Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 I 113



131 I 113

15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Amtsgerichtspräsident von Solothurn-Lebern sowie Obergericht des
Kantons Solothurn (Staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.115/2005 vom 3. Mai 2005

Regeste

    Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Anspruch auf ein unbefangenes
Gericht.

    Mehrfache Funktionen des Richters in demselben Zivilprozessverfahren:
Zusammenfassung der Rechtsprechung aus dem Blickwinkel des Anspruchs auf
ein unbefangenes Gericht (E. 3.1-3.6).

    Ein Richter erscheint nicht schon deswegen als voreingenommen, weil
er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der
Rechtsbegehren abgewiesen hat. Vielmehr müssen zur Annahme von Befangenheit
des betreffenden Richters weitere Gründe hinzutreten (E. 3.7).

    Befangenheit des Richters aufgrund der verfahrensrechtlichen Situation
vorliegend verneint (E. 3.8).

Sachverhalt

    Gegen X., Inhaber einer Einzelfirma, ist seit dem 23. März 2003 ein
Forderungsprozess vor dem Richteramt Solothurn-Lebern hängig. Zusammen mit
der Klageantwort und der Widerklage stellte X. am 23. Mai 2003 ein Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Verfügung vom 15. September 2003 wies
der Amtsgerichtspräsident das Gesuch mit der Begründung ab, die in der
Klageantwort und der Widerklage gestellten Begehren seien aussichtslos. Im
Übrigen seien die finanziellen Verhältnisse von X. undurchsichtig.

    X. erhob gegen diese Verfügung Rekurs. Das Obergericht des Kantons
Solothurn forderte ihn auf, Unterlagen über seine finanziellen Verhältnisse
einzureichen. Im Rekursentscheid vom 2. Dezember 2003 kam das Obergericht
zum Schluss, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege könne nicht mehr
wegen unklaren finanziellen Verhältnissen abgewiesen werden, auch wenn
dies der Amtsgerichtspräsident aufgrund der damaligen Aktenlage noch
zu Recht getan habe. X. verfüge über einen monatlichen, die Kosten
für den notwendigen Unterhalt übersteigenden Betrag von Fr. 302.-,
womit er den Prozess grundsätzlich finanzieren könne. In Anbetracht des
Streitwerts von Fr. 85'000.- sei er aber bezüglich der Klageantwort von
der Kostenvorschusspflicht zu befreien. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand
könne dagegen nicht bewilligt werden. Sodann hielt das Obergericht dafür,
die Widerklage erscheine nicht als aussichtslos. X. sei deshalb auch
bezüglich der Widerklage von der Kostenvorschusspflicht zu befreien.

    Die Hauptverhandlung vor Amtsgericht wurde auf den 6. Oktober 2004
angesetzt. Am 1. Oktober 2004 (Eingang am 4. Oktober 2004) stellte
X. ein Begehren um Ausstand des mitwirkenden Amtsgerichtspräsidenten,
Y., wegen Befangenheit im Sinn von § 93 lit. f des Gesetzes über
die Gerichtsorganisation des Kantons Solothurn vom 13. März 1977
(GOG/SO). X. begründete den Ablehnungsgrund der Befangenheit damit,
dass Amtsgerichtspräsident Y. sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
wegen Aussichtslosigkeit seiner Rechtsposition abgewiesen und entgegen
seinem Antrag keine Zeugen angehört habe.

    Das Amtsgericht wies das Ausstandsbegehren mit der Begründung
ab, das Gesuch sei zu spät gestellt worden. Gegen diesen Entscheid
erhob X. Beschwerde, welche das Obergericht mit Urteil vom 13. Januar
2005 abwies. Das Obergericht erwog, allein aus dem Umstand, dass der
Amtsgerichtspräsident bei der Prüfung des Gesuchs um unentgeltliche
Rechtspflege die Prozesschancen von X. als aussichtslos einstufte, könne
nicht auf dessen Befangenheit im Sinn von § 93 lit. f GOG/SO geschlossen
werden. Das Amtsgericht habe das Ausstandsgesuch daher zu Recht abgewiesen.

    X. hat gegen das Urteil des Obergerichts vom 13. Januar 2005
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde
ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.1  In der Sache beruft sich der Beschwerdeführer auf die Garantie
des unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richters (Art. 30
Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Der Amtsgerichtspräsident habe im
Zusammenhang mit der Prüfung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege
die Prozesschancen des Beschwerdeführers als aussichtslos beurteilt. Er
erscheine deswegen als befangen und hätte für den weiteren Verfahrensgang
in den Ausstand treten müssen. Zudem habe das Obergericht § 93 lit. f
GOG/SO über die Ablehnung einer Gerichtsperson infolge Befangenheit
willkürlich ausgelegt.

    3.2  Wird mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung des
Anspruchs auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter geltend
gemacht, so prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des
kantonalen Verfahrensrechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit
freier Kognition prüft es dagegen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung
des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien von Art. 30 Abs. 1 BV und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (BGE 126 I 68 E. 3b S. 73; 117 Ia 170
E. 1 S. 172 f., je mit Hinweisen).

    3.3  Nach dem Wortlaut von § 93 lit. f GOG/SO kann eine Gerichtsperson
abgelehnt werden, wenn sie aus irgendeinem Grund befangen erscheint. Das
Obergericht ging davon aus, dass § 93 lit. f GOG/SO das Recht auf Ablehnung
eines befangenen Richters im gleichen Umfang wie Art. 30 Abs. 1 BV und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiere. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf,
inwiefern entgegen dieser Auffassung des Obergerichts die kantonale
Vorschrift über die verfassungs- und konventionsrechtliche Garantie des
unabhängigen Richters hinaus geht. Die Rüge der willkürlichen Anwendung
von § 93 lit. f GOG/SO hat deshalb keine selbständige Bedeutung.

    3.4  Nach der in Art. 58 Abs. 1 aBV bzw. im materiell unverändert in
die neue Bundesverfassung vom 18. April 1999 überführten Art. 30 Abs. 1 BV
und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des verfassungsmässigen
Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem
unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne
Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver
Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit
und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist
die Garantie verletzt (BGE 131 I 24 E. 1.1 S. 25; 126 I 68 E. 3a S. 73,
je mit Hinweisen).

    Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen
in das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn
einzelne Gerichtspersonen in einem früheren Verfahren mit der konkreten
Streitsache schon einmal befasst waren. In einem solchen Fall so genannter
Vorbefassung stellt sich die Frage, ob sich ein Richter durch seine
Mitwirkung an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in
einem Mass festgelegt hat, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen
und dementsprechend das Verfahren als nicht mehr offen erscheinen
lassen (BGE 131 I 24 E. 1.2 S. 26; 114 Ia 50 E. 3d S. 57; Urteil
des EGMR i.S. Saraiva de Carvalho gegen Portugal vom 22. April 1994,
Série A, Nr. 286-B, Ziff. 38; REINHOLD HOTZ, in: Bernhard Ehrenzeller/
Philippe Mastronardi/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender [Hrsg.], Die
schweizerische Bundesverfassung - Kommentar, Zürich 2002, N. 13 zu Art. 30
BV; MARC E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK), 2. Aufl., Zürich 1999, N. 418 ff.). Wegen der früheren Mitwirkung
kann "Betriebsblindheit" in dem Sinne befürchtet werden, dass der Richter
im späteren Verfahren seine Erwartungen in seine Fragen projiziert,
die Antworten auf diese Fragen im Sinne seiner Erwartungen interpretiert
und vor allem Fragen nicht sieht, die der unbefangene Richter sehen und
stellen würde (BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 57, mit Verweis auf GUNTHER ARZT,
Der befangene Strafrichter, Tübingen 1969, S. 65).

    Ob eine unzulässige, den Verfahrensausgang vorwegnehmende Vorbefassung
eines Richters vorliegt, kann nicht generell gesagt werden; es ist vielmehr
in jedem Einzelfall - anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen
Umstände (vgl. BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 59) - zu untersuchen, ob die konkret
zu entscheidende Rechtsfrage trotz Vorbefassung als noch offen erscheint
(BGE 126 I 68 E. 3c S. 73; 114 Ia 50 E. 3d S. 57).

    3.5  Der Anspruch auf ein unvoreingenommenes Gericht ist in der
Rechtsprechung vor allem im Strafprozessrecht konkretisiert worden. Die
Entscheide beziehen sich auf Fälle, in denen ein Richter entweder
mit der Sache in unterschiedlichen Verfahren oder in vom anwendbaren
Verfahrensrecht klar getrennten Verfahrensabschnitten befasst war (vgl. BGE
126 I 68 E. 4a S. 74 f.). Bei der letzteren Konstellation ist für die Frage
der Zulässigkeit der Vorbefassung entscheidend, ob durch die Mitwirkung
desselben Richters in mehreren Verfahrensabschnitten (Untersuchungs-,
Anklage- und Erkenntnisverfahren) die gesetzlich - allenfalls gerade zur
Sicherung der Unvoreingenommenheit - vorgesehene Zuweisung verschiedener
Funktionen an unterschiedliche Organe unterlaufen wird (BGE 117 Ia 157
E. 2a S. 160; 114 Ia 50 E. 3d S. 57; Urteil des EGMR i.S. Hauschildt
gegen Dänemark vom 24. Mai 1989, Série A, Nr. 154, Ziff. 50 f.).

    So wurde beispielsweise in folgenden Fällen die Mitwirkung eines
Richters, der sich in einem früheren Stadium desselben Verfahrens
mit dem Angeklagten schon einmal befasst hat, als verfassungs- und
konventionswidrig beurteilt: Personalunion von Untersuchungsrichter
und erkennendem Strafrichter (BGE 112 Ia 290 E. 5b und c S. 300 ff.;
113 Ia 72 E. 2 S. 73; 114 Ia 275 E. 2b S. 277 f.; 115 Ia 217 E. 6 S. 221
ff.; Urteil des EGMR i.S. De Cubber gegen Belgien vom 26. Oktober 1984,
Série A, Nr. 86, Ziff. 26 ff.); Personalunion zwischen dem ehemaligen
Generalprokurator und dem Ersatzrichter, weil dieser während der
Voruntersuchung ein Weisungsrecht gegenüber den Bezirksprokuratoren und
damit eine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Untersuchungsrichter
besass (BGE 117 Ia 157 E. 3 S. 162 ff.; ferner Urteil des EGMR
i.S. Piersack gegen Belgien vom 1. Oktober 1982, Série A, Nr. 53, Ziff. 31
f.); Ämterkumulation bei einem Strafrichter, der vorher als Mitglied der
Anklagekammer die Anklage zugelassen und den Angeschuldigten überwiesen
hat (BGE 113 Ia 72 E. 3 S. 73 ff.; 114 Ia 50 E. 5 S. 66 ff.); personelle
Identität zwischen Haftrichter und Anklagevertreter (BGE 117 Ia 199 E. 4
S. 201 f. betr. Art. 5 Ziff. 3 EMRK; Urteil des EGMR i.S. Jutta Huber
gegen die Schweiz vom 23. Oktober 1990, Série A, Nr. 188, Ziff. 43);
Mitwirkung eines Gerichtsschreibers zuerst in der Strafuntersuchung und
nachher beim erkennenden Gericht (BGE 115 Ia 224 E. 7 S. 227 ff.).

    Dagegen wurde die Vorbefassung in folgenden Konstellationen als
zulässig erachtet: personelle Identität von Haft- und Sachrichter,
da der Haftrichter nicht die gleichen Fragen wie der erkennende
Richter, insbesondere nicht die für den Ausgang des Hauptverfahrens
entscheidende Frage der Schuld zu behandeln hat (BGE 117 Ia 182 E. 3b
S. 185; Urteil des EGMR i.S. Hauschildt gegen Dänemark vom 24. Mai 1989,
Série A, Nr. 154, Ziff. 50 f.; Urteil des EGMR i.S. Nortier gegen die
Niederlande vom 24. August 1993, Série A, Nr. 267, Ziff. 33 ff.); die
Ämterkumulation beim Generalprokurator, der zuerst eine Strafverfügung
erlässt und im anschliessenden Einspracheverfahren die Anklage vertritt,
da die Strafverfügung nur bei unterlassener Einsprache rechtskräftig wird
(BGE 124 I 76 E. 2 S. 78 f.; vgl. auch BGE 114 Ia 143 E. 7 S. 150 ff.);
die Vorbefassung eines Gerichts, das sich nach der Hauptverhandlung von
der Schuld des Angeklagten überzeugt zeigt, das Urteil aussetzt und die
Anklage zur geringfügigen Verbesserung zurückweist (BGE 126 I 68 E. 4
S. 73 ff.); die Anordnung von Beweisvorkehren im Hauptverfahren durch
den Gerichtspräsidenten, da in diesem Verfahrensstadium nicht mehr die
Untersuchungsbehörde, sondern das Gericht zuständig ist (BGE 116 Ia 135 E.
3b S. 139 ff.; Urteil des Bundesgerichts 1P.556/1992 vom 8. Dezember 1992,
publ. in: EuGRZ 1993 S. 290 ff, E. 4); die Mitwirkung der Richter, die ein
Abwesenheitsurteil gefällt haben, bei der Neubeurteilung der Strafsache im
ordentlichen Verfahren (BGE 116 Ia 32 E. 3 S. 33 ff.; Urteil des EGMR i.S.
Thomann gegen die Schweiz vom 10. Juni 1996, Reports 1996-III, S. 814 ff.).

    3.6  Die dargestellte, für den Strafprozess entwickelte Rechtsprechung
kann nicht ohne weiteres auf das zivilprozessuale Verfahren übertragen
werden (BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 60; 113 Ia 62 E. 3c S. 65, 407 E. 2b
S. 410 f.). Im Gegensatz zum Strafverfahren wird der Zivilprozess
vor ein und demselben staatlichen Organ - dem Gericht - eröffnet,
nach der Verhandlungsmaxime durchgeführt und (meistens durch Urteil)
beendet. Mehrfache Funktionen des Zivilrichters, der sich in demselben
Verfahren wiederholt mit einer Streitsache zu befassen hat, begründen
daher für sich allein nicht ohne weiteres einen Ausstandsgrund (BGE
123 I 87 E. 4f S. 94; 113 Ia 407 E. 2b S. 410 f.; ferner BGE 111 Ia 259
E. 3b/aa S. 264 betr. Verfahrensmassnahmen eines Schiedsrichters). Das
Bundesgericht hat diesen für den Zivilprozess geltenden Grundsatz in
mehreren Urteilen konkretisiert.

    Im unpublizierten Urteil 4C.514/1996 vom 15. Dezember 1997 hat sich
das Bundesgericht mit der Personalunion zwischen dem Richter, der über die
Anordnung vorsorglicher Massnahmen entscheidet, und dem in der Hauptsache
entscheidenden Richter auseinander gesetzt. Es bejahte die Zulässigkeit
unter Heranziehung von Sinn und Zweck der verfahrensrechtlichen
Institution des vorläufigen Rechtsschutzes. Dieser soll die Parteien vor
oder während der Hängigkeit des Prozesses dagegen schützen, dass der
Streitgegenstand während des Prozesses dem späteren Zugriff entzogen
wird (Sicherungsfunktion); er soll Rechte und Pflichten während der
Prozessdauer im Dauerrechtsverhältnis regeln (Regelungsfunktion),
und er soll verhindern, dass das angestrebte Prozessziel durch den
Zeitablauf bis zum Urteil ganz oder teilweise illusorisch gemacht wird
(Leistungsfunktion). Obschon der vorläufige Rechtsschutz insofern stets
den materiellrechtlichen Anspruch zum Gegenstand hat, dient er allein den
erwähnten besonderen Zielen. Er beruht zudem auf bloss glaubhaft gemachten
Tatsachen und präjudiziert den Entscheid im Hauptprozess nicht. Nach
der massgebenden Verfahrensordnung kann der Instruktionsrichter eine
vorsorgliche Massnahme ohne weiteres von sich aus oder auf Antrag der
Parteien bei geänderten Umständen abändern, und er hat sie aufzuheben,
wenn sie sich nachträglich als ungerechtfertigt erweist.

    Im Urteil 1P.32/1997 vom 20. März 1997 schloss das Bundesgericht, dass
der Umstand eines Vermittlungsversuchs als solcher die Unparteilichkeit
eines Richters nicht in Frage zu stellen vermag. Der Richter kann nur
abgelehnt werden, wenn die vorhergehende Vermittlertätigkeit oder ein
Vermittlungsvorschlag den objektiv begründeten Anschein der Befangenheit
hervorruft. Dies trifft etwa zu, wenn der Richter eine durch den Prozess
erst noch abzuklärende Tatsache als schon erwiesen ansieht oder sich
bereits in einer Art festgelegt hat, dass Zweifel darüber bestehen, ob
er einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage aufgrund weiterer
Abklärungen noch zugänglich wäre (vgl. auch BGE 119 Ia 81 E. 4b S. 87;
Entscheid der EKMR i.S. Jensen gegen Dänemark vom 7. Januar 1991, in:
DR 68 S. 177).

    Nach BGE 113 Ia 407 E. 2b S. 410 ist im Falle einer Rückweisung die
Mitwirkung des am aufgehobenen Entscheid beteiligten Richters bei der
Neubeurteilung der Streitsache unter dem Blickwinkel des verfassungs-
und konventionsmässigen Gerichts ohne weiteres zulässig. Vom Richter darf
erwartet werden, dass er die Streitsache auch nach Aufhebung des Entscheids
objektiv und unparteiisch behandelt, zumal er sich dabei an die Auffassung
der Rechtsmittelinstanz zu halten hat (bestätigt in BGE 116 Ia 28 E. 2a S.
30 betreffend das Strafverfahren).

    3.7

    3.7.1  Vorliegend ist zu prüfen, ob der Richter im Zivilprozess
schon deswegen als voreingenommen erscheint, weil er ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
abgewiesen hat. Für das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entschied das Bundesgericht in zwei Urteilen 2A.160/1994 vom 23. August
1994 und 2A.96/1994 vom 23. September 1994, dass kein Grund zur Annahme
von Befangenheit vorliegt, wenn ein Instruktionsrichter ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Prozesschancen
abweist. Ein rechtsstaatliches Verfahren setzt regelmässig voraus,
dass ein Gerichtspräsident oder ein Richter schon vor dem eigentlichen
Sachentscheid prozessuale Anordnungen trifft. Dazu gehört auch die
Behandlung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege. Dass das verfügende
Gerichtsmitglied dabei die Aussichten einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde
abzuwägen hat, begründet für sich noch keine Voreingenommenheit, sondern
ergibt sich aus dem Sinn der Verfahrensordnung. Andernfalls würden die
Prozessbeteiligten gerade in ihren rechtsstaatlichen Verfahrensrechten
beschnitten. Damit eine unzulässige Vorbefassung vorliegt, müssen daher
noch weitere tatsächliche Gesichtspunkte hinzukommen (bestätigt im Urteil
2A.468/2000 vom 16. März 2001, E. 2b/bb).

    3.7.2  In der Rechtslehre ist die Frage umstritten. Nach
Auffassung von REGINA KIENER (Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001,
S. 166 f.) übernimmt der Richter bei der Beurteilung eines Gesuchs um
unentgeltliche Rechtspflege eine nicht unerhebliche Verantwortung gegenüber
der gesuchstellenden Partei, da damit gerechnet werden müsse, dass diese
bei Ablehnung ihres Gesuchs auf die Prozessführung verzichte. Faktisch
gehe es daher um mehr als um eine bloss oberflächliche Prüfung der
Prozesschancen. Mit der Feststellung, ein Verfahren sei aussichtslos,
erscheine der Richter auf den Verfahrensausgang festgelegt, weshalb
die Offenheit des Verfahrens bezweifelt werden müsse. Art. 80 Ziff. 5
der Zivilprozessordnung für den Kanton Bern vom 5. Juli 1918 (in der
Fassung vom 14. März 1995), auf welche REGINA KIENER verweist, schreibt
denn auch vor, dass der über ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
entscheidende Richter an der Urteilsfällung in der Hauptsache nicht mehr
teilnehmen kann, wenn er das Gesuch wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen
hat. Nach einer anderen Lehrmeinung begründet der abweisende Entscheid
über ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für sich allein dagegen
keinen Ausstandsgrund (JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi
fédérale d'organisation judiciaire, Bern 1990, Bd. I, N. 5.3 zu Art. 23
OG; WILHELM BIRCHMEIER, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation
der Bundesrechtspflege, Zürich 1950, S. 26, N. 3 zu Art. 23 OG; ALFRED
BÜHLER/ANDREAS EDELMANN/ALBERT KILLER, Kommentar zur aargauischen
Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Aarau 1998, N. 13 zu § 2 ZPO/AG; WILLY
HAUSER/ROBERT HAUSER, Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz des
Kantons Zürich, Zürich 1978, N. 7 zu § 113 GVG/ZH; kritisch auch HANS PETER
WALTER, Bundesprivatrecht und kantonales Zivilprozessrecht, in: BJM 1995
S. 282; ablehnend ebenfalls die deutsche Rechtslehre: vgl. STEIN/JONAS,
ZPO-Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., Tübingen 2004, N. 11a
zu § 42 ZPO; ADOLF

BAUMBACH/ WOLFGANG LAUTERBACH/JAN ALBERS/PETER HARTMANN,
Zivilprozessordnung, 62. Aufl., München 2004, N. 36 zu § 42 ZPO).

    3.7.3  Der Entscheid über ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gehört zu den prozessleitenden Anordnungen, die der mit der Streitsache
befasste Richter gestützt auf das kantonale Zivilprozessrecht zu treffen
hat. Die gesetzliche Zuständigkeits- und Verfahrensordnung der meisten
Kantone geht davon aus, dass zwischen der Zuständigkeit zur Beurteilung
eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und jener zum Entscheid in der
Hauptsache keine personelle Trennung notwendig ist (vgl. ebenso Art. 31 des
Entwurfs zum Bundesgesetz über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz,
BGG], BBl 2001 S. 4480 ff.). Eine doppelte Mitwirkung unterläuft daher
die gesetzliche Verfahrensordnung nicht, sondern entspricht ihr vielmehr.

    Dem von REGINA KIENER (aaO, S. 166 f.) vertretenen Standpunkt ist
insoweit zuzustimmen, als der Richter bei der Beurteilung eines Gesuchs
um unentgeltliche Rechtspflege eine spezifische Verantwortung trägt. Mit
einem negativen Entscheid wegen Aussichtslosigkeit gibt er kund, dass er
die Gewinnaussichten der gesuchstellenden Partei beträchtlich geringer
einschätzt als die Verlustgefahren. Eine Partei, die über die nötigen
finanziellen Mittel verfügt, würde sich bei einem solchen Risiko bei
vernünftiger Überlegung wohl kaum zu einem Prozess entschliessen (vgl. BGE
129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236, je mit Hinweisen).
In diesem Rahmen gibt der Richter seine Meinung zum Verfahrensausgang somit
deutlicher zu erkennen, als er es tun würde bei der Anordnung vorsorglicher
Massnahmen oder anlässlich von Vergleichsgesprächen, welche zudem bloss
informell sind und dementsprechend nicht protokolliert werden. Die Frage
ist daher berechtigt, ob - im Gegensatz zu anderen zivilprozessualen
Anordnungen - ein negativer Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege
wegen Aussichtslosigkeit nicht eben doch Grund zur Annahme darstellt,
dass der Verfahrensausgang als nicht mehr offen erscheint.

    Zu berücksichtigen sind indessen die gesamten verfahrensrechtlichen
Umstände, unter denen ein Entscheid über die unentgeltliche
Rechtspflege ergeht (BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 59). Ob im Einzelfall
genügend Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt der Richter nach den
Verhältnissen zur Zeit, in der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gestellt wird (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 136; 128 I 225 E. 2.5.3. S. 236,
je mit Hinweisen; BERNARD CORBOZ, Le droit constitutionnel à l'assistance
judiciaire, in: SJ 2003 II S. 82). Unproblematisch ist, wenn das Gesuch
erst nach dem Entscheid in der Hauptsache im Rahmen der Kostenregelung
ergeht, wie es in der Praxis etwa im Rechtsmittelverfahren vorkommt. Hier
beurteilt der Richter die Erfolgschancen zwar nach den Verhältnissen
im Zeitpunkt der Gesuchstellung, jedoch erfolgt die Beurteilung ex
post, weshalb sich das Problem der Vorbefassung gar nicht stellt. Bei
der Prüfung der Erfolgsaussichten ex ante, wie es im erstinstanzlichen
Verfahren die Regel darstellt, handelt es sich stets um eine vorläufige,
aufgrund des jeweiligen Aktenstandes vorgenommene Beurteilung der
Sach- und Rechtslage. Ebenso wenig wie bei der Anordnung vorsorglicher
Massnahmen ist der Richter an seine Hauptsachenprognose gebunden. Dies
zeigt sich im Falle der Gutheissung eines Gesuchs umgekehrt darin, dass
die unentgeltliche Rechtspflege nicht entzogen werden darf, wenn sich
die Prozessaussichten der gesuchstellenden Partei nach Abschluss des
Beweisverfahrens verschlechtern (vgl. BGE 122 I 5 E. 4a S. 6 f.). Weiter
ist in Betracht zu ziehen, dass der Richter die Erfolgsaussichten der
gesuchstellenden Partei nur deshalb einschätzt, damit diese nicht auf
Kosten des Staates einen Prozess anstrengt, weil es sie nichts kostet
(vgl. BGE 131 I 24 E. 2.3 S. 29 f.). Wegen dieses beschränkten Zwecks der
Beurteilung der Erfolgsaussichten und des unpräjudiziellen Charakters
des Entscheids über die unentgeltliche Rechtspflege erscheint der
Verfahrensausgang somit nach wie vor als offen.

    Hinzu kommen die Interessen der Gegenpartei und der Allgemeinheit
an einem geordneten Ablauf des Prozessverfahrens. Wollte man einen
Richter schon wegen seiner Mitwirkung an einem negativen Entscheid über
die unentgeltliche Rechtspflege als befangen annehmen, so würde die
Rechtsprechung erheblich erschwert. Dieses Risiko würde insbesondere
in denjenigen Kantonen bestehen, deren Zivilprozessordnungen vorsehen,
dass der Entscheid über ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege in der
Form eines Beschlusses, an dem drei Richter mitwirken, ergehen muss. Die
Bejahung einer Ausstandspflicht könnte erstens mit dem Beschleunigungsgebot
(Art. 29 Abs. 1 BV) in Konflikt geraten, zumal ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege nicht nur am Anfang, sondern jederzeit während des Verfahrens
gestellt werden kann (BGE 120 Ia 14 E. 3e S. 17). Sodann würde die
ordentliche Besetzung des Spruchkörpers, je nach Grösse des Gerichts und
Anzahl der verfügbaren Richter, unter Umständen erhebliche Mühe bereiten.

    Aus den genannten Gründen besteht somit kein Anlass, von der
bisherigen Rechtsprechung zur Vorbefassung mit zivilprozessualen
Anordnungen abzuweichen. Die Mitwirkung eines Richters an einem negativen
Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit
bildet für sich allein keinen Ausstandsgrund. Vielmehr müssen zur
Annahme von Voreingenommenheit des betreffenden Richters weitere
Gründe hinzutreten. Wie das Bundesgericht im bereits zitierten Urteil
1P.32/1997 bezüglich der Vermittlertätigkeit eines Richters ausgeführt
hat, müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Richter
bei der Beurteilung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege bereits
in einer Art festgelegt hat, dass er einer anderen Bewertung der Sach-
und Rechtslage nicht mehr zugänglich und der Verfahrensausgang deswegen
nicht mehr offen erscheint. Ob dies im vorliegenden Fall zutrifft, muss
nachfolgend geprüft werden.

    3.8  Im zivilprozessualen Verfahren machen die Parteien
gegenseitige Ansprüche aus einem Werkvertrag geltend. In der Verfügung
vom 15. September 2003, mit welcher der Amtsgerichtspräsident das Gesuch
des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abwies, begründete er
die Aussichtslosigkeit der Begehren des Beschwerdeführers folgendermassen:

    "Die Position des Beklagten und die Widerklage sind aussichtslos.

      Unabhängig von der Frage, ob das Werk mangelhaft ist, muss

      festgestellt werden, dass die MFK [= Motorfahrzeugkontrolle]

      Prüfung, wie im Vertrag vorgesehen, weder fristkonform noch später

      statt fand. Bereits aus diesem Grund ist das Werk nicht nutzbar. Im

      Übrigen sind die finanziellen Verhältnisse höchst undurchsichtig

      (vgl. Bestätigung der Gemeinde auf dem URP-Formular)."

    Wie daraus und auch aus seiner Vernehmlassung vom 10. Oktober 2003
im Rekursverfahren hervorgeht, nahm der Amtsgerichtspräsident keine
Abwägung der prozessualen Gewinn- und Verlustchancen des Beschwerdeführers
vor. Die Begründung des negativen Entscheids über die Erfolgschancen
unterscheidet sich in der Bestimmtheit der sprachlichen Formulierungen
nicht von einem Endentscheid. Es kommt darin klar zum Ausdruck, dass
der Amtsgerichtspräsident das Werk als nicht nutzbar und die erhobenen
Ansprüche des Beschwerdeführers deswegen als nicht gegeben betrachtet. Dies
stellt einen Anhaltspunkt dar, dass der Amtsgerichtspräsident bei der
Beurteilung der Hauptsache nicht mehr unvoreingenommen sein könnte.

    Ins Gewicht fällt vorliegend aber auch der aufhebende Rekursentscheid
des Obergerichts. Zur Begründung führte dieses aus, die Klageantwort und
die Widerklage könnten im vorliegenden Fall nicht getrennt voneinander
beurteilt werden. Vielmehr sei entscheidend, ob der Beschwerdeführer
(= Beklagter) den Werkvertrag so mangelhaft ausgeführt habe, dass die
Klägerin gar keinen, somit auch keinen anteilsmässigen Werklohn zu bezahlen
habe. Im jetzigen Verfahrensstadium könne diese Frage nicht schlüssig
beantwortet werden, weshalb die Rechtsposition des Beschwerdeführers
nicht aussichtslos sei.

    In Anbetracht dieser Einschätzung der Erfolgsaussichten des
Beschwerdeführers durch das Obergericht ist nicht anzunehmen, dass
der Amtsgerichtspräsident bei der Beurteilung der Hauptsache seine
in der Verfügung geäusserte Auffassung über die Rechtsposition des
Beschwerdeführers nicht genau überprüft. Das Obergericht ist in Bezug
auf das erstinstanzliche Urteil Appellationsinstanz (vgl. § 291 ff. der
Zivilprozessordnung des Kantons Solothurn vom 11. September 1966). Der
Amtsgerichtspräsident wird kaum das prozessuale Risiko eingehen wollen,
bei der Urteilsfindung nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Aspekte
des Rechtsstreits zu bedenken und das Urteil sorgfältig zu begründen.

    Schliesslich gilt es zu bedenken, dass auch im Falle einer Rückweisung
die Mitwirkung des Amtsgerichtspräsidenten bei der Neubeurteilung der
Hauptsache zulässig wäre (vgl. E. 3.6 hiervor). Vorliegend besteht eine
damit durchaus vergleichbare Situation. Es rechtfertigt sich daher um
so weniger, dem Amtsgerichtspräsidenten nicht zuzutrauen, dass er die
Hauptsache nach erfolgter Aufhebung des Entscheids über die unentgeltliche
Rechtspflege nicht objektiv und unparteiisch behandelt.

    Aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Situation liegt kein Grund zur
Annahme vor, der Amtsgerichtspräsident erscheine wegen der Vorbefassung
mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bei der Beurteilung der
Hauptsache als voreingenommen. Der Beschwerdeführer bringt jedenfalls keine
weiteren Gründe vor. Die Garantie des verfassungs- und konventionsmässigen
Richters ist somit nicht verletzt.