Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 414



131 III 414

53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. und B. gegen
Kantonsgericht von Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    5A.38/2004 vom 3. Mai 2005

Regeste

    Einspracheverzicht als Gegenstand einer Grunddienstbarkeit.

    Die Einsprachemöglichkeiten gegen Baugesuche und Zonenpläne werden
abschliessend durch das öffentliche Recht geregelt, weshalb der Verzicht
auf Einsprachen nicht zum Gegenstand einer Grunddienstbarkeit gemacht
werden kann (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Parteien schlossen einen Vertrag, der u.a. folgende Klausel
enthielt:

    "- Die jeweiligen Eigentümer der Parzelle Nr. 1 verpflichten sich,
gegen

        diese Aufzonung bei keiner Behörde Einwendungen zu erheben, keine

        Einsprachen, keine Rekurse und Beschwerden und keine Anträge zu

        stellen. Zudem verpflichten sich die jeweiligen Eigentümer der

        Parzelle Nr. 1, gegen Bauvorhaben des jeweiligen Eigentümers der

        Parzelle Nr. 2 auf dieser Parzelle keine Einsprachen zu erheben."

    Dieser Einspracheverzicht war als Grunddienstbarkeit gedacht und sollte
dem Grundbuchamt Z. zur unwiderruflichen Eintragung angemeldet werden.

    B.- Mit Verfügung vom 26. Februar 2004 wies das Grundbuchamt Z. die
am 18. Februar 2004 beantragte Eintragung ab mit der Begründung, eine
Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass der belastete Eigentümer künftig
generell auf sein Einspracherecht gegen Bauvorhaben auf dem berechtigten
Grundstück verzichte, sei unzulässig.

    Mit Verfügung vom 25. Mai 2004 wies das Departement des Innern
und der Volkswirtschaft die dagegen erhobene Grundbuchbeschwerde
ab. Desgleichen wies das Kantonsgericht von Graubünden die hiergegen
erhobene zivilrechtliche Berufung mit Urteil vom 29. September 2004 ab.

    C.- Gegen das Urteil des Kantonsgerichts haben A. und B. am
13. Dezember 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben
mit den Begehren um dessen Aufhebung und um Eintragung der am 18. Februar
2004 beim Grundbuchamt Z. angemeldeten Dienstbarkeiten.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Gegenstand der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist
die Rechtsfrage, ob ein Einspracheverzicht gegen eine Zonenänderung
bzw. gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück zum Gegenstand einer
Grunddienstbarkeit gemacht werden kann.

    2.1  (...) Die einschlägige Vertragsklausel hat offensichtlich den
Verzicht auf Einsprachen, Rekurse und Beschwerden im öffentlich-rechtlichen
Bau- und Planungsrecht im Auge, lassen sich doch allfällige
privatrechtliche Schutzansprüche im Sinn von Art. 641 bzw. 684 ZGB nur
vereinzelt mit privatrechtlicher Einsprache, die im öffentlich-rechtlichen
Verfahren (mit)beurteilt wird, wahren (so namentlich in den Kantonen
St. Gallen und Thurgau, vgl. § 86 BauG/SG und § 91 PBG/TG), während in
den meisten Kantonen der Zivilweg zu beschreiten und eine ordentliche
Zivilklage anzustrengen ist (vgl. beispielsweise § 317 PBG/ZH). Weder
im Raumplanungsgesetz des Kantons Graubünden noch im Baugesetz von
Z. findet sich eine Norm, wonach im öffentlich-rechtlichen Verfahren
auch privatrechtlich Einsprache erhoben werden könnte, weshalb hierfür
eine ordentliche Zivilklage anzustrengen wäre. Ob ein Verzicht auf die
betreffenden zivilrechtlichen Ansprüche bzw. das Klagerecht Gegenstand
einer Dienstbarkeit sein könnte, muss vorliegend nicht beurteilt werden.

    2.2  Was die Einsprachemöglichkeiten gegen eine Zonenänderung
anbelangt, kann ein Verzicht bereits deshalb nicht zum Gegenstand einer
privatrechtlichen Dienstbarkeit gemacht werden, weil die Zonenänderung
in einem öffentlich-rechtlichen Planverfahren zu erlassen ist, über das
die Parteien als Grundeigentümer nicht rechtsgeschäftlich verfügen können.

    2.3  Im Übrigen werden sowohl die Einsprachemöglichkeiten gegen
Baugesuche als auch diejenigen gegen Zonenpläne abschliessend durch das
öffentliche Recht geregelt. Dabei sind die Minimalvorgaben zu beachten,
wie sie sich aus dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz ergeben: Gemäss
Art. 33 Abs. 2 RPG (SR 700) hat das kantonale Recht wenigstens ein
Rechtsmittel gegen Verfügungen und Nutzungspläne vorzusehen, die sich
auf das Raumplanungsgesetz und seine kantonalen und eidgenössischen
Ausführungsbestimmungen stützen. Diese bundesrechtlichen Anforderungen
gelten insbesondere für alle raumrelevanten Baubewilligungsverfahren (vgl.
Art. 22 RPG; BGE 118 Ib 26 E. 4b S. 30; 125 II 10 3b/aa S. 16 f.) und
für sämtliche Zonenpläne (vgl. BGE 111 Ib 9 E. 3 S. 12, 13 E. 3b S. 14).

    Auch wenn die Baueinsprache nicht als "Popularbeschwerde" bezeichnet
werden kann, sind nicht nur die Eigentümer der Nachbargrundstücke zur
Einsprache bzw. Beschwerdeführung legitimiert. Vielmehr können je nach der
konkreten Sachlage weiter entfernte Nachbarn (vgl. BGE 128 II 168), aber
auch Mieter und Pächter (vgl. BGE 116 Ia 177 E. 3a S. 179; 120 Ib 48 E. 2b
S. 52, 379 E. 3d S. 384) sowie Umweltschutzorganisationen (vgl. Art. 55 USG
[SR 814.01]) und Gemeinwesen (Behördeneinsprache) als Einsprecher auftreten
(vgl. auch HÄNNI, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 4.
Aufl., Bern 2002, S. 317; ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern,
2. Aufl., Bern 1995, N. 16 ff. zu Art. 35 und 35a).

    Wohl ist der Eigentümer des benachbarten Grundstücks in der Regel
legitimiert, gegen Bauvorhaben Einsprache zu erheben. Die Legitimation
hierzu schöpft er jedoch nicht aus seinem Eigentumsrecht; vielmehr
wird diese durch das eidgenössische und kantonale öffentliche Recht
bestimmt. Das Eigentumsrecht am Grundstück ist nur insoweit relevant, als
ein Eigentümer von einem Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück regelmässig
im Sinn der öffentlich-rechtlichen Legitimationsdefinition betroffen ist
und ein schutzwürdiges Interesse an der Einsprache hat.

    Fliesst jedoch die Befugnis, Einsprache zu erheben, nicht aus dem
Eigentumsrecht, sondern ist sie ein Instrument des Verfahrensrechts, lässt
sich der vereinbarte Einspracheverzicht nicht im rechtlichen Kleid einer
Grunddienstbarkeit verdinglichen, denn Gegenstand einer Dienstbarkeit
kann nur das Dulden eines Eingriffs, den der belastete Eigentümer mit
der Eigentumsklage abwehren könnte (positive Dienstbarkeit), oder das
Unterlassen einer Benutzung des Grundstücks, die ihm als Eigentumsbefugnis
zustünde (negative Dienstbarkeit), sein (vgl. Art. 730 Abs. 1 ZGB;
LIVER, Zürcher Kommentar, N. 106 zu Art. 730 ZGB). Folglich hat der
Grundbuchverwalter, dem die Prüfung obliegt, ob das angemeldete Recht sich
seiner Natur nach zur Aufnahme im Grundbuch eigne (BGE 114 II 324 E. 2b S.
326), die Eintragung des Einspracheverzichts zu Recht abgelehnt.

    Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, inwieweit die vertragliche
Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts materiell-rechtlich überhaupt
zulässig ist (vgl. dazu KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz
des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 19-28, N. 56
m.w.H.).