Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 223



131 I 223

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. L.
GmbH und M. gegen Kantonsrat des Kantons Zürich (Staatsrechtliche
Beschwerde)

    2P.4/2004 vom 10. Dezember 2004

Regeste

    Art. 27 und 49 Abs. 1 BV; Art. 88 OG; Art. 5 Abs. 1 FZA; Art. 18
Anhang I FZA; Art. 12 und 17 BGFA; Art. 321 StGB; Art. 2 lit. a und 10
der Verordnung über die Rechtsschutzversicherung; Wirtschaftsfreiheit;
Verbot der Vereinbarung und Vermittlung von Prozessfinanzierungen;
Beschwerdelegitimation einer ausländischen juristischen Person als
Dienstleistungserbringer.

    Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit durch ausländische juristische
Person (E. 1.1). Das eidgenössische Anwaltsgesetz (BGFA) regelt die
Berufspflichten der Anwälte abschliessend (E. 3.4). Die Bestimmung in
einem kantonalen Anwaltsgesetz, welche die Vereinbarung und Vermittlung von
Prozessfinanzierungen regelt und sich nicht nur auf Anwälte bezieht, stellt
keine Berufsregel für Anwälte dar; daher ist insoweit keine Verletzung der
derogatorischen Kraft des Bundesrechts gegeben (E. 3.6 und 3.7). Prüfung,
ob das Verbot der Vereinbarung und Vermittlung von Prozessfinanzierungen
mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar ist (E. 4). Verhältnis zu den
anwaltlichen Berufspflichten, namentlich der Unabhängigkeit, der Treue-
und der Schweigepflicht (E. 4.5 und 4.6).

Sachverhalt

    Der Kantonsrat des Kantons Zürich erliess am 17. November 2003 ein
neues Anwaltsgesetz (AnwG/ZH). Dessen § 41 lautet wie folgt:

      § 41 Erfolgsbeteiligung Wer vor Beendigung eines Rechtsstreites

      gewerbsmässig und gegen die Einräumung eines Anteils am Prozesserfolg

      a) die Übernahme oder Vermittlung einer Rechtsvertretung

      vereinbart, ohne im Besitz eines Anwaltspatentes zu sein, oder

      b) die Finanzierung eines Prozesses vereinbart oder eine solche

      Vereinbarung vermittelt, wird durch das Statthalteramt mit Busse

      bis 20'000 Franken bestraft.  Im Wiederholungsfall ist die Strafe

      Haft oder Busse.

    Der Beschluss wurde im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 28. November
2003 veröffentlicht. Die Referendumsfrist lief am 27. Januar 2004
unbenutzt ab.

    Die L. GmbH und M. erhoben am 9. Januar 2004 staatsrechtliche
Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Kantonsrates bezüglich des
folgenden Passus aufzuheben:

      § 41 Wer vor Beendigung eines Rechtsstreites gewerbsmässig und

      gegen die Einräumung eines Anteils am Prozesserfolg ...  b)

      die Finanzierung eines Prozesses vereinbart oder eine solche

      Vereinbarung vermittelt, wird durch das Statthalteramt mit Busse

      bis 20'000 Franken bestraft.

    Sie rügen eine Verletzung von Art. 9, 27, 36 Abs. 3, 49 Abs. 1 BV
sowie der Vertragsfreiheit.

    Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Da der Kanton Zürich gegenüber kantonalen Erlassen kein
Verfahren der abstrakten Normenkontrolle kennt, ist die staatsrechtliche
Beschwerde unmittelbar gegen das kantonale Gesetz zulässig (Art. 84
Abs. 1, Art. 86 Abs. 1 OG; BGE 124 I 11 E. 1a S. 13; 125 II 440 E. 1a
S. 442). Die Beschwerdeführerin 1 ist im Bereich der Prozessfinanzierung
tätig, der Beschwerdeführer 2 als selbständiger Rechtsanwalt im Kanton
Zürich. Beide sind durch die angefochtene Bestimmung zumindest virtuell
in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen und deshalb zur
staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG; BGE 130 I 26
E. 1.2.1 S. 29 f., 82 E. 1.3 S. 85; 128 I 295 E. 6a S. 311; 125 I 173
E. 1b S. 174 f.).

    Die Beschwerdeführerin 1 kann sich als ausländische juristische
Person auf die derogatorische Kraft des Bundesrechts nach Art. 49 BV
berufen (BGE 130 I 82 E. 2.2 S. 86). Es fragt sich, ob sie das auch in
Bezug auf die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV tun kann. Auf dieses
Grundrecht können sich ausländische natürliche Personen dann berufen,
wenn sie fremdenpolizeilich niedergelassen sind oder gestützt auf Art. 7
des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung
der Ausländer (ANAG; SR 142.20) oder allenfalls einen Staatsvertrag einen
Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung haben (BGE 125 I 182 E.
5a S. 198; 123 I 212 E. 2 S. 214 ff.). Das Bundesgericht hat bisher offen
gelassen, wie es sich mit ausländischen juristischen Personen verhält
(BGE 125 I 182 E. 5a S. 197 f.).

    Die inländischen juristischen Personen des Privatrechts können das
verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Wirtschaftsfreiheit geltend
machen (vgl. BGE 124 I 25; 120 Ia 286; 106 Ia 191). Dahinter steckt unter
anderem die Überlegung, dass die den natürlichen Personen zugestandene
Wirtschaftsfreiheit auch das Recht umfasst, grundsätzlich darüber zu
entscheiden, unter welcher Rechtsform sie wirtschaftlich auftreten wollen
(vgl. YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd. 2,
1982, S. 134; RENÉ Rhinow/Gerhard Schmid/Giovanni BIAGGINI, Öffentliches
Wirtschaftsrecht, 1997, S. 108 f. Rz. 82). In konsequenter Weiterführung
vertritt daher ein Teil der Doktrin die Ansicht, es bestehe kein Grund,
ausländischen juristischen Personen Rechte aus Art. 27 BV zuzuerkennen,
die den ausländischen natürlichen Personen verweigert werden (ETIENNE
GRISEL, Liberté du commerce et de l'industrie, Bd. I, 1993, S. 154;
im Ergebnis ebenso RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, aaO, S. 109 Rz. 83). Dass die
Beschwerdeführerin 1 erst plant, für ihre Geschäftstätigkeit in der Schweiz
eine eigene Einheit nach schweizerischem Recht zu gründen, verschafft ihr
noch nicht den Status einer inländischen juristischen Person. Unbehelflich
ist auch der Hinweis auf die schweizerische Schwestergesellschaft innerhalb
des L. Konzerns; diese ist hier nicht Verfahrenspartei.

    Seit Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681)
ist Dienstleistungserbringern aus der Europäischen Gemeinschaft
jedoch staatsvertraglich das Recht eingeräumt, in gewissem Umfange
Dienstleistungen in der Schweiz zu erbringen (vgl. Art. 5 FZA und Art. 17
ff. Anhang I FZA). Das gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern
ausdrücklich auch für Gesellschaften (Art. 5 Abs. 1 FZA, Art. 18 Anhang
I FZA). Diese Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens kommen auch der
Beschwerdeführerin 1, die ihren Sitz in Deutschland hat, zugute. Die
von ihr betriebene Finanzierung von Prozessen ist als Dienstleistung
im Sinne des Art. 5 FZA anzusehen (vgl. allgemein: DANIEL MARITZ,
Der Dienstleistungsverkehr im Abkommen über die Freizügigkeit der
Personen, in Daniel Felder/Christine Kaddous [Hrsg.], Bilaterale
Abkommen Schweiz-EU, 2001, S. 335; WALTRAUD HAKENBERG, in Carl
Otto Lenz/Klaus-Dieter Borchardt [Hrsg.], EU- und EG-Vertrag, Köln,
3. Aufl. 2003, N. 9-13 zu Art. 49/50 EGV; MICHAEL HOLOUBEK, in Jürgen
Schwarze [Hrsg.], EU-Kommentar, Baden-Baden 2000, N. 3-8 zu Art. 50
EGV). Die Beschwerdeführerin 1 hat demnach als juristische Person
einen staatsvertraglichen Anspruch auf wirtschaftliche Betätigung in
der Schweiz. Damit rechtfertigt sich, der Beschwerdeführerin 1 zumindest
im Umfange der durch das Freizügigkeitsabkommen eingeräumten Rechte auch
eine Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV zuzugestehen
(im Ergebnis ebenso: PHILIPP GREMPER, Ausländische Staatsangehörige als
selbständig Erwerbende, in Peter Uebersax/Peter Münch/Thomas Geiser/Martin
Arnold [Hrsg.], Ausländerrecht, 2002, S. 653 Rz. 15.9; LEO SCHÜRMANN,
Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1994, S. 37; weitergehend:
WILLIAM ELIO ANDRICH, Die Wirtschaftsfreiheit im schweizerischen
Aussenwirtschaftsrecht, Diss. St. Gallen 1996, S. 53). Es kann hier offen
gelassen werden, ob das auch unabhängig vom Freizügigkeitsabkommen bzw.
gestützt auf die im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) geschlossenen
Verträge (insbesondere das Allgemeine Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen, Anhang 1.B zum WTO-Abkommen, so genanntes GATS [General
Agreement of Trade in Services]; SR 0.632.20 S. 312 ff.) gilt.

    (...)

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV). Die angefochtene Bestimmung
stelle eine Berufsregel für Anwälte dar. Solche Regeln würden abschliessend
vom Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen
und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) geregelt, so dass die
Kantone keine weiteren Berufsregeln aufstellen dürften. § 41 Abs. 1
lit. b AnwG/ZH sei auch nicht bloss eine Interpretation oder Auslegung
von Art. 12 BGFA. Zumindest widerspreche die angefochtene Bestimmung Sinn
und Geist des Bundesrechts.

    3.2  Nach dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts
(Art. 49 Abs. 1 BV) können Kantone in Sachgebieten, welche die
Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, keine Rechtsetzung mehr
betreiben. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend
ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht
gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck
nicht beeinträchtigen oder vereiteln (BGE 130 I 279 E. 2.2 S. 283, 82
E. 2.2 S. 86 f., je mit Hinweisen).

    3.3  Die angefochtene Bestimmung regelt die Ausübung einer
privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit. Dieser Bereich liegt in der sog.
konkurrierenden Zuständigkeit von Bund und Kantonen (Art. 3 und 95 Abs. 1
BV; vgl. RENÉ RHINOW, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts,
2003, S. 501 Rz. 2842; RETO JACOBS, in Bernhard Ehrenzeller/Philippe
Mastronardi/Rainer Schweizer/Klaus Vallender [Hrsg.], Die schweizerische
Bundesverfassung, 2002, N. 4 zu Art. 95; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER,
Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl. 2001, S. 191 Rz. 665). Es ist
daher zu prüfen, ob das Bundesrecht eine abschliessende Regelung des hier
interessierenden Gebiets enthält.

    3.4  Die Bestimmung des Art. 12 BGFA regelt die Berufspflichten der
Anwälte abschliessend (BGE 130 II 270 E. 1.1 und 3.1.1 S. 272 f. und 275;
129 II 297 E. 1.1 S. 299). Zur Auslegung von Art. 12 BGFA kann deshalb
nur noch beschränkt auf kantonale Regeln abgestellt werden, nämlich
ausschliesslich insoweit, als diese eine landesweit in nahezu allen
Kantonen geltende Auffassung zum Ausdruck bringen. Andernfalls wäre die
bundesrechtliche Vereinheitlichung der Berufspflichten gefährdet (BGE 130
II 270 E. 3.1.1 S. 275). Die im eidgenössischen Anwaltsgesetz geregelten
Berufspflichten beziehen sich nicht nur auf die Beziehung des Anwalts zum
eigenen Klienten, sondern auf die gesamte Berufstätigkeit des Rechtsanwalts
(BGE 130 II 270 E. 3.2 Ingress S. 276).

    3.5  Nach Art. 12 BGFA - soweit hier von Interesse - üben die
Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft (lit. a)
sowie unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung aus
(lit. b). Sie meiden jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer
Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in
Beziehung stehen (lit. c). Sie dürfen vor Beendigung eines Rechtsstreits
mit der Klientin oder dem Klienten keine Vereinbarung über die Beteiligung
am Prozessgewinn als Ersatz für das Honorar abschliessen; sie dürfen sich
auch nicht dazu verpflichten, im Falle eines ungünstigen Abschlusses des
Verfahrens auf das Honorar zu verzichten (lit. e). Normadressaten dieser
Regeln sind einzig die Anwälte, deren Berufsausübung damit geregelt wird.

    3.6  Die hier angefochtene Bestimmung enthält zwei Verbote:

    3.6.1  Zum einen verbietet sie die Vereinbarung einer
Prozessfinanzierung. Normadressat dieser Bestimmung ist jedermann,
der vor Beendigung eines Rechtsstreits gewerbsmässig und gegen die
Einräumung eines Anteils am Prozesserfolg die Finanzierung eines
Prozesses vereinbart. Die Beteiligten an einer solchen Vereinbarung sind
der Prozessfinanzierer und die Prozesspartei, welche die Finanzierung
ihres Prozesses sicherstellen möchte. Die Vereinbarung ist insoweit
vergleichbar mit einem Vertrag zwischen einer Prozesspartei und einer
Rechtsschutzversicherung. Prozessfinanzierer können gerade nicht Anwälte
sein, da diesen eine solche Vereinbarung schon durch Art. 12 lit. e BGFA
klarerweise verboten wird. Insoweit können Anwälte von vornherein nicht
Normadressaten der angefochtenen Bestimmung sein.

    3.6.2  Zum anderen verbietet die Bestimmung die Vermittlung
derartiger Vereinbarungen. Normadressat dieses Verbots ist nach dem
Wortlaut (Ingress von § 41 Abs. 1 i.V.m. lit. b AnwG/ZH) ebenfalls nur,
wer diese Vermittlung gewerbsmässig und gegen Einräumung eines Anteils
am Prozesserfolg durchführt. Auch dies dürfte den Anwälten bereits
aufgrund von Art. 12 lit. e BGFA untersagt sein. Möglicherweise handelt
es sich dabei um ein redaktionelles Versehen und ist in Wirklichkeit
beabsichtigt, jede Vermittlung einer gewerbsmässigen erfolgsorientierten
Prozessfinanzierung zu verbieten, auch wenn die Vermittlung selber
nicht erfolgsorientiert ist. Bei dieser Auslegung würde die Norm ein
Verhalten verbieten, das den Anwälten nicht durch das eidgenössische
Anwaltsgesetz verboten ist. Selbst wenn in der Praxis hauptsächlich
Anwälte Prozessfinanzierungen vermitteln sollten, würde sich die Bestimmung
aber nicht ausschliesslich auf Anwälte beziehen. Auch andere Personen,
welche derartige Prozessfinanzierungen vermitteln, wären davon betroffen,
wie etwa Verbandssekretariate, gemeinnützige Rechtsberatungsinstitutionen
und dergleichen. Der Geltungsbereich der Norm geht damit über den Kreis
der Anwälte hinaus. Dass sie auch auf Anwälte anwendbar sein kann, macht
sie noch nicht zu einer Berufsregel für Anwälte. Es verhält sich ähnlich
wie mit zahlreichen anderen Verhaltensvorschriften, die allgemein gelten
und damit selbstverständlich ebenso für Anwälte bei ihrer Berufsausübung
verbindlich sind. Dadurch werden sie trotzdem nicht zu einer Berufsregel
für Anwälte, selbst wenn sie im Rahmen der anwaltlichen Berufstätigkeit
eine besondere rechtliche Bedeutung haben (z.B. obligationenrechtliche
Bestimmungen über den Auftrag; strafrechtliches Verbot der Veruntreuung).

    3.7  Insgesamt wird somit, wie auch die Beschwerdeführer selber
vorbringen, mit § 41 Abs. 1 lit. b AnwG/ZH ein anderer Sachverhalt geregelt
als mit Art. 12 lit. e BGFA. Die angefochtene Bestimmung regelt nicht die
Berufstätigkeit des Anwalts. Dass sie im kantonalen Anwaltsgesetz steht,
ändert daran nichts. Dies trifft etwa auch auf § 40 AnwG/ZH zu, der die
Verletzung des Anwaltsmonopols durch Personen ohne Anwaltsberechtigung
unter Strafe stellt, sich somit gerade an Personen richtet, die nicht
Anwälte sind, und deshalb keine Berufsregel für Anwälte, sondern eine
Strafnorm für alle anderen Rechtsunterworfenen darstellt. Die Norm
wird schliesslich auch nicht dadurch zu einer Berufsregel, dass sie von
den kantonalen Behörden hauptsächlich mit dem Anliegen begründet wird,
die Unabhängigkeit des Anwalts zu schützen. Sie steht somit nicht im
Widerspruch zum eidgenössischen Anwaltsgesetz. Demnach ist die Rüge der
Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht begründet.

Erwägung 4

    4.  Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit
und der Vertragsfreiheit sowohl der Prozessfinanzierer als auch der
Anwälte. Die Tätigkeit der Prozessfinanzierer besteht im Wesentlichen
darin, dass sie die Übernahme der Kosten von Aktivprozessen gegen eine
Beteiligung am Prozessergebnis (zum Beispiel einen Prozentsatz) anbieten.

    4.1  Das Verbot einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit stellt eine
Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) dar, welche auch
die Vertragsfreiheit einschliesst (vgl. BGE 130 I 26 E. 4.3 S. 41;
Urteil 1P.286/1997 vom 31. Oktober 1997, publ. in: Pra 87/1998 Nr. 32
S. 231, E. 1d). Eingeschränkt wird in erster Linie die Tätigkeit von
Prozessfinanzierern, sodann aber auch die Tätigkeit von Personen,
möglicherweise auch von Anwälten (vgl. vorne E. 3.6.2), welche
Prozessfinanzierungen vermitteln wollen. Die Tätigkeit des Anwalts fällt
in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit (BGE 130 I 65 E. 3.2 S. 67;
130 II 87 E. 3 S. 92). Dazu gehört auch die Möglichkeit, bestimmte
Arten der Beratung anzubieten (BGE 124 I 310 E. 3 S. 313 f.), und dabei
zum Beispiel auf Prozessfinanzierungen hinzuweisen. Die angefochtene
Regelung beeinträchtigt damit die Freiheit all derjenigen Personen, die
Prozessfinanzierungen anbieten oder vermitteln wollen, ebenso die Freiheit
von Personen, welche eine solche Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen.

    Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit sind zulässig, wenn sie auf
einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse
oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sowie
verhältnismässig sind und den Kernbereich des Grundrechts nicht antasten
(Art. 36 BV; BGE 125 I 417 E. 4a S. 422). Eine gesetzliche Grundlage
wird durch die angefochtene Bestimmung gerade geschaffen. Umstritten ist
jedoch, ob ein hinreichendes öffentliches Interesse am Verbot besteht
und ob dieses verhältnismässig ist.

    4.2  Im Bereich der Wirtschaftsfreiheit genügt nicht jedes
öffentliche Interesse für eine Einschränkung. Ohne Rechtfertigung
durch die Bundesverfassung oder ein kantonales Regalrecht sind
Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 Abs. 4 BV),
das heisst wirtschafts- oder standespolitische Massnahmen, unzulässig,
welche den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder
Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Grundsätzlich
zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete
Massnahmen, wie namentlich gewerbepolizeilich oder sozialpolitisch
begründete Einschränkungen (BGE 130 II 87 E. 3 S. 92; 125 I 417 E. 4a S.
422; 124 I 310 E. 3a S. 313; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz,
Bern 1999, S. 663 f.; RENÉ RHINOW, aaO, S. 512 f.).

    Der Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit schliesst eine staatliche
Bedürfnislenkung aus (RENÉ RHINOW, aaO, S. 512 Rz. 910). Von vornherein
unbeachtlich ist daher die Begründung des Kantonsrates, es bestehe kein
Bedürfnis nach Prozessfinanzierungen.

    Darüber hinaus führt der Kantonsrat die Sicherstellung der anwaltlichen
Unabhängigkeit, die Vermeidung von Interessenkonflikten zum Nachteil
des Klienten und den Schutz des Anwaltsgeheimnisses an. Dies sind
bundesrechtlich anerkannte und damit legitime wirtschaftspolizeiliche
Ziele (vgl. Art. 12 lit. b und c sowie Art. 13 BGFA, Art. 321 StGB;
BGE 130 II 87 E. 4.1 und 4.2 S. 93 ff.; Urteil 2P.187/2000 vom
8. Januar 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4c). Sie
sind Bestandteile der öffentlichen Interessen am Publikumsschutz und an
einer gut funktionierenden Rechtspflege. Insbesondere der Grundsatz der
Unabhängigkeit des Anwalts soll grösstmögliche Freiheit und Sachlichkeit
bei der Interessenwahrung gegenüber dem Klienten wie gegenüber dem Richter
gewährleisten. Er bildet die Voraussetzung für das Vertrauen in den Anwalt
und in die Justiz (BGE 130 II 87 E. 4.1 S. 93 mit Hinweis).

    4.3  Die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit ist jedoch nicht
bereits deshalb verfassungsmässig, weil die kantonalen Behörden damit einen
legitimen Zweck verfolgen. Als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsprinzips
(Art. 36 Abs. 3 BV) muss die Einschränkung vielmehr auch geeignet und
erforderlich sein, um die anerkannten Ziele zu erreichen (BGE 130 II 87 E.
4.3.1 S. 96; 128 I 3 E. 3e/cc S. 15; 125 I 474 E. 3 S. 482). Sie hat zu
unterbleiben, wenn eine gleichgeeignete, aber mildere Massnahme für den
angestrebten Erfolg ausreicht (BGE 130 II 425 E. 5.2 S. 438).

    Es ist daher zu untersuchen, ob die Prozessfinanzierung wirklich
die vom Kantonsrat behaupteten negativen Auswirkungen auf die genannten
Interessen haben kann und ob ihr Verbot erforderlich und geeignet ist,
diese Auswirkungen zu vermeiden.

    4.4  Die Parteien äussern sich widersprüchlich über die Art der
Prozessfinanzierungsvereinbarungen, die von der Beschwerdeführerin
1 angeboten werden. Für das vorliegende Verfahren ist jedoch der
Inhalt dieser Vereinbarungen nicht ausschlaggebend. Zur Diskussion
steht im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht ein bestimmter
Prozessfinanzierungsvertrag, sondern eine gesetzliche Bestimmung. Es ist
zu prüfen, ob diese Bestimmung so, wie sie lautet und vernünftigerweise
ausgelegt werden kann, mit der Verfassung vereinbar ist, wobei auch die
Wahrscheinlichkeit einer verfassungskonformen Handhabung berücksichtigt
werden kann (BGE 130 I 82 E. 2.1 S. 86 mit Hinweisen). Ist die
Rechtmässigkeit der angefochtenen Bestimmung zu bejahen, wird sich
weiter die Frage stellen, ob die Verträge, welche die Beschwerdeführerin
1 abschliesst, unter das gesetzliche Verbot fallen. Dies ist aber eine
Frage der Anwendung dieser Bestimmung im Einzelfall und ist im Rahmen der
abstrakten Normenkontrolle nicht zu behandeln. Erweist sich umgekehrt
das angefochtene Verbot der Prozessfinanzierung als verfassungswidrig,
diese somit als grundsätzlich zulässig, ist dennoch nicht ausgeschlossen,
dass bestimmte Arten von Prozessfinanzierungsverträgen wegen Verstosses
gegen andere Gesetze rechtswidrig sein können. Es erübrigt sich daher,
die von den Beschwerdeführern beantragten Beweise in Bezug auf die
Praxis der Prozessfinanzierung in Deutschland abzunehmen. Zu prüfen ist
lediglich die Verfassungsmässigkeit der angefochtenen Bestimmung, welche
pauschal und generell jede Art der gewerbsmässigen und erfolgsabhängigen
Prozessfinanzierung verbietet.

    4.5

    4.5.1  Der Kantonsrat befürchtet eine Beeinträchtigung der
anwaltlichen Unabhängigkeit, indem der Prozessfinanzierer Einfluss auf
die Mandatsführung durch den Anwalt nehme, auch wenn rechtlich nur ein
Vertragsverhältnis zwischen dem Klienten und dem Anwalt einerseits sowie
dem Klienten und dem Prozessfinanzierer andererseits bestehe. Die Klienten
verpflichteten sich nämlich im Prozessfinanzierungsvertrag, die Anwälte zu
beauftragen, sich mit dem Prozessfinanzierer abzustimmen und nur mit seiner
Zustimmung über den Streitgegenstand zu verfügen. Die Klienten müssten
zudem ihre Anwälte gegenüber dem Prozessfinanzierer von der Schweigepflicht
entbinden und anweisen, diesen über den Gang des Verfahrens zu informieren.

    4.5.2  Wer einen Prozess anheben will, muss sich die dazu erforderliche
Finanzierung beschaffen, sofern er weder die nötigen Mittel hat,
noch Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung verlangen kann, noch
unentgeltliche Prozessführung geniesst. Die Art und Weise, wie diese
Finanzierung sicher gestellt wird, berührt grundsätzlich nur das Verhältnis
zwischen der Prozesspartei und dem Drittfinanzierer, nicht aber dasjenige
zwischen der Partei und dem Anwalt. Diesem ist schon durch das Bundesrecht
verboten, als erfolgsbeteiligter Prozessfinanzierer aufzutreten (Art. 12
lit. e BGFA). Insoweit bedarf es keiner zusätzlichen kantonalen Regelung.
Dritten ist demgegenüber eine Prozessfinanzierung auf Erfolgsbasis damit
nicht von vornherein verboten (vgl. BGE 113 Ia 279 E. 3 und 4b S. 283 ff.;
98 Ia 144 E. 2c S. 148 f.). Die erfolgsabhängige Prozessfinanzierung, die
zwischen dem Klienten und einem Dritten vereinbart wird, hat grundsätzlich
nicht zur Folge, dass der Anwalt am Prozessgewinn partizipiert. Seine
Forderung ist nach wie vor auf die Honorarforderung beschränkt. Selbst
wenn er direkt oder indirekt vom Prozessfinanzierer eine Entschädigung
für den zusätzlichen Aufwand erhält, handelt es sich dabei nicht um eine
Erfolgsbeteiligung.

    4.5.3  Es ist auch üblich und mit Blick auf die anwaltliche
Unabhängigkeit grundsätzlich unproblematisch, wenn ein Gläubiger eine
Forderung, deren Begründetheit oder Einbringlichkeit fraglich ist, an ein
gewerbsmässiges Inkassounternehmen verkauft und abtritt (Art. 164 ff. OR),
welches anschliessend die Forderung im eigenen Namen einklagt. Dabei wird
zwar oft ein fester Betrag für die Forderung bezahlt, doch ist es auch
denkbar, dass der Preis für die Forderung in Abhängigkeit vom erzielten
Ertrag festgesetzt wird. In diesem Fall wird ein gleiches wirtschaftliches
Ergebnis erreicht wie bei der hier streitigen Prozessfinanzierung. Die
konkrete Ausgestaltung solcher Verträge mag unter Umständen rechtlich
problematisch sein (z.B. im Lichte von Art. 27 ZGB, Art. 19 ff. OR oder
Art. 157 StGB; vgl. BGE 112 II 241, 433); dies ist aber kein hinreichender
Grund, den Forderungskauf grundsätzlich zu verbieten.

    4.5.4  In den parlamentarischen Beratungen zum kantonalen Anwaltsgesetz
wurde vorgebracht, eine Prozesspartei könnte ihre Aktivlegitimation
verlieren, wenn sie sich vertraglich gegenüber dem Prozessfinanzierer
verpflichtet, ihre Ansprüche, die sie gerichtlich durchsetzen will, zu
Sicherungszwecken abzutreten. Indessen ist die Abtretung der Ansprüche mit
der Prozessfinanzierung nicht zwingend verbunden. Die Prozessfinanzierer
haben kein Interesse daran, dass Prozesse verloren werden; sie werden
daher schon im eigenen Interesse ihre Verträge nicht so ausgestalten,
dass sie zum Prozessverlust führen.

    4.5.5  Selbst wenn bei der Prozessfinanzierung der Klient dem
Prozessfinanzierer das Recht einräumt, über den Fortgang des Prozesses
informiert zu werden oder vor Eingehen eines Vergleichs zuzustimmen,
beeinträchtigt dies nicht grundsätzlich die anwaltliche Unabhängigkeit:
Da es einem Privaten frei steht, über seine Ansprüche zu verfügen, kann er
(in den gesetzlichen Schranken, namentlich Art. 27 ZGB) mit einem Dritten
ebenso vereinbaren, dass er nur mit dessen Zustimmung über seine Ansprüche
verfügen kann. Dies ist von der Privatautonomie abgedeckt. Es ist denn auch
üblich und ohne weiteres zulässig, dass sich (auf beklagtischer Seite)
Haftpflichtversicherungen das Recht ausbedingen, über den Verlauf eines
Prozesses informiert zu werden und einem Vergleich zuzustimmen oder gar den
Prozess selber zu führen (vgl. auch Art. 2 lit. a der Verordnung vom 18.
November 1992 über die Rechtsschutzversicherung [nachfolgend: RSV-VO; SR
961.22]). Faktisch hat damit der Haftpflichtversicherer in der Regel ein
weitgehendes Mitspracherecht in der Prozessführung. Er tritt dabei aber
nur als Vertragspartner des Klienten auf; sein Weisungsrecht gegenüber
dem Anwalt kann nicht weiter gehen als dasjenige des Klienten. Bei der
Prozessfinanzierung verhält es sich nicht grundsätzlich anders.

    4.5.6  Auch die Befürchtungen bezüglich Einhaltung des
Anwaltsgeheimnisses sind in Bezug auf die Prozessfinanzierung nicht
anders als bei einem Haftpflichtversicherer, welcher am Prozess
mitwirkt. Wohl haben diese Dritten nur eine vertraglich, nicht eine
strafrechtlich (Art. 321 StGB) geschützte Schweigepflicht. Indessen
steht es dem Klienten als Geheimnisherr ohnehin frei, seine Geheimnisse
an beliebige Dritte weiterzugeben, demnach ebenfalls an Personen,
die nicht dem Anwaltsgeheimnis unterliegen. Er kann daher auch
einwilligen, dass der Anwalt diese Informationen Dritten mitteilt (FELIX
WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Diss. Bern 1986, S. 139;
GIOVANNI ANDREA TESTA, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten
des Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, Diss. Zürich 2000/2001,
S. 148, mit Hinweisen; vgl. auch Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BGFA und Art. 321
Ziff. 2 StGB). Demzufolge ist ebenso zulässig, den Anwalt zu ermächtigen,
Informationen an einen Prozessfinanzierer weiterzugeben (BRUNO PELLEGRINI,
Zusammenarbeit mit Prozessfinanzierern, Anwaltsrevue 4/2001 Heft 1
S. 44, der eine "ausdrückliche" Ermächtigung verlangt). Auch nach der für
Rechtsschutzversicherungen geschaffenen Regelung geht der Bundesgesetzgeber
(zunächst) davon aus, dass der Anwalt grundsätzlich vom Berufsgeheimnis
entbunden werden kann (vgl. Art. 6 RSV-VO; RAYMOND DIDISHEIM, L'avocat
et l'assurance de protection juridique, in François Chaudet/Olivier
Rodondi [Hrsg.], L'avocat moderne, 1998, S. 123 f.; ANNE-MARIE DUTOIT,
Ordonnance sur l'assurance de la protection juridique du 18 novembre 1992,
Commentaire, publ. in: SVZ 62/1994 S. 36 f.).

    4.5.7  Nach dem Gesagten müssten bei konsequenter Weiterführung der
Argumentation des Kantonsrates im Grunde auch die Rechtsschutz- und
die Haftpflichtversicherung von einem Verbot erfasst werden, mit der
Begründung, diese würden die Bereiche der anwaltlichen Unabhängigkeit
und des Anwaltsgeheimnisses tangieren. Ein solches Verbot hat der
Bundesgesetzgeber jedoch nicht erwogen, sondern vielmehr den Bestand
dieser Versicherungseinrichtungen durch entsprechende Gesetzeserlasse
festgeschrieben. Die vom Kantonsrat insoweit erwähnten Bedenken genügen
mithin nicht, bereits ein generelles Verbot der Prozessfinanzierung
zu erlassen.

    4.6

    4.6.1  Der Kantonsrat befürchtet aber auch, die Anwälte könnten
in einen Konflikt geraten zwischen den Interessen ihrer Klienten und
denjenigen des Prozessfinanzierers, was ihrer Unabhängigkeit abträglich
sei. Es liege die Gefahr auf der Hand, dass die Anwälte nicht mehr im
reinen Interesse der Klienten handelten, sondern die Interessen des
Prozessfinanzierers mit berücksichtigen müssten. Dieser sei einzig an
einem finanziell möglichst guten Ergebnis interessiert, während das
Interesse der Klienten auch differenzierter sein und etwa das künftige
Verhältnis zur Gegenpartei umfassen könne. Zudem richteten sich die
Akquisitionsanstrengungen des Prozessfinanzierers auf die Anwaltschaft
aus und versprächen dieser mehr Gebühren und Mandate. Die Anwälte
erhielten zudem vom Prozessfinanzierer ein Honorar für die zusätzlichen
Aufwendungen. Damit bestehe das Risiko einer Vereinnahmung der Anwälte
durch die Prozessfinanzierer.

    4.6.2  Die Interessen des Klienten und diejenigen des
Prozessfinanzierers sind grundsätzlich gleichläufig. Beide sind an
einem möglichst hohen Prozessertrag interessiert. Der Anwalt hat dieses
Interesse bestmöglich wahrzunehmen. Eine prinzipielle Interessenkollision
besteht nicht.

    Freilich kann in bestimmten Fällen ein Prozessfinanzierer vom Klienten
abweichende Interessen haben. So wird Ersterer einen möglichst hohen
Prozessgewinn wollen, was der Klient im Hinblick auf spätere Beziehungen
zur Gegenpartei gelegentlich anders sehen könnte. Ein Interessenwiderstreit
liegt bei der Einschaltung einer Rechtsschutzversicherung indes sogar
regelmässig vor: Diese hat ein Interesse daran, die Kosten klein zu
halten, während der Klient den Rechtsstreit grundsätzlich durchfechten will
(vgl. GERHARD STOESSEL, Verhältnis Rechtsanwalt - Rechtsschutzversicherung:
einige ausgewählte Fragen, Anwaltsrevue 3/2000 Heft 6-7 S. 4; PHILIPPE
REYMOND, L'avocat et l'assurance de protection juridique - Quelques
questions choisies, Anwaltsrevue 3/2000 Heft 6-7 S. 11; RAYMOND DIDISHEIM,
aaO, S. 115). Wer etwa Wert darauf legt, autonom über einen Vergleich
entscheiden zu können, wird keine Prozessfinanzierungsvereinbarung
eingehen. Ob den Klienten zudem für den Fall eines Interessengegensatzes
während eines Prozesses nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Recht
zum Rücktritt vom Prozessfinanzierungsvertrag oder zum Vorgehen gegen
den Willen des Prozessfinanzierers zusteht, kann hier offen bleiben;
das Gleiche gilt für die Frage, ob ein Bedürfnis nach der Schaffung
einer entsprechenden gesetzlichen Regelung besteht. Jedenfalls stellt
die Möglichkeit eines solchen Interessenkonfliktes zwischen Klient und
Prozessfinanzierer keinen hinreichenden Grund dar, Prozessfinanzierungen
insgesamt zu verbieten.

    4.6.3  Es mag zutreffen, dass die Prozessfinanzierer ihre
Akquisitionsbemühungen hauptsächlich an die Anwaltschaft richten. Insofern
kann die Gefahr einer Vereinnahmung bestehen, indem Anwälte daran
interessiert sein mögen, prozessfinanzierte Mandate zu führen, weil
sie dabei einen solventen Finanzierer haben. Mit Blick darauf könnten
Anwälte versucht sein, es nicht mit den Prozessfinanzierungsunternehmen
zu verderben mit der unzulässigen Folge, dass sie die Interessen der
Klienten vernachlässigen würden.

    Indessen kann sich der selbständige Anwalt ohnehin immer
Interessenkonflikten ausgesetzt sehen. Das kann ebenso sein, wenn neben
dem Klienten ein Haftpflicht- oder Rechtsschutzversicherer auftritt. Auch
unabhängig von der Einschaltung eines Dritten kann es vorkommen, dass
ein Anwalt vom Klienten abweichende Interessen hat. So könnte er zwecks
Erzielung möglichst hoher Honorareinnahmen geneigt sein, einen Prozess
zu führen, von dem er dem Klienten aber in dessen Interesse wegen
Aussichtslosigkeit abraten muss.

    Es gehört zu den Berufspflichten des Anwalts, die Interessen des
Klienten bestmöglich zu wahren und sein persönliches Interesse gegenüber
denjenigen des Klienten zurückzustellen (vgl. FRANZ Schenker, Gedanken
zum Anwaltshonorar, in Walter Fellmann et al. [Hrsg.], Schweizerisches
Anwaltsrecht, 1998, S. 153). Im Einzelfall hat er abzuschätzen, ob eine
unzulässige Konfliktsituation vorliegt. Bei Verstoss gegen seine gegenüber
dem Klienten bestehende Treuepflicht muss er mit Disziplinarmassnahmen
rechnen (Art. 17 BGFA). Es wäre jedoch unverhältnismässig, von
vornherein alle Situationen zu verbieten, die möglicherweise zu einer
Interessenkollision führen könnten (vgl. BGE 130 II 87 E. 5.2 S. 103 f.).

    Für den Klienten kann es sogar von Vorteil sein, wenn nebst dem (am
erfolgsunabhängigen Honorar interessierten) Anwalt auch der (am Erfolg
interessierte) Prozessfinanzierer eine Abschätzung der Prozessrisiken
vornimmt. Lehnt er die Prozessfinanzierung ab, erfährt damit der Klient
aus einer zusätzlichen Quelle, wie die Aussichten auf Durchsetzung
seiner Rechtsbegehren eingeschätzt werden. Dies kann ihm den Entscheid
erleichtern, ob er den Prozess riskieren will.

    4.6.4  Es ist nicht ausgeschlossen, dass je nach konkreter
Ausgestaltung eines Prozessfinanzierungssystems die anwaltliche
Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Das wäre insbesondere der Fall,
wenn der Anwalt Arbeitnehmer des Prozessfinanzierers wäre. Das ist ihm
aber bereits durch Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA verboten (vgl. bezüglich
Angestellten von Treuhandunternehmen oder Rechtsschutzversicherungen BGE
130 II 87 E. 4.3.3 S. 97, mit Hinweisen; Urteil 2A.295/2003 vom 3. Juni
2004, E. 3) und braucht nicht durch zusätzliche kantonale Regelungen
unterbunden zu werden. Problematisch könnte auch sein, wenn Anwälte als
Gesellschafter oder Verwaltungsräte an Prozessfinanzierungsgesellschaften
beteiligt sind (vgl. MATTHIAS KILIAN, Der Erfolg und die Vergütung des
Rechtsanwalts, Diss. Köln, Bonn 2003, S. 379 f.; BRUNO PELLEGRINI,
aaO, S. 43; BGE 98 Ia 144 E. 2d S. 149 f.). Eine solche Gefahr
kann aber auch bei anderen Gesellschaften bestehen, zum Beispiel
bei Rechtsschutzversicherungen (WALTER FELLMAN, Kollision von
Berufspflichten mit anderen Gesetzespflichten am Beispiel des Anwaltes
als Verwaltungsrat, in Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Das Anwaltsrecht nach
dem BGFA, 2003, S. 171 und 175 ff.). Dies ändert aber nichts daran, dass
Rechtsschutzversicherungen grundsätzlich zulässig sind. Allfälligen sich
daraus ergebenden Konfliktsituationen kann durch die bereits bestehenden
Standesregeln entgegengewirkt werden.

    4.6.5  Denkbar ist, dass ein Prozessfinanzierer gleichzeitig mehrere
Klienten mit gegenläufigen Interessen in unterschiedlichen Prozessen
betreut, woraus sich Interessenkollisionen ergeben könnten. Das
Bundesgericht hat derartige denkbare Konstellationen bei einem
Treuhandunternehmen herangezogen, um zu begründen, weshalb ein forensisch
tätiger Anwalt nicht bei einem solchen Unternehmen angestellt sein kann
(erwähntes Urteil 2P.187/2000, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835,
E. 4c). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass der angestellte Anwalt,
unmittelbar oder mittelbar, dem Druck seines Arbeitgebers oder des anderen
Klienten des Arbeitgebers ausgesetzt sein kann. Bei der Prozessfinanzierung
geht es aber nicht um das Verhältnis von einem angestellten Anwalt
zu seinem Arbeitgeber einerseits und seinen Klienten andererseits. Der
selbständige Anwalt untersteht nicht den Weisungen des Prozessfinanzierers
und soll auch nicht in einem sonstigen Abhängigkeitsverhältnis zu diesem
stehen (siehe oben E. 4.6.3 und 4.6.4).

    4.6.6  Sicherlich wird der Anwalt mit Blick auf die ihm vorgeschriebene
Unabhängigkeit und seine Pflicht zur Wahrung der Interessen des Klienten
besondere Vorsicht gegenüber der Prozessfinanzierung walten lassen müssen.
Wenn er dem Klienten eine Prozessfinanzierung empfiehlt, könnte ein
Verstoss gegen seine Berufspflichten schon gegeben sein, wenn er den
Klienten nur auf ihre Vorteile und nicht auch auf die möglichen Risiken
(siehe etwa oben E. 4.6.2) hinweist. Das Gleiche könnte gelten, wenn er
dem Klienten nur einen Prozessfinanzierer benennt, ohne darauf hinzuweisen,
dass andere Unternehmen den Prozess möglicherweise zu anderen (günstigeren)
Bedingungen finanzieren. Diesen Gefahren kann jedoch bereits mit dem
geltenden Anwaltsrecht (Art. 12 und 17 BGFA) entgegengewirkt werden;
sie machen nicht ein Verbot der Prozessfinanzierung notwendig.

    Wie zudem schon angedeutet (oben E. 4.4), können bestimmte Arten von
Prozessfinanzierungsverträgen oder einzelne Klauseln daraus unzulässig sein
(vgl. Art. 27 ZGB, Art. 19 ff. OR, Art. 8 UWG [SR 241] oder Art. 157 StGB).
Unwirksam können auch Prozessfinanzierungsverträge oder die entsprechenden
Klauseln sein, wenn sich der Prozessfinanzierer einen offensichtlich
überhöhten Anteil am Prozessgewinn versprechen lässt (vgl. ALEXANDER BRUNS,
Das Verbot der quota litis und die erfolgshonorierte Prozessfinanzierung,
Juristenzeitung 2000 S. 241, Tübingen, der eine fünfzigprozentige
Erfolgsbeteiligung für überhöht und damit als sittenwidrig ansieht; LORENZ
HÖCHLI, Das Anwaltshonorar, Diss. Zürich 1991, S. 84). Diese Bedenken, die
nur Teilfragen der Prozessfinanzierung betreffen, können aber bereits durch
das bestehende Recht oder durch allenfalls noch zu erlassende gesetzliche
Regelungen erfasst werden (für einen Handlungsbedarf des Gesetzgebers:
ALEXANDER BRUNS, aaO, S. 241). Sie rechtfertigen jedoch ebenso wenig
ein generelles Verbot, da es eben mildere Mittel gibt, um unerwünschten
Auswüchsen entgegenzutreten.

    4.7  Schliesslich fragt sich, ob Prozessfinanzierer nicht ohnehin
vom Verbot des Erfolgshonorars nach Art. 10 RSV-VO erfasst werden. Der
kantonale Gesetzgeber hätte dann nur ein bereits bundesrechtlich
bestehendes Verbot übernommen, welches er mit zusätzlichen Sanktionen
belegt hätte. Ob das im Lichte von Art. 49 Abs. 1 BV erlaubt wäre,
kann hier offen bleiben. Gemäss Art. 10 RSV-VO darf sich eine
Versicherungseinrichtung oder ein Schadenregelungsunternehmen keinen
Anteil an einem allfälligen Erfolg des Versicherten versprechen
lassen. Damit Art. 10 RSV-VO greift, müssten die Prozessfinanzierer
Versicherungseinrichtungen sein. Das ist zu verneinen (a.A. GERHARD
STOESSEL, aaO, S. 9 f.; ebenso für das deutsche Recht: JÖRG
FRITZSCHE/STEFFEN SCHMIDT, Eine neue Form der Versicherung?, publ. in: Neue
Juristische Wochenschrift [NJW] 1999 S. 2998-3002). Die Prozessfinanzierung
mag zwar in einigen Punkten versicherungsähnlich sein (zu den Merkmalen
der Versicherung: BGE 114 Ib 244 E. 4a S. 247 mit Hinweis). Es fehlt indes
ganz wesentlich an der Leistung des Versicherten in Form einer vorgängig
unbedingt zu entrichtenden Prämie (BRUNO PELLEGRINI, aaO, S. 43). Der Kunde
zahlt nicht mit Blick auf ein künftiges Risiko eine Prämie. Vielmehr ist
der Rechtsstreit, der als Versicherungsfall zu bezeichnen wäre, bereits
bestehend und bekannt. Die Prozessfinanzierungsverträge sehen zudem in
aller Regel vor, dass der Kunde dem Prozessfinanzierer nur im Falle eines
Obsiegens und damit auch nicht vorgängig eine Gegenleistung schuldet. Eine
entsprechende Anwendung von Art. 10 RSV-VO kommt ebenso wenig in Betracht.
Die Ausgangssituationen sind nicht dieselben. Die Versicherungen sollen das
Risiko aus den Prämien der Versichertengemeinschaft finanzieren. Damit
die Versicherungen nicht in die Versuchung geraten, zusätzlich eine
Erfolgsbeteiligung beim Versicherten zu erheischen, was offenbar eine
Zeit lang Praxis war, wurde die Verbotsnorm des Art. 10 RSV-VO eingeführt
(vgl. ANNE-MARIE DUTOIT, aaO, S. 48 f.). Demgegenüber beziehen die
Prozessfinanzierer vorgängig keine Prämien, die Erfolgsbeteiligung stellt
die eigentliche Gegenleistung des Kunden dar.

    4.8  Zusammenfassend besteht nach heutigen Erkenntnissen keine
Notwendigkeit zum generellen Verbot der Prozessfinanzierung. Die kantonale
Verbotsnorm erweist sich als unverhältnismässig, verletzt damit die
Wirtschaftsfreiheit und ist demzufolge aufzuheben. Es kann zwar nicht
ausgeschlossen werden, dass bestimmte Prozessfinanzierungssysteme die
anwaltliche Unabhängigkeit oder andere Rechtsgüter beeinträchtigen oder
gefährden. Soweit dies tatsächlich der Fall ist, gibt jedoch bereits
das Bundesrecht Handhabe, um dagegen einzuschreiten (vgl. Art. 12 und
17 ff. BGFA, Art. 27 ZGB, Art. 19 ff. OR, Art. 8 UWG und Art. 157
StGB). Allenfalls können geeignete, gegenüber einem generellen Verbot
mildere Regelungen zur Sicherung betroffener Rechtsgüter erlassen
werden. Betreffend die Einhaltung der anwaltlichen Berufsregeln wird es
Sache der Disziplinaraufsicht sein, diese zu überwachen.