Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 319



131 III 319

43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. AG gegen A.
(Berufung)

    4C.335/2004 vom 3. Februar 2005

Regeste

    Negative Feststellungsklage; Feststellungsinteresse.

    Das Interesse einer Partei, unter mehreren möglichen Gerichtsständen
den ihr zusagenden wählen zu können, vermag für sich allein kein
schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen (Bestätigung der
Rechtsprechung; E. 3).

Sachverhalt

    A.

    A.a Die X. AG mit Sitz in Arbon stellt Textilmaschinen her. Die
Y. SA, Panama hat sich in Syrien für den Verkauf von Maschinen der
X. AG eingesetzt und von ihr dafür zwei Provisionszahlungen von je DM
1 Mio. erhalten. Die Y. SA verlangte eine weitere Provisionszahlung von
DM 1 Mio., wobei sie anführte, sie sei von A., Verwaltungsratsmitglied
der X. AG, mit Wohnsitz im Kanton Genf mit der Vermittlung beauftragt
worden. Die X. AG war nicht bereit, eine weitere Provisionszahlung
zu leisten.

    A.b Am 2. Juni 1998 klagte die Y. SA beim Genfer Tribunal de Première
Instance gegen A. auf Zahlung einer Provision in der Höhe von DM 1 Mio. A.
unterstützte die Klage, verkündete der X. AG ausserprozessual den Streit
und machte ihr gegenüber Rückgriffsansprüche geltend.

    A.c Am 3. Januar 2000 reichte A. beim Tribunal de Première Instance in
Genf gegen die X. AG eine erste Gewährleistungs- bzw. Regressklage ein, mit
der er sinngemäss verlangte, falls er im Prozess gegen die Y. SA in Genf
zur Zahlung einer Provision verurteilt werde, habe die X. AG ihm diese zu
erstatten. Das Tribunal de Première Instance ist am 28. September 2000 auf
diese Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten. In der Folge
kündigte A. an, er werde nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 24.
März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz,
GestG; SR 272) im Januar 2001 erneut eine Gewährleistungsklage erheben.

    A.d Mit Vermittlungsbegehren vom 21. Dezember 2000 stellte die
X. AG beim Friedensrichteramt Arbon gegen die Y. SA den Klageantrag, es
sei festzustellen, dass ihr gegenüber der X. AG keinerlei Ansprüche aus
Vermittlungstätigkeit oder anderen Interventionen im Zusammenhang mit der
Lieferung von Textilmaschinen für das Idleb-Projekt in Syrien zustehen,
insbesondere nicht die geltend gemachte Provision von DM 1 Mio. bzw. Fr.
820.000.-.

    B.

    B.a Ebenfalls am 21. Dezember 2000 reichte die X. AG (nachstehend:
Klägerin) beim Friedensrichteramt Arbon ein Vermittlungsbegehren gegen A.
(nachstehend: Beklagter) ein, mit dem sie folgende Klagebegehren stellte:

    "1. Es sei der Beklagte gerichtlich zu verpflichten, der Klägerin den

         Betrag von CHF 69'008.25 nebst 5 % Zins ab 14. September 2000

         anzuerkennen und zu bezahlen, im Sinn einer Teilsumme und unter

         ausdrücklichem Vorbehalt des Nachklagerechtes.

      2. In der von der Klägerin gegen den Beklagten angehobenen Betreibung

         Nr. [...] des Betreibungsamtes Arve-Lac (Genève) vom

         8./14. September 2000 sei für den Teilbetrag von CHF 68'406.25

         nebst 5 % Zins ab 14.  September 2000 der Rechtsvorschlag des

         Beklagten aufzuheben.

      3. Es sei festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin für allen

         weiteren Schaden, Kosten und Entschädigungsfolgen haftet und

         ersatzpflichtig ist, welche der Klägerin aus einer allfälligen

         gerichtlich auferlegten Zahlungsverpflichtung gegenüber der

         Y. SA, Panama, betreffend eine bestrittene Provisionszahlung,

         insbesondere aus dem in Genf zwischen der Y. SA, Panama, und dem

         Beklagten anhängigen Streitverfahren erwachsen, einschliesslich

         aller damit zusammenhängenden oder nachfolgenden Haupt-, Zwischen-

         oder Nebenverfahren.

      4. Es sei festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die

         Klägerin von allen Ansprüchen der Y. SA, Panama, freizustellen

         bzw.  diese zu eigenen Lasten ohne Rückgriff gegenüber der

         Klägerin zu tragen, insbesondere dass ihm kein Freistellungs- oder

         Rückgriffsanspruch gegenüber der Klägerin aus einem allfälligen

         Unterliegen des Beklagten in der vor dem Tribunal de Première

         Instance, Genève, unter Geschäftsnummer C/15610/1998 gegen ihn

         von der Y. SA angehobenen Forderungsklage zusteht, lautend auf

         die Forderungssumme von CHF 820'000.- (entsprechend dem Gegenwert

         von DM 1 Mio), nebst Zinsen zu 5 % seit dem 24. September 1997,

         sowie Kosten und Entschädigungsfolgen."

    Gemäss der Interpretation des Bezirksgerichts Arbon weisen die
Klagebegehren 3 und 4 folgende Teilbegehren auf:

    "3.1 Feststellung der Schadenersatzpflicht des Beklagten für allen

          Schaden (insbesondere Prozesskosten) der Klägerin, welcher ihr

          aus einer allfällig auferlegten Zahlungsverpflichtung gegenüber

          der Y.  SA entstehen könnte.

      3.2 Feststellung einer Schadenersatzpflicht des Beklagten für allen

          Schaden (insbesondere Prozesskosten) der Klägerin, welcher ihr

          aus dem Verfahren zwischen der Y. SA und dem Beklagten in Genf

          entstehen könnte.

      4.1 Feststellung der Rückerstattungspflicht des Beklagten

          ("freizustellen") gegenüber der Klägerin, sollte die Y. SA mit

          ihren Provisionsanspruch gegen die Klägerin im zweiten Prozess

          in Arbon obsiegen.

      4.2 Feststellung, dass dem Beklagten kein Rückgriffsrecht gegenüber

      der

          Klägerin zustehe, sollte dieser im Verfahren der Y. SA gegen ihn

          in Genf unterliegen und zu einer Provisionszahlung verpflichtet

          werden."

    B.b Am 3. Januar 2001 erhob der Beklagte gemäss seiner Ankündigung
beim Tribunal de Première Instance in Genf gegen die Klägerin eine
zweite Gewährleistungsklage auf Regressname für den Fall, dass er im
Genfer Prozess gegen die Y. SA zur Zahlung einer Provision verpflichtet
werde. Der Beklagte berief sich dabei auf das am 1. Januar 2001 in
Kraft getretene Gerichtsstandsgesetz, das in Art. 8 vorsieht, das
kantonale Recht könne für eine Interventions- und Gewährleistungsklage,
insbesondere aufgrund eines Regressrechts des Beklagten, die Zuständigkeit
des Gerichts des Hauptprozesses vorsehen. Gestützt auf diese Bestimmung
und eine entsprechende Genfer Regelung bejahte das Tribunal de Première
Instance seine örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der zweiten
Gewährleistungsklage des Beklagten. Es ging jedoch davon aus, diese
Klage sei mit dem von der Klägerin bereits am 21. Dezember 2000 in Arbon
gestellten Klagebegehren in Ziff. 4 auf negative Feststellung identisch.
Demnach sistierte das Tribunal de Première Instance mit Entscheid vom 26.
April 2001 das Verfahren bezüglich der Gewährleistungsklage gemäss
Art. 35 GestG bis das thurgauische Gericht über seine Zuständigkeit
befunden habe. Dieser Genfer Sistierungsentscheid wurde bis an das
Bundesgericht weitergezogen, welches ihn am 8. Mai 2002 bestätigte.

    B.c Am 31. Januar 2001 stellte der Friedensrichter in Arbon fest,
dass eine Einigung zwischen den Parteien bezüglich der von der Klägerin
am 21. Dezember 2000 gegen den Beklagten gestellten Klagebegehren
(vgl. lit. B.a hiervor) nicht zustande kam. Die Klägerin reduzierte
in ihrer entsprechenden Klageschrift an das Bezirksgericht Arbon vom
6. April 2001 den in Ziff. 1 geforderten Betrag auf Fr. 68'406.25. Zur
Begründung der Forderung machte sie geltend, ihr sei seit Beginn der
Klageeinreichung durch die Y. SA gegen den Beklagten (vgl. lit. A.b
hiervor) ein (Teil-)Schaden entstanden, da die Klägerin gemäss der
Honorarnote vom 13. September 2000 Anwaltskosten von Fr. 68'406.25 habe
bezahlen müssen.

    Mit Beschluss vom 3./14. November 2003 entschied das Bezirksgericht
Arbon über die von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gegen den Beklagten
eingeleitete Klage. Es trat auf das Begehren Ziff. 1 und 2 (Bezahlung
von Fr. 68'406.25, Aufhebung des Rechtsvorschlags) ein, bat indessen das
Tribunal de Première Instance in Genf, das Verfahren bezüglich dieser
Begehren gestützt auf Art. 36 Abs. 2 GestG zu übernehmen, ansonsten das
Verfahren in Thurgau bis zum rechtskräftigen Abschluss der Genfer Prozesse
der Y. SA gegen den Beklagten und des Beklagten gegen die Klägerin sistiert
werde. Auf die Klagebegehren Ziff. 3 und 4 trat das Bezirksgericht Arbon
nicht ein.

    Diesen Beschluss focht die Klägerin mit kantonaler Berufung an,
welche das Obergericht des Kantons Thurgau am 22. März 2004 abwies.

    C.- Die Klägerin erhebt eidgenössische Berufung mit den Anträgen,
das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. März 2004
sei aufzuheben und es sei die örtliche Zuständigkeit der Gerichte des
Kantons Thurgau bezüglich der von der Klägerin am 21. Dezember 2000
gestellten Anträge und diesbezüglich ein erhebliches Rechtsschutzinteresse
festzustellen. Weiter sei die Anwendung von Art. 36 GestG zu untersagen
und die Sache an das Obergericht des Kantons Thurgau zum Entscheid in
der Sache zurückzuweisen.

    Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.1  Das Bundesgericht ging in seinem Entscheid vom 8. Mai 2002
davon aus, die am 21. Dezember 2000 in Arbon anhängig gemachte negative
Feststellungsklage der Klägerin (lit. B.a, Rechtsbegehren 4) sei mit
der am 3. Januar 2001 in Genf eingereichten Leistungsklage des Beklagten
(lit. B.b) identisch im Sinne von Art. 35 GestG (BGE 128 III 284 E. 3). Da
die Klage in Arbon unter Berücksichtigung des Thurgauer Prozessrechts vor
der Klage in Genf rechtshängig geworden sei, komme dieser keine zeitliche
Priorität zu (BGE 128 III 284 E. 4). Demnach hätten die Thurgauer Richter
die Voraussetzungen der negativen Feststellungsklage zu prüfen, welche
nur gegeben seien, wenn die Klägerin ein Feststellungsinteresse habe (vgl.
Urteil 4C.385/2001 vom 8. Mai 2002, E. 5 nicht publ. in BGE 128 III 284).

    Das Bezirksgericht Arbon nahm an, ein hinreichendes Interesse an
einer negativen Feststellungsklage sei zu bejahen, wenn beide Parteien
bemüht seien, möglichst schnell an einem ihnen vorteilhaft erscheinenden
Gerichtsstand zu klagen (sog. forum running). Da eine solche Konstellation
vorliege, habe die Klägerin ein hinreichendes Interesse an ihrem am 21.
Dezember 2000 gestellten Klagebegehren Ziff. 4.2 auf Feststellung, dass
der Beklagte im Falle seiner Verurteilung zur Zahlung einer Provision
an die Y. SA kein Regressrecht gegen die Klägerin habe. Dennoch trat
das Bezirksgericht auf dieses negative Feststellungsbegehren nicht ein,
da es seine zeitliche Priorität gegenüber der damit identischen zweiten
Gewährleistungsklage des Beklagten in Genf entgegen dem Entscheid des
Bundesgerichts vom 8. Mai 2002 verneinte. Das Obergericht des Kantons
Thurgau schloss sich dieser Auffassung an und prüfte daher im angefochtenen
Urteil das Interesse der Klägerin am negativen Feststellungsbegehren
nicht mehr.

    3.2  Die Klägerin rügt, das Obergericht sei an den
Bundesgerichtsentscheid vom 8. Mai 2002 gebunden gewesen und habe daher
von der zeitlichen Priorität der in Arbon eingereichten negativen
Feststellungsklage ausgehen müssen. Diese sei zulässig, da ein
hinreichendes Feststellungsinteresse zu bejahen sei.

    3.3  Da sich die Frage der zeitlichen Priorität der Verfahren nur
stellt, wenn ein hinreichendes Feststellungsinteresse am Klagebegehren
auf negative Feststellung vorliegt, rechtfertigt es sich, diese Frage
vorweg zu prüfen.

    3.4  Zur Begründung des Feststellungsinteresses verweist die Klägerin
auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bezirksgerichts
Arbon und macht geltend, diese seien vom Obergericht und auch vom Beklagten
in seiner Rekursantwort nicht in Frage gestellt worden. Weiter führt die
Klägerin an, gemäss Art. 8 GestG und der entsprechenden Genfer Regelung
habe der Beklagte ein Regressrecht beim Gericht des Hauptprozesses
in Genf einklagen können. Die Thurgauer Gerichte hätten daher ein
Rechtsschutzinteresse bezüglich der damit übereinstimmenden negativen
Feststellungsklage bejahen müssen.

    3.5  Unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung des
Bestehens oder Nichtbestehens bundesrechtlicher Ansprüche verlangt werden
kann, ist eine Frage des Bundesrechts (BGE 129 III 295 E. 2.2 S. 299
mit Hinweisen). Dieses wendet das Bundesgericht im Berufungsverfahren
von Amtes wegen an, ohne an die Vorbringen der Parteien gebunden zu sein
(BGE 130 III 136 E. 1.4).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Feststellungsklage
zuzulassen, wenn der Kläger an der sofortigen Feststellung ein erhebliches
schutzwürdiges Interesse hat, welches kein rechtliches zu sein braucht,
sondern auch bloss tatsächlicher Natur sein kann. Diese Voraussetzung ist
namentlich gegeben, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind
und die Ungewissheit durch die richterliche Feststellung behoben werden
kann. Dabei genügt nicht jede Ungewissheit; erforderlich ist vielmehr,
dass ihre Fortdauer dem Kläger nicht mehr zugemutet werden darf, weil sie
ihn in seiner Bewegungsfreiheit behindert (BGE 120 II 20 E. 3a S. 22;
123 III 414 E. 7b S. 429, je mit Hinweisen). Namentlich bei negativen
Feststellungsklagen ist zudem auch auf die Interessen des Beklagten
Rücksicht zu nehmen. Wer auf Feststellung klagt, dass eine Forderung
nicht besteht, zwingt damit den beklagten Gläubiger zu vorzeitiger
Prozessführung. Damit wird die Regel durchbrochen, dass grundsätzlich der
Gläubiger und nicht der Schuldner den Zeitpunkt für die Geltendmachung
eines Anspruches bestimmt. Der vorzeitige Prozess kann den Gläubiger
benachteiligen, wenn er zur Beweisführung gezwungen wird, bevor er dazu
bereit und in der Lage ist (BGE 120 II 20 E. 3a S. 22 f.).

    Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts vermag das blosse
Interesse einer Partei, unter mehreren möglichen Gerichtsständen den
ihr zusagenden durch schnelleres Einleiten einer Klage wählen zu können,
für sich allein kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen
(BGE 123 III 414 E. 7b S. 430; Urteil des Bundesgerichts 4C.400/1994 vom
3. April 1995, E. 2a). Dagegen wird in der Literatur für internationale
Verhältnisse die Auffassung vertreten, wenn beide Parteien daran seien,
ein Gericht an einem ihnen genehmen Gerichtsstand anzurufen (sog. forum
running), so bestehe zwar für den Feststellungskläger keine nicht mehr
länger zumutbare Ungewissheit bezüglich der Rechtslage, dagegen werde
der Feststellungsbeklagte nicht zu einer vorzeitigen Prozessführung
gezwungen. Damit seien die bezüglich des Feststellungsinteresses
abzuwägenden Parteiinteressen grundsätzlich ausgewogen, weshalb in
solchen Konstellationen das Vorliegen eines Feststellungsinteresses
zur Wahrung der zuständigkeitsrechtlichen Waffengleichheit zu bejahen
sei (GIO JEGHER, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse im
Internationalen Zivilverfahrensrecht, Diss. Basel 2003, S. 71 f.;
derselbe, Mit schweizerischer negativer Feststellungsklage ins
europäische Forum Running - Gedanken anlässlich BGE 123 III 414;
ZSR 118/1999 I S. 31 ff., 43 f.). Diese Auffassung entspricht
der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zu Art. 21 des
Europäischen Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche
Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheide in Zivil-
und Handelssachen (EuGVÜ; vgl. Urteil des BGH vom 11. Dezember 1996,
publ. in: Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen [BGHZ] 134
S. 201 ff., 211, wo ausgeführt wird, der Schuldner habe durch schnelle
Erhebung einer negativen Feststellungsklage die gleiche Chance, sich das
streitentscheidende Gericht auszusuchen, wie der Gläubiger; zustimmend
JAN KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EugVO und
Lugano-Übereinkommen, 7. Aufl. 2002, N. 10 zu Art. 27 EugVO bzw. Art. 21
LugÜ; vgl. auch VOGEL/ SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrecht und des
internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 7. Aufl. 2001, S. 196
f. Rz. 32b). Dieser Meinung kann jedenfalls für das nationale Schweizer
Recht nicht gefolgt werden. Ist in kurzer Zeit mit einer Leistungsklage
zu rechnen, so ist eine unzumutbare Fortdauer der Rechtsunsicherheit
und damit ein hinreichendes Interesse an der Klärung einer umstrittenen
Rechtsfrage durch ein Feststellungsurteil grundsätzlich zu verneinen. Da
das Feststellungsinteresse unabhängig vom Gerichtsstand vorliegen muss,
kann es nicht durch das Interesse an einem bestimmten Gerichtsstand
ersetzt werden. Ansonsten würde die vom Gesetzgeber getroffene Regelung der
Gerichtsstände umgangen bzw. ausser Kraft gesetzt (vgl. STEFAN Tiefentaler,
in: Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht,
EuGVO und Lugano Übereinkommen, von Dietmar Czernich et al., 2. Aufl.,
Wien 2003, N. 12 zu Art. 27 EuGVO, der annimmt, die Gefahr des Missbrauchs
negativer Feststellungsklagen sei dadurch beschränkt, dass gemäss dem
innerstaatlichen Verfahrensrecht der Kläger ein rechtliches Interesse
an der Feststellung haben müsse). Zudem würde die Zulassung des "forum
running" dazu führen, dass die Parteien möglichst schnell und ohne
vorherige Ankündigung zu den ihnen genehmen Gerichten "rennen" und klagen
müssten, um ihren Gerichtsstand zu sichern. Dies wäre nicht sachgerecht,
da damit aussergerichtliche Vergleichsverhandlungen oder einvernehmliche
Streitlösungsverfahren gefährdet und die Gerichte mit unnötigen parallelen
Verfahren belastet würden. Aus diesen Gründen ist an der Rechtsprechung
festzuhalten, wonach das Interesse des Schuldners, die Leistungsklage
des Gläubigers an einem bestimmten Gerichtsstand durch eine frühere
Feststellungsklage an einem anderen Gerichtsstand zu verhindern, kein
schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen vermag.

    3.6  Im vorliegenden Fall hat der Beklagte, nachdem auf seine erste
Gewährleistungsklage vom 3. Januar 2000 in Genf nicht eingetreten wurde,
angekündigt, er werde nach dem Inkrafttreten des Gerichtsstandsgesetzes
am 1. Januar 2001 bei den Genfer Gerichten für den Fall des Unterliegens
gegen die Y. SA erneut sein Regressrecht gegen die Klägerin einklagen. Dass
das Abwarten dieser Leistungsklage für die Klägerin unzumutbar gewesen
sei, macht sie nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich, da sie mit
der Einreichung einer entsprechenden negativen Feststellungsklage bis
zum 21. Dezember 2001 zuwartete. Demnach ist bezüglich dieser Klage ein
hinreichendes Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen.

    3.7  Da nach dem Gesagten auf das Klagebegehren Ziff. 4.2 mangels
eines hinreichenden Feststellungsinteresses nicht einzutreten war, ist
unerheblich, ob das Verfahren insoweit vor der zweiten Gewährleistungsklage
des Beklagten vom 3. Januar 2001 in Genf rechtshängig wurde. Die Rüge
der Klägerin betreffend die zeitliche Priorität der sich entsprechenden
Klagen in Arbon und Genf braucht daher mangels Rechtserheblichkeit nicht
geprüft zu werden.