Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 581



131 III 581

75. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Dr. O.K. Wack Chemie
GmbH gegen Brookside Import Specialities Inc. (Berufung)

    4C.76/2005 vom 30. Juni 2005

Regeste

    Agentenmarke; Art. 4 MSchG.

    Der Ausschlussgrund von Art. 4 MSchG setzt insbesondere voraus, dass
eine vertragliche Beziehung zwischen dem wirklichen und dem angemassten
Inhaber der Marke bestanden hat oder noch besteht. Erforderlich ist ein
Vertrag, der die Wahrung der geschäftlichen Interessen des Geschäftsherrn
zum Inhalt hat und eine Ermächtigung zum Gebrauch einer fremden Marke
(E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Dr. O.K. Wack Chemie GmbH mit Sitz in Ingolstadt in Deutschland
(Klägerin) entwickelte einen Komplettreiniger für Motorräder, den sie seit
1980 unter der Bezeichnung S100 in Deutschland vertrieb. Später dehnte sie
ihr Angebot auf Produkte wie Korrosionsschutz-Mittel, Hochglanzpolitur,
Kettenspray und dergleichen aus. Hinzu kamen weitere Absatzmärkte, wie
die Schweiz, Österreich, die Niederlande, Grossbritannien, Australien
und Südafrika.

    Seit 1984 exportierte die Gesellschaft ihr Produkt S100 auch in
die USA, wo die Brookside Import Specialities Inc. mit Sitz in Branford
(Beklagte) den Vertrieb übernahm. Diese liess in der Folge das Zeichen
S100 in den USA und Kanada mit Zustimmung der Klägerin auf ihren eigenen
Namen als Marke eintragen.

    Im Jahre 1992 beendeten die Parteien ihre Zusammenarbeit wegen
schwerwiegender Meinungsverschiedenheiten. Die Beklagte liess den
Motorradreiniger fortan bei einem deutschen Konkurrenzunternehmen der
Klägerin herstellen. Am 9. März 1992 wurde das Zeichen S100 vom US-Patent-
und Markenamt als Marke der Beklagten für definitiv erklärt. Die Eintragung
wurde am 17. Mai 2000 rechtskräftig.

    Beide Parteien meldeten unabhängig voneinander im Oktober 1994 die
Marke S100 in Deutschland an. Während die Marke der Beklagten gelöscht
wurde, wurde die von der Klägerin hinterlegte Marke gemäss Entscheiden des
Bundespatentgerichtes vom 12. Dezember 2000 und des Bundesgerichtshofes
vom 30. Oktober 2003 definitiv eingetragen.

    In der Schweiz wurde das Zeichen S100 am 11. Mai 1998 von der Beklagten
mit Erfolg zur Eintragung als Marke angemeldet. Als die Klägerin später die
gleiche Marke ebenfalls zur Eintragung anmeldete, erhob die Beklagte am 4.
September 2002 gestützt auf ihre früher erfolgte Hinterlegung Widerspruch.
Das Widerspruchsverfahren ist zur Zeit noch hängig.

    B.- Mit der am 7. August 2003 beim Handelsgericht des Kantons Bern
eingereichten Klage stellte die Klägerin die Begehren, die Schweizer
Marke der Beklagten nichtig zu erklären sowie dieser zu verbieten, die
Bezeichnung S100 als Marke zu verwenden, und schliesslich die Beklagte
zu verpflichten, das Urteil in zwei Zeitschriften zu publizieren.

    Mit Urteil vom 16. November 2004 wies das Handelsgericht des Kantons
Bern die Klage ab. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass sich die Klägerin
nicht auf Markenschutz berufen könne, weil weder die Voraussetzungen von
Art. 3 (ältere Marke der Klägerin) noch von Art. 4 MSchG (Agentenmarke
der Beklagten) gegeben seien. Ebenfalls verneint wurde ein unlauteres
Verhalten der Beklagten im Sinne von Art. 2 und 3 lit. d UWG.

    C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Handelsgerichts Berufung
eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt
(Art. 63 Abs. 2 OG), dass die Zusammenarbeit zwischen den Parteien im Jahre
1984 ihren Anfang genommen hat, als die Klägerin begann, ihr Produkt S100
in die USA zu exportieren, und die Beklagte den Vertrieb in diesem Gebiet
übernahm. Festgestellt ist sodann, dass die Beklagte das Zeichen S100 in
den USA und Kanada als Marke auf ihren Namen eintragen liess und dass
die Klägerin die Beklagte über die Zusammensetzung des Produktes S100
informierte. Festgestellt ist schliesslich, dass die von der Beklagten
am 2. September 1986 für die USA angemeldete Marke am 9. März 1992 vom
US-Patentamt für definitiv erklärt wurde und dass sowohl der District
Court wie auch der United States Court of Appeals am 17. Mai 2000 bestätigt
haben, dass die Beklagte die Marke kraft eigenen Rechts eingetragen hat.

    In rechtlicher Hinsicht ist das Handelsgericht zum Ergebnis gekommen,
dass der Schutzausschlussgrund von Art. 4 MSchG (SR 232.11) nicht gegeben
sei. Es hält dazu fest, dass diese Bestimmung nur bei einem unmittelbaren
und engen Zusammenhang insbesondere in zeitlicher und geographischer
Hinsicht zwischen der Hinterlegung und dem Vertragsverhältnis zum Tragen
kommen könne. Die Zusammenarbeit der Parteien habe indessen in erster Linie
den amerikanischen Markt betroffen. Zudem habe die Markenhinterlegung rund
sechs Jahre nach dem Ende der Zusammenarbeit stattgefunden. Schliesslich
sei von den USA-Gerichten festgestellt worden, dass die Beklagte ihre
Marke S100 kraft eigenen Rechts eingetragen habe.

    2.2  Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 4 MSchG verletzt. Sie
macht geltend, aus der für die USA rechtskräftig entschiedenen
Tatsache der beklagtischen Inhaberschaft an der US-Marke S100 könne
die Beklagte - entgegen der Meinung der Vorinstanz - aus Gründen des
Territorialitätsprinzips nichts für die Situation in der Schweiz ableiten.
Es könne nicht angehen, dass einem für die USA Nutzungsberechtigten trotz
Art. 4 MSchG erlaubt werde, die Marke in Asien oder Europa registrieren zu
lassen. Demgemäss setze Art. 4 MSchG keinen engen räumlichen Zusammenhang
voraus. Die Bestimmung setze aber auch keinen engen zeitlichen Zusammenhang
mit der Zusammenarbeit zwischen berechtigtem und formellem Markeninhaber
voraus. Auch nach der Beendigung dieser Zusammenarbeit, beispielsweise
nach Wegfall der wohl meist für die Dauer der Zusammenarbeit erteilten
Zustimmung, könne Art. 4 MSchG vom Markeninhaber angerufen werden.

    2.3  Art. 4 MSchG (Marginale: "Eintragung zugunsten
Nutzungsberechtigter") hat den folgenden Wortlaut:

    "Keinen Schutz geniessen ferner Marken, die ohne Zustimmung des
Inhabers

      auf den Namen von Agenten, Vertretern oder anderen zum Gebrauch

      Ermächtigten eingetragen werden oder die nach Wegfall der Zustimmung

      im Register eingetragen bleiben."

    Die Norm bezweckt den Schutz des Markeninhabers gegenüber einem
Nutzungsberechtigten, der bloss zum Gebrauch der Marke ermächtigt ist.
Solche Personen dürfen die Marke nur mit Zustimmung des besser Berechtigten
auf ihren eigenen Namen eintragen und müssen, sobald die Zustimmung -
beispielsweise wegen Beendigung der Zusammenarbeit - weggefallen ist,
die Eintragung der Marke löschen lassen (Botschaft des Bundesrates
vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken
und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 1 ff., S. 22). Der Vertreter oder Agent
soll sich nicht die Marke seines Geschäftsherrn eigenmächtig aneignen,
wenn die Marke mit der vertraglichen Tätigkeit im Zusammenhang steht
und vom Geschäftsherrn bereits früher in einem anderen Land gebraucht
worden ist (WILLI, MSchG: Markenschutzgesetz, Zürich 2002, N. 2 zu Art. 4
MSchG). Die vom Gesetzgeber anvisierte besondere Konstellation setzt somit
einen Vertrag voraus, der zwischen dem wirklichen und dem angemassten
Inhaber der Marke bestanden hat oder noch besteht (LUCAS DAVID, Basler
Kommentar, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl.,
Basel 1999, N. 3 zu Art. 4 MSchG). Erforderlich ist ein Vertrag, der
die Wahrung der geschäftlichen Interessen des Geschäftsherrn zum Inhalt
hat und eine Ermächtigung zum Gebrauch einer fremden Marke (WILLI, aaO,
N. 2, 6 und 7 zu Art. 4 MSchG).

    Nach den Feststellungen der Vorinstanz betraf das im Jahre 1992
beendete Vertragsverhältnis der Parteien ausschliesslich die Tätigkeit
der Beklagten im Gebiet der USA und Kanadas. Dass die Klägerin im Rahmen
der vereinbarten Zusammenarbeit mit der Beklagten auch eine Ermächtigung
für den Gebrauch des Zeichens S100 in der Schweiz erteilt hätte, ist
dagegen im angefochtenen Entscheid nicht festgestellt. Daran ändert
nichts, dass die Klägerin davon Kenntnis hatte, dass die Beklagte die
S100-Produkte über das internationale Harley-Davidson-Netz auch in der
Schweiz vertreiben liess. Denn selbst wenn diese Zeichenverwendung von der
Klägerin geduldet worden wäre, hätte sie nicht auf einer vertraglichen
Ermächtigung beruht. Die Vorinstanz hat somit die Anwendbarkeit von
Art. 4 MSchG mangels einer vertraglichen Verpflichtung der Beklagten zur
Wahrung der Interessen der Klägerin in der Schweiz im Ergebnis zu Recht
verneint. Soweit die Vorinstanz mit einer anderen Begründung zum gleichen
Ergebnis gelangt ist, braucht ihr Entscheid und die von der Klägerin
dagegen erhobene Kritik vom Bundesgericht nicht überprüft zu werden.