Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 49



131 III 49

7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. und B. gegen
Konkursmasse der Erbschaft von E. (Berufung)

    5C.67/2004 vom 19. November 2004

Regeste

    Art. 579 ZGB; Haftung im Falle der Ausschlagung; Legitimation,
Verjährung, Ausgleichung.

    Die Konkursmasse ist legitimiert, die Ansprüche gegen die
ausschlagenden Erben einzuklagen (E. 2). Die Ansprüche können solange
geltend gemacht werden, als die Forderungen der Erbschaftsgläubiger nicht
verjährt sind (E. 3). Berechnung des Haftungsbetrags, wenn der Nachlass
auch nach Hinzurechnung der lebzeitigen Zuwendungen überschuldet bleibt
und der Erblasser von der Ausgleichung befreit hat, soweit die lebzeitigen
Zuwendungen den Betrag eines Erbanteils übersteigen (E. 4).

Sachverhalt

    Mit öffentlich beurkundeten Verträgen vom 14. März 1996 schenkte
E. seinen Töchtern A. und B. je ein Grundstück. Die Töchter erklärten
dankend Annahme der Schenkung und wurden von ihrem Vater "von der
erbrechtlichen Ausgleichung eines allfälligen Mehrwertes für die hievor
erworbenen Grundstücke gemäss Art. 629 ZGB ausdrücklich entbunden".

    E. starb zwei Jahre später. Die Erben - seine Ehefrau und die beiden
Töchter - verlangten die Aufnahme eines öffentlichen Inventars. Das
Inventar zeigte einen Überschuss der Passiven über die Aktiven. Alle Erben
schlugen die Erbschaft aus. Über die Erbschaft von E. wurde der Konkurs
eröffnet. Das Betreibungs- und Konkursamt beziffert den voraussichtlichen
Verlust nach Abschluss des Liquidationsverfahrens auf rund 1.5 Millionen
Franken.

    Handelnd für die Konkursmasse der Erbschaft von E. erhob das
Betreibungs- und Konkursamt Klage gegen A. und B. Die Klägerin
bezifferte ihre Forderung auf Fr. 96'250.- und Fr. 99'300.- aus
ausgleichungspflichtigen Zuwendungen des Erblassers an die Beklagten. In
zweiter kantonaler Instanz wurde die Klage im Betrag von Fr. 96'250.-
und von Fr. 97'790.- gutgeheissen. Das Bundesgericht heisst die von den
Beklagten dagegen eingelegte Berufung gut und weist die Klage ab, soweit
sie sich auf die Ausgleichungspflicht der schenkungshalber zugewendeten
Grundstücke stützt.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin
vorab unter Hinweis auf den klaren Wortlaut von Art. 579 ZGB sowie auf
die einschlägigen Gesetzesbestimmungen über das Konkursverfahren. Die
Klägerin verweist auf die Begründung des Appellationshofs.

    2.1  In BGE 67 III 177 Nr. 54 war über die Aktivlegitimation
des Konkursamtes zu entscheiden, das gegen die Witwe des Erblassers
auf Herausgabe der Erbvorbezüge klagte. Das Bundesgericht bejahte die
Aktivlegitimation. Es stehe der Konkursmasse zu, die Haftung nach Art. 579
ZGB in Anspruch zu nehmen. Mit den Worten "dessen (d.h. des Erblassers)
Gläubigern" gebe Art. 579 ZGB nicht etwa nur der Klage einzelner
Gläubiger Raum; vielmehr sei im Erbschaftskonkurs ein Klagerecht der
durch das Konkursamt (die Konkursverwaltung) vertretenen Konkursmasse
anzuerkennen (E. 4 S. 185). Eine einlässliche Begründung fehlt, wie die
Beklagten hervorheben. Die Aktivlegitimation der Konkursmasse, Ansprüche
gemäss Art. 579 ZGB geltend zu machen, war in der damaligen Lehre aber
offenbar derart selbstverständlich, dass sie regelmässig nicht einmal
erwähnt wurde (vgl. immerhin das Beispiel bei RENNEFAHRT, Das Erbrecht
des schweizerischen Zivilgesetzbuches, Zürich 1913, N. 1 zu Art. 579 ZGB;
MERZ, Urteilsbesprechung, in: ZBJV 79/1943 S. 26 f.).

    In BGE 116 II 253 Nr. 46 war über die Aktivlegitimation
einer Gläubigerin zu entscheiden, die eine Forderung im Konkurs
der ausgeschlagenen Erbschaft anmeldete, dann aber während des
Konkursverfahrens gegen die Tochter der Erblasserin auf Zahlung des
im Konkurs eingegebenen Betrags klagte. Das Bundesgericht bejahte die
Aktivlegitimation der Gläubigerin des Erblassers unter Hinweis auf die
Grundlagen der Haftungsklage nach Art. 579 ZGB. Ob der Anspruch auch von
der Konkursverwaltung geltend gemacht werden könnte bzw. hätte geltend
gemacht werden können, brauchte nicht erörtert zu werden (E. 4 und 5
S. 257 ff.). Dem Urteil ist Kritik erwachsen, und zwar aus der Sicht des
Prozessrechts (vgl. POUDRET, Urteilsanmerkung, in: JdT 1993 I S. 332), des
Konkursrechts (vgl. GILLIÉRON, Urteilsanmerkung, in: JdT 1995 II S. 27)
und des materiellen Rechts (vgl. PIOTET, La responsabilité du répudiant
ou renonçant envers les créanciers successoraux comparée aux solutions
des art. 193 CC et 285 ss LP, ZBGR 74/1993 S. 73 ff., S. 79 ff.).

    Die Lehre schliesst aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung,
dass die Erbschaftsgläubiger neben der Konkursmasse dazu legitimiert
sind, Ansprüche gemäss Art. 579 ZGB geltend zu machen (vgl. etwa DRUEY,
Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl., Bern 2002, § 13 N. 83 S. 191).

    2.2  Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode
des Erblassers kraft Gesetzes (Art. 560 Abs. 1 ZGB). Mit Vorbehalt
der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum,
die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers
ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu
persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Die Erben haben
die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen
(Art. 566 Abs. 1 ZGB). Schlägt ein Erbe aus, so erhält er zwar keine
Aktiven der Erbschaft, wird aber auch nicht für deren Passiven haftbar
und darf behalten, was er als Vorempfang zu Lebzeiten des Erblassers aus
dessen Vermögen erhalten hat. Derartige Zuwendungen will Art. 579 ZGB den
Erbschaftsgläubigern sichern und damit vermeiden, dass deren Rechte in
unbilliger Weise verkürzt werden. Erben, die eine insolvente Erbschaft
ausschlagen, sollen wenigstens mit den Vermögenswerten haften, die sie
innerhalb der letzten fünf Jahre vom Erblasser empfangen haben und die sie
auch in der Erbteilung nicht behalten könnten, sondern zur Ausgleichung
bringen müssten. Der ausschlagende Erbe wird dabei ipso iure haftbar,
ohne dass es einer eigentlichen Anfechtungsklage bedürfte oder zuerst
die Ausschlagung oder die Zuwendung des Erblassers für unwirksam erklärt
werden müsste. Es handelt sich zudem um eine subsidiäre Haftung. Der
ausschlagende Erbe muss mit dem Wert des Vorempfanges nur dafür einstehen,
was von den andern Erben nicht erhältlich ist oder was bei der Verwertung
des Nachlasses ungedeckt bleibt (TUOR/ Picenoni, Berner Kommentar, 1964,
N. 2, 4, 7 und N. 20, und ESCHER/ ESCHER, Zürcher Kommentar, 1960,
N. 1 und N. 10 f., je zu Art. 579 ZGB).

    2.3  Von der soeben geschilderten Rechtsnatur her betrachtet,
hat die Haftung der ausschlagenden Erben gemäss Art. 579 ZGB gewisse
Ähnlichkeiten mit den paulianischen Anfechtungsklagen (Art. 285 ff. SchKG),
unterscheidet sich davon aber insofern entscheidend, als nach dem Gesagten
weder die Zuwendung durch den Erblasser oder die Ausschlagung durch
den Erben in Frage gestellt werden soll, um entäusserte Vermögenswerte
wiederzubeschaffen, noch auf Seiten der Beteiligten eine Absicht bestanden
haben müsste, Gläubiger zu benachteiligen. Näher liegt deshalb der
Vergleich mit der Haftung bei Erbverzicht (Art. 497 ZGB) und insbesondere
mit dem - ebenfalls schon 1907/12 geschaffenen - eherechtlichen
Haftungstatbestand gemäss Art. 188 aZGB (heute: Art. 193 ZGB).

    Nach der eherechtlichen Gläubigerschutzvorschrift kann durch
güterrechtliche Vermögensverschiebungen - d.h. durch Wechsel des
Güterstandes bzw. Begründung oder Änderung des Güterstandes oder
durch güterrechtliche Auseinandersetzungen - ein Vermögen, aus dem bis
anhin die Gläubiger eines Ehegatten oder der Gemeinschaft Befriedigung
verlangen konnten, dieser Haftung nicht entzogen werden (Art. 188 Abs. 1
aZGB bzw. Art. 193 Abs. 1 ZGB). Der Haftungstatbestand hat die gleiche
Rechtsnatur wie der in Art. 579 ZGB vorgesehene: Er gestattet es dem
Gläubiger, kraft Gesetzes das Vermögen eines Dritten zur Erfüllung seiner
Forderung gegen den Schuldner heranzuziehen. Im Vollstreckungsverfahren
gegen den schuldnerischen Ehegatten können die Gläubiger somit das
weiterhaftende Vermögen des andern Ehegatten pfänden bzw. zur Konkursmasse
ziehen lassen (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, N. 38 f. zu
Art. 193 ZGB, mit Hinweisen; vgl. zu Art. 188 aZGB: BGE 99 III 12 E. 2 S.
16; 106 II 141 E. 2 S. 143; 111 III 43 E. 1 S. 47).

    Werden diese Grundsätze auf die Haftung gemäss Art. 579 ZGB
übertragen, ist zu unterscheiden: Treten einzelne Erben die Erbschaft an,
sind sie von Gesetzes wegen für die Schulden des Erblassers persönlich
und solidarisch haftbar (Art. 560 Abs. 2 und Art. 603 Abs. 1 ZGB). Im
Vollstreckungsverfahren gegen sie kann die Haftung der ausschlagenden
Erben geltend gemacht werden. Schlagen hingegen alle Erben aus, gelangt
die Erbschaft zur Liquidation durch das Konkursamt (Art. 573 Abs. 1
ZGB und Art. 193 SchKG). Auf Grund der Konkurseröffnung richten sich
die Forderungen der Gläubiger gegen die Konkursmasse der Erbschaft
(vgl. BRUNNER, Basler Kommentar, 1998, N. 10 zu Art. 193 SchKG, mit
Hinweisen). Es gehört dann auch grundsätzlich zur Aufgabe des Konkursamtes
bzw. der Konkursverwaltung, das den Gläubigern haftende Vermögen der
ausschlagenden Erben zur Konkursmasse zu ziehen, wie das im Fall von
Art. 193 ZGB geschieht (HANDSCHIN/HUNKELER, Basler Kommentar, 1998,
N. 78 und N. 82 zu Art. 197 SchKG, mit weiteren Beispielen).

    (...)

Erwägung 3

    3.  Zur Einrede der Verjährung haben die kantonalen Gerichte
ausgeführt, eine Befristung des Anspruchs gemäss Art. 579 ZGB sei im Gesetz
nicht vorgesehen. Er könne deshalb innert der obligationenrechtlichen
Verjährungsfrist der Gläubigerforderung unbeschränkt geltend gemacht
werden. Die Verjährungsfrist der im Konkurs eingegebenen Forderungen
betrage fünf und mehr Jahre, so dass die Verjährungseinrede abzuweisen
sei. Während die Klägerin diese Auffassung teilt, wird sie von den
Beklagten bestritten. Deren Einrede könnte freilich nur Erfolg haben,
falls eine einjährige Verjährungsfrist massgebend sein sollte. Denn nach
den Feststellungen des Appellationshofs wäre selbst eine nur zwei Jahre
dauernde Verjährungsfrist gewahrt.

    3.1  Entgegen der Annahme der Beklagten ist die Haftung gemäss Art. 579
ZGB weniger mit den paulianischen Anfechtungsklagen verwandt. Sie muss auf
Grund ihrer Rechtsnatur eher mit der Gläubigerschutzbestimmung in Art. 193
ZGB verglichen werden (E. 2.3 hiervor). Dieser Haftungsanspruch geht nach
Lehre und Rechtsprechung nicht nur mit der Verjährung der Hauptschuld als
klagbarer Anspruch unter, sondern unterliegt auch einer selbstständigen
Verjährung, deren Frist nach allgemeinen obligationenrechtlichen
Grundsätzen zehn Jahre beträgt (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, aaO, N. 29 und
N. 56 zu Art. 193 ZGB; BGE 127 III 1 E. 3 S. 7 ff.). Damit stimmen die
Kommentatoren der Haftung gemäss Art. 579 ZGB überein. Der ausschlagende
Erbe kann solange in Anspruch genommen werden, als die Forderungen der
Erbschaftsgläubiger nicht verjährt sind (ESCHER/ESCHER, aaO, N. 15,
und SCHWANDER, Basler Kommentar, 2003, N. 4, je zu Art. 579 ZGB).

    (...)

Erwägung 4

    4.  Die Haftung nach Art. 579 ZGB setzt voraus, dass die ausschlagenden
Erben vom Erblasser Vermögenswerte erhalten haben, "die bei der Erbteilung
der Ausgleichung unterworfen sein würden" (Abs. 1). Es stellt sich
zunächst die Frage, ob die Schenkung des Erblassers an seine beiden
Töchter der Ausgleichungspflicht unterliegt. Sodann ist die Bedeutung
der Klausel in den Schenkungsverträgen zu prüfen, wonach die Beklagten
"von der erbrechtlichen Ausgleichung eines allfälligen Mehrwertes für die
hievor erworbenen Grundstücke gemäss Art. 629 ZGB ausdrücklich entbunden"
sein sollten.

    4.1  Gemäss Art. 626 ZGB sind die gesetzlichen Erben gegenseitig
verpflichtet, alles zur Ausgleichung zu bringen, was ihnen der
Erblasser bei Lebzeiten auf Anrechnung an ihren Erbanteil zugewendet hat
(Abs. 1). Was der Erblasser seinen Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung
oder durch Vermögensabtretung, Schulderlass u.dgl. zugewendet hat,
steht, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt,
unter der Ausgleichungspflicht (Abs. 2). Die Beklagten bestreiten, dass
eine ausgleichungspflichtige Zuwendung im Sinne von Art. 626 ZGB vorliege.

    4.1.1  In öffentlich beurkundeten Verträgen hat der Erblasser seinem
Willen Ausdruck gegeben, den Beklagten je bestimmte Grundstücke zu
schenken, die später überbaut werden sollten, und die Beklagten haben
daraufhin erklärt, die Schenkung dankend anzunehmen. Durch Vorlage
dieser Verträge hat die Klägerin eine Schenkung bewiesen, die aus
rechtlicher Sicht als Zuwendung im Sinne von Art. 626 ZGB zu betrachten
ist (vgl. etwa DRUEY, aaO, § 7 N. 29 ff. S. 86 f.; vgl. BGE 128 II 231
E. 2.3 S. 235 mit Hinweisen). Die Beklagten haben im kantonalen Verfahren
dagegen eingewendet, es handle sich nicht um eine "Schenkung", sondern
um die Abgeltung all der Leistungen, die sie stunden- und jahrelang im
Familienbetrieb ihrer Eltern erbracht hätten. Der Appellationshof hat
den Beweis dafür als nicht geleistet angesehen. Entgegen der heutigen
Darstellung der Beklagten hat der Appellationshof ihnen damit nicht die
Beweislast für die ausgleichungspflichtige Zuwendung auferlegt, sondern
für die von ihnen erhobene Einrede, dass die Vertragsparteien mit der
vereinbarten Schenkung die in Wirklichkeit beabsichtigte Entschädigung für
Arbeitsleistungen hätten verdecken wollen. Eine derartige Simulation hat
zu beweisen, wer sie behauptet, hier also die Beklagten (BGE 112 II 337
E. 4a S. 342 f.). Eine Verletzung der bundesrechtlichen Beweislastregel
(Art. 8 ZGB) liegt nicht vor.

    4.1.2  Die Schenkung der Grundstücke ist gemäss Art. 626 ZGB
ausgleichungspflichtig, wenn sie vom Erblasser auf Anrechnung
an den Erbanteil zugewendet worden ist (Abs. 1) oder wenn sie
sog. "Ausstattungscharakter" hat (Abs. 2), d.h. zum "Zweck der
Existenzbegründung, -sicherung, oder -verbesserung für den Empfänger"
erfolgt (BGE 76 II 188 E. 6 S. 196 und die seitherige Rechtsprechung). Ob
diese Voraussetzung erfüllt ist, stellt eine Rechtsfrage dar, die im
Falle einer Zuwendung von Grundstücken mit - wie hier - erheblichem Wert
grundsätzlich zu bejahen ist (vgl. BGE 116 II 667 E. 3b S. 674 ff. mit
Hinweisen).

    4.1.3  Die Ausgleichungspflicht ergibt sich schliesslich auch
daraus, dass der Erblasser die Beklagten unter Hinweis auf Art. 629
ZGB ausdrücklich "nur" von der Ausgleichung eines Mehrwertes befreit
hat. Gemeint ist damit die Befreiung davon, den Überschuss der Zuwendungen
über den Betrag des Erbanteils ausgleichen zu müssen. Aus dieser klaren und
unzweideutigen Klausel kann umgekehrt gefolgert werden, dass der Erblasser
die Ausgleichung der geschenkten Grundstücke wenigstens bis zur Höhe des
Erbanteils gewollt hat. Die Beklagten wenden gegen diese Auslegung des
Appellationshofs nichts Stichhaltiges ein. Es ist deshalb von einer im
Umfang der Erbanteile ausgleichungspflichtigen Zuwendung auszugehen.

    4.2  Die Regeln über die Ausgleichung sind dispositiver Natur. Der
Erblasser kann - unter Vorbehalt der gesetzlichen Pflichtteilsrechte -
von der Ausgleichungspflicht ganz oder teilweise dispensieren (BGE 118
II 282 E. 3 S. 285 ff.; 124 III 102 E. 5a S. 106; 126 III 171 E. 2
S. 172). Die in den Schenkungsverträgen enthaltene Klausel ist insoweit
zulässig, dass sich die Beklagten die erhaltene Zuwendung an den Erbanteil
anrechnen lassen müssen, einen Überschuss über den Betrag des Erbanteils
hingegen nicht auszugleichen haben (vgl. den Hinweis auf Art. 629 ZGB).

    Ob ein Ausgleichungsdispens von Seiten des Erblassers bei der
Haftung nach Art. 579 ZGB beachtlich ist, wird in der Lehre kontrovers
diskutiert. Nach Auffassung der Kommentatoren soll es nur auf die Natur
der Zuwendung ankommen und nicht auf den erblasserischen Willen. Die
ausgleichungspflichtigen Zuwendungen sind danach in einem rein objektiven
Sinne aufzufassen, d.h. als solche, die an sich ein fähiges Objekt der
Ausgleichung bilden (TUOR/PICENONI, aaO, N. 15, und ESCHER/ESCHER, aaO,
N. 7, je zu Art. 579 ZGB; gl.M. WALDER, Gläubigerschutz im schweizerischen
Erbrecht, Festschrift Soliva, Zürich 1994, S. 338 ff., S. 341; GÜBELI,
Gläubigerschutz im Erbrecht, Diss. Zürich 1998, S. 83). Gegen diese
Auslegung spricht - wie auch eingeräumt wird - der Gesetzeswortlaut,
wonach die Haftung gemäss Art. 579 ZGB nur Vorempfänge erfasst, "die bei
der Erbteilung der Ausgleichung unterworfen sein würden". Was auch in
der Erbteilung nicht ausgeglichen werden müsste, sei es kraft Gesetzes
oder sei es auf Grund erblasserischer Vorschrift, haftet den Gläubigern
nicht. Durch entsprechenden Dispens hätte es der Erblasser somit in
der Hand, die Zuwendung von der Ausgleichung und von der Haftung gemäss
Art. 579 ZGB auszunehmen. Die Vertreter dieser Lehrmeinung nehmen das in
Kauf unter Hinweis darauf, dass den Gläubigern in einem solchen Fall immer
noch die paulianischen Anfechtungsklagen gemäss Art. 285 ff. SchKG zur
Verfügung stünden. Für die Haftung nach Art. 579 ZGB sei die Ausschlagung
ursächlich und nicht das Verhalten des Erblassers (PIOTET, Erbrecht,
Schweizerisches Privatrecht IV/2, Basel 1981, § 83/I/B S. 638 f., und in:
ZBGR 74/1993 S. 74-76; vgl. WEGMANN, Die Beschränkungen der subjektiven
Rechte des Erben durch Gläubiger, Miterben und Ehegatten nach dem Rechte
des schweizerischen Zivilgesetzbuches, Diss. Zürich 1937, S. 79/80).

    In seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 18. Mai 1981 (C.43/ 1981)
hat sich das Bundesgericht der zweiten Lehrmeinung angeschlossen mit
der Begründung, allein schon mit dem Wortlaut von Art. 579 ZGB sei es
unvereinbar, die Haftung der Erben derart auszuweiten, dass unabhängig
vom Willen des Erblassers jede Zuwendung als ausgleichungspflichtig
aufzufassen wäre, die ihrer Natur nach als Objekt der Ausgleichung in
Frage käme (E. 2d, zit. bei SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, Basel
1997, N. 165 zu Art. 285 SchKG). Daran ist nicht nur mit Blick auf den
Gesetzestext, sondern auch unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik
festzuhalten. Art. 579 ZGB betrifft einzig die Ausschlagung der Erben
und nicht die lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers. Dessen Gläubiger
sollen wirtschaftlich so gestellt werden, als ob die Ausschlagung nie
stattgefunden hätte (E. 2.2 hiervor). Gegen die Zuwendungen des Erblassers
stehen dessen Gläubigern die paulianischen Anfechtungsklagen gemäss
Art. 285 ff. SchKG zur Verfügung. Die Anfechtungsobjekte sind insoweit
verschieden. Die paulianischen Anfechtungsklagen und der Anspruch aus
Art. 579 ZGB bestehen deshalb auch nebeneinander und schliessen sich nicht
aus (vgl. PIOTET, in: ZBGR 74/1993 S. 77 f.; SCHÜPBACH, aaO; A. STAEHELIN,
Basler Kommentar, 1998, N. 23 zu Art. 285 SchKG).

    4.3  Aus den dargelegten Gründen ist der erblasserische
Ausgleichungsdispens bei der Bestimmung der Haftung gemäss Art. 579 ZGB zu
beachten. In den Schenkungsverträgen hat der Erblasser die Beklagten von
der Ausgleichungspflicht im Umfang des ihren Erbanteil überschiessenden
Betrags befreit. Zu ermitteln ist, ob im konkreten Fall überhaupt ein
ausgleichungsbefreiter Mehrwert bzw. Überschuss vorliegt.

    4.3.1  Der Appellationshof hat festgehalten, der Nachlass
sei überschuldet, weshalb es ohne die im Umfang der Erbanteile
ausgleichungspflichtigen Vorempfänge kein teilbares Vermögen gäbe. Er
ist davon ausgegangen, der Wert der Vorempfänge betrage Fr. 96'250.-
für die Beklagte 1 sowie Fr. 99'330.- für die Beklagte 2. Gestützt
auf diese unbestrittenen Ausgangszahlen hat der Appellationshof die
ausgleichungspflichtigen Erbanteile - im Grundsatz - nach der Methode der
Kommentatoren berechnet (TUOR/PICENONI, aaO, N. 17, und ESCHER/ESCHER,
aaO, N. 12, je zu Art. 629 ZGB).

    In einem ersten Schritt hat der Appellationshof die überschuldete
"Erbschaft" (Fr. 0.-), den Vorempfang der Beklagten 1 (Fr. 96'250.-) und
den Vorempfang der Beklagten 2 (Fr. 99'330.-) zusammengerechnet (= Fr.
195'580.-), durch die Anzahl Erben (: 2) geteilt und so den Erbanteil
eines Erben erhalten (= Fr. 97'790.-).

    In einem zweiten Schritt hat der Appellationshof die Ausgleichung
festgelegt: Da der Vorempfang der Beklagten 1 (Fr. 96'250.-) kleiner als
ihr Erbanteil (Fr. 97'790.-) ist, gibt es keinen Überschuss und greift der
erblasserische Ausgleichungsdispens für den Mehrwert bei ihr nicht. Sie
hat den ganzen Vorempfang von Fr. 96'250.- zur Ausgleichung zu bringen.
Demgegenüber übersteigt der Vorempfang der Beklagten 2 (Fr. 99'330.-) ihren
Erbanteil (Fr. 97'790.-) und muss deshalb im Mehrwert (= Fr. 1'540.-)
nicht ausgeglichen werden. Die Beklagte 2 hat ihren Vorempfang nur im
Umfang des Erbanteils von Fr. 97'790.- zur Ausgleichung zu bringen.

    4.3.2  Die Beklagten wenden gegen die Berechnungsmethode ein,
Ausgangspunkt der Ausgleichung bilde der Netto-Nachlass, der hier -
angesichts der hohen Überschuldung von rund 1.5 Millionen Franken - negativ
sei und negativ bleibe, selbst wenn die Vorempfänge von rund Fr. 200'000.-
angerechnet würden. Es gebe keinen zu teilenden Sondernachlass aus den
erhaltenen Vorempfängen.

    Viele Fragen der Ausgleichung sind streitig und wenig geklärt.
Ausgangspunkt der Ausgleichung bildet der (reine) Nachlass, d.h. das beim
Tod des Erblassers noch vorhandene Vermögen abzüglich der Passiven. Durch
Hinzurechnung der ausgleichungspflichtigen Zuwendungen entsteht die
Teilungsmasse, aus der die Erbanteile errechnet werden können. Übersteigen
die lebzeitigen Zuwendungen den Erbanteil, wird der Erbe - falls er nicht
ausschlägt (E. 2.2 hiervor) - gegenüber den Miterben leistungspflichtig
(vgl. zum Begrifflichen: EITEL, Berner Kommentar, 2004, N. 15 der Vorbem.
vor Art. 626 ff. und N. 8 ff. zu Art. 628 ZGB; PIOTET, Erbrecht,
Schweizerisches Privatrecht IV/1, Basel 1978, § 53/III S. 380 f. und §
62 S. 439 ff.; aus der Rechtsprechung zuletzt: BGE 127 III 396 E. 1b/cc
und E. 2a S. 398 f.).

    In Anbetracht der Überschuldung des Nachlasses hafteten die Beklagten
bei voller Ausgleichungspflicht mit dem ganzen Wert der erhaltenen
lebzeitigen Zuwendungen. Zu berücksichtigen ist hier indessen der
erblasserische Ausgleichungsdispens, wonach die Zuwendungen in ihrem
den Erbanteil überschiessenden Betrag nicht auszugleichen sind (E.
4.2 soeben). Dieser teilweise Ausgleichungsdispens im Umfang des
Mehrwertes bzw. Überschusses nähert sich den Wirkungen eines vollen
Ausgleichungsdispenses an, je geringfügiger der Erbanteil ausfällt. Fehlt
es - wie hier - an einem Erbanteil überhaupt, weil auch nach Hinzurechnung
der lebzeitigen Zuwendungen teilbare Aktiven nicht vorhanden sind,
entspricht der ausgleichungsbefreite Mehrwert bzw. Überschuss der
lebzeitigen Zuwendung in ihrem vollen Betrag. Dieses Ergebnis ist -
ungeachtet der Berechnungsart - durch den Zweck des Ausgleichungsdispenses
gerechtfertigt: Der Erlass der Ausgleichungspflicht für den Überschuss
verhindert, dass der Erbe, der die Erbschaft annimmt und deshalb den
Vorempfang ausgleichen muss, schlechter gestellt wird als der Erbe, der
die Erbschaft ausschlägt und sich dadurch der Pflicht zur Ausgleichung
des Vorempfangs entziehen kann (vgl. PIOTET, aaO, IV/1, § 47/VII/B S. 334;
FORNI/ PIATTI, Basler Kommentar, 2003, N. 3 zu Art. 629 ZGB, mit weiteren
Hinweisen).

    4.3.3  Der Appellationshof ist zu einem abweichenden Ergebnis gelangt
auf Grund seiner Annahme, der überschuldete Nachlass müsse mit "null"
Franken bei der Berechnung der Erbanteile eingesetzt werden. Diese
Auffassung wurde von den Kommentatoren zwar in ihren Erstauflagen noch
geteilt, wird heute aber ebenso einhellig abgelehnt. Erbvorbezüge werden
auch dann zum Nachlass hinzugerechnet, wenn dieser überschuldet ist. Der
negative Saldo wird also durch den Wert der Erbvorbezüge verringert,
eventuell sogar in einen positiven Saldo verwandelt (ESCHER/ESCHER, Zürcher
Kommentar, 1959, N. 9 zu Art. 475 ZGB, und die Berner Kommentatoren:
TUOR, 1952, N. 30 ff., und WEIMAR, 2000, N. 37, je zu Art. 474 ZGB).

    4.3.4  Der Appellationshof hat sein Ergebnis zusätzlich auf den
Gedanken gestützt, es müssten Manipulationen des Erblassers, die Haftung
nach Art. 579 ZGB zu umgehen, vermieden werden. Soll indessen ein
erblasserischer Ausgleichungsdispens im Rahmen von Art. 579 ZGB beachtlich
sein, wie das der Appellationshof zu Recht anerkannt hat (E. 4.2 soeben),
kann die Haftung des ausschlagenden Erben ausgeschlossen werden, indem
der Erblasser ihn vollständig von der Ausgleichungspflicht befreit. Die
erblasserische Befreiung von der Ausgleichungspflicht wird dadurch nicht
per se rechtsmissbräuchlich. Es muss vielmehr ein Verhalten des Erblassers
hinzutreten, das als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, weil es
auf eine bewusste Benachteiligung der Gläubiger abzielt. Ist dies aber
der Fall, liegt nicht mehr der Tatbestand von Art. 579 ZGB vor, der an
die Ausschlagung der Erben anknüpft, sondern allenfalls ein Tatbestand
der paulianischen Anfechtungsklagen, die an ein bestimmtes Verhalten des
Schuldners anknüpfen (E. 4.2 soeben).

    4.3.5  Aus den dargelegten Gründen muss die Berufung gutgeheissen und
die Klage abgewiesen werden, soweit sie sich auf die Haftung der Erben
gemäss Art. 579 ZGB stützt. Eine Überprüfung der eingeklagten Ansprüche
unter dem Blickwinkel der paulianischen Anfechtungsklagen fällt ausser
Betracht. Die Klägerin hat deren Voraussetzungen im kantonalen Verfahren
weder behauptet noch bewiesen und ihre Ansprüche stets - so auch heute
- aus der Haftung gemäss Art. 579 ZGB abgeleitet. Es fehlt damit an
Tatsachenfeststellungen, die es gestatteten, die eingeklagte Forderung
unter dem anderen Rechtstitel zu beurteilen (BGE 116 II 695 E. 4 S. 699;
130 III 28 E. 4.4 S. 34).