Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 459



131 III 459

60. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. K. gegen
Stockwerkeigentümergemeinschaft Kornmarktgasse 2 (Berufung)

    5C.40/2005 vom 16. Juni 2005

Regeste

    Art. 712m ZGB; Beschlüsse der Stockwerkeigentümer; Minderheitenschutz;
Rechtsmissbrauchsverbot und Gleichbehandlungsgebot.

    Die gesetzlichen Bestimmungen über das Stockwerkeigentum
gewährleisten den Schutz der Minderheit nur in verfahrensmässiger
Hinsicht. Bezogen auf den Inhalt der zu treffenden Beschlüsse gebietet
der Grundsatz der schonenden Rechtsausübung, dass die Mehrheit von
verschiedenen gleichwertigen Entscheidungsmöglichkeiten diejenige
wählt, die die Interessen der Minderheit nicht oder am wenigsten
beeinträchtigt. Zusätzlich verbietet der Grundsatz der Gleichbehandlung
Unterscheidungen ohne sachlichen Grund, sofern die nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung im konkreten Einzelfall ein gewisses erhebliches
Mindestmass erreicht (E. 5).

Sachverhalt

    Die Liegenschaft Kornmarktgasse 2 ist in fünf Stockwerkeinheiten
aufgeteilt. Bei der ersten Stockwerkeinheit (Nr. 1) handelt es
sich um auf das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss des Gebäudes
verteilte Geschäftsräumlichkeiten, in welchen sich früher ein Café (Café
"Kornmarkt") und heute eine Modeboutique befindet. Bei den weiteren vier
Stockwerkeinheiten (Nrn. 2 bis 5) handelt es sich um Wohnungen oder
Büros bzw. Praxisräume. Sie befinden sich im 2. bis 6. Stockwerk des
Gebäudes. Der Klägerin K. gehört die Stockwerkeinheit Nr. 3 im vierten
Obergeschoss; sie betreibt eine Kupferstich-Galerie und wohnt auch dort.

    Verschiedene Mitglieder der beklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft
Kornmarktgasse 2 oder deren Mieter haben auf Erdgeschosshöhe an der Fassade
des Gebäudes Reklameeinrichtungen (Leuchtschriften und Schaukästen)
angebracht. So verfügt die Klägerin über einen Schaukasten links neben
dem Eingang zum Gebäude. Für die Inanspruchnahme der Fassade bezahlen
sie jedes Jahr einen Beitrag in den Erneuerungsfonds der Beklagten. Kein
solcher Beitrag wird jedoch vom Eigentümer bzw. von der Mieterin der
Stockwerkeinheit Nr. 1 verlangt, obwohl an der Fassade des Gebäudes auch
Reklameeinrichtungen für das vormalige Café bzw. die heutige Modeboutique
angebracht waren bzw. sind.

    Die Klägerin unterbreitete der Verwaltung der Beklagten den Antrag, es
sei an der Stockwerkeigentümerversammlung ein dem Gleichbehandlungsgebot
entsprechender Beschluss zu fassen, wonach alle Nutzerinnen und Nutzer
einen von der Beklagten festzulegenden und dem Gleichbehandlungsgebot nicht
widersprechenden Beitrag für die Fassadennutzung in den Erneuerungsfonds
zu leisten haben, sofern für die Fassadennutzung ein zu leistender Beitrag
beschlossen wird. Die Stockwerkeigentümerversammlung vom 29. Januar 2002
wies den Antrag mit allen gegen die Stimme der Klägerin ab.

    Die Klägerin focht den Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft
an. Die kantonalen Gerichte wiesen ihre Klage ab. Das Bundesgericht
weist die Berufung der Klägerin ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.  Hauptstreitpunkt bildet die Geltung von Rechtsmissbrauchsverbot
und Gleichbehandlungsgebot im Verhältnis unter Stockwerkeigentümern.

    5.1  Gemäss Art. 75 i.V.m. Art. 712m Abs. 2 ZGB können nur solche
Beschlüsse beim Gericht angefochten werden, die das Gesetz oder die
Statuten verletzen. Die Anfechtungsmöglichkeit hat hingegen nicht
zum Zweck, die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der Beschlüsse der
Stockwerkeigentümergemeinschaft überprüfen zu lassen (WERMELINGER, Das
Stockwerkeigentum, Zürich/ Basel/Genf 2004, N. 202, und MEIER-HAYOZ/REY,
Berner Kommentar, 1988, N. 129, je zu Art. 712m ZGB).

    5.2  Unter dem Gesetz sind zunächst die Bestimmungen über das
Stockwerkeigentum (Art. 712a ff. ZGB zum Teil in Verbindung mit dem
Miteigentums- und Vereinsrecht) zu verstehen. Diese enthalten mehrere
Verfahrensvorschriften, welche die Gleichheit der Stockwerkeigentümer
gewährleisten und den Machtmissbrauch durch die Mehrheit verhindern sollen.

    Alle Beschlüsse, welche das Gesetz keinem andern Mehr unterstellt,
sind - unter Vorbehalt einer anders lautenden reglementarischen
Bestimmung - mit einfachem Mehr nach Köpfen zu fassen (Art. 67 Abs. 2
i.V.m. Art. 712m Abs. 2 ZGB; ausdrücklich, z.B. Art. 647a Abs. 2, Art. 647c
oder Art. 649b Abs. 2 ZGB). Ausschlaggebend ist grundsätzlich der Wille
der Mehrheit. Mit dem Eintritt in die Stockwerkeigentümergemeinschaft
unterwirft sich jeder Eigentümer diesem Grundsatz und anerkennt, dass die
Mehrheit auch dann bindend entscheidet, wenn sie nicht Lösungen trifft,
die seinem Willen entsprechen (vgl. BGE 102 II 265 E. 3 S. 269). Bestimmte
Beschlüsse unterstellt das Gesetz dem qualifizierten Mehr nach Köpfen und
Wertquoten (z.B. Art. 647b Abs. 1, Art. 647d Abs. 1, Art. 647e Abs. 2
oder Art. 712g Abs. 3 ZGB). Mit einem solchen Mehrheitserfordernis
werden die Eigentümer bevorzugt, welche einen grösseren wirtschaftlichen
Anteil am Stockwerkeigentum halten; damit wird dessen sachenrechtliche
Komponente betont. Schliesslich können bestimmte Beschlüsse gemäss Gesetz
nur einstimmig gefasst werden, weil ein Mehrheitsbeschluss deren Tragweite
nicht genügend Rechnung trägt (z.B. Art. 647e Abs. 1, Art. 648 Abs. 2 oder
Art. 712g Abs. 2 ZGB). Das Erfordernis der Einstimmigkeit gewährt jedem
Mitglied ein Vetorecht und damit einen umfassenden Minderheitenschutz. Die
Einstimmigkeit entspricht nicht einem demokratischen Entscheidverständnis,
weshalb sie ausserordentlichen Fällen vorbehalten bleibt (vgl. zum Ganzen:
WERMELINGER, aaO, N. 163 ff. zu Art. 712m ZGB mit weiteren Beispielen).

    Die Klägerin macht nicht geltend, das Obergericht habe eine
Verfahrensbestimmung des Stockwerkeigentumsrechts verletzt. Vielmehr ist
unbestritten, dass der angefochtene Beschluss der Beklagten vom 29. Januar
2002 mit einfachem Mehr nach Köpfen und Anteilen zu fällen war und dass
er korrekt zustande kam. Die Klägerin konnte ihre Stimme anlässlich der
Stockwerkeigentümerversammlung gleich wie die andern Stockwerkeigentümer
einbringen. Sie hat den Beschluss der Gemeinschaft daher grundsätzlich
hinzunehmen.

    5.3  Der Normenkomplex, der das Stockwerkeigentum ordnet, enthält nach
dem Gesagten zahlreiche Bestimmungen, die in verfahrensmässiger Hinsicht
das Gleichbehandlungsgebot und den Schutz von Minderheiten gewährleisten
sollen. Er enthält aber kein auf den Inhalt der Beschlüsse bezogenes
allgemeines Rechtsmissbrauchsverbot und Gleichbehandlungsgebot. Unter
dem Gesetz im Sinne von Art. 75 ZGB ist freilich nicht nur die Ordnung
des Stockwerkeigentums, sondern die ganze Rechtsordnung zu verstehen
(MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 128 zu Art. 712m ZGB), die auch aus den
aus Art. 2 ZGB abgeleiteten oder ungeschriebenen Grundsätzen besteht
(HEINI/SCHERRER, Basler Kommentar, 2002, N. 12, und RIEMER, Berner
Kommentar, 1990, N. 35 ff., je zu Art. 75 ZGB).

    Art. 2 Abs. 2 ZGB gewährt offenbarem Rechtsmissbrauch keinen
Rechtsschutz. Aus dieser Bestimmung haben Lehre und Rechtsprechung unter
anderem das Gebot schonender Rechtsausübung abgeleitet. Es hat seinen
Ursprung im Sachenrecht und bedeutet, dass rechtsmissbräuchlich handelt,
wer von mehreren in etwa gleichwertigen Möglichkeiten, die ihm zur Ausübung
eines Rechts offen stehen, ohne sachlichen Grund gerade diejenige wählt,
welche für einen anderen besondere Nachteile mit sich bringt (HAUSHEER/
JAUN, Die Einleitungstitel des ZGB, Bern 2003, N. 101 f. zu Art. 2 ZGB,
mit Hinweisen auf die weiteren Kommentare). Das Stockwerkeigentum ist
aber nicht nur ein Institut des Sachenrechts, sondern es ist mit der
Stockwerkeigentümergemeinschaft auch körperschaftsähnlich organisiert (BGE
111 II 330 E. 6 S. 338; 125 II 348 E. 2 S. 350). Bei körperschaftlich
organisierten Personenverbänden und im Gesellschaftsrecht hat das
Gebot schonender Rechtsausübung eine besondere Ausprägung zugunsten
der Minderheit erfahren. Es gebietet, dass die zuständige Mehrheit die
ihr eingeräumte Macht im Hinblick auf entgegengesetzte Interessen der
Minderheit nicht missbrauchen darf, indem sie diese ohne sachlichen
Grund verletzt (BGE 117 II 290 E. 4e S. 300; vgl. auch BGE 121 III 219
E. 1a S. 222 und E. 3 S. 238; HAUSHEER/JAUN, aaO, N. 104 zu Art. 2 ZGB,
mit Hinweis auf die grundlegenden Arbeiten von MEIER-HAYOZ/ZWEIFEL, Der
Grundsatz der schonenden Rechtsausübung im Gesellschaftsrecht, Festschrift
Westermann, Karlsruhe 1974, S. 383 ff., und FULVIO PELLI, Der Grundsatz
der schonenden Rechtsausübung als Schranke der Ermessensfreiheit der
Generalversammlung einer Aktiengesellschaft, Diss. Zürich 1978). Das
Rechtsmissbrauchsverbot legt daher Schranken der Mehrheitsmacht fest und
erkennt der Minderheit unentziehbare Schutzrechte zu (MEIER-HAYOZ/REY,
aaO, N. 66, und WERMELINGER, aaO, N. 173, je zu Art. 712m ZGB; vgl.
FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, §
39 N. 25 S. 459).

    Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des
Obergerichts haben verschiedene Mitglieder der Beklagten einschliesslich
der Klägerin auf Erdgeschosshöhe an der Gebäudefassade Reklameeinrichtungen
(Leuchtschriften und Schaukästen) angebracht. Dafür bezahlen sie alle
jedes Jahr einen Beitrag in den Erneuerungsfonds. Kein Beitrag wird einzig
vom Eigentümer der Stockwerkeinheit Nr. 1 einverlangt. Daraus erhellt,
dass die Mehrheit der Stockwerkeigentümer entgegen ihren Interessen einem
einzigen Minderheitseigentümer eine Vorzugsbehandlung zukommen lässt und
nicht ihre eigenen Interessen der Minderheit aufzwingt. Es trifft aufgrund
dieses Sachverhalts auch nicht zu, dass die Klägerin als Minderheit
anders behandelt würde als die Mehrheit, welche vielmehr gleich wie sie
Beiträge an den Erneuerungsfonds leistet. Bei dieser Sachlage kann nicht
bestätigt werden, dass im vorliegenden Fall die Mehrheit ihre Interessen
der Minderheit aufgezwungen habe.

    5.4  Kann in der konkreten Situation nicht gesagt werden, eine Mehrheit
der Stockwerkeigentümer habe zu ihrem eigenen Vorteil der Minderheit eine
Benachteiligung aufgezwungen, bleibt die Frage nach der Geltung eines
Gleichbehandlungsgebots, das nicht nur die Minderheit schützt, sondern
allgemein von der Stockwerkeigentümergemeinschaft gleiche Behandlung der
Eigentümer verlangt.

    5.4.1  Das Bundesgericht hat in BGE 111 II 330 E. 6 S. 338
ausgeführt, es liessen sich zwar Argumente finden, um dem Grundsatz der
Gleichbehandlung auch innerhalb der körperschaftsähnlich organisierten
Stockwerkeigentümergemeinschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Es hat dann
aber offen gelassen, ob dieser Grundsatz auch unter Stockwerkeigentümern
gelte. Die Klägerin leitet aus dem Gleichbehandlungsgebot weitergehende
Rechte ab als aus einem blossen Rechtsmissbrauchsverbot. Die
Frage ist deshalb zu prüfen. Die Beklagte bestreitet einen für
Stockwerkeigentümergemeinschaften anwendbaren Gleichbehandlungsgrundsatz.
Das Obergericht ist davon ausgegangen, das Gebot der Gleichbehandlung
habe auch für Stockwerkeigentümergemeinschaften Geltung, sei hier aber
nicht verletzt (LGVE 2004 I Nr. 17 S. 36 ff.).

    5.4.2  Das Gleichbehandlungsgebot ist kein ungeschriebener Grundsatz
des Sachenrechts (vgl. REY, Die Grundlagen des Sachenrechts, 2. Aufl.,
Bern 2000, S. 71 ff.; STEINAUER, Les droits réels, I, 3. Aufl., Bern 1997,
S. 38 ff.). Auch im Vertragsrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht
in allgemeiner Weise. Vielmehr ist dort vom Grundsatz der Vertragsfreiheit
auszugehen. Mit Bezug auf den vereinbarten Vertragsinhalt sind danach
grundsätzlich beliebige Differenzierungen zwischen den einzelnen
Vertragspartnern erlaubt (BGE 129 III 276 E. 3.1 S. 281 ff. mit Hinweisen).
Auch Grundeigentümer können unter sich Verträge abschliessen, ohne
an das Gleichbehandlungsgebot gebunden zu sein. Für körperschaftlich
organisierte Gesellschaften, insbesondere im Vereinsrecht (BGE 108 II
15 E. 4c S. 23; RIEMER, aaO, N. 164 zu Art. 70 und N. 36 zu Art. 75
ZGB), im Genossenschaftsrecht (GUHL/KUMMER/ DRUEY, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, § 77 N. 29 ff. S. 841) und
im Gesellschaftsrecht gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung dagegen
seit jeher als ungeschriebener allgemeiner Grundsatz (BGE 69 II 246 E. 1
S. 248 ff.; 95 II 157 E. 4 S. 162 ff.; 102 II 265 E. 1 S. 267; 117 II
290 E. 4e S. 300 mit Hinweisen). Teils ist er ausdrücklich in das Gesetz
aufgenommen worden (Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR für Aktiengesellschaften;
Art. 854 OR für Genossenschaften).

    5.4.3  Wie bereits ausgeführt, sind die Stockwerkeigentümer
körperschaftsähnlich organisiert. Sie können sich deshalb dem Gebot
der Gleichbehandlung nicht verschliessen (so auch MEIER-HAYOZ/ REY,
aaO, N. 128 zu Art. 712m ZGB; REY, Schweizerisches Stockwerkeigentum,
2. Aufl., Zürich 2001, S. 92 Anm. 340; WEBER, Minderheitenschutz beim
Stockwerkeigentum, in: ZBGR 60/1979 S. 144 ff., S. 164 ff. Ziff. 3.3).
Allerdings darf die Freiheit der für einen Beschluss zuständigen Mehrheit
durch das Anfechtungsrecht eines einzelnen Stockwerkeigentümers nicht
leichthin beschränkt werden. Der Respekt vor dem Mehrheitsprinzip ruft
vielmehr nach einer gewissen Zurückhaltung bei der Überprüfung solcher
Beschlüsse (vgl. DUBS/TRUFFER, Basler Kommentar, 2002, N. 15a zu Art. 706
OR). Unterscheidungen zwischen Stockwerkeigentümern sind daher zulässig
und oftmals nötig. Eine Unterscheidung verstösst erst dann gegen das
Gleichbehandlungsgebot, wenn es dafür keinen sachlichen Grund gibt. Zudem
muss die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ein gewisses erhebliches
Mindestmass erreichen (WEBER, aaO, S. 166 Ziff. 3.3 und S. 168 f. Ziff.
3.4.3).

    5.4.4  Das Gebot der Gleichbehandlung im genannten Sinn gilt
insbesondere für die Nutzung der gemeinschaftlichen Teile, wozu die
Aussenfassade gehört (Art. 712b Abs. 2 Ziff. 2 ZGB). Die Klägerin
beruft sich diesbezüglich zusätzlich auf Art. 9 des Reglements der
Stockwerkeigentümergemeinschaft vom 8. Februar 1979. Das Reglement
gehört zu den Statuten im Sinne von Art. 75 ZGB, deren Verletzung
anfechtbar ist (MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 128 zu Art. 712m ZGB; REY,
Stockwerkeigentum, aaO, S. 92 f. N. 350). Nach Art. 9 des Reglements
ist jeder Stockwerkeigentümer berechtigt, die gemeinschaftlichen Teile
des Gebäudes, d.h. alle diejenigen Teile, die nicht als Sonderrechte
ausgeschieden sind, sowie die gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen
zu benutzen, soweit dies mit dem gleichen Recht jedes anderen und mit
den Interessen der Gemeinschaft vereinbar ist. Auch diese statutarische
Regelung bringt den Gedanken der Gleichbehandlung zum Ausdruck. Sie äussert
sich allerdings nicht zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen
Sondernutzungsrechte, welche das gleiche Recht jedes andern an der
gemeinsamen Aussenfassade definitionsgemäss ausschliessen, zulässig
sind. Es bleibt daher dabei, dass die gestellte Rechtsfrage nach dem
ungeschriebenen Grundsatz der Gleichbehandlung zu beantworten ist.

    5.4.5  Art. 1 des Stockwerkeigentümerreglements vom 8. Februar 1979
legt fest, dass die Stockwerkeinheit Nr. 1 "als Laden, resp. Café oder
Restaurantbetrieb benützt" werden darf, während die Stockwerkeinheiten Nrn.
2 bis 5 "nur als Wohnungen oder Büros, resp. Praxisräume ... benützt
werden" dürfen. Die Stockwerkeinheit Nr. 1 befindet sich im Erdgeschoss, wo
die Reklamen angebracht sind, während die Einheiten Nrn. 2 bis 5 in oberen
Stockwerken gelegen sind, wo die Fassade keine Reklamen aufweist. Die
unterschiedliche Zwecksetzung und die unterschiedliche Lage der
Stockwerkeinheiten geben einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche
Regelung der Fassadennutzung ab. Die im Reglement vorgesehene gewerbliche
Nutzung der Stockwerkeinheit Nr. 1 schliesst die Werbemöglichkeit an
der Aussenfassade zwangsläufig mit ein. Zu einem Ladengeschäft oder
Restaurantbetrieb gehört gleichsam begriffsnotwendig ein Aushänge- oder
Wirtshausschild. Da die Stockwerkeinheit Nr. 1 zudem von Beginn an für
die gewerbliche und keine andere Nutzung bestimmt gewesen ist, kann auch
gesagt werden, die übrigen Stockwerkeinheiten, deren Zweckbestimmung
weiter gefasst ist und namentlich ein blosses Wohnen beinhaltet, seien
nicht zwingend auf Fassadenwerbung angewiesen, sondern nur für den Fall,
dass sie reglementskonform als Büros oder Praxisräume genutzt werden. Es
lässt sich deshalb mit vor dem Gleichbehandlungsgebot haltbaren Gründen
ausführen, in der reglementskonformen Nutzung des Erdgeschosses als Laden
sei eine entschädigungslose Nutzung der Fassade auf Erdgeschosshöhe
zu Reklamezwecken inbegriffen, während die gleiche entschädigungslose
Nutzung der Fassade den Obergeschossen nicht zustehe. Die Rüge ist daher
unbegründet. Bei diesem Ergebnis ist unerheblich, ob die Entschädigung
für die Fassadennutzung schon bei der Bestimmung der Wertquote der
Stockwerkeinheit Nr. 1 berücksichtigt worden ist, wie die erste Instanz
angenommen und die zweite Instanz offen gelassen hat.

    5.5  Aus den dargelegten Gründen verletzt der angefochtene Beschluss
der Stockwerkeigentümergemeinschaft weder Verfahrensvorschriften noch
das Rechtsmissbrauchsverbot oder das Gleichbehandlungsgebot.