Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 V 9



130 V 9

2. Urteil i.S. L. gegen Pensionskasse für Gewerbe, Handel und Industrie
(PKG) (B 15/02) und Bundesamt für Sozialversicherung gegen Pensionskasse
für Gewerbe, Handel und Industrie (PKG) (B 16/02) und Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern

    B 15/02 + B 16/02 vom 28. Oktober 2003

Regeste

    Art. 14 FZG; Art. 331c OR; Art. 4 ff. VVG: Anzeigepflichtverletzung;
Rücktritt vom Vorsorgevertrag in der weitergehenden beruflichen Vorsorge.

    Im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge ist
die Vorsorgeeinrichtung auch nach dem In-Kraft-Treten des
Freizügigkeitsgesetzes und der damit verbundenen Änderungen des OR
(Art. 331a-c) befugt, im Falle einer Anzeigepflichtverletzung der
versicherten Person bei Fehlen entsprechender statutarischer und
reglementarischer Bestimmungen in analoger Anwendung von Art. 4 ff. VVG
vom Vorsorgevertrag zurückzutreten (Erw. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- Die 1949 geborene L. arbeitete seit 1. April 1990 bei der Firma
B. AG und wurde auf diesen Zeitpunkt für die obligatorische und die
überobligatorische berufliche Vorsorge in die Pensionskasse für Gewerbe,
Handel und Industrie (PKG; nachfolgend: Pensionskasse) aufgenommen,
nachdem sie am 5. April 1990 im Anmeldeformular angegeben hatte, dass
sie voll arbeitsfähig sei und gegenwärtig weder eine Gesundheitsstörung
noch ein Gebrechen bestehe. Im Mai 1995 musste sich L. wegen eines
Morbus Crohn im Spital S. einem operativen Eingriff unterziehen,
und vom 16. bis 25. Januar 1996 war sie wegen des gleichen Leidens
wiederum im Spital S. hospitalisiert. Mit Zeugnis vom 13. März
1996 teilte ihr Hausarzt, Dr. med. X., der Providentia Schweizerische
Lebensversicherungs-Gesellschaft, dem Rückversicherer der Pensionskasse,
mit, L. leide seit 1980 an Morbus Crohn; die Krankheit habe bis April
1995 medikamentös behandelt werden können. Zu jenem Zeitpunkt sei eine
erhebliche Verschlechterung eingetreten, weshalb im Mai 1995 eine Operation
habe vorgenommen werden müssen. Seit 14. April 1995 sei die Versicherte
voll arbeitsunfähig.

    Am 26. April 1996 schrieb die Providentia der Pensionskasse, den
zur Prüfung des Versicherungsanspruchs beigezogenen Unterlagen sei zu
entnehmen, dass die Versicherte bei der Unterzeichnung des Anmeldeformulars
am 5. April 1990 eine Anzeigepflichtverletzung begangen habe, indem sie
eine erhebliche Gefahrstatsache verschwiegen habe. Dementsprechend werde
die Versicherung insoweit angepasst, als nur noch Leistungen im Rahmen des
BVG-Obligatoriums erbracht würden. Mit Schreiben vom 1. Mai 1996 eröffnete
die Pensionskasse L., dass sie ihr infolge Anzeigepflichtverletzung
lediglich die Minimalleistungen gemäss obligatorischer beruflicher Vorsorge
gewähre. Am 15. Mai 1996 erstellte sie einen neuen Vorsorgeausweis.

    Mit Verfügung vom 25. Mai 1998 sprach die IV-Stelle Aargau L.
rückwirkend ab 1. April 1996 bei einem Invaliditätsgrad von 50% eine
halbe Invalidenrente zu, worauf die Pensionskasse der Versicherten mit
Brief vom 3. November 1998 mitteilte, dass sie ab 1. April 1997 aus der
obligatorischen beruflichen Vorsorge aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit
von 50% Anspruch auf eine Invalidenrente in der Höhe von Fr. 2'751.-
im Jahr habe.

    B.- Am 19. August 1999 liess L. beim Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern Klage einreichen mit dem Antrag, die Pensionskasse sei
zu verpflichten, ihr ab 1. April 1997 unter Anrechnung der bereits
erbrachten Leistungen eine Invalidenrente entsprechend einer 50%igen
Erwerbsunfähigkeit in der Höhe von Fr. 5'500.- im Jahr, die auch den
Anspruch aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge umfasst,
zuzüglich Zins zu 5% auf den bis zum Gerichtsentscheid verfallenen
Betreffnissen, zu bezahlen. Mit Entscheid vom 11. Januar 2002 wies das
Verwaltungsgericht die Klage ab.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L. das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei die Sache zur Durchführung
eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
(BSV) auf eine Stellungnahme verzichtet.

    D.- Das BSV führt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde
und beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides
sei die Pensionskasse zu verpflichten, der Versicherten auch aus
der überobligatorischen beruflichen Vorsorge Invalidenleistungen
auszurichten. Eventuell seien die Leistungen zu kürzen.

    Während die Pensionskasse auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verweist L. auf die Ausführungen
in ihrer eigenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    E.- Am 28. Oktober 2003 führte das Eidgenössische Versicherungsgericht
eine parteiöffentliche Beratung durch.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.  (Verfahrensvereinigung; vgl. BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen;
vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1)

Erwägung 2

    2.  Streitig und zu prüfen ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin 1
Anspruch auf Invalidenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen
Vorsorge hat.

    2.1  Nach der Rechtsprechung beurteilen sich die Verletzung der
Anzeigepflicht und deren Folgen im Bereich der weitergehenden beruflichen
Vorsorge nach den statutarischen und den reglementarischen Bestimmungen
der Vorsorgeeinrichtung, bei Fehlen entsprechender Normen analogieweise
gemäss Art. 4 ff. VVG. Danach kann die Vorsorgeeinrichtung innert vier
Wochen (Art. 6 VVG) seit Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung vom
Vorsorgevertrag zurücktreten, wobei es sich um eine Verwirkungsfrist
handelt, deren Lauf weder gehemmt noch unterbrochen werden kann. Sie
beginnt erst, wenn der Versicherer zuverlässige Kunde von Tatsachen erhält,
aus denen sich der sichere Schluss auf Verletzung der Anzeigepflicht
ziehen lässt. Blosse Vermutungen, die zu grösserer oder geringerer
Wahrscheinlichkeit drängen, dass die Anzeigepflicht verletzt ist,
genügen nicht (BGE 119 V 286 ff. Erw. 4 und 5). In den Urteilen
R. vom 17. Dezember 2001 (B 69/00) und H. vom 26. November 2001 (B
41/00) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, dass
der Rücktritt der Vorsorgeeinrichtung vom Vorsorgevertrag bei einer
Anzeigepflichtverletzung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in welchem die
Aufnahme in die überobligatorische berufliche Vorsorge erfolgte. Die
Zulässigkeit des Vertragsrücktritts beurteilt sich nach der Rechtslage,
die in jenem Zeitpunkt Geltung hatte.

    2.2  Während die Vorinstanz die Klage, ausgehend davon, dass die
Versicherte die Anzeigepflicht verletzt habe und die Pensionskasse
rechtzeitig vom Vorsorgevertrag zurückgetreten sei, gestützt auf die
zitierte Rechtsprechung abgewiesen hat, berufen sich das BSV und die
Versicherte auf das auf den 1. Januar 1995 in Kraft getretene Bundesgesetz
über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenvorsorge (FZG), insbesondere dessen Art. 14, und die damit
verbundenen Änderungen des OR (Art. 331a-c). Nach dieser neuen Ordnung
sei ein Rücktritt vom Vorsorgevertrag aufgrund einer Verletzung der
Anzeigepflicht durch die versicherte Person in analoger Anwendung von
Art. 4 ff. VVG nicht mehr zulässig. Als die Versicherte am 14. April 1995
an Morbus Crohn erkrankt sei, sei die maximal zulässige Vorbehaltsdauer
seit ihrem Eintritt in die Pensionskasse abgelaufen gewesen. Es stehe
ihr deshalb ein vorbehaltloser Anspruch auf die Invalidenleistungen aus
der überobligatorischen beruflichen Vorsorge zu.

Erwägung 3

    3.  Die von den Beschwerde führenden Parteien aufgeworfene Rechtsfrage
ist im vorliegenden Fall - anders als in den vorstehend erwähnten
Urteilen H. vom 26. November 2001 (B 41/00) und R. vom 17. Dezember
2001 (B 69/00) - zu beantworten. Dem Urteil H. lag insofern ein anderer
Sachverhalt zugrunde, als zwischen der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung
am 1. Juni 1994 und der Rückenoperation vom 14. November 1995 bloss
rund 1½ Jahre vergangen waren. Die vom BSV behauptete Rechtswirkung,
dass nach dem Inkrafttreten des FZG am 1. Januar 1995 ein Rücktritt
vom Vorsorgevertrag nicht mehr zulässig sei, weil ein gesundheitlicher
Vorbehalt gemäss Art. 331c OR spätestens nach fünf Jahren dahinfalle,
musste nicht erörtert werden, da die fünfjährige Frist bei weitem nicht
abgelaufen war. Im Urteil R. wiederum stellte sich die Frage nicht, weil
in jenem Fall das bei Abgabe der Rücktrittserklärung gültige Reglement
der Vorsorgeeinrichtung Leistungseinschränkungen aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr zuliess, womit die rückwirkende Auflösung der Vertrages
untersagt war. Im hier zu beurteilenden Fall hingegen lagen zwischen der
Aufnahme in die Pensionskasse am 1. April 1990 und der Verschlimmerung
des Krankheitsbildes mit voller Arbeitsunfähigkeit ab 14. April 1995 und
anschliessender Hospitalisation im Mai 1995 mehr als fünf Jahre, weshalb
eine Auseinandersetzung mit dem von den Beschwerde führenden Parteien
vertretenen Standpunkt unumgänglich ist.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Von den neuen Bestimmungen über den Vorbehalt aus gesundheitlichen
Gründen, die mit dem auf den 1. Januar 1995 in Kraft gesetzten FZG in
die Ordnung der weitergehenden beruflichen Vorsorge Eingang gefunden
haben, steht der ins OR eingefügte Art. 331c im Vordergrund. Unter den
Marginalien "D. Personalvorsorge / IV. Gesundheitliche Vorbehalte" lautet
er: "Vorsorgeeinrichtungen dürfen für die Risiken Tod und Invalidität einen
Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen machen. Dieser darf höchstens fünf
Jahre betragen". Die Bestimmung ist dispositives Recht (Art. 361 f. OR),
sodass in den Vorsorgeverträgen abweichende Abmachungen getroffen werden
können. Neben dieser zentralen Regelung finden sich weitere Bestimmungen
eher technischer Natur. So umschreibt Art. 331a OR Beginn und Ende des
Versicherungsschutzes, während Art. 14 FZG bestimmt, dass vom Versicherten
eingebrachte Austrittsleistungen nicht mit einem neuen Vorbehalt belastet
werden dürfen (Abs. 1) und dass die bei der früheren Vorsorgeeinrichtung
abgelaufene Zeit auf die neue Vorbehaltsdauer anzurechnen ist (Abs. 2).

    4.2  Art. 331c OR ermächtigt einerseits die Vorsorgeeinrichtung, im
Bereich der weitergehenden Vorsorge einen Vorbehalt aus gesundheitlichen
Gründen anzubringen, was voraussetzt, dass sie die aufnahmewillige Person
über deren Gesundheitszustand, soweit in Bezug auf das Versicherungsrisiko
von Bedeutung, befragen kann und dass sie das versicherte Risiko mittels
eines Vorbehalts auf das gewöhnliche Mass reduzieren kann. Zum andern
soll die mit dem Vorbehalt verbundene Einschränkung des Vorsorgeschutzes
spätestens nach fünf Jahren dahinfallen.

    4.3  Im Sozialversicherungsrecht kannte namentlich das bis Ende 1995
gültig gewesene Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung
(KUVG) einen Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen. Art. 5 Abs. 3 KUVG
bestimmte, dass die Kassen Krankheiten, die bei der Aufnahme bestehen,
durch einen Vorbehalt von der Versicherung ausschliessen konnten; das
Gleiche galt für Krankheiten, die vorher bestanden haben, sofern sie
erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen können. Der Versicherungsvorbehalt
fiel nach spätestens fünf Jahren dahin. Hatte die Kasse bei der Aufnahme
eines Mitgliedes keinen Versicherungsvorbehalt angebracht, so durfte
sie nach der Rechtsprechung einen solchen später nicht mehr verfügen, es
sei denn, der Gesuchsteller hatte in schuldhafter Weise eine bestehende
oder eine vorher bestandene, zu Rückfällen neigende Krankheit nicht
angezeigt. Unter diesen Voraussetzungen konnte sie innerhalb Jahresfrist,
seitdem sie vom schuldhaften Verhalten des Gesuchstellers Kenntnis
hatte oder hätte haben müssen, spätestens aber nach fünf Jahren,
einen rückwirkenden Versicherungsvorbehalt anbringen (BGE 110 V 309
Erw. 1 mit Hinweisen). Mit dem Anbringen eines rückwirkenden Vorbehalts
sollte im Falle einer nachträglich entdeckten Anzeigepflichtverletzung
die gesetzliche Ordnung in der Weise wiederhergestellt werden, wie
sie vom Versicherten hätte hingenommen werden müssen, wenn er bei
der Aufnahme wahrheitsgemässe und vollständige Angaben über seinen
Gesundheitszustand gemacht hätte (BGE 110 V 311 Erw. 1c, 102 V 196
Erw. 2). Im neuen Krankenversicherungsgesetz (KVG) besteht die Möglichkeit,
einen Versicherungsvorbehalt anzubringen, nur noch in der freiwilligen
Taggeldversicherung, wobei der Versicherungsvorbehalt spätestens nach
fünf Jahren dahinfällt (Art. 69 Abs. 1 und 2 KVG).

    4.4  Zwischen dem früheren Krankenversicherungsrecht (Art. 5 Abs. 3
KUVG) und dem Vorbehalt in der freiwilligen Taggeldversicherung gemäss
Art. 69 KVG einerseits sowie dem Vorbehalt, den Vorsorgeeinrichtungen
gemäss Art. 331c OR aus gesundheitlichen Gründen im überobligatorischen
Bereich für die Risiken Tod und Invalidität anbringen dürfen,
andererseits besteht hinsichtlich der Möglichkeit, einen solchen
rückwirkend anzubringen, ein grundsätzlicher Unterschied. Der Vorbehalt
in der Krankenversicherung schliesst den Versicherungsschutz zeitlich
begrenzt lediglich für eine bestimmte, genau umschriebene Krankheit
aus (vgl. zum Begrifflichen BGE 127 III 238 Erw. 2c), während die
Versicherungsdeckung für alle anderen Krankheiten, die im Verlaufe der
Versicherungsdauer auftreten können, ungeschmälert besteht. Ein solcher
Vorbehalt kann auch rückwirkend angebracht werden. Demgegenüber kann
ein Vorbehalt für die Risiken Tod und (vollständige) Invalidität in der
weitergehenden beruflichen Vorsorge nicht rückwirkend erfolgen, nachdem
sich das entsprechende Risiko bereits verwirklicht hat. Es verbietet sich
daher, die zu Art. 5 Abs. 3 KUVG ergangene Rechtsprechung zum rückwirkenden
Vorbehalt im Rahmen von Art. 331c OR analog anzuwenden. Ein rückwirkender
Vorbehalt in den von Art. 331c OR erfassten Fällen Tod und Invalidität käme
einem vollständigen Leistungsausschluss bei Eintritt des Risikos gleich.
Anders würde es sich nur bei Teilinvalidität oder Wiedererlangung der
Erwerbsfähigkeit nach vorübergehender Invalidität verhalten, doch in
den vom Gesetz anvisierten Fällen (Tod, [volle] Invalidität) wäre das
Instrument des rückwirkenden Vorbehalts fehl am Platz. Daraus folgt, dass
Art. 331c OR nur für Vorbehalte gilt, die von der Vorsorgeeinrichtung beim
Eintritt des Versicherten formell angebracht werden. Aus der Botschaft des
Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992 ergibt
sich keine abweichende Regelungsabsicht (BBl 1992 III 585; vgl. ferner
JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern
1996, N 3 zu Art. 331c OR). Ebenso wenig war diese Frage Gegenstand der
parlamentarischen Beratungen (Amtl. Bull. 1992 N 2440 und 1993 S 566, 572).

Erwägung 5

    5.

    5.1  Fällt jedoch ein rückwirkender Vorbehalt als geeignete Vorkehr bei
Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung ausser Betracht, bietet sich aus
Sicht der Vorsorgeeinrichtung einzig der Rücktritt vom Vorsorgevertrag als
Korrektiv an. Eine andere sachgerechte Lösung ist nicht ersichtlich. Die
vom BSV in seinem Eventualantrag postulierte Kürzung der Leistungen
findet im Gesetz keine Stütze. Im Übrigen hätte sie eine Besserstellung
des Versicherten, der seine Anzeigepflicht verletzt, im Vergleich zum
Versicherten, der diese erfüllt und deshalb nur unter Vorbehalt in die
Vorsorgeeinrichtung aufgenommen wird, zur Folge. Während der Versicherte,
der die Anzeigepflicht missachtet hat, eine gekürzte Leistung erhalten
würde, ginge der Versicherte, der die Gesundheitsdeklaration korrekt
ausgefüllt hat, leer aus, sofern das eingetretene Risiko in zeitlicher
und sachlicher Hinsicht unter den Vorbehalt fällt, was Sinn und Zweck
der obligationenrechtlichen Bestimmung zuwider laufen würde.

    5.2  Die in den Verwaltungsgerichtsbeschwerden erhobenen Einwendungen
vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

    5.2.1  Der Umstand, dass mit der relativ zwingenden Vorschrift des
Art. 331a Abs. 1 OR (Art. 362 OR) Beginn und Ende des Vorsorgeschutzes
neu auch im überobligatorischen Bereich gesetzlich geregelt und mit
der für den obligatorischen Bereich massgebenden Bestimmung des Art.
10 BVG in Einklang gebracht wurden, stellt wohl eine Beschränkung
der Vertragsfreiheit dar. Diese ist indessen von untergeordneter
Bedeutung, da der Vorsorgeschutz im weitergehenden Bereich schon vor
Inkrafttreten des FZG hinsichtlich des Beginns und des Endes in aller
Regel der obligatorischen Vorsorge folgte. Inwiefern Art. 331a Abs. 1
OR einem Rücktritt vom Vorsorgevertrag wegen Anzeigepflichtverletzung
entgegenstehen soll, vermag nicht einzuleuchten, zumal Art. 331c OR es
der Vorsorgeeinrichtung ermöglicht, ein erhöhtes gesundheitliches Risiko
für eine bestimmte Zeit vom Vorsorgeschutz auszuschliessen. Lässt sich
dies bei einer Anzeigepflichtverletzung, wie dargelegt, nicht mit einem
rückwirkenden Vorbehalt erreichen, muss für die Vorsorgeeinrichtung der
Rücktritt vom Vertrag zulässig sein.

    5.2.2  Auch aus Artikel 14 FZG lässt sich nicht ableiten,
dass der Rücktritt vom Vorsorgevertrag ausgeschlossen sei. Nach
Abs. 1 dieser Bestimmung darf der Vorsorgeschutz, der mit den
eingebrachten Austrittsleistungen erworben wird, nicht durch einen
neuen gesundheitlichen Vorbehalt geschmälert werden. Damit wird die bei
einem Stellenwechsel vom Versicherten eingebrachte Austrittsleistung der
früheren Vorsorgeeinrichtung vor einem Vorbehalt geschützt; das Recht
der neuen Vorsorgeeinrichtung, den überobligatorischen Vorsorgeschutz,
der bei ihr mittels Beiträgen des neuen Arbeitgebers und des Versicherten
aufgebaut wird, durch Rücktritt vom Vorsorgevertrag rückwirkend aufzulösen,
wird hingegen nicht in Frage gestellt.

    Art. 14 Abs. 2 FZG schliesslich betrifft die Anrechnung der bei der
früheren Vorsorgeeinrichtung abgelaufenen Dauer eines Vorbehalts auf die
neue Vorbehaltsdauer nach dem Übertritt in die neue Vorsorgeeinrichtung
und ist für die vorliegend interessierende Frage unerheblich.

Erwägung 6

    6.  Das Reglement der Pensionskasse enthält keine Regelung zur
Anzeigepflichtverletzung und zu deren Folgen, weshalb die Art. 4
ff. VVG analog anwendbar sind. Die Vorinstanz hat erkannt, dass die
Versicherte die Anzeigepflicht verletzt habe. Betreffend Wahrung der
vierwöchigen Verwirkungsfrist stellte sie fest, dass Dr. med. X. das
Zeugnis vom 13. März 1996 direkt dem ärztlichen Dienst der Providentia
eingereicht habe. Bei dieser sei das Zeugnis mit dem Eingangsstempel des
9. April 1996 versehen worden. Mit Schreiben vom 1. Mai 1996 habe die
Pensionskasse, nachdem sie zwischenzeitlich von der Providentia auf die
Anzeigepflichtverletzung aufmerksam gemacht worden war, rechtzeitig und
formgerecht den Rücktritt vom Vorsorgevertrag erklärt.

    Die Versicherte lässt hiegegen einwenden, die Vorinstanz hätte die
Frage, ob die Providentia das Arztzeugnis vom 13. März 1996 tatsächlich
erst am 9. April 1996 oder allenfalls zu einem Zeitpunkt vor dem 3. April
1996 und damit mehr als vier Wochen vor dem 1. Mai 1996 erhalten habe,
näher abklären müssen; der Rücktritt vom Vertrag wäre diesfalls verspätet
erfolgt, weil sich die Pensionskasse das Wissen des Rückversicherers
Providentia anrechnen lassen müsse. In der Tat sei es unwahrscheinlich,
dass das Arztzeugnis erst am 9. April 1996 bei der Providentia eingetroffen
sei. Der auf dem Zeugnis angebrachte Eingangsstempel vermöge den Beweis
dafür jedenfalls nicht zu erbringen.

    Diesen Ausführungen ist insoweit beizupflichten, als die Frage,
ob die Pensionskasse die Verwirkungsfrist gewahrt hat, näher geprüft
werden muss. Da sich die Pensionskasse das Wissen des Rückversicherers
anrechnen lassen muss (SZS 2003 S. 138), ist für den Beginn der
vierwöchigen Verwirkungsfrist der Zeitpunkt massgebend, in welchem die
Providentia vom Arztzeugnis vom 13. März 1996 im Sinne der Rechtsprechung
(Erw. 2.1 hievor) Kenntnis erhielt. Dieses Datum lässt sich anhand der
Akten nicht feststellen. Namentlich kann aus dem von der Providentia
auf dem Zeugnis angebrachten Stempel (9. avr. 1996) nicht geschlossen
werden, dass das ärztliche Attest erst an diesem Tag beim service
médical des Rückversicherers eingegangen ist, da es sich dabei auch um
einen Datumstempel handeln kann, der betriebsinterne Abläufe betrifft,
und andere Beweismittel (z. B. Zustellkuvert) fehlen. Das kantonale
Gericht, an welches die Sache zurückzuweisen ist, wird ergänzende
Abklärungen zum Zeitpunkt treffen, in welchem die Providentia Kenntnis
vom ärztlichen Zeugnis vom 13. März 1996 hatte, und hernach über die
Klage neu entscheiden.

Erwägung 7

    7.  (Gerichtskosten und Parteientschädigung)