Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 131 III 106



131 III 106

14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. G.F. gegen Erben
des H.B. (Berufung)

    5C.49/2004 vom 27. Oktober 2004

Regeste

    Auslegung eines Testaments.

    Grundsätze für die Auslegung eines Testaments (E. 1).

    Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2).

    Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin ihren zum
Universalerben eingesetzten Ehemann als "Vorerbe" bezeichnet hat, eine
Bestimmung über Nacherben jedoch fehlt (E. 3 und 4).

Sachverhalt

    Die am 11. Mai 1979 im Alter von knapp 59 Jahren verstorbene A.B.
(nachstehend auch: Erblasserin) hatte am 1. März 1979 eine eigenhändige
letztwillige Verfügung mit dem folgenden Wortlaut verfasst:

      "Ich, die Unterzeichnete, A.B., geboren am 20. Juni 1920, von Z.,

      bestimme hiermit bezüglich meines Nachlasses, was folgt: 1. Ich

      setze meinen Ehegatten, H.B. ... als meinen Universalerben ein.

      2. Mein Ehegatte ist als Vorerbe von jeglicher Sicherstellungspflicht

         befreit.

      3. Als meinen Testamentsvollstrecker ernenne ich

      lic. jur. K.L. ...  4. Wer dieses Testament und Entscheidungen

      des Testamentsvollstreckers

         anficht, wird auf den Pflichtteil gesetzt, soweit ein solcher

         besteht, sonst ganz von der Erbschaft ausgeschlossen.

      Zürich, den 1. März 1979                                       A.B."

    In dem vom Notariat X. errichteten Nacherbschaftsinventar vom
8. Oktober 1979 wurde als Hauptaktivum der (Erb-)Anteil von 13/32 an
der aus dem väterlichen Nachlass stammenden Liegenschaft an der Strasse
Z. in Y. aufgeführt.

    Am 3. Februar 1982 starb die Mutter der Erblasserin. Deren einzige
Erbin war ihre ältere Tochter, E.F. In der Folge wurden im Grundbuch
bezüglich der Liegenschaft an der Strasse Z. in Y. E.F. und H.B. als
"Gesamteigentümer infolge Erbengemeinschaft" eingetragen.

    Am 14. Oktober 1997 starb E.F., die als einzigen Erben ihren Sohn G.F.
hinterliess. Einen Tag danach, am 15. Oktober 1997, starb auch H.B. Er
hinterliess zahlreiche gesetzliche Erben. Eine letztwillige Verfügung
von ihm ist nicht vorhanden.

    Im Zeitpunkt des Ablebens von H.B. war aus dem Nachlass seiner
vorverstorbenen Ehefrau, A.B. (Erblasserin), einzig noch deren Anteil an
der Liegenschaft an der Strasse Z. vorhanden.

    Mit Eingabe vom 22. Februar 1999 erhob G.F. beim Bezirksgericht
Zürich Klage gegen die Erben von H.B. Er verlangte, es sei festzustellen,
dass er Nacherbe und damit Alleinerbe im Nachlass von A.B. sei, und das
Grundbuchamt X. sei anzuweisen, ihn als Eigentümer der Liegenschaft Z. in
Y. einzutragen.

    Die Beklagten schlossen auf Abweisung der Klage.

    Nachdem das Bezirksgericht die Klage in einem ersten Urteil abgewiesen
hatte und die Sache vom Obergericht des Kantons Zürich zurückgewiesen
worden war, erkannte es in seinem neuen Urteil vom 1. November 2002, dass
das Grundbuchamt X. in Gutheissung der Klage angewiesen werde, H.B. als
Gesamteigentümer der Parzelle an der Strasse Z. in Y. zu löschen und den
Kläger an dessen Stelle als Gesamteigentümer einzutragen.

    Das Obergericht hiess am 18. November 2003 eine Berufung der Beklagten
gut und wies die Klage ab.

    Das Bundesgericht weist die vom Kläger erhobene Berufung ab, soweit
darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Die Parteien streiten um den Anspruch auf den im Zeitpunkt des
Ablebens von H.B. aus dem Nachlass seiner Ehefrau, A.B., einzig noch
vorhandenen Anteil an der Liegenschaft an der Strasse Z. Wem dieser
zusteht, beurteilt sich nach dem letzten Willen von A.B., den diese in
ihrem Testament vom 1. März 1979 niedergelegt hat.

    1.1  Das Testament stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige
Willenserklärung dar. Bei seiner Auslegung ist der wirkliche Wille
des Erblassers zu ermitteln. Auszugehen ist vom Wortlaut. Ergibt
dieser für sich selbst betrachtet eine klare Aussage, entfallen weitere
Abklärungen. Sind dagegen die testamentarischen Anordnungen so formuliert,
dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können,
oder lassen sich mit guten Gründen mehrere Auslegungen vertreten, dürfen
ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung
herangezogen werden. Stets hat es jedoch bei der willensorientierten
Auslegung zu bleiben; eine Auslegung nach dem am Erklärungsempfänger
orientierten Vertrauensprinzip fällt ausser Betracht. Die Erben oder
andere Bedachte haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der
letztwilligen Verfügung; es kommt mit andern Worten nicht darauf an, wie
sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern
einzig darauf, was der Erblasser mit seiner Äusserung sagen wollte (zum
Ganzen BGE 124 III 414 E. 3 S. 416 f.; 117 II 142 E. 2a S. 144; 115 II
323 E. 1a S. 325, mit Hinweisen).

    1.2  Auf Grund der Vorstellung, dass der Erklärende das geschriebene
Wort dem allgemeinen Sprachgebrauch (Verkehrssprache, Rechtssprache)
entsprechend versteht, gilt die Vermutung, dass Gewolltes und Erklärtes
übereinstimmen (NICCOLÒ RASELLI, Erklärter oder wirklicher Wille
des Erblassers?, in: AJP 1999 S. 1263 Ziff. II/3). Indessen kann die
vom Erklärenden verwendete Bezeichnung oder Ausdrucksweise sich als
missverständlich oder als unrichtig erweisen, sei es wegen eines blossen
Verschriebs, sei es deshalb, weil Ausdrücke in einer von der Verkehrs-
oder Rechtssprache abweichenden Bedeutung verwendet wurden. Nach der
ausdrücklichen Vorschrift von Art. 18 Abs. 1 OR, die bei der Auslegung
letztwilliger Verfügungen sinngemäss heranzuziehen ist (Art. 7 ZGB), ist
der wirkliche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Bezeichnung oder
Ausdrucksweise. Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und
Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig
und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen (dazu RASELLI,
aaO, S. 1267 Ziff. VII mit Hinweisen; PETER BREITSCHMID, Basler Kommentar,
2. Aufl., N. 22 zu Art. 469 ZGB).

Erwägung 2

    2.  Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesgericht die Auslegung
einer letztwilligen Verfügung durch die kantonale Instanz frei. Gebunden
ist es indessen an die tatsächlichen Feststellungen, aus denen sich der
innere Wille des Erblassers ergibt (BGE 125 III 35 E. 3a S. 39; 120 II
182 E. 2a S. 184, mit Hinweisen). Soweit der Kläger die vom Obergericht
getroffenen tatsächlichen Feststellungen als unzutreffend rügt oder die
vorinstanzliche Würdigung der Zeugenaussagen beanstandet, ist auf die
Berufung daher nicht einzutreten.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Anordnungen von A.B. in der letztwilligen Verfügung sind
in einfacher und leicht verständlicher Sprache abgefasst. In Ziffer 1
bestimmte die Erblasserin, dass der mit ihr in ehelicher Gemeinschaft
lebende Ehemann ihr "Universalerbe" sein solle. Damit gab sie klar zum
Ausdruck, dass nach ihrem Tod sämtliche Vermögenswerte ihrem Ehemann
zufallen sollten. Die Erblasserin erliess diese Verfügung in einem
Zeitpunkt, da sie wegen einer schweren Erkrankung den Tod vor Augen
hatte und damit rechnen musste, dass sie ihre 29 Jahre ältere Mutter
und erst recht ihre Schwester E.F. nicht werde überleben können. Ohne
Testament hätten sowohl der Mutter als auch der Schwester Erbansprüche
zugestanden (vgl. [a]Art. 462 Ziff. 2 ZGB). Ein Teil davon wäre gemäss
(a)Art. 471 Ziff. 2 ZGB sogar pflichtteilsgeschützt gewesen. Entgegen
der Meinung des Klägers war mithin die strittige letztwillige Verfügung
nicht darauf ausgerichtet, die Herkunftsfamilie der Erblasserin möglichst
zu begünstigen. Ziffer 1 des Testaments hat vielmehr die gegenteilige
Zielrichtung.

    3.2  In Ziffer 2 ihrer letztwilligen Verfügung legte die Erblasserin
fest, dass ihr Ehemann als Vorerbe von jeglicher Sicherstellungspflicht
befreit sei. Der Text ist in diesem Punkt insofern lückenhaft, als der
Ehemann nicht zunächst förmlich in den Status eines Vorerben eingesetzt
wurde und keine Nacherben bezeichnet wurden. Es ist indessen Sache des
Erblassers, und nicht des Vorerben, die Nacherben zu bestimmen, sind doch
diese die Rechtsnachfolger des Erblassers, und nicht des Vorerben (dazu
EUGEN SPIRIG, Nacherbeneinsetzung und Nachvermächtnis, in: ZBGR 58/1977
S. 202). Angesichts der dargelegten Lückenhaftigkeit dürfen ausserhalb der
Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung herangezogen werden.

    3.2.1  Für die Klärung von Ziffer 2 der letztwilligen Verfügung sind
die Zeugenaussage von K.L. und die von ihm eingereichten Schriftstücke
von besonderer Bedeutung. Diese Beweismittel hatten im Zeitpunkt des
vom Obergericht am 25. Juni 2001 gefällten Beschlusses, die Sache an das
Bezirksgericht zurückzuweisen, noch nicht zur Verfügung gestanden. In jenem
Entscheid war die Vorinstanz ohne weiteres von einer Nacherbeneinsetzung
ausgegangen, und sie hatte sich nur gefragt, welche Personen nach
dem Willen der Erblasserin Nacherben sein sollten. Die Aussagen von
K.L. und die von ihm eingereichten Schriftstücke stellen indessen
die Nacherbeneinsetzung selbst in Frage. Nach den Feststellungen der
Vorinstanz ist K.L. ein als Berater in Erbsachen tätiger Jurist. K.L. habe
als Zeuge erklärt, er habe im Mai 1978 H.B. im Zusammenhang mit der
Regelung des Nachlasses beraten. Ob bei der Beratung auch die Ehefrau
A.B., die Erblasserin, zugegen gewesen sei, vermöge er nicht mehr zu
sagen; auszuschliessen sei es nicht. Es sei aber sicher auch darüber
gesprochen worden, dass Frau A.B. ein Testament errichten sollte. Bei den
ins Auge gefassten testamentarischen Vorkehren sei es um die gegenseitige
Sicherstellung der Ehegatten gegangen für den Fall, dass einer ableben
sollte. Sicher sei H.B. von ihm, dem Zeugen, darauf hingewiesen worden,
dass es zwei Testamente brauche, um die Nachfolge vernünftig zu regeln.

    Das Obergericht hält sodann fest, dass K.L. einen für
H.B. erstellten Testamentsentwurf eingereicht habe, und zwar sowohl
in einer handschriftlichen als auch in einer maschinengeschriebenen
Version. Letztere trage das Datum vom 8. Mai 1978 sowie die Initialen des
Zeugen. Dieser habe darauf hingewiesen, dass der Entwurf als Vorlage für
Testamente beider Ehegatten hätte dienen sollen; deshalb finde sich im
Entwurf die Formulierung "ich, der/die Unterzeichnete". K.L. habe weiter
ausgesagt, er habe sich nie mit der konkreten Formulierung des Testaments
der Erblasserin befasst. Auf Vorhalt der letztwilligen Verfügung der
Erblasserin habe er jedoch erklärt, er nehme an, dass die Formulierung
einen Teil seines Entwurfs vom 8. Mai 1978 darstelle. Nach Auffassung
des Obergerichts ist dies offensichtlich so: Ziffer 1 des Testaments
der Erblasserin (Universalerbeneinsetzung) entspreche exakt dem Entwurf
von K.L. Gleiches gelte für die Schlussbestimmung, mit der die Erben
hätten davon abgehalten werden sollen, das Testament sowie Handlungen
des Willensvollstreckers anzufechten. Auch der im vorliegenden Prozess
interessierende Passus betreffend die Befreiung des Vorerben von der
Sicherstellungspflicht stamme wörtlich aus dem Entwurf des Zeugen. Ziffer
2 des Entwurfs sei von der Erblasserin allerdings nur als Torso übernommen
worden. Der erste Absatz, mit dem die Nacherbeneinsetzung ausdrücklich
hätte verfügt werden sollen und der auch die namentliche Bezeichnung der
Nacherben vorgesehen habe, sei nämlich von der Erblasserin weggelassen
worden.

    Die Vorinstanz weist des Weitern auf die Erklärung von K.L. hin,
anlässlich der Beratung im Jahre 1978 sei sicher über "Nacherben"
gesprochen worden: "Deshalb auch die Ziffer 2". Ob in diesem Zusammenhang
der Name des Klägers genannt worden sei, könne er nicht mehr sagen. Er
meine, dass der Kläger im Zusammenhang mit Ziffer 3 des Entwurfs, wonach
"meinem Göttikind" ein Legat hätte vermacht werden sollen, erwähnt worden
sein könnte. Im Übrigen sei ihm, dem Zeugen, gegenüber der Name des Klägers
sicher Jahre später, anlässlich einer andern Besprechung, erwähnt worden.

    3.2.2  In Würdigung der Aussagen von K.L. und der von diesem
vorgelegten Unterlagen stellt das Obergericht alsdann fest, es seien neue
wesentliche Aspekte zu Tage gefördert worden. Aufgedeckt worden sei,
wie die Erblasserin zu den in ihrer letztwilligen Verfügung gewählten
Formulierungen gekommen sei. Es stehe auf Grund der Aussagen von K.L. fest,
dass die Erblasserin offensichtlich den Entwurf des Zeugen als Vorlage für
die Abfassung ihres Testaments benutzt habe. Der Entwurf habe in Ziffer
2 eine Nacherbeneinsetzung unter Nennung der Nacherben und Angabe ihrer
Quoten vorgesehen. Die Erblasserin habe ihre Formulierung sorgfältig an die
Vorlage angelehnt. Beim Abschreiben habe sie den ersten Absatz von Ziffer 2
betreffend Nacherbeneinsetzung einfach weggelassen und sich mit dem zweiten
Absatz betreffend Befreiung des Vorerben von der Sicherstellungspflicht
begnügt. Bei der Übernahme von Ziffer 4 der Vorlage ("Als meinen
Testamentsvollstrecker auch bezüglich einer allfälligen Nacherbschaft
ernenne ich Herrn lic. iur. K.L. und bei dessen Verhinderung die S. AG
...") habe sie - nebst der Ersatztestamentsvollstreckerin - die Worte
"auch bezüglich einer allfälligen Nacherbschaft" ausgelassen. Sie habe
sich darauf beschränkt, ihren als "Universalerben" eingesetzten Ehemann
"als Vorerben" von jeglicher Sicherstellungspflicht zu befreien.

    3.2.3  Auf Grund der festgestellten Gegebenheiten hält es das
Obergericht für fraglich, ob die nicht juristisch ausgebildete Erblasserin
tatsächlich eine konstruktive Nacherbeneinsetzung habe vornehmen
wollen, um so mehr, als sie die letztwillige Verfügung nicht unmittelbar
nach der erteilten Rechtsberatung abgefasst habe, sondern gestützt auf
Vorlagen, die vom Berater Monate zuvor ihrem Ehemann ausgehändigt worden
seien. Die Annahme liege nahe, Ziffer 2 der letztwilligen Verfügung
beruhe auf der Überlegung, dass die Befreiung des "Universalerben"
von einer Sicherstellungspflicht allenfalls dessen Stellung aufwerte,
sie jedoch sicher nicht beeinträchtige. Hätte die Erblasserin den
Kläger als Nacherben einsetzen wollen, wäre schwer verständlich, warum
sie ihn in ihrer letztwilligen Verfügung nicht namentlich erwähnt habe,
wenn sie doch die Vorlage von K.L., welche die namentliche Bezeichnung
der Nacherben ausdrücklich vorgesehen habe, vor sich gehabt habe.

    3.2.4  Ob entgegen ihrer im Rückweisungsbeschluss vom 25. Juni 2001
geäusserten Auffassung eine Nacherbeneinsetzung allenfalls zu verneinen
sei, hat die Vorinstanz letztlich offen gelassen. Sie hatte deshalb
zu prüfen, wer im Falle der Annahme einer Nacherbeneinsetzung durch die
letztwillige Verfügung hätte begünstigt werden sollen, und kam zum Schluss,
dass es die gesetzlichen Erben der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes
gewesen wären. Da diese den Nacherbfall indessen nicht erlebt hätten,
sei die Erbschaft im Sinne von Art. 492 Abs. 2 ZGB beim Vorerben, d.h. bei
H.B., verblieben, weshalb die Klage abzuweisen sei.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Für die Annahme, die von der Erblasserin am 1. März 1979
errichtete letztwillige Verfügung enthalte eine Nacherbeneinsetzung,
bleibt angesichts der vom Obergericht festgehaltenen tatsächlichen
Gegebenheiten kein Raum. Auf Grund der Aussagen des Zeugen K.L. und
der von diesem vorgelegten Schriftstücke kann das Testament in
seiner Gesamtheit betrachtet nur so verstanden werden, dass die
Erblasserin ihren Ehegatten als Universalerben einsetzen und keine
Nacherbeneinsetzung vornehmen wollte. Soweit die Erblasserin den vom
Zeugen verfassten Testamentsentwurf übernommen hat, hat sie ihn Wort
für Wort abgeschrieben. Auf den (Haupt-)Teil der Ziffer 2, der von der
Nacherbeneinsetzung und von der Bestimmung der Quoten handelte, hat sie
indessen verzichtet und damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie
keine Nacherbeneinsetzung wollte. Sie hat lediglich den letzten Satz von
Ziffer 2 übernommen und damit den Willen geäussert, dass ihr Ehegatte
von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit sein solle. Freilich hat die
Erblasserin ihren Ehegatten - entsprechend der Vorlage mit einem Begriff
der Rechtssprache - als Vorerbe bezeichnet. Es kann indessen nicht davon
ausgegangen werden, dass sie als juristische Laie genau wusste, was ein
Vorerbe sei und dass die Bestimmung eines Vorerben eine Nacherbeneinsetzung
voraussetze. Werden Vorlage und Testament miteinander verglichen, drängt
sich die Annahme auf, die Erblasserin habe diesen Begriff lediglich deshalb
gewählt, weil er in der Vorlage so stand und sie habe vermeiden wollen,
dass ihr Ehemann zu irgendwelchen Sicherheitsleistungen herangezogen
werden könnte.

    Auch daraus, dass die Erblasserin - unter Ziffer 3 der letztwilligen
Verfügung - Ziffer 4 der Vorlage nur teilweise übernahm, ergibt sich, dass
es der Erblasserin nicht um die Anordnung einer Nacherbschaft gegangen war.
Sie setzte zwar den Zeugen K.L. als ihren Testamentsvollstrecker ein,
jedoch nicht auch bezüglich einer Nacherbschaft, wie es im Entwurf
formuliert worden war. Diese Streichung kann nicht anders verstanden
werden, denn als Bestätigung des Verzichts auf die Nacherbeneinsetzung.

    Ausserdem hat die Erblasserin auf die Übernahme von Ziffer 3 der
Vorlage verzichtet, worin für das Göttikind, das in ihrem Fall der Kläger
gewesen wäre, die Festsetzung eines Legats vorgesehen war. Auch daraus
ergibt sich, dass der Ehegatte ohne irgendeine Einschränkung als Erbe
eingesetzt werden sollte. Die erwähnte Weglassung widerlegt die Vermutung
mehrerer Zeugen, dass die Erblasserin den Kläger habe begünstigen
wollen. Schliesslich bestätigt auch der Umstand, dass die Erblasserin
- unter Ziffer 4 - die rechtstechnisch abgefasste Schlussbestimmung
(Ziffer 5) wörtlich wiedergab, ihren Willen, der Vorlage genau zu folgen,
soweit sie mit deren Inhalt einverstanden war, und lediglich die Passagen
wegzulassen, die sie nicht in ihr Testament aufnehmen wollte.

    Unter den dargelegten Umständen kann entgegen der Auffassung des
Klägers nicht gesagt werden, das Testament enthalte wegen der missglückten
und überflüssigen Verwendung des Rechtsbegriffs "Vorerbe" in Ziffer 2
eine Lücke bezüglich der Nacherbeneinsetzung. Die Überlegungen zur Frage,
wie eine Lücke in einem Testament zu füllen sei, stossen daher ins Leere.

    4.2  Führt die Auslegung des Testaments nach dem Gesagten zum
eindeutigen Ergebnis, dass eine Nacherbeneinsetzung zu verneinen ist,
ist den klägerischen Ausführungen zu den verschiedenen Zeugenaussagen der
Boden entzogen. Das Obergericht hat im Übrigen festgehalten, dass der
Kläger selbst wie auch praktisch alle von ihm angerufenen Zeugen ihre
Schlussfolgerungen zugunsten des Klägers nicht aus konkreten Hinweisen
auf eine von der Erblasserin beabsichtigte letztwillige Verfügung
herleiteten, sondern im Wesentlichen nur aus dem engen Zusammenhang
der Familiengemeinschaft und der allgemeinen Meinung, die bei allen
Beteiligten mehr oder weniger unausgesprochen vorgeherrscht haben soll;
die Einschätzungen der verschiedenen Personen hätten auf subjektiven
Beurteilungen beruht. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat keiner
der Zeugen (mit Ausnahme von M.N.) mit der Erblasserin über ihre konkrete
Nachfolgeregelung gesprochen. Die Aussage von M.N. vermöge zwar gewisse
Indizien für den vom Kläger eingenommenen Standpunkt abzugeben, doch wirke
die Stellungnahme dieser Zeugin nicht sehr überzeugend. Sodann sei die
Erblasserin nach der Darstellung einiger Zeugen wohl der Meinung gewesen,
dass das Haus dereinst irgendwie auf den Kläger übergehen werde, doch
ergäben sich keine konkreten Hinweise dafür, dass die Erblasserin konkret
daran gedacht hätte, nach dem Hinschied ihres Ehemannes den Kläger als
Erben einzusetzen. Selbst der Kläger und seine Frau hätten nie ausgesagt,
die Erblasserin habe ausdrücklich erklärt, dass der Kläger ihren Anteil
am Haus erben werde.

    Bei dieser für das Bundesgericht verbindlichen Beweiswürdigung sind
die Hinweise des Klägers auf seine besondere Beziehung zur Erblasserin,
auf die Familienstruktur und die Lebensumstände sowie auf die übrigen
Zeugen unbehelflich.