Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 595



131 III 595

77. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Konkurs- masse der
S. AG gegen Bank Z. (Berufung)

    5C.200/2004 vom 2. Juni 2005

Regeste

    Im Ausland begründeter Eigentumsvorbehalt; kein Registereintrag in
der Schweiz (Art. 715 Abs. 1 ZGB; Art. 102 Abs. 2 IPRG).

    Dem Registereintrag gemäss Art. 715 Abs. 1 ZGB kommt nach konstanter
Rechtsprechung Ordre-public-Charakter zu, so dass der im Ausland begründete
Eigentumsvorbehalt seine Gültigkeit nach Ablauf der dreimonatigen
Schonfrist des Art. 102 Abs. 2 IPRG verliert (E. 2.3.2).

    Der Aussonderungsanspruch setzt einen gültigen Eigentumsvorbehalt
voraus, den der Ansprecher zu beweisen hat (E. 2.3.3).

Sachverhalt

    A.- Die R. GmbH mit Sitz in B. (Österreich) und die X. AG mit Sitz
in C. gehören zur Unternehmensgruppe der S. AG in C. Die R. GmbH kaufte
von verschiedenen Herstellern Maschinen und Werkzeuge, welche Vorgänge
von der Bank Z. in A. im Rahmen einer Kreditvereinbarung vorfinanziert
wurden. Der Bank Z. wurde von der R. GmbH an den Kaufgegenständen
vertraglich ein Mobiliarpfand und ein Eigentumsvorbehalt eingeräumt.

    B.- Am 28. Oktober 2002 eröffnete der Einzelrichter des Bezirks
Einsiedeln den Konkurs über die S. AG und über die X. AG. Die
Y. AG wurde zur ausseramtlichen Konkursverwaltung der Konkursmasse
der X. AG bestellt. Die Bank Z. verlangte gestützt auf den ihr
eingeräumten Eigentumsvorbehalt sowie das Mobiliarpfand im Konkurs
der X. AG die Herausgabe von elf Gerätschaften bzw. des entsprechenden
Verkaufserlöses. Mit Verfügung vom 28. Februar 2003 wies die ausseramtliche
Konkursverwaltung das Gesuch ab, soweit es mit dem Eigentumsvorbehalt
begründet worden war und verwies die Ansprüche aus dem Mobiliarpfand in
das Kollokationsverfahren.

    C.- Mit Urteil vom 10. Dezember 2003 hiess der Einzelrichter des
Bezirksgerichts Einsiedeln die von der Bank Z. gegen die Konkursmasse
der X. AG eingereichte Aussonderungsklage gut und verpflichtete die
Beklagte zur Herausgabe der geforderten Gegenstände bzw. des entsprechenden
Verkaufserlöses. Das Kantonsgericht Schwyz wies die von der Konkursmasse
der X. AG gegen das erstinstanzliche Urteil erhobene Berufung am 9. August
2004 ab.

    D.- Die Konkursmasse der X. AG ist mit Berufung an das Bundesgericht
gelangt. Sie beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils
und die Abweisung der Aussonderungsklage.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Anlass zur vorliegenden Berufung gibt das Aussonderungsbegehren
einer Bank (Klägerin), die sich von ihrer Kreditnehmerin an diversen
Gegenständen einen Eigentumsvorbehalt nach österreichischem Recht hat
einräumen lassen, welche alsdann in die Schweiz gelangt sind und dort
von einer in Konkurs gefallenen Unternehmung (Beklagten) angesprochen
werden. Der Bestand des Mobiliarpfandes bildete bereits vor erster Instanz
nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

    2.1  Das Aussonderungsverfahren nach Art. 242 SchKG dient
ausschliesslich der Klärung der Frage, ob der strittige Gegenstand dem
Konkursbeschlag unterliegt oder nicht. Auch wenn dabei materiellrechtliche
Aspekte zum Tragen kommen, erfolgt keine rechtskräftige Beurteilung
der Eigentumsverhältnisse, wie dies bei einer Vindikationsklage
nach Art. 641 ZGB der Fall ist (MARC RUSSENBERGER, in: Kommentar zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Staehelin/Bauer/Staehelin
[Hrsg.], SchKG III, N. 6 zu Art. 242 SchKG mit Hinweisen). Die Beklagte
weist denn auch gegenüber der Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass im
vorliegenden Fall einzig zu entscheiden ist, ob die Klägerin im Zeitpunkt
der Konkurseröffnung über die Beklagte noch Eigentümerin der strittigen
Gegenstände war (recte: einen Eigentumsvorbehalt daran hatte). Werde
diese Frage verneint, so die Beklagte, dann sei die Aussonderungsklage
abzuweisen, ohne dass die dingliche Berechtigung an den strittigen
Gegenständen noch zu klären wäre. Freilich kann genau diese Frage nicht
in jedem Fall ohne die Prüfung der Rechte Dritter beantwortet werden,
selbst wenn dies nur aus der Sicht der Klägerin und allein mit Wirkung
für sie geschieht.

    2.2  Die Vorinstanz ist zum Schluss gekommen, dass vorliegend
schweizerisches Recht anwendbar sei. Ihrer Ansicht nach kommt Art. 100
Abs. 1 IPRG zum Tragen, da der von der Beklagten behauptete Kauf nach
der Verbringung der strittigen Gegenstände in die Schweiz abgeschlossen
worden sei. Sie hat die Voraussetzungen einer Rechtswahl verneint und
zudem festgehalten, dass eine solche der Beklagten als Dritte ohnehin
nicht entgegengehalten werden könnte. Die Beklagte schliesst sich dieser
Auffassung an.

    Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht, dass im Verhältnis zwischen
ihr und der Kreditnehmerin kraft diverser Vereinbarungen sowie der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen österreichisches Recht gelte. Soweit
sie hier vorbringt, die kantonale Instanz habe in Verletzung des
schweizerischen internationalen Privatrechts nicht ausländisches Recht
angewendet, ist ihre Rüge zulässig (Art. 43a Abs. 1 lit. a OG). Indes gehen
ihre Darlegungen an der entscheidenden Fragestellung vorbei. Strittig
ist nämlich nicht die Gültigkeit des Eigentumsvorbehalts als solche,
sondern einzig die Dauer von dessen Wirksamkeit nach der Einfuhr der
mit ihm belegten Gegenstände in die Schweiz. Geht es aber um die Frage
von Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen, so kommt
das Recht des Staates zur Anwendung, wo der Gegenstand im Moment liegt,
in welchem der Vorgang, aus welchem der Rechtstitel hergeleitet wird,
sich ereignet hat (Art. 100 Abs. 1 IPRG). Der behauptete Kauf fand nach
der Einfuhr der Gegenstände in die Schweiz statt, wie die Vorinstanz für
das Bundesgericht verbindlich festhält, womit sie schweizerisches Recht
anzuwenden hatte.

    Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sie mit ihrer
Kreditnehmerin eine Rechtswahl getroffen habe. Mit dieser pauschalen
Behauptung setzt sie sich weder mit der Begründung der Vorinstanz
auseinander, dass dies nicht der Fall sei, noch nimmt sie zur Frage
Stellung, ob eine allfällige Rechtswahl Dritten überhaupt entgegengehalten
werden könnte. Beruht der angefochtene Entscheid aber auf mehreren
Begründungen, muss der Berufungskläger alle anfechten, ansonsten das
Bundesgericht auf sein Vorbringen nicht eintritt (BGE 121 III 46 E. 2;
122 III 43 E. 3 S. 45, je mit Hinweisen).

    Dem angefochtenen Urteil lässt sich schliesslich nicht entnehmen, dass
die Gegenstände zur Ausfuhr in ein anderes Land als die Schweiz bestimmt
waren, womit es kein Recht des Bestimmungsstaates zu berücksichtigen gibt
(Art. 103 IPRG).

    2.3  Gelangt eine bewegliche Sache in die Schweiz und ist an ihr im
Ausland ein Eigentumsvorbehalt begründet worden, der den Anforderungen des
schweizerischen Rechts nicht genügt, so bleibt der Eigentumsvorbehalt in
der Schweiz noch während drei Monaten gültig (Art. 102 Abs. 2 IPRG). Dem
gutgläubigen Dritten kann der Bestand eines solchen Eigentumsvorbehaltes
nicht entgegengehalten werden (Art. 102 Abs. 3 IPRG).

    2.3.1  Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wurden
die Gerätschaften nicht nur vorübergehend in die Schweiz gebracht. Die
Klägerin bestreitet dies ausdrücklich und verweist in diesem Zusammenhang
auf die damals geplante Übernahme der Käuferin durch die S. AG. Damit
versucht sie einzig, den Sachverhalt der Vorinstanz zu ergänzen, was im
Rahmen einer Berufung nicht zulässig ist. Es liegt somit ein Anwendungsfall
der dreimonatigen Schutzfrist gemäss Art. 102 Abs. 2 IPRG vor (HEINI,
Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl., Zürich 2004, N. 13 zu Art. 102 IPRG).

    2.3.2  Die Klägerin hat den ihr eingeräumten Eigentumsvorbehalt nach
Einfuhr der Gegenstände in die Schweiz nicht nach Art. 715 Abs. 1 ZGB
in das öffentliche Register eintragen lassen. Gemäss der noch vor dem
Inkrafttreten des IPRG ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichts muss
einem ausländischen Eigentumsvorbehalt in der Schweiz in jedem Fall die
Anerkennung versagt werden, wenn er hier nicht in ein öffentliches Register
eingetragen wird. Dem Eintragungszwang kommt Ordre-public-Charakter
zu (BGE 106 II 197 E. 4 S. 199 f.). Der Grund hierfür liegt in der
Erkennbarkeit der dinglichen Rechte für Dritte und hat Vorrang gegenüber
dem Interesse des ausländischen Vertragspartners an der Gültigkeit des
Eigentumsvorbehalts (BGE 106 II 197 E. 4e S. 200). Da es sich bei der
Erwerberin um eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich handelt, die in der
Schweiz auch keine Geschäftsniederlassung hat (Art. 1 Abs. 1 der Verordnung
des Bundesgerichts betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte
vom 19. Dezember 1910 [SR 211.413.1]), hätte nur geprüft werden können,
ob der von der Lehre einhellig geforderte Eintrag am Lageort der Sache in
Frage kommen kann (statt vieler: HEINI, aaO, N. 12 zu Art. 102 IPRG). Der
in Österreich begründete Eigentumsvorbehalt genügt den eben angeführten
Anforderungen des Schweizer Rechts somit nicht, womit er nach Ablauf von
drei Monaten die Gültigkeit verliert (Art. 102 Abs. 2 IPRG).

    2.3.3  Die Vorinstanz ging davon aus, dass weder innerhalb der
dreimonatigen Schutzfrist noch bis zum Konkurs der Beklagten ein Eintrag
des Eigentumsvorbehalts erfolgte. Dennoch hat sie die Klage gutgeheissen
und zwar mit der folgenden Begründung: Da die R. GmbH zu keinem Zeitpunkt
gleichzeitig weder über einen vorbehaltlosen Erwerbstitel verfügt
noch rechtsgenügenden Besitz gehabt habe, sei sie nie Eigentümerin der
Gerätschaften gewesen und habe infolgedessen auch nicht Eigentum an die
Beklagte vermitteln können. Darum sei die Klägerin Eigentümerin geblieben
und habe einen Aussonderungsanspruch. Die Beklagte könne sich auch nicht
auf den guten Glauben stützen. Nicht weil die Klägerin einen gültigen
Eigentumstitel hat vorweisen können, sondern weil die Eigentumsverhältnisse
auf Seiten der Beklagten nicht über jeden Zweifel erhaben seien, hiess
das Kantonsgericht die Klage gut.

    Damit verkannte die Vorinstanz, dass es im Aussonderungsverfahren nicht
darauf ankommt, ob und wer, wann und wie Eigentum oder Besitz erworben hat:
Unbestrittenermassen hatte die X. AG bzw. deren Konkursmasse Gewahrsam
an den Gegenständen, weshalb sie erst einmal admassiert wurden. Bei
der Aussonderungsklage hat der Ansprecher sein Eigentum zu beweisen,
wobei der Nachweis seines Eigentumsvorbehalts ausreichend ist. Ist
dieser jedoch erloschen, fehlt es an einem Aussonderungsanspruch, da die
Aussonderung einen formrichtig bestellten, d.h. im Register eingetragenen
und damit gültigen Eigentumsvorbehalt voraussetzt. Wer vorliegend aufgrund
des untergegangenen Eigentumsvorbehalts Eigentum an den Gegenständen
(definitiv) erlangt hat, ist für das Schicksal der Aussonderungsklage
nicht von Belang, da nicht die Konkursmasse ihren Erwerbstitel, sondern
der Ansprecher seinen Aussonderungstitel beweisen muss. Das heisst, dass
die Klägerin nachweisen muss, dass ihr Eigentumsvorbehalt noch gültig ist.

    2.3.4  Im angefochtenen Urteil wird nicht festgestellt, wann genau die
Werkzeuge in die Schweiz gelangt sind. Darin wird für das Bundesgericht
lediglich, aber immerhin verbindlich festgestellt, dass der behauptete
Erwerb der Werkzeuge nach deren Einfuhr in die Schweiz stattfand. Die
Klägerin räumt selber ein, an der Sitzung vom 29. Juli 2002 Kenntnis
erhalten zu haben, dass die Aktiven und Passiven der R. GmbH von der X. AG
übernommen wurden. Gemäss dem von der Klägerin verfassten Aktenvermerk zu
dieser Sitzung erfolgte die Übernahme der Aktiven und Passiven per 1. April
2002, was von Amtes wegen ergänzt werden kann (Art. 64 Abs. 2 OG). Dass
bei einer Übernahme der Aktiven und Passiven der R. GmbH per 1. April 2002
auch deren Werkzeuge (mit dem entsprechenden Eigentumsvorbehalt) erfasst
werden, ist offensichtlich. Die Klägerin macht zwar die Einschränkung, die
Übernahme von Aktiven und Passiven könne auch ohne physische Verschiebung
von Gegenständen vorgenommen werden. Dazu hat die Vorinstanz aber - wie
ausgeführt - verbindlich festgestellt, dass die Einfuhr der Werkzeuge in
die Schweiz vor dem Erwerb erfolgt war. Dies bedeutet, dass die Einfuhr
in die Schweiz vor dem 1. April 2002 stattfand und die Dreimonatsfrist
im massgeblichen Zeitpunkt abgelaufen war.

    Die Berufung der Beklagten muss somit gutgeheissen, das angefochtene
Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.