aufzuheben.

    Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde teilweise
gut und hebt das angefochtene Urteil auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.

    5.1  Zunächst ist zu prüfen, welches Recht den Rechtsvorgängern der
Beschwerdeführerin bis zu den beiden Urteilen aus dem Jahr 1901 zustand.

    5.1.1  Nach der unbestrittenen Darstellung im angefochtenen Entscheid
hatten die jeweiligen Eigentümer der in Frage stehenden Parzelle
einen Anspruch auf Wasserbezug aus den oberhalb der Gemeinde Altdorf
liegenden Quellen des Bannwaldes, die samt Grund und Boden im Eigentum der
Korporation Uri standen; der Gemeinde stand lediglich die Nutzniessung,
Überwachung und Verwaltung derselben zu (Urteil des Kreisgerichts Uri
vom 28./ 29. Januar 1901). Der Regierungsrat hat dieses Wasserrecht
als vorbestandenes, ehehaftes oder historisches Recht betrachtet. Das
Obergericht hat das ursprüngliche Quellenrecht ebenfalls als gemäss
Urkunden seit unvordenklicher Zeit bestehendes und damit wohlerworbenes
Recht qualifiziert. Diese Auffassung wird von der Beschwerdeführerin
ausdrücklich geteilt.

    5.1.2  Neben kleinen Grundwasservorkommen bildeten Quellen seit jeher
den Hauptbestand des privaten Wasserrechts (PETER LIVER, Öffentliches
Grundwasserrecht und privates Quellenrecht, in: ZBJV 89/1953 S. 3);
grosse Grundwasserströme unterstehen dagegen dem öffentlichen Wasserrecht
der Kantone (BGE 65 II 143). Die Quelle ist Bestandteil des Grundstücks,
auf dem sie an die Oberfläche tritt oder gefasst wurde (Art. 704 ZGB;
PETER LIVER, aaO, S. 14; BGE 65 II 52 E. 2 S. 55 f.; der Grundsatz galt
schon vor dem Inkrafttreten des ZGB: BGE 12 480 S. 493). Als ehehafte
Wasserrechte werden altrechtliche private Rechte bezeichnet, soweit die
Gewässer, an denen sie bestanden haben, später zu öffentlichen Gewässern
geworden sind (PETER LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz,
in: Festschrift für Paul Gieseke, 1958, S. 226 f.), die ihren Ursprung
in einer Rechtsordnung haben, die nicht mehr besteht, und welche nach
neuem Recht nicht mehr begründet werden können, aber auch unter der neuen
Rechtsordnung weiterbestehen dürfen; sie erlangten ursprünglich Bedeutung
insbesondere im Zusammenhang mit der Wassernutzung (BGE 127 II 69 E. 4b
S. 74). Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts beschränkt die ehehaften
(althergebrachten) Wasser(bezugs)rechte auf private Rechte an öffentlichen
Gewässern (vgl. Urteil 2P.256/2002 vom 24. März 2003, E. 3) und stellt sie
wegen der durch sie verliehenen Befugnisse für ihre Auslegung grundsätzlich
den Dienstbarkeiten des ZGB gleich (BGE 88 II 498 E. 3 mit Hinweisen). Da
es im vorliegenden Fall ausschliesslich um Rechte an Quellen, d.h. um
Privatrechte ging, ist somit anzunehmen, dass die Rechtsvorgänger der
Beschwerdeführerin vor dem Inkrafttreten des ZGB zwar nicht über ein
ehehaftes, jedoch über ein althergebrachtes privates Quellwasserbezugsrecht
- über die von ihnen selber erstellte Leitung - von der Quellfassung
der Korporation Uri verfügten. Dieses (beschränkte) dingliche Recht an
Quellen auf fremdem Boden - das heute als Grunddienstbarkeit ins Grundbuch
eingetragen werden könnte (Art. 704 Abs. 2 und 780 ZGB) - haben sie durch
die unbestrittene Ausübung seit unvordenklicher Zeit rechtmässig erworben
(vgl. PETER LIVER, Zürcher Kommentar, Zürich 1980, N. 141 ff. zu Art. 731
ZGB). Davon gehen zu Recht auch der Regierungsrat und das Obergericht des
Kantons Uri sowie der Gemeinderat Altdorf aus. Als bereits bestehendes
dingliches Recht bliebe es, obschon im Grundbuch nicht eingetragen, nach
dem Inkrafttreten des ZGB auch unter dem neuen Recht anerkannt (Art. 17
Abs. 1 SchlT ZGB; vgl. Urteil 5C.166/1993 vom 22. Dezember 1993, E. 3);
es hätte seine Gültigkeit behalten und könnte lediglich Dritten, die sich
in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht entgegengehalten werden
(Art. 44 Abs. 1 SchlT ZGB).

    5.2

    5.2.1  Das Obergericht hat gestützt auf die erwähnten früheren Urteile
festgestellt, die im Jahre 1898 im Zusammenhang mit der Erstellung einer
öffentlichen Wasserversorgung von der Gemeinde Altdorf beanspruchten
Quellen hätten auch jene umfasst, die bis dahin von den Rechtsvorgängern
der Beschwerdeführerin in Ausübung ihres Quellenrechts benutzt worden
waren. Infolge dieses (auch nach Darstellung der Beschwerdeführerin im
Jahre 1898 vorgenommenen) Eingriffes führten die bisher genutzten Quellen
bzw. deren Fassungen kein Wasser mehr, womit der bisherige Wasserbezug der
Nutzungsberechtigten nicht mehr möglich war (Entscheid des Gemeinderates
Altdorf vom 12. August 2002, Ziff. 35.5).

    5.2.2  Das ursprüngliche Quellenrecht der Rechtsvorgänger der
Beschwerdeführerin ist damit zufolge der nicht mehr möglichen Ausübung
untergegangen. Als Ersatz für den durch sie verunmöglichten bisherigen
Quellwasserbezug wurde die Gemeinde Altdorf als Eigentümerin der
neu erstellten Wasserversorgung durch Gerichtsurteil verpflichtet,
dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin (und dem zweiten damaligen
Kläger B.) unentgeltlich zehn Minutenliter Wasser von der Gesamtleitung zu
liefern ("verabfolgen"). Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass diese
Wasserlieferung unentgeltlich zu geschehen hatte. Die Pflicht der Gemeinde
zur Wasserlieferung ist damit an die Stelle der durch sie beeinträchtigten
ursprünglichen Quellwassernutzung getreten. Wie das Obergericht zu Recht
feststellt, kann diese an die Stelle des alten Quellenrechts getretene
Wasserlieferungspflicht seit dem Inkrafttreten des ZGB nur noch als
Grundlast im Sinne von Art. 782 ZGB begründet werden. Belastet wäre in
diesem Fall die Gemeinde Altdorf als Eigentümerin der Wasserversorgung bzw.
der Wasserversorgungsanlagen, die gemäss Art. 676 Abs. 1 ZGB Zugehör
des Werkes bilden, von dem sie ausgehen, und damit im Eigentum des
Werkeigentümers stehen. Das Werk - hier die Wasserversorgung Altdorf -
ist seinerseits, wovon vermutungsweise ausgegangen werden darf, mindestens
einem bestimmten Grundstück der Gemeinde Altdorf zuzuordnen, welches
somit das belastete Grundstück bildet. Mit dem Urteil des Obergerichts
des Kantons Uri vom 12. Juni 1901 wurde somit als Schadenersatz ein
Rechtsanspruch begründet, der inhaltlich einer Grundlast im Sinne von
Art. 782 ZGB entsprach. Er ist deshalb als altrechtliche Grundlast zu
betrachten (vgl. H. LEEMANN, Grundlasten aus alter und neuer Zeit,
in: SJZ 25/1928-29 S. 35). Auch für diese gilt, dass sie, obschon
im Grundbuch nicht eingetragen, auch nach dem Inkrafttreten des ZGB
im Jahre 1912 als altrechtliche, durch (Gestaltungs-)Urteil und damit
rechtmässig entstandene altrechtliche Grundlast (DAVID JENNY, Basler
Kommentar, Basel/Frankfurt 1998, N. 3 zu Art. 783 ZGB) weiterhin ihre
Gültigkeit behielt (vgl. Art. 17 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 SchlT ZGB;
vgl. auch Urteil 5C.166/1993 vom 22. Dezember 1993, E. 3). Autoren aus
jener Zeit weisen denn auch darauf hin, dass es vorkommen könne, dass das
Gemeinwesen durch eine umfassende Wasserversorgung das ganze Quellgebiet
eines Tales sich zu Nutze mache; dadurch versiegten aber die Brunnen der
Talbewohner; da verlange es die Billigkeit, dass diese vom Gemeinwesen
eine genügende Wasserzufuhr verlangen könnten, was allerdings aus den
Bestimmungen von Art. 706 und 710 f. ZGB (Notbrunnen bzw. Pflicht zur
Abtretung des Wassers im Interesse des allgemeinen Wohls) hergeleitet
wurde (CHARLES von SURY-BÜSSY, Das Recht an der Wasserquelle, Diss. Bern,
Solothurn 1909, S. 77, 106 ff.).

    Der Auffassung des Obergerichts, es habe mangels Eintragung im
Grundbuch keine gültige Grundlast entstehen können, kann deshalb nicht
gefolgt werden; sie würde lediglich für nach Inkrafttreten des ZGB
entstandene neurechtliche Grundlasten zutreffen.

    5.3  Aufgrund des Urteils des Obergerichts des Kantons Uri vom
12. Juni 1901 entstand damals auch ohne Eintrag im Grundbuch zu Gunsten
der Beschwerdeführerin eine altrechtliche Grundlast der Wasserversorgung
Altdorf auf unentgeltliche Lieferung von zehn Minutenlitern Wasser. Diese
geniesst als vermögenswertes Privatrecht den Schutz der Eigentumsgarantie
(ULRICH HÄFELIN/ WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich
2005, N. 597 S. 176).

    Dasselbe würde gelten, wenn der streitige Anspruch auf unentgeltliche
Wasserlieferung aufgrund der heutigen Anschauungen dem Bereich des
öffentlichen Rechts zugeordnet würde. Auch Rechte, welche den Staat
in seiner hoheitlichen Tätigkeit beschränken oder zu bestimmten
Zugeständnissen verpflichten, können durch die Art ihrer Entstehung
(Vertrag, historische Rechtstitel) wohlerworben sein, d.h. unter
dem Schutz der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) stehen oder durch das
Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 9 BV, was in
casu allerdings nicht in Betracht fällt, da hier die sachenrechtliche
Begründung im Vordergrund steht) besonders geschützt sein; geschützt ist
dabei nur die Substanz des wohlerworbenen Rechts, nicht dessen Ausübung,
die durch die jeweilige Rechtsordnung bestimmt wird (Urteil 2P.256/ 2002
vom 24. März 2003, E. 3; vgl. ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 1008 und 2046 ff.; vgl. MAX
IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
Bd. II, Nr. 122 B.I.c; KLAUS A. VALLENDER, in: St. Galler Kommentar,
N. 14 zu Art. 26 BV; ULRICH HÄFELIN/ WALTER HALLER, aaO, N. 597 f.);
sie können, auch wenn sie ursprünglich (altrechtlich) unbefristet waren -
gegen Entschädigung - nachträglich befristet und gekündigt bzw. abgelöst
werden (BGE 127 II 69 E. 5a/b).

    5.4  Steht ein Recht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, so kann es
nur eingeschränkt oder entzogen werden, wenn der Eingriff auf gesetzlicher
Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist
und bei formeller oder materieller Enteignung gegen volle Entschädigung
erfolgt (Art. 26 BV in Verbindung mit Art. 36 BV). Der vorliegend streitige
Eingriff erfüllt diese Voraussetzungen: - Die Möglichkeit des Entzuges
des streitigen Rechts bzw. der Ablösung der

    Grundlast ist formellgesetzlich im ZGB vorgesehen, dessen Regelung
auch für

    altrechtliche Grundlasten Geltung hat (Art. 788 ZGB in Verbindung
mit Art.

    2 SchlT ZGB) und vom Obergericht im Ergebnis zu Recht als (direkt oder

    analog) anwendbar betrachtet werden durfte. Das Obergericht hat
denn auch

    - zwar nur in einer Eventualerwägung, nach dem Gesagten jedoch zu
Recht -

    darauf hingewiesen, dass die Grundlast, wenn sie rechtsgültig
entstanden

    wäre, gemäss Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB nach Ablauf von dreissig
Jahren

    hätte gekündigt werden können.  - Das öffentliche Interesse und die
Verhältnismässigkeit sind, was die

    Ablösbarkeit von unbefristeten Grundlasten nach einer Dauer von
dreissig

    Jahren anbelangt, aufgrund der vom Gesetz vorweggenommenen Abwägung

    ebenfalls gegeben (vgl. zur Unzulässigkeit unbefristeter

    Leistungspflichten auch für altrechtliche Verpflichtungen BGE 93 II
290 E.

    7 S. 300 und 100 II 105 E. 2).  - Schliesslich sieht die massgebende
Regelung auch die Pflicht zur

    Entschädigung des Grundlastberechtigten vor.

    5.5  Das Obergericht ist im angefochtenen Entscheid zwar davon
ausgegangen, dass mit dem Urteil im Jahre 1901 eine ausschliesslich
obligatorische Pflicht der Gemeinde Altdorf zur Wasserlieferung
an die Beschwerdeführerin bzw. ihre Rechtsvorgänger, von denen sie
dieses Recht geerbt habe, begründet worden sei. Es hat jedoch auch für
diesen Fall angenommen, diese Verpflichtung sei analog zur Grundlast
kündbar. Denn im Gegensatz zu dinglichen Rechten seien obligatorische
Bindungen grundsätzlich zeitlich begrenzt. Wenn daher ein beschränktes
dingliches Recht wie die Grundlast von Gesetzes wegen in zeitlicher
Hinsicht begrenzt sei, so müsse dies (erst recht) für ein obligatorisches
Recht gleichen Inhalts ebenfalls gelten: Ein solches könne deshalb nicht
während einer Zeitspanne, die wesentlich mehr als dreissig Jahre betrage,
aufrechterhalten werden.

    Es ist heute in der Tat zivilrechtlich ausgeschlossen, obligatorische
Verträge auf "ewige" Zeiten abzuschliessen und aufrechtzuerhalten;
unzulässig ist dies selbst dann, wenn sie noch unter der Herrschaft des
alten kantonalen Rechts abgeschlossen worden sind, was unter Hinweis auf
Art. 2 SchlT ZGB damit begründet wird, dass es sich um einen Grundsatz
handelt, der um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit Willen Geltung
hat. Art. 2 SchlT ZGB wird sogar im öffentlichen Recht als massgeblich
erachtet, indem es auch wohlerworbene Rechte auf dauerhafte Sondernutzung
(insb. durch Konzessionen) nicht geben kann (BGE 127 II 69 E. 5b S. 77
mit Hinweisen).

    Da im Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom 12. Juni 1901
keine zeitliche Beschränkung vorgesehen ist, müsste die Dauer der
(unentgeltlichen) Wasserlieferungspflicht auch bei Annahme einer
obligatorischen Bindung beschränkt und durch richterliche Lückenfüllung
bestimmt werden (vgl. BGE 127 II 69 E. 5b S. 78).

    Das Obergericht hat denn auch in diesem Sinne die entsprechenden
Bestimmungen für die Grundlasten analog angewandt. Es hat sich dabei
insbesondere auf Art. 788 Abs. 1 und 2 ZGB gestützt, wonach die Grundlast
- selbst wenn eine längere Dauer oder sogar die Unablösbarkeit verabredet
worden ist - nach dreissigjährigem Bestand abgelöst werden kann, wobei der
Ablösung eine Kündigung auf Jahresfrist voranzugehen hat. Die in analoger
Anwendung von Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB getroffene Annahme, die (rein)
obligatorische Verpflichtung, die inhaltlich einer Grundlast entspricht,
könne nach spätestens dreissig Jahren nach Inkrafttreten des ZGB am 1.
Januar 1912, d.h. per 1. Januar 1942, gekündigt werden, kann sich auf
die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 93 II 290 E. 7
S. 300 f. mit Hinweisen; 97 II 390 E. 7 f. S. 400 ff.) stützen, an der
festzuhalten ist; was die Beschwerdeführerin vorbringt, ist nicht geeignet,
diese Praxis in Frage zu stellen.

    5.6  Nach dem Gesagten ergibt sich somit, unabhängig davon, ob die in
Frage stehende Verpflichtung der Gemeinde bzw. der Wasserversorgung Altdorf
zur unentgeltlichen Wasserlieferung im Umfang von zehn Minutenlitern an die
Beschwerdeführerin als weiterbestehende altrechtliche Grundlast oder als
rein obligatorische altrechtliche Wasserlieferungspflicht betrachtet wird,
deren Kündbarkeit bzw. Ablösbarkeit nach einer Dauer von dreissig Jahren.

    Soweit mit der staatsrechtlichen Beschwerde die
Kündbarkeit/Ablösbarkeit des bestehenden Wasserlieferungsverhältnisses
bzw. die grundsätzliche Zulässigkeit des entsprechenden Eingriffes in die
Eigentumsgarantie bestritten wird, vermag sie daher nicht durchzudringen.

Erwägung 6

    6.

    6.1  Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, selbst wenn ihre
Berechtigung nicht auf einem historischen oder vorbestandenen Recht,
sondern nur auf einem obligatorischen Anspruch beruhen sollte, könnte
ihr dieser als wohlerworbenes Recht nur gegen volle Entschädigung auf dem
Wege der Enteignung entzogen werden. Die Nichtanwendung von Art. 789 ZGB
unter gleichzeitiger analoger Anwendung von Art. 788 ZGB sei willkürlich
und eigentumsverletzend.

    6.2  Die Rüge ist begründet. Nach dem oben Ausgeführten handelt
es sich bei der in Frage stehenden altrechtlichen unentgeltlichen
Wasserlieferungspflicht nicht um einen rein obligatorischen Vertrag,
sondern um eine an bestimmte Grundstücke bzw. Anlagen geknüpfte
altrechtliche Grundlast bzw. eine grundlastähnliche und damit (auch)
dingliche Verpflichtung (vgl. BGE 127 II 69 E. 5b S. 77). Wird diese -
nach dem Gesagten zulässigerweise - in direkter oder analoger Anwendung
der Bestimmungen über die Grundlasten (Art. 788 ZGB) als ablösbar
bzw. kündbar erachtet, so muss - schon aufgrund der verfassungsrechtlichen
Eigentumsgarantie - auch die für einen solchen Fall gesetzlich vorgesehene
Entschädigungsregelung (direkt oder analog) Anwendung finden.

    Ablösung der Grundlast heisst deren Aufhebung gegen Entrichtung ihres
Gesamtwertes gemäss Art. 789 ZGB an den Berechtigten (DAVID JENNY, aaO,
N. 1 zu Art. 787 ZGB). Die Ablösung bzw. Kündigung der altrechtlichen
Grundlast ist somit vergleichbar mit der formellen Enteignung, bei
welcher ebenfalls in einem geregelten Verfahren ein privates Recht dem
Enteigneten entzogen und auf den Enteigner übertragen wird; auch bei
dieser findet mit der Übertragung des Eigentums und der Entrichtung
der dafür geschuldeten Entschädigung ein (mit dem freihändigen Verkauf
vergleichbarer) Leistungsaustausch statt: Die Entschädigung ist in diesem
Fall Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs (vgl. BGE 93 I 130
E. 7a S. 142 f.) bzw. Rechtmässigkeitsvoraussetzung (KLAUS A. VALLENDER,
St. Galler Kommentar, N. 50 und 52 zu Art. 26 BV). Die vorliegend
grundsätzlich mögliche Kündigung der Wasserlieferungspflicht kann daher
nur rechtswirksam werden, wenn auch der Ablösungsbetrag verbindlich
bestimmt ist. Die Parteien können diesen vor oder bei der Ablösung
beliebig festsetzen (DAVID JENNY, in: Basler Kommentar, N. 1 zu Art. 789
ZGB). Es kann jedenfalls nicht Sache des Schuldners der Grundlast sein, den
Ablösungsbetrag einseitig nach eigenem Ermessen festzulegen. Im Streitfall
obliegt die Festlegung dem Richter. Dieser hat auf Klage des Schuldners
hin festzustellen, dass dessen Kündigung der (altrechtlichen) Grundlast
rechtsgültig erfolgt und diese somit untergegangen ist (DAVID JENNY, aaO,
N. 11 zu Art. 789 ZGB); zugleich hat er den Ablösungsbetrag festzusetzen.

    Das Obergericht hat sich zur Frage der Entschädigung nicht
geäussert. Soweit es damit zum Ausdruck bringen wollte, die Ablösung
der Wasserlieferungspflicht könne entschädigungslos erfolgen, wäre
dieser Standpunkt unhaltbar. Zwar ging das Bundesgericht davon aus,
dass auf ewige Zeiten abgeschlossene rein obligatorische Verträge
gekündigt werden könnten, ohne dass in Analogie zur Regelung
für die Grundlasten eine Entschädigung geschuldet sei (BGE 113 II
209). Dieser Entscheid betraf indessen einen nach dem Inkrafttreten
des ZGB geschlossenen Wasserlieferungsvertrag, dem mangels Eintrag im
Grundbuch nur obligatorische Wirkung zukam (BGE 108 II 39). Von einem rein
obligatorischen Vertrag kann indessen nach dem oben Ausgeführten bei der
hier in Frage stehenden altrechtlichen Grundlast nicht die Rede sein.

    Die Rechtswirksamkeit der Ablösung der in Frage stehenden
altrechtlichen Grundlast setzt somit eine gültige - vertragliche oder
richterliche - Festsetzung der Ablösungssumme voraus, wobei es die Parteien
oder im Streitfall der Richter in der Hand haben, die Anwendbarkeit
des Wassertarifes allenfalls rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kündigung
festzulegen. Wenn die Gemeinde ihre unentgeltliche Wasserlieferungspflicht
nicht mehr erfüllen, sondern diese Last durch eine einmalige Leistung
abgelten und die weiteren Wasserlieferungen nach Tarif in Rechnung stellen
will, muss sie also entweder mit der anderen Partei eine Einigung über
die Ablösungssumme oder aber einen diesbezüglichen Entscheid des Richters
erwirken. Da die in Frage stehende Grundlast und damit auch ihr Gesamtwert
nicht im Grundbuch eingetragen sind, ist nach Art. 789 in Verbindung mit
Art. 783 Abs. 2 ZGB mangels anderer Abrede für die Ablösung grundsätzlich
der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung geschuldet, wobei der Nachweis
eines geringeren Wertes vorbehalten bleibt. Da im vorliegenden Fall
indessen besondere Verhältnisse vorliegen, können bei (direkter oder
analoger) Anwendung der Entschädigungsregeln für die Grundlast neben dem
Wert gemäss Wassertarif noch weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen,
die bei der Festsetzung der Entschädigung zu berücksichtigen wären. Dabei
ist etwa dem Umstand Rechnung zu tragen, wieweit der Berechtigte auf
den unentgeltlichen Wasserbezug für einen bestimmten Zweck angewiesen
ist und wie viel Wasser der öffentlichen Wasserversorgung tatsächlich
zur Verfügung steht. Dem Richter steht somit bei der Festsetzung des
Ablösungsbetrages ein weites Ermessen zu, das auch Billigkeitserwägungen
zulässt; er darf jedoch für die Ablösung solcher Wasserrechte keine das
Gemeinwesen übermässig belastende Entschädigungen festsetzen.

    Sollte dem Entscheid des Obergerichts stillschweigend die Auffassung
zu Grunde liegen, mit der von der Offenen Dorfgemeinde Altdorf in der
Übergangsbestimmung zur Tarifordnung für die Ablösung von null bis
zehn Minutenlitern festgelegten Pauschalsumme von Fr. 9'000.- sei die
Entschädigung verbindlich festgesetzt, wäre dies unhaltbar.

    Die Gemeinde Altdorf wird daher, sofern sie mit der Beschwerdeführerin
keine Einigung über die Ablösung und Abgeltung des altrechtlichen
Wasserlieferungsrechts zu erzielen vermag, ein entsprechendes Urteil des
zuständigen Zivilrichters erwirken müssen, um das bisherige Recht der
Beschwerdeführerin auf Wasserlieferung als untergegangen betrachten und
die weitere Belieferung nach der geltenden Tarifordnung belasten zu können.

    6.3  Indem das Obergericht die Regelung des ZGB über die Ablösung
von Grundlasten nur für die Möglichkeit der Kündbarkeit heranzog und
die Frage der Ablösungssumme überging, sei es, weil es eine solche bei -
vermeintlich - bloss obligatorischen Rechtsverhältnissen gar nicht als
geschuldet oder aber die im kommunalen Reglement vorgesehene pauschale
Ablösungssumme von Fr. 9'000.- als verbindlich festgesetzte Abgeltung
erachtete, verfiel es in Willkür und verletzte durch Missachtung der
Entschädigungspflicht zugleich die Eigentumsgarantie.