Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 II 72



131 II 72

6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Politische Gemeinde Weinfelden und Enteignungskommission sowie
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    1A.74/2004 vom 20. Dezember 2004

Regeste

    Art. 26 Abs. 2 BV und Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung;
Realisierungswahrscheinlichkeit einer künftigen besseren Grundstücknutzung;
Verstoss der Behörde gegen Treu und Glauben.

    Steht fest, dass die Gemeinde ihrer Erschliessungspflicht nicht
nachgekommen ist, obwohl sie selber das Grundstück 1984 einer
bundesrechtskonformen Bauzone zugeteilt hat, ist es stossend,
wenn sie wegen der fehlenden Erschliessung die hinreichend
hohe Realisierungswahrscheinlichkeit verneint und gleichzeitig
Planungsfehler eingesteht. Dem Beschwerdeführer ist die fehlende
Realisierungswahrscheinlichkeit nicht vorzuwerfen. Da die Auszonung an
sich unbestritten ist, ist eine materielle Enteignung zu bejahen (E. 3).

    Rückweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zur Neuregelung
der prozessualen Kosten- und Entschädigungsfolgen und an die kantonale
Enteignungskommission zur Festsetzung der Entschädigung wegen materieller
Enteignung (E. 4).

Sachverhalt

    X. ist Eigentümer der Parzelle GB Weinfelden Nr. 807 am Kappelerweg. Am
3. November 1992 erwarb er das direkt nordöstlich angrenzende Grundstück
GB Nr. 873 im Halte von 2'659 m2, welches mit einem Chalet aus dem Jahre
1946 und einem kleinen Schopf überbaut ist. Aufgrund der steilen Hanglage
ist das Chalet nur über eine Treppe mit über 90 Stufen vom Kappelerweg
her erreichbar.

    Im Zonenplan von 1953 war das Chalet auf Parzelle Nr. 873 mit
einem Umschwung von rund 800 m2 der Wohnzone B zugeteilt. Die restliche
Grundstückfläche von etwa 1'800 m2 lag in der Grünzone. Mit dem Zonenplan
von 1984 wurde die gesamte Parzelle in die Wohnzone für Einfamilienhäuser
in Hanglage, W2EH, aufgenommen.

    Im Jahr 1996 beschloss der Gemeinderat Weinfelden eine Teilrevision
der Ortsplanung, respektive des Zonenplans von 1984. Der revidierte Plan
sah vor, den nordöstlichen Teil der Parzelle Nr. 873 mit einer Fläche
von rund 1'775 m2 der Freihaltezone zuzuweisen und den verbleibenden
Teil von 875 m2 in der W2EH zu belassen. X. erhob dagegen Einsprache,
welche der Gemeinderat am 23. April 1999 abwies. Daraufhin beschloss der
Grosse Gemeinderat die Teilrevision des Zonenplans am 30. März 2000. Die
dagegen beim Departement für Bau und Umwelt (DBU) eingereichte Beschwerde
von X. wies das Departement nach einem Augenschein am 16. Februar 2001
ab. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft. Der Regierungsrat des Kantons
Thurgau genehmigte den Zonenplan mit RRB Nr. 392 am 24. April 2001.

    Hierauf reichte X. bei der Enteignungskommission Klage wegen
materieller Enteignung ein und verlangte von der Gemeinde Weinfelden
eine Entschädigung von Fr. 769'497.80 nebst Zins zu 5 % seit 23. Februar
2001. Die Enteignungskommission wies die Klage am 23. Oktober 2002 ab.

    Am 25. Oktober 2002 hiess demgegenüber das DBU eine Aufsichtsbeschwerde
von X. gut, welche dieser gegen die Gemeinde Weinfelden erhoben hatte,
weil sie ihrer Erschliessungspflicht nicht nachgekommen sei. Das
DBU verpflichtete die Gemeinde, bis Ende März 2003 die planerische
Erschliessung der Parzelle Nr. 873 in die Wege zu leiten.

    Gegen den Entscheid der Enteignungskommission vom 23. Oktober 2002
gelangte X. ans Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Er erneuerte
seine Forderung nach einer Entschädigung wegen materieller Enteignung. Das
Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 4. Februar 2004 ab.

    Mit Eingabe vom 29. März 2004 erhebt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht. Er beantragt, in Aufhebung des Urteils vom 4. Februar
2004 sei das Vorliegen einer materiellen Enteignung zu bestätigen
und die Sache zur Festsetzung der Entschädigung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Eventualiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. Der
Beschwerdeführer weist überdies darauf hin, dass er derzeit mit dem (neuen)
Gemeinderat über eine Übernahme des im Streit liegenden Grundstückes
verhandle.

    Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schliesst unter Hinweis
auf den angefochtenen Entscheid auf Abweisung der Beschwerde. Aufgrund
der aussergewöhnlichen Situation scheint ihm ein Augenschein nützlich. Die
Gemeinde Weinfelden und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) verzichten
auf eine Vernehmlassung.

    Mit Schreiben vom 24. November 2004 erkundigte sich das Bundesgericht
beim Beschwerdeführer über den Stand der Dinge hinsichtlich allfälliger
Übernahmeabsichten seitens der Gemeinde. In seiner Antwort vom 25. November
2004 erklärt der Beschwerdeführer, er habe dem Gemeinderat am 25. März
2004 eine detaillierte Offerte vorgelegt, in der Folge jedoch nichts
mehr gehört. Auf seine Nachfrage hin, habe ihm der Gemeinderat am
6. Mai 2004 ohne weitere Begründung mitgeteilt, dass er auf einen
Kauf verzichte. Im Verlaufe der nachfolgenden Gespräche über mögliche
Erschliessungsvarianten habe der Beschwerdeführer vorgeschlagen, mit
dem kantonalen Baudirektor informell eine Erschliessung von Norden
her zu besprechen. Am 9. November 2004 habe ein Augenschein mit dem
zuständigen Regierungsrat, dem Gemeindeammann und dem Beschwerdeführer
stattgefunden. Der Baudirektor habe eine Erschliessung per Schräglift
spontan abgelehnt und die Norderschliessung favorisiert. Er habe
versprochen, deren Realisierbarkeit auf kantonaler Ebene so rasch wie
möglich prüfen zu lassen. Eine Stellungnahme stehe zur Zeit noch aus.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.1  Das Verwaltungsgericht geht im angefochtenen Entscheid zusammen
mit den Parteien davon aus, der Zonenplan aus dem Jahre 1984 habe
die bundesrechtlichen Anforderungen an eine Bauzone erfüllt und die
am 24. April 2001 erfolgte Zonenplanänderung habe zu einer Auszonung
geführt. Diese Feststellung ist im anhängigen Verfahren unbestritten. Aus
den Akten ergeben sich keine Hinweise, die zu einer abweichenden
Beurteilung dieser Frage führen müssten.

    Indessen hat das Verwaltungsgericht in Abrede gestellt, dass eine
künftige Nutzung im Zeitpunkt der Auszonung mit hoher Wahrscheinlichkeit in
naher Zukunft möglich gewesen wäre. Wie der Augenschein klar gezeigt habe,
hätte aufgrund des Steilhanges und der bestehenden Bebauung am 24. April
2001 offensichtlich nicht in naher Zukunft mit einer direkten Zufahrt
zur Parzelle Nr. 873 gerechnet werden können, weder von Norden her noch
durch Verlängerung des privaten Erschliessungssträsschens im Westen.

    3.2  Dem hält der Beschwerdeführer ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten der Behörden entgegen. Die Gemeinde habe seit über 50 Jahren
ihre gesetzliche Pflicht zur Erstellung einer hinreichenden Zufahrt
vernachlässigt. Sie sei sich dieser Pflicht all die Jahre bewusst
gewesen, was beispielsweise ein Brief des damaligen und heutigen
Bauamtchefs vom 2. November 1984 belege: In dem erwähnten Schreiben
habe der Bauamtchef festgehalten, dass die Gemeinden verpflichtet sind,
die definitiven Bauzonen zu erschliessen. Sowohl sein Rechtsvorgänger als
auch er, der Beschwerdeführer selber, seien in der Folge stets auf später
vertröstet worden, ohne dass je etwas geschehen wäre. Im Gegenteil habe
der Gemeinderat rund um die Parzelle Nr. 873 verschiedene Bauvorhaben
bewilligt, welche eine vorerst noch mögliche Erschliessung von Süden her
zunehmend illusorisch gemacht hätten. Die Gemeinde habe 1984 - trotz
der bereits damals ausdrücklich bestätigten Erschliessungspflicht -
den gesamten Rest des Grundstückes Nr. 873 sowie die entsprechenden
Teilflächen aller westlich angrenzenden Parzellen am Kappelerweg dem
Baugebiet zugewiesen. Erst in der Klageantwort im Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht habe sie diese vorbehaltlose Einzonung plötzlich
als Fehler bezeichnet, den sie mit der Zonenplanrevision im Jahr 2001
wieder korrigiert habe. Noch "abenteuerlicher" sei die ebenfalls in
der Klageantwort vom 22. Februar 2002 vorgebrachte Argumentation, die
Zuweisung des gesamten Grundstückes Nr. 873 in die definitive Bauzone sei
aus sozialen Gründen erfolgt, weil der damalige Grundeigentümer vor dem
finanziellen Ruin gestanden habe. Warum jedoch 1984 gleichzeitig auch
alle westlich angrenzenden Parzellen eingezont worden seien, sei bis
heute nicht erläutert worden.

    Auf das Erfordernis der Realisierungswahrscheinlichkeit kann es nach
Auffassung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht ankommen,
weil die Gemeinde mit der Einzonung "aus sozialen Gründen" und der
anschliessenden Umgehung der Erschliessungspflicht rechtsmissbräuchlich
gehandelt habe. Abgesehen davon hätten die Vorinstanzen das Kriterium der
Realisierungswahrscheinlichkeit deutlich überspannt. Den Vergleich mit dem
vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil 1A.305/1997 vom 24. August 1998
lässt der Beschwerdeführer nicht gelten. Weiter führt er aus, nachdem
1946 ein Einfamilienhaus auf Parzelle Nr. 873 erstellt worden sei,
bestehe seit Jahrzehnten ein gesetzlicher Anspruch auf Erstellung einer
Zufahrt. Erschliessungspflichtig war und sei die Gemeinde, welche die
Erschliessungskosten mehrheitlich auf die Grundeigentümer abwälzen könne.
Werde die Realisierungswahrscheinlichkeit bloss verneint, weil eine von
der Gemeinde geschuldete Leistung ausstehe, so liege bei einer Auszonung
dennoch eine entschädigungspflichtige Enteignung vor.

    3.3  Nachdem die Auszonung nicht bestritten wird, ist zu beurteilen,
ob die Möglichkeit einer künftigen besseren Nutzung des Grundstückes am 24.
April 2001 mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft gegeben gewesen
wäre. Die für das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Auszonung
erforderliche, hinreichend hohe Realisierungswahrscheinlichkeit beurteilt
sich anhand aller rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, welche
die künftige Nutzungsmöglichkeit beeinflussen können. Dazu gehören die
eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Bauvorschriften, der Stand
der kommunalen und kantonalen Planung, die Lage und Beschaffenheit des
Grundstücks, die Erschliessungsverhältnisse und die bauliche Entwicklung in
der Umgebung. Dabei ist in erster Linie auf die rechtliche Ausgangslage
abzustellen (BGE 122 II 326 E. 5b S. 330 f., 455 E. 4c S. 458, mit
Hinweisen). Gegen die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Überbauung
eines Grundstücks in naher Zukunft spricht namentlich das Erfordernis
einer Ausnahmebewilligung, einer Änderung in der Zonenplanung, eines
Erschliessungs-, Überbauungs- oder Gestaltungsplans, einer Baulandumlegung
oder weitgehender Erschliessungsarbeiten (BGE 116 Ib 159 E. 6b S. 166; 113
Ib 133 E. 4c S. 135; ENRICO RIVA, Hauptfragen der materiellen Enteignung,
Bern 1990, S. 166 ff.).

    3.4  Wie das DBU in seinem in Rechtskraft erwachsenen Entscheid vom 25.
Oktober 2002 festgehalten hat, verfügt das Grundstück des Beschwerdeführers
zwar über die üblichen Werkleitungen, in strassenmässiger Hinsicht ist
es indessen nicht als erschlossen zu betrachten. Dass der Zugang über 90
Treppenstufen nicht als genügende Erschliessung gelten kann, wird von den
Parteien nicht bestritten. Das Erfordernis der hinreichenden Erschliessung
eines Grundstückes ergibt sich zunächst aus dem Bundesrecht (Art. 22
Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 19 Abs. 1 RPG [SR 700]). Land gilt demnach
als erschlossen, wenn unter anderem eine für die betreffende Nutzung
hinreichende Zufahrt besteht (BGE 121 I 65 E. 3a S. 68; 116 Ib 159 E. 6b S.
166). Die Kantone können die Anforderungen an die Baulanderschliessung
näher bestimmen (vgl. BGE 117 Ib 308 E. 4a S. 314). Gemäss § 35 Abs. 1
des thurgauischen Planungs- und Baugesetzes vom 16. August 1995 (PBG/TG;
RB 700) ist die Gemeinde verantwortlich für die zeit- und sachgerechte
Erschliessung des Baugebietes. Die Erschliessung umfasst Verkehrsanlagen
sowie Werkleitungen für die Wasser- und Energieversorgung oder für
die Abwasserbeseitigung und zugehörige zentrale Anlagen (Abs. 2). § 37
PBG/TG sieht sodann vor, dass Baugebiete in der Regel im Rahmen eines
Gestaltungsplanes zu erschliessen und baureif zu machen sind, und § 60
PBG/TG hält fest, dass ein Grundstück baureif ist, wenn es erschlossen ist.
Nach § 5 Abs. 3 PBG/TG trifft die Gemeindebehörde die zur Erschliessung
notwendigen Massnahmen.

    3.5  Die Parzelle Nr. 873 liegt aufgrund der im Jahre 2001
abgeschlossenen Ortsplanungsrevision mit ca. 875 m2 in der Wohnzone für
Einfamilienhäuser in Hanglage. Zuvor war das gesamte Grundstück dieser
Zone zugeteilt. Da es sich hierbei um eine Bauzone im Sinn von § 35 PBG/TG
handelt, ist die Gemeinde grundsätzlich erschliessungspflichtig. Offenbar
hatte die Gemeinde im Aufsichtsbeschwerdeverfahren vor dem DBU die
Meinung vertreten, aufgrund des steilen Geländes handle es sich um
eine Ausnahmesituation, in welcher keine Erschliessungspflicht der
Gemeinde bestehe. Zu Recht hat das DBU dieser Auffassung widersprochen
und hinsichtlich der Lage darauf hingewiesen, dass die Gemeinde die
Zonenzuweisung in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten beschlossen hatte.
Kein Argument, welches die Gemeinde von ihrer Erschliessungspflicht
befreien würde, sind die Schwierigkeiten, die sich bei der Prüfung
verschiedener Erschliessungsvarianten ergaben: Eine Erschliessung von
Norden her durch den Wald wurde als unmöglich erachtet, steht indes
offenbar derzeit wieder zur Diskussion. Des Weitern besteht westlich
des Grundstückes Nr. 873 eine Privatstrasse, welche am Westrand der
Parzelle Nr. 809 endet. Selbst wenn in einem dazu durchzuführenden
Gestaltungsplanverfahren mit Widerstand von Seiten tangierter Dritter zu
rechnen ist, kann sich die Gemeinde nicht aufgrund der zu erwartenden
Schwierigkeiten von ihrer Erschliessungspflicht lossagen. Das DBU kam
überdies in seinem Entscheid zum Schluss, es seien offensichtlich noch gar
keine konkreten planerischen Schritte in die Wege geleitet worden. Dies
ist umso bedenklicher, als die Parzelle seit 1946 überbaut ist. Erachtet
die Gemeinde das Grundstück als nicht erschliessbar, hätte sie es von
vornherein nicht einzonen dürfen, zumal eine auf "sozialen Gründen"
basierende Planung an sich schon fragwürdig scheint.

    Hinzu kommt, dass sich die Gemeinde ihrer Erschliessungspflicht sehr
wohl bewusst war. So hielt der Bauamtchef in der Einladung zu einer
Aussprache zwischen Architekten und Gemeindevertretern am 2. November
1984 u.a fest:

      "Mit dem neuen Weinfelder Zonenplan ist das Gebiet "Im Kappeler" der

      Wohnzone für Einfamilienhäuser in Hanglage zugeordnet worden. Der

      Eigentümer der Parzelle Nr. 873 möchte diese zonengemäss

      überbauen. Bis heute fehlt eine ausreichende Zufahrt. Gemäss §

      17 des kantonalen Baugesetzes sind die Gemeinden verpflichtet,

      die definitiven Bauzonen zu erschliessen."

    Das DBU hat denn die Gemeinde auch aufgefordert, die planerische
Erschliessung der Parzelle Nr. 873 bis Ende März 2003 einzuleiten. Als
massgebliche Massnahme nannte das Departement das Gestaltungsplanverfahren
im Sinn von § 37 PBG/TG. In der Folge wurden als Erschliessungsvarianten
die Zufahrt von Norden her über die Schnellerstrasse geprüft sowie eine
Erschliessung per Schrägaufzug vom Kappelerweg her, mit Linienführung
über die Parzellen Nrn. 3338 und 3630. Bis anhin wurde offenbar keine
befriedigende Lösung gefunden.

    3.6  Steht aber fest, dass die Gemeinde ihrer Erschliessungspflicht
nicht nachgekommen ist, obwohl sie selber - aus welchen Gründen auch
immer - das Grundstück 1984 einer bundesrechtskonformen Bauzone zugeteilt
hat, so ist es stossend, wenn sie wegen der fehlenden Erschliessung die
hinreichend hohe Realisierungswahrscheinlichkeit verneint und gleichzeitig
Planungsfehler eingesteht. Ein solches Verhalten verstösst gegen Treu und
Glauben. Der Beschwerdeführer durfte 1992 als Käufer von Land, welches acht
Jahre zuvor definitiv dem Baugebiet zugeteilt worden war, grundsätzlich
von dessen Überbaubarkeit ausgehen. Daran ändert auch der Brief nichts,
in welchem der Ressortchef Bau dem Beschwerdeführer am 11. Mai 1992
mitteilte, aufgrund der Einspracheverhandlungen zu einem anderen
Bauvorhaben müsse sich die Gemeinde mittlerweile ernsthaft die Frage
stellen, ob an der definitiven Einzonung der Parzelle Nr. 873 festgehalten
werden könne. Insbesondere die Erschliessung biete Probleme, die nach dem
Stand der Erkenntnisse als kaum lösbar erschienen. Die steile Hanglage war
bereits im Zeitpunkt der Einzonung gegeben und bekannt. Zudem haben sowohl
der Beschwerdeführer als auch sein Rechtsvorgänger Überbauungsstudien
erarbeiten lassen. Wenn die Gemeinde danach weitere Bauvorhaben auf den
Parzellen südlich und westlich des Grundstückes Nr. 873 bewilligt hat, ohne
eine gesamtheitliche Erschliessungsplanung anzustreben, kann sie dieses
Versäumnis nicht dem Beschwerdeführer zur Last legen, zumal das erwähnte
Schreiben aus dem Jahre 1992 entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtes
mitnichten "mehr als deutlich" ist.

    In diesem Sinne wird auch in der Literatur angeführt, dass in
Auszonungsfällen die Realisierungswahrscheinlichkeit nicht überspannt
werden dürfe. Betroffen sei Land, das nach den Regeln des Bundesrechts
einer Bauzone zugewiesen war und für das demgemäss eine begründete
Erwartung auf Überbaubarkeit bestanden habe. Angesichts der in Art. 19 RPG
verankerten Erschliessungspflicht des Gemeinwesens könne namentlich der
blosse Umstand, dass das ausgezonte Grundstück nicht oder nicht vollständig
erschlossen ist, kaum zum Ausschluss der Entschädigungspflicht führen
(ENRICO RIVA, Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999,
Art. 5 Rz. 163 Fn. 210).

    3.7  Soweit das Verwaltungsgericht das Urteil 1A.305/1997 des
Bundesgerichts vom 24. August 1998 zitiert, hält seine Argumentation einem
Vergleich mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht stand. Im anhängigen
Verfahren ist von Bedeutung, dass das Grundstück seit 1946 überbaut
ist, 1984 zusammen mit weiteren, westlich gelegenen Parzellen definitiv
einer RPG-konformen Bauzone zugeteilt wurde und die Gemeinde bis anhin
ihrer Erschliessungspflicht nicht nachgekommen ist, was rechtskräftig
festgestellt wurde. Im erwähnten Urteil des Bundesgerichtes ging es um
eine seit jeher landwirtschaftlich genutzte Parzelle, deren Erschliessung
im Unterschied zum vorliegenden Fall bis zur Auszonung nie Anlass zu
Diskussionen gegeben hatte.

    3.8  Aufgrund der Versäumnisse der Gemeinde, welche ihrer
Erschliessungspflicht über Jahre hinweg nicht nachgekommen ist und nun
Planungsfehler geltend macht, kann dem Beschwerdeführer die fehlende
Realisierungswahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten
werden. Da die Auszonung an sich unbestritten ist, ist eine materielle
Enteignung zu bejahen. Offen bleiben kann dabei, ob es sich gleichzeitig
um einen Sonderopfertatbestand handelt.

Erwägung 4

    4.  Der angefochtene Entscheid ist somit in Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben. Die Sache ist zur Neuregelung der
prozessualen Kosten- und Entschädigungsfolgen an das Verwaltungsgericht
(Art. 159 Abs. 6 OG) und zur Festsetzung der Entschädigung für die
materielle Enteignung an die kantonale Enteignungskommission zurückzuweisen
(Art. 114 Abs. 2 OG).

    Die Gerichtsgebühr ist der unterliegenden Gemeinde Weinfelden
aufzuerlegen, die im vorliegenden Verfahren in Wahrung ihrer
Vermögensinteressen gehandelt hat (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Die Gemeinde
hat zudem dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 OG). Dessen Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos.