Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 76



131 III 76

10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. A/S gegen Y. AG
(Berufung)

    4C.172/2004 vom 4. Oktober 2004

Regeste

    Art. 1 Abs. 1 GestG, Art. 1 Abs. 1 lit. a IPRG; Internationales
Verhältnis.

    Hat eine der Parteien ihren Sitz oder Wohnsitz im Ausland, so liegt
immer ein internationales Verhältnis vor (E. 2).

    Art. 5 Ziff. 3 LugÜ; Gerichtsstand am Ort des schädigenden Ereignisses.

    Die besonderen Zuständigkeiten gemäss Art. 5 LugÜ sind nur gegeben,
wenn eine Partei in einem anderen als ihrem Sitz- bzw. Wohnsitzstaat
verklagt wird (E. 3).

    Art. 3 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen; Art. 2 Abs. 3 der Pariser
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums; Ausnahme vom
Prinzip der Inländerbehandlung bezüglich des Gerichtsstands.

    Art. 3 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen geht vom Grundsatz aus, dass Parteien
mit Sitz im Ausland wie Inländer zu behandeln sind (Inländerbehandlung),
lässt jedoch bezüglich der Zuständigkeit der Gerichte in Verbindung mit
Art. 2 Abs. 3 der Pariser Verbandsübereinkunft Ungleichbehandlungen zu,
soweit dadurch der wirksame Schutz der Rechte am geistigen Eigentum nicht
gefährdet und keine versteckte Handelsbeschränkung bewirkt wird. Dies
ist dann nicht der Fall, wenn eine Partei mit Sitz im Ausland ihre Klage
aus Patentverletzung in der Schweiz nur am Sitz der beklagten Partei
und anders als eine inländische Partei nicht auch am Handlungs- oder
Erfolgsort erheben kann (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die X. A/S ist eine Gesellschaft mit Sitz in Kopenhagen. Sie
ist Inhaberin eines in der Schweiz eingetragenen Patents für ein
pharmazeutisches Produkt. Die Y. AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz
in Cham.

    B.- Am 1. September 2003 erhob die X. A/S beim Handelsgericht
des Kantons Bern gegen die Y. AG eine Klage auf Unterlassung einer
Patentverletzung und auf Leistung von Schadenersatz.

    Zur Begründung der Zuständigkeit führte die Klägerin an, da ein
internationaler Sachverhalt vorliege, sei das Lugano Übereinkommen
anwendbar. Dieses sehe in Art. 5 Ziff. 3 vor, dass Klagen aus unerlaubter
Handlung vor den Gerichten des Ortes erhoben werden könnten, an dem das
schädigende Ereignis eingetreten sei. Dies sei im vorliegenden Fall Bern,
da die Beklagte in einer Apotheke in Bern ein Produkt verkauft habe,
welches das Patent der Klägerin verletze. Damit liege der Handlungs-
und Erfolgsort der Patentverletzung in Bern.

    Die Beklagte wendete ein, das Berner Handelsgericht sei örtlich
nicht zuständig.

    Mit Verfügung vom 24. November 2003 beschränkte der Instruktionsrichter
das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit des Berner Handelsgerichts.
Dieses verneinte seine Zuständigkeit und trat daher mit Urteil vom 1. April
2004 auf die Klage nicht ein.

    C.- Die Klägerin erhebt eidgenössische Berufung mit den Anträgen,
das Urteil des Handelsgerichts vom 1. April 2004 sei aufzuheben, die
Unzuständigkeitseinrede der Beklagten sei abzuweisen und die Streitsache
sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Das Handelsgericht nahm an, es liege ein internationaler
Sachverhalt vor, da die Parteien ihre Sitze in verschiedenen Staaten
hätten. Die Zuständigkeit sei daher nach den Normen des internationalen
Zivilprozessrechts zu bestimmen.

    2.2  Entgegen ihrer ursprünglichen Meinung macht die Klägerin vor
Bundesgericht geltend, das Handelsgericht sei zu Unrecht von einem
internationalen Sachverhalt ausgegangen. Es habe ausser Acht gelassen,
dass die Frage des Auslandsbezugs nicht abstrakt, sondern im Einzelfall
zu bestimmen sei. Dass immer dann ein internationales Verhältnis vorliege,
wenn mindestens eine Partei ihren Wohnsitz im Ausland habe, sei lediglich
eine Faustregel und dürfe nicht unbesehen auf jedes Rechtsverhältnis und
jedes Rechtsgebiet angewendet werden. So werde die Auffassung vertreten,
es liege kein internationales Verhältnis vor, wenn die Zuständigkeit
des schweizerischen Richters wegen des hiesigen Domizils der Beklagten
gegeben, schweizerisches Recht anwendbar und überdies die Vollstreckung des
Urteils auf die Schweiz beschränkt sei. Der Fall liege erst dann anders,
wenn die Beklagte im Ausland domiziliert sei, weil sich dann die Frage
der gerichtlichen Zuständigkeit stelle. Demnach sei im vorliegenden Fall
ein genügender Auslandsbezug zu verneinen, da die Klägerin eine Verletzung
eines schweizerischen Schutzrechts durch eine in der Schweiz domizilierte
Gesellschaft geltend mache und die Vollstreckung des Urteils auf die
Schweiz beschränkt sei. Da somit kein internationales Verhältnis vorliege,
richte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Bundesgesetz vom 24. März
2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG;
SR 272). Dieses sehe in Art. 25 vor, dass für Klagen aus unerlaubter
Handlung - wozu nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung auch Klagen
aus Patentverletzungen gehörten - das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der
geschädigten Person oder der beklagten Partei oder am Handlungs- oder am
Erfolgsort zuständig sei.

    2.3  Das Gerichtsstandsgesetz kommt nur zur Anwendung, wenn kein
internationales Verhältnis vorliegt (Art. 1 Abs. 1 GestG; vgl. auch
der spiegelbildliche Art. 1 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über das
Internationale Privatrecht [IPRG]). Ein internationales Verhältnis setzt
einen über den schweizerischen Rechtsraum hinausreichenden Bezug voraus.
Welcher Art und Intensität der Auslandsbezug sein muss, wird gesetzlich
nicht definiert. Demnach ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des
Sachbereichs zu prüfen, ob ein genügender Auslandsbezug vorliegt (VOLKEN,
in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 17 zu Art. 1 IPRG;
SCHNYDER, in: Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 1 IPRG, m.w.H.; Urteil des
Bundesgerichts 5C.184/1995 vom 10. Januar 1996, E. 5a). So begründet
zum Beispiel die ausländische Staatsangehörigkeit einer Partei nicht
in jedem Sachbereich einen relevanten Bezug zum Ausland (SCHNYDER,
aaO, N. 2 zu Art. 1 IPRG; DOMINIK GASSER, in: Gerichtsstandsgesetz,
Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen,
hrsg. von Franz Kellerhals et al., N. 16 zu Art. 1 GestG). Bezüglich
des ausländischen Wohnsitzes einer Partei ist zu beachten, dass der
Kommissionsberichterstatter Iten im Nationalrat zum Anwendungsbereich des
IPRG ausführte, das Gesetz befasse sich mit Rechtsverhältnissen, die wegen
des Wohnsitzes oder des Aufenthaltes der beteiligten Personen, wegen des
Sitzes einer juristischen Person [oder] wegen der Natur des Geschäftes
grenzüberschreitende Merkmale aufweisen (AB 1986 N S. 1282). Diese Aussage
lässt darauf schliessen, der Gesetzgeber habe beim ausländischen Wohnsitz
einer Partei unabhängig vom Sachbereich einen erheblichen Auslandbezug
bejahen wollen. Dies wird durch Art. 176 Abs. 1 IPRG bestätigt, der
vorsieht, dass die Bestimmungen des Kapitels über die internationale
Schiedsgerichtsbarkeit für Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz
gelten, sofern beim Abschluss der Schiedsvereinbarung wenigstens eine
Partei ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der
Schweiz hatte. Demnach liegt beim Wohnsitz bzw. Sitz einer Partei im
Ausland immer ein internationales Verhältnis vor (GASSER, aaO, N. 16 zu
Art. 1 GestG; einschränkend: FRANÇOIS KNOEPFLER/ PHILIPPE SCHWEIZER, Droit
international privé suisse, 2. Aufl., S. 25 Rz. 19, welche annehmen, ein
ausländischer Wohnsitz einer Partei begründe oft [souvent] einen genügenden
Auslandbezug). Entsprechend hat das Bundesgericht in solchen Fällen stets
ein internationales Verhältnis bejaht (BGE 119 II 167 E. 2a; 117 II 204
E. 2b S. 207; Urteil des Bundesgerichts 4C.477/1993 vom 13. Juni 1994,
E. 4a). Dabei ist unerheblich, welche Partei ihren Sitz oder Wohnsitz
im Ausland hat. Entgegen der Annahme der Klägerin schafft auch der
ausländische Sitz der klagenden Partei bezüglich der Zuständigkeit einen
internationalen Bezug. Dies entspricht der Formulierung von Art. 176
Abs. 1 IPRG und dem Umstand, dass das IPRG regelmässig die Gerichte am
Wohnsitz des Beklagten als zuständig erklärt (vgl. Art. 2 IPRG) und es
damit auch Fälle erfasst, in denen die beklagte Partei in der Schweiz
domiziliert ist.

    2.4  Nach dem Gesagten ist das Handelsgericht zu Recht davon
ausgegangen, auf Grund des Sitzes der Klägerin im Ausland liege ein
internationales Verhältnis vor.

Erwägung 3

    3.  Im internationalen Verhältnis wird die Zuständigkeit der
schweizerischen Gerichte durch das IPRG geregelt, wobei völkerrechtliche
Verträge vorbehalten sind (Art. 1 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 IPRG). Zu diesen
Verträgen gehört das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(Lugano Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.11). Dieses geht von der Regel aus,
dass Personen die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates
haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten
dieses Staates zu verklagen sind (Art. 2 Abs. 1 LugÜ). Unter dem Titel
besondere Zuständigkeiten sieht Art. 5 LugÜ Möglichkeiten vor, dass eine
Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat,
in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden kann. So können gemäss
Art. 5 Ziff. 3 LugÜ Ansprüche aus unerlaubter Handlung vor dem Gericht des
Ortes eingeklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.

    3.1  Das Handelsgericht ging davon aus, der Gerichtsstand gemäss
Art. 5 Ziff. 3 LugÜ komme im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil
die Beklagte mit Sitz in der Schweiz in diesem Land und nicht in einem
anderen Vertragsstaat eingeklagt werde. Diese Einschränkung ergebe sich
schon aus dem Wortlaut der Bestimmung und entspreche der herrschenden
Lehre, welche zu Recht davon ausgehe, das Lugano Übereinkommen habe nicht
den Sinn, die örtliche Zuständigkeit abweichend vom nationalen Recht
festzulegen. Art. 2 Abs. 1 LugÜ bestimme daher nicht das innerstaatlich
zuständige Gericht, sondern lege lediglich die internationale Zuständigkeit
fest. Zur Bestimmung des in der Schweiz örtlich zuständigen Gerichts
müsse daher das IPRG, vorliegend dessen Art. 109, herangezogen werden.

    3.2  Die Klägerin rügt, das Handelsgericht gehe mit der herrschenden
Lehre von einer zu wortlautbezogenen Auslegung von Art. 5 LugÜ
aus und lasse den Sinn und Zweck der besonderen Zuständigkeiten
ausser Acht. Dieser bestehe darin, der Sach- bzw. Beweisnähe und der
Prozessökonomie Rechnung zu tragen. Wenn demnach in Art. 5 Ziff. 1 LugÜ
wahlweise der Gerichtsstand des Erfüllungsortes zur Verfügung stehe,
so habe dies gemäss der zutreffenden Meinung von STEFAN AUER (in:
Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, hrsg. von
Böckenstiegel/ Geimer/Schütze, München 2003, Bd. II, S. 77 ff.) unabhängig
davon zu gelten, ob der Erfüllungsort sich zufällig im Land befindet,
in dem die beklagte Partei ihren Wohnsitz hat. Dasselbe müsse bezüglich
des Gerichtsstandes am Handlungs- und Erfolgsort gemäss Art. 5 Ziff. 3
LugÜ gelten.

    3.3  Das Lugano Übereinkommen ist nach den Grundsätzen über die
Auslegung eines internationalen Vertrages auszulegen (vgl. BGE 126 III 540
E. 2a/aa). Ein solcher ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit
der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden
Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31
Abs. 1 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht
der Verträge [SR 0.111]). Erscheint der Wortlaut einer Bestimmung
als eindeutig, so ist von der daraus abgeleiteten Bedeutung nur
abzuweichen, wenn aus dem Zweck der Norm, dem Zusammenhang oder seiner
Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende
Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist (BGE 125 V 503
E. 4b mit Hinweisen).

    3.4  Nach der allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift in Art. 2 LugÜ sind
die Gerichte des Vertragsstaates zuständig, in dem der Beklagte seinen
Wohnsitz hat. In einem anderen Vertragsstaat kann er nach den besonderen
Zuständigkeiten gemäss Art. 5 LugÜ verklagt werden. Diese Zuständigkeiten
kommen damit nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung von Art. 5
LugÜ im Verhältnis zu Art. 2 LugÜ nur zur Anwendung, wenn in einem
anderen als dem Wohnsitzstaat des Beklagten geklagt wird. Dafür, dass
diese Bedeutung dem Zweck von Art. 5 LugÜ widersprechen und dieser über
den Wortlaut hinaus auch die Bestimmung des Gerichtsstandes innerhalb des
Wohnsitzstaates des Beklagten regeln möchte, bestehen keine hinreichenden
Anhaltspunkte. Demnach ist mit der herrschenden Lehre davon auszugehen,
das Lugano Übereinkommen bestimme den Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des
Beklagten nicht (REINHOLD GEIMER, in: Europäisches Zivilverfahrensrecht,
Kommentar zur EuGVVO, EuEheVO, EuZustellungsVO, zum Lugano Übereinkommen
und zum nationalen Kompetenz- und Anerkennungsrecht, von Reinhold Geimer
und Rolf A. Schütze, 2. Aufl., München 2004, N. 3 zu Art. 5 EuGVÜ/LugÜ;
JAN KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EuGVO und
Lugano Übereinkommen, 7. Aufl., Heidelberg 2002, N. 4 vor Art. 5 EuGVO,
je mit weiteren Hinweisen).

    3.5  Nach dem Gesagten ist das Handelsgericht zu Recht davon
ausgegangen, Art. 5 Ziff. 3 LugÜ komme im vorliegenden Fall nicht zur
Anwendung, da die Klägerin die Klage im Sitzstaat der Beklagten erhoben
hat.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Gemäss Art. 25 GestG können Klagen aus unerlaubter Handlung -
wozu auch Verletzungen von Patentrechten gehören - unter anderem am
Handlungs- oder Erfolgsort erhoben werden (vgl. FLAVIO ROMERIO, in:
Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand
in Zivilsachen, Hrsg. Müller/Wirth, N. 12 zu Art. 25 GestG). Dieser
Gerichtsstand steht der Klägerin nicht offen, da sie als Gesellschaft
mit Sitz im Ausland gemäss Art. 109 IPRG alleine bei den Gerichten
am (Wohn-)Sitz der Beklagten klagen kann. Das Handelsgericht kam zum
Ergebnis, diese Einschränkung der Wahlmöglichkeit des Gerichtsstandes
für ausländische Gesellschaften verstosse nicht gegen das Abkommen über
handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum vom 15. April
1994 (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property
Rights, TRIPS-Übereinkommen; SR 0.632.20 Anhang 1C zum Abkommen zur
Errichtung der Welthandelsorganisation). Zur Begründung führte das
Handelsgericht zusammengefasst an, das Prinzip der Inländerbehandlung
gemäss Art. 3 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen erfasse gemäss Fn. 214 auch
die Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum und damit auch die
Frage der gerichtlichen Zuständigkeit. Jedoch behalte Art. 3 Abs. 1
TRIPS-Übereinkommen gewisse Übereinkommen vor. Dazu gehöre die Pariser
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in
Stockholm am 14. Juli 1967 (PVÜ; SR 0.232.04), welche in Art. 2 Abs. 3
vorsehe, dass unter anderem Rechtsvorschriften jeder der Verbandsländer
über das gerichtliche und das Verwaltungsverfahren und die Zuständigkeit
dem Grundsatz der Inländerbehandlung vorgehen würden. Daraus folge,
dass von diesem Grundsatz in Zuständigkeitsfragen eine Ausnahme
grundsätzlich zulässig sei. Zu beachten sei jedoch, dass gemäss Art. 3
Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen Ausnahmen von der Inländerbehandlung nur
zulässig seien, wenn diese mit Bestimmungen dieses Übereinkommens
vereinbar sind und wenn sie nicht so angewandt werden, dass sie versteckte
Handelsbeschränkungen darstellen. Eine Unvereinbarkeit mit den Bestimmungen
des TRIPS-Übereinkommens sei zu verneinen, da dieses lediglich verlange,
dass die Verfahren zur Durchsetzung von Rechten am geistigen Eigentum
recht und billig, weder unnötig kompliziert noch kostspielig seien und
keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigte Verzögerungen mit
sich brächten (Art. 41 Abs. 2 und Art. 42 TRIPS). Diese Voraussetzungen
würden durch die örtliche Zuständigkeit nicht berührt. Auch stelle eine
Einschränkung des Ausländers gegenüber dem Inländer im "forum shopping"
keine versteckte Handelsbeschränkung dar. Eine solche könnte allenfalls
vorliegen, wenn gewisse Gerichte kostspielige Zulassungsverfahren,
wesentlich länger dauernde oder ineffizientere Rechtswege vorsehen
oder prohibitive Kostenvorschüsse oder Sicherheitsleistungen verlangen
würden. Dies sei in der Schweiz nicht der Fall, da die Gerichtssysteme
in den verschiedenen Kantonen grundsätzlich gleichwertig seien. Daran
ändere auch die Tatsache nichts, dass Patentsachen in gewissen Kantonen
von Handelsgerichten und in anderen Kantonen durch die ordentlichen
Gerichte beurteilt würden. Damit sei unabhängig vom Gerichtsstand ein
wirksamer Schutz von Patenten gewährleistet. Demnach sei die Ausnahme
vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung hinsichtlich des Gerichtsstandes
mit dem TRIPS-Übereinkommen vereinbar.

    4.2  Die Klägerin macht geltend, das Handelsgericht habe bei seinen
Ausführungen über die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Schweizer
Gerichtssysteme ausser Acht gelassen, dass es für die Klägerin ein grosser
Vorteil sei, vor einem Gericht klagen zu können, das über Erfahrung in
Patentsachen verfüge, wie zum Beispiel das Berner Handelsgericht. So
habe das GATT-Panel in einem Entscheid vom 7. November 1998 entschieden,
dass eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit bezüglich der Gerichtsstände
- je nachdem ob in- oder ausländische Produkte betroffen sind - eine
ungünstigere Behandlung und damit eine prozessuale Diskriminierung
zur Folge haben könne. Eine solche sei gemäss Art. 3 Ziff. 1
TRIPS-Übereinkommen unzulässig. Soweit das Handelsgericht anführe,
gemäss Art. 2 Abs. 3 PVÜ seien die Bestimmungen der Verbandsländer
über die Zuständigkeit vorbehalten, lasse es unberücksichtigt, dass
die Pariser Verbandsübereinkunft von 1967 datiere und sich seither
die Rechtswirklichkeit, insbesondere bezüglich der Schaffung von
Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Gerichtsstandes und den damit
zusammenhängenden Vorteilen, erheblich geändert hätten.

    4.3  Das Lugano Übereinkommen lässt Übereinkommen unberührt, denen
die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere
Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die
Vollstreckung von Entscheidungen regeln (Art. 57 LugÜ). Zu diesen
Übereinkommen gehört das TRIPS-Übereinkommen. Dieses sieht in Art.
3 Abs. 1 unter dem Titel "Inländerbehandlung" folgende Regelung vor:

      "Die Mitglieder gewähren den Staatsangehörigen der anderen

      Mitglieder eine Behandlung, die diese gegenüber ihren eigenen

      Staatsangehörigen in Bezug auf den Schutz214 des geistigen Eigentums

      nicht benachteiligt, vorbehaltlich der bereits in der Pariser

      Verbandsübereinkunft (1967), der Berner Übereinkunft (1971), dem

      Rom-Abkommen oder dem Vertrag über den Schutz des geistigen Eigentums

      an integrierten Schaltkreisen vorgesehenen Ausnahmen. [...]"

    In der Fussnote 214 wird zum Begriff Schutz festgehalten:

      "Im Sinne der Artikel 3 und 4 schliesst 'Schutz' die Angelegenheiten

      ein, welche die Verfügbarkeit, den Erwerb, den Umfang, die

      Aufrechterhaltung und die Durchsetzung der Rechte an geistigem

      Eigentum betreffen, sowie diejenigen Angelegenheiten, welche die

      Ausübung der in diesem Abkommen ausdrücklich behandelten Rechte an

      geistigem Eigentum betreffen."

    Die Pariser Verbandsübereinkunft sieht in Art. 2 Abs. 3 folgende
Ausnahme von der Inländerbehandlung vor:

      "Ausdrücklich bleiben vorbehalten die Rechtsvorschriften jedes der

      Verbandsländer über das gerichtliche und das Verwaltungsverfahren

      und die Zuständigkeit sowie über die Wahl des Wohnsitzes oder die

      Bestellung eines Vertreters, die etwa nach den Gesetzen über das

      gewerbliche Eigentum erforderlich sind."

    Diese Ausnahme erfasst die Zuständigkeit bzw. nach dem französischen
Originaltext (Art. 29 Abs. 1 PVÜ) "la compétence", worunter namentlich
die Zuständigkeit im Prozess bezüglich Rechte am geistigen Eigentum
zu verstehen ist (vgl. KARL-HEINZ FEZER, in: Markenrecht, Kommentar
zum Markengesetz, zur Pariser Verbandsübereinkunft und zum Madrider
Markenabkommen, 3. Aufl., München 2001, N. 6 zu Art. 3 PVÜ). Demnach ist
bezüglich der Zuständigkeit eine Ausnahme von der Inländerbehandlung im
Rahmen von Art. 3 Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen zulässig. Diese Bestimmung
schreibt vor:

      "Die Mitglieder dürfen in Bezug auf Gerichts- und

      Verwaltungsverfahren, einschliesslich der Bestimmung einer

      Zustellungsanschrift und der Bestellung eines Vertreters im

      Hoheitsbereich eines Mitglieds, von den nach Absatz 1 zulässigen

      Ausnahmen nur Gebrauch machen, wenn diese notwendig sind, um die

      Einhaltung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften sicherzustellen,

      die mit den Bestimmungen dieses Abkommens nicht unvereinbar sind,

      und wenn diese Praktiken nicht so angewandt werden, dass sie

      versteckte Handelsbeschränkungen darstellen."

    Bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer Ausnahme mit den Bestimmungen
des TRIPS-Übereinkommen ist zu beachten, dass dieses insbesondere bezweckt,
einen wirksamen und ausreichenden Schutz der Rechte am geistigen Eigentum
zu fördern, bzw. sicherzustellen und diesbezüglich in Art. 41 und Art. 42
Minimalanforderungen stellt (vgl. Präambel zum TRIPS-Übereinkommen; vgl.
DANIEL GERVAIS, The TRIPS Agreement, Drafting History ans Analysis, 2.
Aufl., London 2003, S. 101). Bezüglich der Zuständigkeit in der Schweiz ist
zu beachten, dass Art. 76 des Bundesgesetzes über Erfindungspatente (SR.
232.14) den Kantonen vorschreibt, für die in diesem Gesetz vorgesehenen
Zivilklagen eine Gerichtsstelle zu bezeichnen, welche für das ganze
Kantonsgebiet als einzige kantonale Instanz entscheidet.

    4.4  Wie das Handelsgericht zu Recht anführt, steht die für
die Klägerin gegenüber inländischen Gesellschaften eingeschränkte
Wahlmöglichkeit bezüglich des Gerichtsstandes im Widerspruch zum Prinzip
der Inländerbehandlung gemäss Art. 3 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen. Dieser
Widerspruch ist jedoch durch den Vorbehalt der Ausnahmen in der
Pariser Verbandsübereinkunft gedeckt, da diese ein Abweichen von der
Inländerbehandlung im Bereich der Zuständigkeit zulässt. Mit dieser
Ausnahme wird im vorliegenden Fall nicht gegen die Bestimmungen des
TRIPS-Übereinkommens verstossen, da mit dem Handelsgericht davon auszugehen
ist, dass in der Schweiz unabhängig vom kantonalen Gerichtsstand ein
dem TRIPS-Übereinkommen entsprechender Schutz der Rechte am geistigen
Eigentum gewährleistet ist. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern,
dass gewisse kantonale Gerichte mit Patentprozessen wenig Erfahrung haben
(vgl. dazu die Kritik von WERNER STIEGER, Unklares, Ungereimtes und
Unvollendetes beim internationalen Patentprozess [in der Schweiz], in:
Internationales Zivilprozess- und Verfahrensrecht III, Hrsg. Karl Spühler,
S. 57 ff., S. 65 f). Alsdann ist nicht erkennbar und wird von der Klägerin
auch nicht geltend gemacht, dass die fehlende Wahlmöglichkeit bezüglich
des Gerichtsstandes zu einer versteckten Handelsbeschränkung führen
würde. Demnach liegt die Ausnahme vom Prinzip der Inländerbehandlung
bezüglich der örtlichen Zuständigkeit der staatlichen Gerichte in
den von Art. 3 Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen gezogenen Grenzen und
ist damit zulässig. Der Einwand der Klägerin, eine Ausnahme von der
Inländerbehandlung bezüglich der Zuständigkeit sei auf Grund der seit der
Vereinbarung der Pariser Verbandsübereinkunft veränderten Verhältnisse
nicht mehr gerechtfertigt, ist unbeachtlich, da Völkerrecht für das
Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend ist,
und diese demnach nicht befugt sind, völkerrechtliche Übereinkommen an
veränderte Verhältnisse anzupassen (Art. 191 BV).