Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 189



131 III 189

24. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. B. gegen K.
(Berufung)

    5C.53/2004 vom 2. Dezember 2004

Regeste

    Art. 138 Abs. 1 ZGB; neue Rechtsbegehren in der
Anschlussberufungsantwort.

    Im Sinne eines Minimalstandards gewährleistet Bundesrecht, dass
jede Partei in der oberen kantonalen Instanz wenigstens einmal neue
Tatsachen und Beweismittel und dadurch veranlasste neue Rechtsbegehren
vortragen kann. Kein Bundesrecht verletzt deshalb die kantonale Regelung,
die neue Rechtsbegehren nur in der Berufung, der Berufungsantwort bzw. der
Anschlussberufung zulässt (E. 2).

Sachverhalt

    Auf Klage der Ehefrau schied der Einzelrichter die Ehe der Parteien
und regelte die Scheidungsfolgen. Er verpflichtete den Beklagten - unter
anderem - zu monatlichen Unterhaltszahlungen an die Klägerin und gab
an, von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten er ausgegangen
war. Mit Berufung focht der Beklagte die Feststellung des für den
Unterhalt massgebenden Einkommens und Vermögens an. Die Klägerin schloss
sich der Berufung an und begehrte eine Erhöhung der ihr geschuldeten
Unterhaltsbeiträge. In seiner Anschlussberufungsantwort forderte
der Beklagte, den erstinstanzlich festgelegten Unterhaltsbeitrag
herabzusetzen. Das Kantonsgericht Schwyz trat auf das in der
Anschlussberufungsantwort neu gestellte Unterhaltsbegehren nicht ein. Der
Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt. Das Bundesgericht weist die
Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Mit seiner kantonalen Berufung hat der Beklagte die
bezirksgerichtliche Festsetzung des Unterhaltsbeitrags an die
Klägerin nicht angefochten. Erst in seiner Anschlussberufungsantwort
vor Kantonsgericht hat er neue, während des Rechtsmittelverfahrens
eingetretene Tatsachen behauptet und belegt und gestützt darauf neu die
Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags verlangt. Das Kantonsgericht hat die
neuen Tatsachenvorbringen und Belege des Beklagten in der güterrechtlichen
Auseinandersetzung berücksichtigt, das neue Rechtsbegehren aber als
verspätet zurückgewiesen. Der Beklagte rügt eine Verletzung von Art. 138
Abs. 1 ZGB. Mit der Marginalie "Neue Anträge" sieht diese Bestimmung
in Abs. 1 vor, dass in der oberen kantonalen Instanz neue Tatsachen und
Beweismittel vorgebracht werden können und neue Rechtsbegehren zugelassen
werden müssen, sofern sie durch neue Tatsachen oder Beweismittel veranlasst
worden sind.

    2.1  Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 138 Abs. 1 ZGB ergibt
sich Folgendes:

    2.1.1  Die Bestimmung gelangte erst relativ spät in den Vorentwurf
(VE). Sie fand im Vernehmlassungsverfahren mehrheitlich Zustimmung. Die
Norm wurde in der Folge kaum mehr diskutiert und mit Ausnahme der
Marginalie (Art. 143 VE: "Neue Anträge bei Klagen") unverändert in den
bundesrätlichen Entwurf aufgenommen. Die Erläuterungen des Bundesrats
dazu in der Botschaft (E. 2.1.2 sogleich) entsprechen praktisch wörtlich
den Ausführungen im Bericht mit Vorentwurf vom 28. Januar 1992 (S. 76 f.;
für Nachweise zu den vorparlamentarischen Gesetzgebungsarbeiten: SUTTER/
Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N. 30
ff. der Allgemeinen Einleitung und insbesondere N. 3 zu Art. 138 ZGB).

    2.1.2  Der Bundesrat hat die Bestimmung im Sinne eines
bundesrechtlichen Minimalstandards als Milderung der Eventualmaxime
(Konzentrationsmaxime) verstanden und erläutert, aus der Eventualmaxime
ergebe sich sowohl ein Verbot der Geltendmachung neuer Tatsachen
(sog. Novenverbot) als auch ein Verbot, die einmal gestellten
Rechtsbegehren zu ändern (sog. Verbot der Klageänderung). Die
Eventualmaxime bezwecke, dass der Prozess nicht stetig durch neue
Tatsachenbehauptungen, Beweisanträge oder Rechtsbegehren verschleppt
werde. Der Nachteil einer streng gehandhabten Eventualmaxime bestehe
darin, dass das Gericht unter Umständen gegen besseres Wissen nicht vom
richtigen Sachverhalt ausgehe, weil es verspätete Vorbringen nicht mehr
berücksichtigen dürfe. Im Scheidungsprozess sei die Eventualmaxime nicht
am Platz, gehe es doch meist um Ansprüche von existenzieller Bedeutung
für die Beteiligten. Es sei deshalb unerlässlich, dass das Urteil soweit
wie möglich den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trage.

    Art. 138 Abs. 1 ZGB - so die Botschaft - schreibe vor, dass das
kantonale Recht auch in der zweiten Instanz bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt neue Tatsachen und Beweismittel zulassen müsse. Dabei werde
nicht zwischen echten und unechten Noven unterschieden, d.h. ob die
Tatsachen und Beweismittel bereits vor oder nach dem erstinstanzlichen
Urteil existiert hätten. In der Festlegung des massgeblichen Zeitpunkts
für die Geltendmachung von Noven in der zweiten Instanz sei der kantonale
Gesetzgeber frei. Zumindest in der Berufung (Appellation) und in der
Berufungsantwort (Appellationsbeantwortung) müssten Noven zugelassen
werden.

    Das Stellen neuer Rechtsbegehren bedeutet gemäss der bundesrätlichen
Botschaft eine Änderung der ursprünglichen Klage und geht von der Sache her
weiter als das blosse Vorbringen von neuen Tatsachen und Beweismitteln,
die bereits vorhandene Rechtsbegehren zusätzlich unterstützen sollen. Es
sei deshalb gerechtfertigt, an die Zulässigkeit der Klageänderung höhere
Anforderungen zu stellen. Neue Rechtsbegehren müssten vor der zweiten
Instanz nur dann von Bundesrechts wegen zugelassen werden, wenn sie durch
neue Tatsachen oder Beweismittel veranlasst worden seien (BBl 1996 I 1, S.
138 f. Ziff. 234.5).

    2.1.3  Im Ständerat stellte eine Kommissionsminderheit zunächst
klar, dass bezüglich der Zulässigkeit neuer Rechtsbegehren - entgegen
der Botschaft - keine Einschränkung im Verhältnis zum Vorbringen
neuer Tatsachen und Beweismittel bestehe, sondern gleichsam eine
Abhängigkeit. Neue Rechtsbegehren, die durch neue Tatsachen oder
Beweismittel veranlasst seien, müssten stets zugelassen werden,
wenn auch die neuen Tatsachen und Beweismittel vorgetragen werden
könnten. Die Kommissionsminderheit wollte das Vorbringen neuer Tatsachen
und Beweismittel auf echte Noven beschränken und für die Zulassung
unechter Noven ein Glaubhaftmachen verlangen, dass diese nicht bereits im
erstinstanzlichen Verfahren beigebracht werden konnten (vgl. die Voten
Danioth und Inderkum). Die Diskussion verschob sich alsdann auf die
verfassungsrechtliche Zulässigkeit bzw. auf die zwingende Notwendigkeit,
mit der vorgeschlagenen Regelung in die kantonale Prozessrechtshoheit
einzugreifen (vgl. die Voten Beerli und Zimmerli). In der Folge wurde
Art. 138 Abs. 1 gestrichen (AB 1996 S 766 ff.).

    Der Nationalrat hielt an Art. 138 Abs. 1 im Sinne des bundesrätlichen
Entwurfs fest (vgl. das Votum Jutzet; AB 1997 N 2724 f. und 2726).

    Auf Antrag seiner Kommission schloss sich der Ständerat daraufhin
dem Nationalrat an. Gemäss der Erklärung des Berichterstatters sind
neue Rechtsbegehren nicht uneingeschränkt zulässig, sondern können nur
nach Massgabe des kantonalen Prozessrechtes dann gestellt werden, wenn
sie sich aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel aufdrängen. Es sei
auch möglich, dass neue Tatsachen geltend gemacht würden, ohne dass man
neue Rechtsbegehren stelle, z.B. weil man dadurch bereits Verlangtes im
Nachhinein besser belegen könne. Es gehe also um einen bundesrechtlichen
Minimalstandard, dass man mindestens in der zweiten Instanz zu irgendeinem
Zeitpunkt, d.h. mindestens in der ersten Rechtsschrift, neue Tatsachen
geltend machen und allenfalls neue Rechtsbegehren stellen könne (vgl. das
Votum Küchler; AB 1998 S 328).

    2.2  Nach Verabschiedung des Gesetzes durch die eidgenössischen Räte am
26. Juni 1998 erstellte das Bundesamt für Justiz am 20. Juli 1998 "Hinweise
und Anregungen für die Vorbereitung der kantonalen Einführungsbestimmungen
zur Änderung des ZGB (exkl. Zivilstandswesen)". Darin heisst es "Zur
bundesrechtlichen Einschränkung der Eventualmaxime" (S. 7), dass jeder
Partei mindestens das Recht zustehe, in ihrem ersten Parteivortrag oder in
ihrer ersten Rechtsschrift im oberinstanzlichen Verfahren neue Tatsachen
und Beweismittel vorzubringen, unabhängig davon, ob es sich um echte oder
unechte Noven handle. Es sei den Kantonen aber freigestellt, das Novenrecht
über diesen Mindeststandard hinaus grosszügiger zu gestalten. In Kantonen,
die schon heute ein weniger strenges Novenrecht kennten als es nun
bundesrechtlich vorgeschrieben sei, bestehe kein Anpassungsbedarf. Für den
zweiten Aspekt der Eventualmaxime, nämlich das Verbot der Klageänderung,
gehe der bundesrechtliche Minimalstandard weniger weit. Die Klageänderung
müsse in der oberen Instanz nur dann von Bundesrechts wegen zugelassen
werden, sofern diese durch neue Tatsachen oder Beweismittel veranlasst
worden sei (Rz. 24).

    An kantonalen Regelungen besteht heute eine grosse
Vielfalt. Vereinzelte Kantone haben einfach auf die Art. 135 ff. ZGB
verwiesen (z.B. Art. 267 ZPO/GL), Art. 138 Abs. 1 ZGB ausdrücklich
vorbehalten (z.B. Art. 242 ZPO/NW; Art. 374c CPC/VD) oder inhaltlich
mit der Botschaft des Bundesrats übereinstimmend festgelegt, dass neue
Tatsachen und Beweismittel in der Appellation und der Appellationsantwort
vorgebracht werden können und darauf gestützte neue Rechtsbegehren zulässig
sind (z.B. Art. 398 CPC/NE; Art. 274 ZPO/OW; Art. 423b CPC/TI). Andere
Kantone konnten auf ihre Zivilprozessbestimmungen über das Novenrecht und
die Klageänderung verweisen und diese Regelung in der Berufungsinstanz
für anwendbar erklären (z.B. Art. 49 EGzZGB/FR). Eine ganze Reihe
von Kantonen haben weit über den bundesrechtlichen Minimalstandard
hinausgehende Lösungen getroffen, wonach neue Tatsachen und Beweismittel
und dadurch veranlasste neue Rechtsbegehren vorgebracht werden können bis
zum Abschluss des Schriftenwechsels (z.B. Art. 218 ZPO/AI) oder in der
schriftlichen Begründung der Appellation und Anschlussappellation sowie
in der Antwort auf diese (z.B. § 321 Abs. 4 ZPO/AG; Art. 246a ZPO/ UR;
Art. 223bis ZPO/VS; vgl. FREIBURGHAUS/LEUENBERGER/SUTTER, Übersicht
über die kantonale Einführungsgesetzgebung zum neuen Scheidungsrecht,
FamPra.ch 2000 S. 379 ff., S. 396 f., mit - wenigen überholten, hier
teilweise nachgetragenen - Hinweisen).

    Die Zivilprozessordnung des Kantons Schwyz behält im Prozess über
Ungültigkeit, Scheidung oder Trennung der Ehe die bundesrechtlichen
Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren vor (§ 199 ZPO/SZ). Für
das Berufungsverfahren gilt, dass neue Tatsachen und Beweismittel -
unbesehen darum, ob es sich um echte oder unechte Noven handelt - bis zum
Abschluss des ersten Schriftenwechsels, d.h. in der Berufungsbegründung
und der Berufungsantwort sowie in der Anschlussberufungsbegründung
und der Anschlussberufungsantwort vorgetragen werden können. Neue
Rechtsbegehren sind zeitlich beschränkt auf die Berufungserklärung
für den Rechtsmittelkläger und auf die Beantwortung der Berufung
bzw. die Anschlussberufung für den Rechtsmittelbeklagten. Mit der
Anschlussberufungsantwort können sie nicht mehr vorgetragen werden
(REICHMUTH PFAMMATTER, Zweitinstanzliches Novenrecht und neue Anträge in
Ehesachen, Entscheide der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Kantons
Schwyz (EGV-SZ) 2003 S. 250 ff., S. 251 f. bei/in Anm. 10 und 16 mit
Hinweisen).

    2.3  Die ersten Kommentatoren und Verfasser von Lehrbüchern zum
revidierten Scheidungsrecht haben Art. 138 Abs. 1 ZGB im Lichte der
bundesrätlichen Botschaft erörtert und auf den Minimalstandard verwiesen,
wonach neue Tatsachen und Beweismittel und dadurch veranlasste neue
Begehren von Bundesrechts wegen zumindest in der ersten Rechtsschrift
bzw. im ersten Parteivortrag zuzulassen seien (SUTTER/FREIBURGHAUS, N. 21,
und MARCEL LEUENBERGER, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000,
N. 6 f., je zu Art. 138 ZGB; MICHELI ET AL., Le nouveau droit du divorce,
Lausanne 1999, N. 893 S. 194; WERRO, Concubinage, mariage et démariage,
Bern 2000, N. 886 S. 192). Von der Mehrheitsmeinung abweichende Ansichten
verstehen sich als Empfehlungen an den Gesetzgeber, dass Noven spätestens
mit der Berufungsantwort bzw. der Anschlussberufungsantwort sollten
erhoben werden müssen und Klageänderungen nach der Berufungsantwort
bzw. der Anschlussberufungsantwort unzulässig sein sollten (SPÜHLER,
Neues Scheidungsverfahren, Zürich 1999, S. 48; anders: SPÜHLER/SCHÜTT,
Neues Scheidungsverfahrensrecht, AJP 1999 S. 1541 ff., S. 1542 Ziff. III/
1), oder dürften vor dem Hintergrund einer konkreten kantonalen Regelung
stehen, die das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel bis zur
Berufungs- und Anschlussberufungsantwort uneingeschränkt gestattet
(CHRISTOPH LEUENBERGER, Basler Kommentar, 2002, N. 6 zu Art. 138 ZGB).

    2.4  In seiner Rechtsprechung hat das Bundesgericht gestützt auf
die Materialien und die Lehre wiederholt ausgeführt, mit Rücksicht auf
die existenzielle Bedeutung, die eine Scheidung in wirtschaftlicher
Hinsicht für die Ehegatten habe, stelle Art. 138 Abs. 1 ZGB in
prozessrechtlicher Hinsicht sicher, dass im Bereich des Ehegüterrechts
und des Ehegattenunterhalts der zweiten Instanz echte und unechte Noven
vorgebracht werden könnten. Der kantonale Gesetzgeber sei in seiner
verfahrensrechtlichen Gesetzgebungsfreiheit eingeschränkt, doch sichere
Art. 138 Abs. 1 ZGB lediglich einen bundesrechtlichen Minimalstandard und
verbiete dem kantonalen Gesetzgeber nicht, Formvorschriften aufzustellen
und vorzuschreiben, dass Noven in zweiter Instanz nur bis zu einem
bestimmten Zeitpunkt vorgebracht werden dürfen. Auf diese Grundsätze musste
hingewiesen werden, weil ein kantonales Obergericht gestützt auf das
kantonale Novenverbot die Abnahme von Beweisen verweigert hatte (Urteil
5C.76/2001 vom 20. Juli 2001, E. 2) oder weil eine Partei - zu Unrecht -
behauptet hatte, gegen den bundesrechtlichen Minimalstandard verstosse
es, dass gemäss kantonalem Recht unechte Noven bis zum Abschluss des
Schriftenwechsels, echte Noven hingegen noch an der Berufungsverhandlung
vorgebracht werden könnten (Urteil 5C.308/2001 vom 22. Januar 2002, E. 3a,
in: FamPra.ch 2002 S. 388; vgl. auch Urteil 5C.294/2001 vom 22. Januar
2002, E. 4, zu den Grundsätzen, und BGE 5C.108/ 2004 vom 16. November
2004, E. 5.2.2, zur Bedeutung nach einer Rückweisung gemäss Art. 66 OG).

    In Einzelfällen hat sich das Bundesgericht zum bundesrechtlichen
Minimalstandard in zeitlicher Hinsicht geäussert und dargelegt,
zumindest in der Berufung (Appellation) und in der Berufungsantwort
(Appellationsbeantwortung) müssten Noven zugelassen werden. Eine kantonale
Regelung verstiesse deshalb gegen Art. 138 Abs. 1 ZGB, wenn sie für
das Urteil den Sachverhalt zur Zeit der Klageeinreichung für massgebend
erklärte (Urteil 5C.197/2003 vom 30. April 2004, E. 3.1.1). Aus Art. 138
Abs. 1 ZGB folgt vielmehr, dass schwerwiegende Gründe im Sinne von Art. 115
ZGB nicht bereits im Zeitpunkt der Klageeinreichung vorliegen müssen,
sondern später eintreten und selbst in der oberen kantonalen Instanz
noch vorgetragen werden können (Urteil 5C.281/2001 vom 6. Dezember 2001,
E. 2d, in: SJ 2002 I S. 233). Allein das kantonale Recht beantwortet
dagegen die Frage, ob ein geändertes Begehren zulässig ist, das sich auf
nach Einreichung der Appellationsantwort eingetretene Tatsachen stützt
(Urteil 5C.171/2003 vom 11. November 2003, E. 2).

    Schliesslich musste das Bundesgericht daran erinnern, dass die
Novenrechtsregelung gemäss Art. 138 Abs. 1 ZGB insgesamt, d.h. das
Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel sowie damit in Zusammenhang
stehender neuer Rechtsbegehren, im Verfahren der eidgenössischen Berufung
nicht anwendbar ist (Urteil 5C.129/2001 vom 6. September 2001, E. 2;
BGE 129 III 481 E. 3.3 S. 487).

    2.5  Im Vorentwurf für eine Schweizerische Zivilprozessordnung fehlt
eine Art. 138 Abs. 1 ZGB vergleichbare Regelung. Nach Auffassung der
Expertenkommission genügt es, dass für die erste Instanz ein grosszügiges
Novenrecht vorgesehen und das Vorbringen echter Noven im kantonalen
Appellationsverfahren möglich ist (Bericht zum Vorentwurf, Juni 2003, S.
121). Dem Vorschlag wurde im Vernehmlassungsverfahren offenbar mehrheitlich
zugestimmt (Zusammenstellung der Vernehmlassungen, 2004, S. 11 f., S. 91
ff., S. 568 und S. 648 f.; kritisch: FANKHAUSER, Übersicht über die
familienrechtlichen Bestimmungen im neuen Entwurf zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung, FamPra.ch 2004 S. 42 ff., S. 46 und S. 51; RÜEGG,
Das Interesse des Zivilrichters an einem liberalen Novenrecht, in:
Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht
(ZZZ) 2004 S. 155 ff., S. 159 ff., vorab S. 162).

    2.6  Die geschilderte Entstehungsgeschichte verdeutlicht Sinn
und Zweck der Regelung in Art. 138 Abs. 1 ZGB und die ihr zugrunde
liegenden Wertungen. Sie zeigt, wie der Wortlaut des Gesetzes verstanden
werden muss. Da die ZGB-Revision erst 1998 erfolgt und am 1. Januar
2000 in Kraft getreten ist, widerspiegeln die Regelungsabsichten und
Normvorstellungen des "historischen" Gesetzgebers den aktuellen Sinn
und Zweck des auszulegenden Gesetzes. Die Auslegung darf insoweit der
Entstehungsgeschichte folgen (BGE 130 V 277 E. 3.3 S. 283; BGE 5C.88/2004
vom 26. Oktober 2004, E. 2.2; Urteil 5C.264/2002 vom 6. Juni 2003,
E. 1.5.1 nicht publ. in 129 III 468).

    Art. 138 Abs. 1 ZGB beschränkt das Novenverbot und das Verbot der
Klageänderung in der oberen kantonalen Instanz. Der Gesetzgeber hat
damit das Ziel der Wahrheitsfindung und der materiellen Richtigkeit
des Urteils im Scheidungsprozess höher gewichtet als die beförderliche
Prozesserledigung und die Vermeidung unsorgfältigen Prozessierens
in erster Instanz. Die Regelung versteht sich als bundesrechtlicher
Minimalstandard. In Art. 138 Abs. 1 ZGB wird lediglich der Grundsatz
des Novenrechts festgelegt ("können vorgebracht werden"; "peuvent être
invoqués"; "possono essere invocati"), die nähere Ausgestaltung aber
dem kantonalen Recht überlassen. Gewährleistet ist, dass in der oberen
kantonalen Instanz mindestens einmal neue Tatsachen und Beweismittel und
dadurch veranlasste neue Rechtsbegehren zugelassen werden müssen. Das
kantonale Recht bestimmt den Zeitpunkt und kann auch eine weitergehende
Zulässigkeit von Noven und Klageänderung vorsehen.

    Unter dem Blickwinkel eines blossen Minimalstandards hat das
Kantonsgericht kein Bundesrecht verletzt, indem es die neuen Rechtsbegehren
des Beklagten in der Anschlussberufungsantwort nicht mehr zugelassen
hat. Der Beklagte hatte als Berufungskläger im kantonalen Verfahren
die Möglichkeit, Begehren zum Unterhalt, gegebenenfalls in der Form von
Eventualanträgen, in seiner eigenen Berufung zu stellen. Die Folgen seiner
Säumnis werden durch Bundesrecht nicht behoben.

    2.7  Die Einwände des Beklagten dagegen sind unbegründet.

    2.7.1  Der Beklagte macht geltend, Noven und darauf gestützte neue
Anträge könnten mangels konkretisierender kantonaler Vorschriften
von Bundesrechts wegen zeitlich unbeschränkt vorgebracht werden. Es
trifft zu, dass es Sache der kantonalen Gesetzgebung ist, den genauen
Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu welchem Noven und/oder Klageänderungen
zulässig sind. Ein zwingender Regelungsbedarf auf kantonaler Ebene
besteht indessen nicht, soweit bereits ein über den bundesrechtlichen
Minimalstandard hinausgehendes Recht besteht, neue Tatsachen und
Beweismittel vorzubringen und gestützt darauf neue Rechtsbegehren zu
stellen. Diesfalls gelten die allgemeinen Zivilprozessvorschriften (E. 2.2
soeben; vgl. FREIBURGHAUS/LEUENBERGER/SUTTER, aaO, S. 396 bei/in Anm. 95,
unter Hinweis auf die fehlende Sonderregelung in den Kantonen Solothurn
und St. Gallen). Aus Bundesrecht kann eine zeitlich unbeschränkte
Zulässigkeit von Noven und Klageänderungen nicht abgeleitet werden.

    2.7.2  Der Beklagte beruft sich auf den zweiten Halbsatz von Art. 138
Abs. 1 ZGB, wonach neue Rechtsbegehren zugelassen werden müssen,
sofern sie durch neue Tatsachen oder Beweismittel veranlasst worden
sind. Könnten gemäss kantonalem Recht neue Tatsachen und Beweismittel in
der Anschlussberufungsantwort noch vorgebracht werden, müssten darauf
gestützte neue Rechtsbegehren kraft Bundesrechts ebenfalls noch in der
Anschlussberufungsantwort zulässig sein. Der Einwand ist nicht stichhaltig.
Die Regelung will das Vorbringen neuer Rechtsbegehren von strengeren
Voraussetzungen abhängig machen als das Vorbringen neuer Tatsachen und
Beweismittel. Die Materialien verdeutlichen, dass der erste und der zweite
Halbsatz von Art. 138 Abs. 1 ZGB einander insofern bedingen, als neue
Rechtsbegehren nur zugelassen werden müssen, wenn der Rechtsmittelkläger
bzw. Rechtsmittelbeklagte sie mit neuen Tatsachen oder Beweismitteln
zu begründen vermag, nicht aber bei unverändertem Sachverhalt.
Keine Anhaltspunkte bestehen dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit der
Regelung der Klageänderung in weitergehendem Umfang in die kantonale
Prozessrechtshoheit hat eingreifen wollen als mit dem Novenrecht. Es ist
vielmehr davon auszugehen, dass die Klageänderung - wie das Vorbringen
neuer Tatsachen und Beweismittel - im ersten Redekehr bzw. Schriftenwechsel
von Bundesrechts wegen zuzulassen ist, ihre weitergehende Zulässigkeit
aber einer Grundlage im kantonalen Recht bedarf.

    2.7.3  Erst die Anschlussberufung der Klägerin hat den nachehelichen
Unterhalt zum Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor Kantonsgericht
gemacht. Die Anschlussberufung ist nach dem Prozessrecht des Kantons
Schwyz somit nicht beschränkt auf den Gegenstand der Hauptberufung und
kann sich gleich einer eigentlichen Berufung auf einen beliebigen, mit
jenem nicht notwendig in Zusammenhang stehenden Teil des angefochtenen
Urteils beziehen. Diesfalls hemmt die Anschlussberufung den Eintritt der
Rechtskraft für den Teil des Urteils, gegen den sie sich allein richtet,
und erst durch die Anschlussberufung wird der von ihr allein erfasste
Teil des Urteils zum Gegenstand des Verfahrens vor der oberen kantonalen
Instanz. Der Anschlussberufung kommt Suspensiv- und Devolutiveffekt zu,
wiewohl sie in ihrem Bestand insofern von der Hauptberufung abhängig
bleibt, als deren Rückweisung oder deren Rückzug sie grundsätzlich
dahinfallen lässt (§ 197 Abs. 3 ZPO/SZ; vgl. die damit übereinstimmenden
Art. 54 Abs. 2 OG und Art. 59 Abs. 2-5 OG). Es kann dahingestellt
bleiben, ob es sich bei dieser (sog. abhängigen oder unselbstständigen)
Anschlussberufung um ein Rechtsmittel handelt und ob - bejahendenfalls -
die Bestimmungen über Noven und Klageänderung wie bei der Hauptberufung
anwendbar wären. Denn der Sache nach ist die Anschliessung an eine
Anschlussberufung nichts anderes als eine nachträgliche Erweiterung der
Hauptberufung. Es stellt sich damit wiederum die gleiche - vom kantonalen
Recht zu beantwortende (E. 2.6 soeben) - Frage, ob nach dem ersten
Schriftenwechsel die Rechtsbegehren noch geändert werden können. Die
Antwort lautet für das Prozessrecht des Kantons Schwyz dahin, dass ein
Anschluss an die Anschlussberufung unzulässig sei (REICHMUTH PFAMMATTER,
aaO, S. 272 bei Anm. 17), d.h. eine Änderung der Rechtsbegehren nach Ablauf
der Rechtsmittelfrist nicht gestattet wird (ausführlich mit Hinweisen:
POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation
judiciaire, II, Bern 1990, N. 2.2.1 zu Art. 59 und 61 OG, S. 476). Aus
der Rechtsnatur der Anschlussberufung lässt sich insoweit nichts zu
Gunsten des Standpunkts des Beklagten ableiten.

    2.7.4  Schliesslich wendet der Beklagte ein, die kantonale
Novenrechtsregelung sei unvereinbar mit den bundesrechtlichen Vorschriften
über den Abänderungsprozess. Eine Urteilsabänderung gemäss Art. 129 ZGB
setze voraus, dass die Veränderung der Verhältnisse bei der Festsetzung
der Rente noch nicht berücksichtigt werden konnte. Bei bereits im
Scheidungsprozess voraussehbaren Veränderungen werde praxisgemäss
angenommen, dass diese bei der ursprünglichen Festsetzung der Rente
berücksichtigt worden seien.

    Die Herabsetzung, Aufhebung oder Einstellung der Rente im Sinne von
Art. 129 Abs. 1 ZGB setzt voraus, dass sich die Verhältnisse erheblich,
dauernd und unvorhersehbar verändert haben (Urteil 5C.197/2003 vom
30. April 2004, E. 2.1, in: FamPra.ch 2004 S. 689 f.). Die Abänderungsklage
bezweckt keine Revision des Scheidungsurteils, sondern die Anpassung der
rechtskräftig festgelegten Unterhaltsrente an Veränderungen, die nicht
schon im Scheidungsurteil zum Voraus berücksichtigt worden sind. Das
ist gemeint, wenn die Rechtsprechung über den Gesetzestext hinaus eine
unvorhersehbare Veränderung der Verhältnisse fordert. Es kommt mit anderen
Worten nicht entscheidend auf die Vorhersehbarkeit der Veränderung
an, sondern ausschliesslich darauf, ob die Rente mit Blick auf diese
vorhersehbare Veränderung festgelegt worden ist (LÜCHINGER/GEISER, Basler
Kommentar, 1996, N. 12 zu aArt. 153 ZGB; vgl. auch SPYCHER/GLOOR, Basler
Kommentar, 2002, N. 9, und SCHWENZER, Praxiskommentar Scheidungsrecht,
Basel 2000, N. 7 zu Art. 129 ZGB; seither: Urteile 5C.243/2001 vom
16. November 2001, E. 2c, und 5C.322/2001 vom 9. Juli 2002, E. 3; für
den Kindesunterhalt: BGE 128 III 305 E. 5b S. 310 f.).

    Können die vom Beklagten behaupteten Veränderungen hier aus
prozessualen Gründen - Noven- bzw. Klageänderungsverbot - bei der
Festsetzung der Rente nicht berücksichtigt werden, ist in Anbetracht der
geschilderten Rechtslage weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern eine
Abänderungsklage unzulässig sein sollte.

    2.7.5  Die Berufung des Beklagten muss aus den dargelegten Gründen
gesamthaft abgewiesen werden, soweit damit eine unrichtige Anwendung von
Art. 138 Abs. 1 ZGB geltend gemacht wird.