Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 V 39



130 V 39

5. Urteil i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen F. und
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt

    U 182/02 vom 26. September 2003

Regeste

    Art. 20 Abs. 2 UVG; Art. 32 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 1 UVV:
Komplementärrente.

    Die vor Eintritt des AHV-Rentenalters zugesprochene UVG-Rente ist
beim Zusammentreffen mit der Altersrente der AHV, die eine ausschliesslich
krankheitsbedingte IV-Rente ablöst, als Komplementärrente festzusetzen. Es
besteht diesfalls keine vom Gericht auszufüllende Verordnungslücke.

Sachverhalt

    A.- Der 1935 geborene F. leidet an Epilepsie und bezog ab Dezember
1991 eine ganze Rente der Invalidenversicherung auf Grund eines
Invaliditätsgrades von 70%. Die restliche Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
verwertete er in der von ihm gegründeten Firma X. AG, über die er bei
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen
von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert war. Am 5. Dezember 1994
erlitt er bei einem epileptisch bedingten Sturz ein Schädel-Hirntrauma. Am
23. August 1995 kam es bei einem Verkehrsunfall und am 10. April 1997 bei
einem epileptischen Anfall erneut zu Schädel-Hirntraumen. Mit Verfügung vom
19. Juli 1999 sprach ihm die SUVA ab 1. Januar 1998 eine Invalidenrente
von Fr. 2'630.- im Monat auf Grund eines Invaliditätsgrades von 100%
und eines versicherten Verdienstes von Fr. 39'437.- zu. Nachdem F. im
Oktober 2000 das AHV-Rentenalter erreicht hatte, erliess die SUVA am
27. Februar 2001 eine neue Verfügung, mit welcher sie die bisherige
ordentliche Rente ab 1. März 2001 durch eine Komplementärrente in der
Höhe von Fr. 1'419.- im Monat ersetzte. Die hiegegen erhobene Einsprache
wies sie mit Einspracheentscheid vom 21. Juni 2001 ab.

    B.- F. beschwerte sich gegen diesen Entscheid und beantragte, es sei
ihm weiterhin die bisher gewährte ordentliche UVG-Rente auszurichten. In
teilweiser Gutheissung der Beschwerde wies das Versicherungsgericht
Basel-Stadt (heute: Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt) die Sache an
die SUVA zurück, damit sie die Komplementärrente in analoger Anwendung
von Art. 32 Abs. 3 UVV, d.h. unter Berücksichtigung der Altersrente beim
versicherten Verdienst bis zu dessen Höchstbetrag, festsetze (Entscheid
vom 13. März 2002).

    C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei der
Einspracheentscheid vom 21. Juni 2001 zu bestätigen.

    F. beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt
für Sozialversicherung (BSV) lässt sich mit dem Antrag auf Gutheissung
der Beschwerde vernehmen.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.   (Keine Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG] vom 6. Oktober 2000; vgl. BGE
129 V 4 Erw. 1.2)

Erwägung 2

    2.

    2.1  Nach Art. 20 Abs. 1 UVG beträgt die Invalidenrente bei
Vollinvalidität 80% des versicherten Verdienstes; bei Teilinvalidität wird
sie entsprechend gekürzt. Hat der Versicherte Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung (IV) oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung
(AHV), so wird ihm eine Komplementärrente gewährt; diese entspricht der
Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und der Rente der
IV oder der AHV, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität
vorgesehenen Betrag. Die Komplementärrente wird beim erstmaligen
Zusammentreffen der erwähnten Renten festgesetzt und lediglich späteren
Änderungen der für Familienangehörige bestimmten Teile der Rente der IV
oder der AHV angepasst (Art. 20 Abs. 2 UVG).

    2.2  Gestützt auf Art. 20 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat in Art. 31
ff. UVV nähere Vorschriften zur Berechnung der Komplementärrenten
erlassen. Diese Bestimmungen sind auf den 1. Januar 1997 revidiert worden
(Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996, AS 1996 3456). Art. 31 UVV
enthält hier nicht näher interessierende Vorschriften zur Berechnung der
Komplementärrenten im Allgemeinen. Art. 32 UVV regelt die Berechnung der
Komplementärrenten in Sonderfällen: Entschädigt eine Rente der IV auch
eine nicht nach UVG versicherte Invalidität, wird bei der Berechnung der
Komplementärrente nur jener Teil der Rente der IV berücksichtigt, welcher
die obligatorisch versicherte Tätigkeit abgilt (Abs. 1). Wird infolge
eines Unfalls eine Rente der IV erhöht oder eine Hinterlassenenrente
der AHV durch eine Rente der IV abgelöst, so wird nur die Differenz
zwischen der vor dem Unfall gewährten Rente und der neuen Leistung in die
Berechnung der Komplementärrente einbezogen. In den Fällen von Art. 24
Abs. 4 UVV (weiterer versicherter Unfall, welcher zu einer höheren
Invalidität führt) wird die Rente der IV voll angerechnet (Abs. 2). Hat
der Versicherte vor dem Unfall eine Altersrente der AHV bezogen, so
wird für die Festsetzung der Grenze von 90% nach Art. 20 Abs. 2 des
Gesetzes neben dem versicherten Verdienst auch die Altersrente bis zum
Höchstbetrag des versicherten Verdienstes berücksichtigt (Abs. 3). Unter
dem Titel "Anpassung von Komplementärrenten" bestimmt Art. 33 Abs. 1 UVV,
dass bei Umwandlung einer Rente der IV in eine Altersrente der AHV keine
Neuberechnung der Komplementärrente erfolgt. Nach Abs. 2 der Bestimmung
werden Komplementärrenten den veränderten Verhältnissen angepasst,
wenn a) Zusatz- und Kinderrenten der AHV oder der IV dahinfallen
oder neu hinzukommen; b) die Rente der AHV oder der IV infolge einer
Änderung der Berechnungsgrundlagen erhöht oder herabgesetzt wird; c)
sich der Invaliditätsgrad erheblich ändert (Art. 22 UVG); oder d) sich
der versicherte Verdienst nach Art. 24 Abs. 3 der Verordnung ändert. Mit
der auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Verordnungsnovelle vom
11. September 2002 (AS 2002 3914 ff.) wurde Art. 33 Abs. 2 lit. c UVV
dahin gehend geändert, dass eine Anpassung der Komplementärrente erfolgt,
wenn sich der für die Unfallversicherung (UV) massgebende Invaliditätsgrad
erheblich ändert.

Erwägung 3

    3.  Der Beschwerdegegner hat zusätzlich zu der ihm seit Dezember
1991 ausgerichteten (ausschliesslich krankheitsbedingten) ganzen Rente
der IV seit 1. Januar 1998 eine ordentliche (ungekürzte) Rente der
obligatorischen Unfallversicherung bezogen. Streitig und zu prüfen ist,
ob die Ablösung der Rente der IV durch die Altersrente der AHV (Art. 30
IVG) zur Neufestsetzung der UVG-Rente als Komplementärrente Anlass gibt.

    3.1  Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, dass der hier zu beurteilende
Sachverhalt weder im Gesetz noch in der Verordnung geregelt sei und
diesbezüglich eine Verordnungslücke bestehe, welche durch eine analoge
Anwendung von Art. 32 Abs. 3 UVV zu füllen sei. Nach Meinung des kantonalen
Gerichts unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in Art. 32 Abs. 3
UVV geregelten Sachverhalt lediglich insofern, als sich der versicherte
Unfall vor und nicht nach der Pensionierung (bzw. dem Erreichen des
AHV-Rentenalters) ereignet hat. Da keine Gründe ersichtlich seien, die
für eine ungleiche Behandlung der beiden Sachverhalte sprächen, sei die
bestehende Verordnungslücke durch eine analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 3
UVV zu füllen, womit Versicherte, die vor der Pensionierung, und solche,
die nach der Pensionierung verunfallten, in Bezug auf die Komplementärrente
gleich behandelt würden. Demgemäss sei für die Festsetzung der Grenze
von 90% nach Art. 20 Abs. 2 UVG neben dem versicherten Verdienst auch
die AHV-Altersrente bis zum Höchstbetrag des versicherten Verdienstes
zu berücksichtigen.

    3.2  Die SUVA stellt sich auf den Standpunkt, mit dem Erreichen
des AHV-Rentenalters sei es zu einem erstmaligen Zusammentreffen einer
UVG-Rente mit einer Rente der AHV gekommen, weshalb nach Art. 20 Abs. 2
UVG eine Komplementärrente auszurichten sei. Für ein Abweichen von
den gesetzlichen Bestimmungen bestehe kein Raum. Art. 32 Abs. 3 UVV
regle den Fall, wo die versicherte Person schon vor dem Unfall eine
Altersrente der AHV bezogen habe. Eine Ausdehnung dieser Sonderregelung
auf Fälle, in denen eine versicherte Person erst nach dem Unfall eine
Altersrente der AHV beziehe, lasse sich mit Wortlaut und Sinn der
Bestimmung nicht vereinbaren. Nach der Rechtsprechung sei der Bundesrat
in der Verordnungsregelung frei, und es sei der richterlichen Behörde
untersagt, auf dem Auslegungsweg weitere Sonderfälle zu regeln. Auch mit
dem Gleichheitsgebot lasse sich eine analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 3
UVV auf den vorliegenden Fall nicht begründen.

    Das BSV schliesst sich dieser Betrachtungsweise an und macht geltend,
eine analoge Anwendung der Norm auf den vorliegenden Fall widerspreche dem
klaren Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung und liefe
auf eine wesentliche Systemänderung hinaus. Zwar treffe es zu, dass eine
volle Anrechnung der AHV-Rente im vorliegenden Fall nicht zu befriedigen
vermöge; es sei jedoch nicht Sache des Sozialversicherungsrichters,
sondern des Gesetz- oder Verordnungsgebers, eine andere Regelung zu
treffen. Die geltende Regelung der Komplementärrenten werde zur Zeit durch
eine Arbeitsgruppe überprüft mit dem Ziel, dem Bundesrat gegebenenfalls
Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

    3.3  Der Beschwerdegegner vertritt die Auffassung, die Argumentation
der SUVA lasse sich mit dem System der Komplementärrenten und dem
Grundsatz der sachlichen Kongruenz der zu berücksichtigenden Leistungen
nicht vereinbaren. Aus der gesetzlichen Regelung ergebe sich, dass
entweder die bisherige UVG-Rente weiter auszurichten oder die von der
Vorinstanz vertretene Lösung zu schützen sei. Diese entspreche Sinn und
Zweck der Komplementärrentenberechnung und trage dem Grundsatz Rechnung,
dass die Ablösung einer IV-Rente durch eine Altersrente der AHV zu
keiner Änderung des Rentenanspruchs führen solle. Zudem vermeide sie
ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen. Richtigerweise sollte anstelle
einer analogen Anwendung von Art. 32 Abs. 3 UVV allerdings die bisher
gewährte Invalidenrente weiter ausgerichtet werden, weil die Umwandlung
einer IV-Rente in eine Altersrente der AHV in keinem Fall zur Entstehung
einer Komplementärrente führen könne.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG gilt sowohl beim Zusammentreffen mit
Renten der IV als auch mit denjenigen der AHV der Grundsatz, dass der
Versicherte lediglich Anspruch auf eine Komplementärrente hat, welche
der Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und der Rente
der IV oder der AHV, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität
vorgesehenen Betrag entspricht. Die gesetzliche Regelung geht von der
grundsätzlich vollen Anrechnung der IV- und AHV-Renten aus (BGE 115 V 270
Erw. 2a), und zwar unabhängig davon, ob die Renten in Zusammenhang mit
dem gemäss UVG versicherten Unfall stehen (FRÉSARD, Rentes complémentaires
de l'assurance-accidents obligatoire: Quelques effets indésirables de la
simplicité, in: SVZ, 1992 S. 292). Das Gesetz lässt jedoch Ausnahmen zu,
wobei dem Verordnungsgeber gestützt auf Art. 20 Abs. 3 UVG ein weiter
Ermessensspielraum zusteht (BGE 115 V 282 Erw. 3b/bb). Mit der auf den
1. Januar 1997 in Kraft gesetzten Verordnungsänderung soll nach dem
Willen des Verordnungsgebers der Grundsatz der sachlichen Kongruenz der
anrechenbaren Leistungen vermehrt berücksichtigt werden (vgl. Erläuterungen
des BSV zur Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996, RKUV 1997 S. 45;
BGE 126 V 509 Erw. 2b mit Hinweisen). Dementsprechend bestimmt Art. 32
Abs. 1 UVV, dass bei der Berechnung der Komplementärrente nur jener
Teil der Rente der IV berücksichtigt wird, welcher die obligatorisch
versicherte Tätigkeit abgilt, womit dem Grundsatz der sachlichen
Kongruenz Rechnung getragen wird (RKUV 1997 S. 49). Ausdruck des
Kongruenzgrundsatzes bilden auch die Bestimmungen von Art. 32 Abs. 2 UVV
(vgl. FRÉSARD, L'assurance-accidents obligatoire, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 41 Fn 155)
und Art. 32 Abs. 3 UVV; hinzuweisen ist ferner auf Art. 43 Abs. 1 UVV
(vgl. BGE 126 V 509 Erw. 2b mit Hinweisen). Ein allgemeiner Grundsatz
der sachlichen Kongruenz lässt sich Art. 20 Abs. 2 UVG, welcher eine
Beschränkung des Leistungsanspruchs auf eine Komplementärrente auch beim
Zusammentreffen einer Invalidenrente der UV mit einer Altersrente der
AHV vorsieht, indessen nicht entnehmen. Art. 20 Abs. 2 UVG schliesst
die Anwendung des Kongruenzgrundsatzes zwar nicht aus (ERICH PETER,
Die Koordination von Invalidenrenten im Sozialversicherungsrecht,
unter besonderer Berücksichtigung der intersystemischen Probleme in der
Invalidenversicherung, der Unfallversicherung und der obligatorischen
beruflichen Vorsorge, Diss. Freiburg 1996, S. 266), schreibt ihn aber auch
nicht vor. Im Ergebnis gilt der Grundsatz, soweit der Verordnungsgeber
es vorsieht.

    4.2  Im vorliegenden Fall war es beim erstmaligen Zusammentreffen
der Rente der IV mit derjenigen der UV am 1. Januar 1998 nicht zur
Ausrichtung einer Komplementärrente gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG gekommen,
weil die Rente der IV ausschliesslich krankheitsbedingt war und gemäss
Art. 32 Abs. 1 UVV unberücksichtigt zu bleiben hatte. Der Beschwerdegegner
hatte daher Anspruch auf eine ordentliche (ungekürzte) Rente der UV. Mit
der Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente der AHV war nach dem
Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 UVG eine Komplementärrente auszurichten. Denn
es handelte sich um ein erstmaliges Zusammentreffen einer Rente der UV
mit einer solchen der AHV, woran der Umstand nichts ändert, dass die
AHV-Rente eine Rente der IV abgelöst hat (Art. 33bis AHVG).

    Der Beschwerdegegner beruft sich auf Art. 33 Abs. 1 UVV, wonach
bei Umwandlung einer Rente der IV in eine Altersrente der AHV keine
Neuberechnung der Komplementärrente erfolgt, und macht geltend, daraus
ergebe sich e contrario, dass bei Ablösung einer IV-Rente durch eine
Rente der AHV keine Komplementärrente entstehen könne. Dieser Auffassung
kann nicht beigepflichtet werden. Dem Wortlaut der Norm und der Systematik
(Normtitel: "Anpassung von Komplementärrenten") nach regelt Art. 33 Abs. 1
UVV die Neuberechnung von Komplementärrenten. Die Bestimmung setzt eine
laufende Komplementärrente voraus und kann auf die erstmalige Festsetzung
von Komplementärrenten nicht Anwendung finden. Richtig ist, dass Art. 33
Abs. 1 UVV auch dann zur Anwendung gelangt, wenn die Rente der IV bei der
Berechnung der Komplementärrente nach Art. 32 Abs. 1 UVV nur teilweise
berücksichtigt worden ist. Daraus lässt sich indessen nicht ableiten,
Art. 33 Abs. 1 UVV habe umso mehr Platz zu greifen, wenn es sich bei
der Rente der IV um eine gänzlich unfallfremde Invalidität handelt. Es
bleibt damit unbeachtet, dass im Rahmen von Art. 33 Abs. 1 UVV stets eine
Komplementärrentenberechnung mit Begrenzung der Gesamtleistungen auf 90%
des versicherten Verdienstes stattgefunden hat, was sich über den Eintritt
des AHV-Rentenalters hinaus leistungsbeschränkend auswirkt. Anderseits
hat auch ein UVG-Rentenbezüger ohne Anspruch auf eine Rente der IV bei
Eintritt ins AHV-Rentenalter lediglich Anspruch auf eine Komplementärrente
(Art. 20 Abs. 2 UVG).

    4.3  Nicht gefolgt werden kann auch der Meinung der Vorinstanz,
wonach Art. 32 Abs. 3 UVV sinngemäss anwendbar ist. Vorab ist darauf
hinzuweisen, dass dem Bundesrat auf Grund von Art. 20 Abs. 3 UVG ein
sehr weiter Spielraum des Ermessens zusteht und er die Sonderfälle,
bei denen die Berechnung der Komplementärrenten in einer vom gesetzlichen
Grundsatz abweichenden Weise zu erfolgen hat, unter Beachtung der durch das
Willkürverbot gesetzten Grenzen grundsätzlich abschliessend umschreiben
kann. In diesem Rahmen ist der Verordnungsgeber frei, auch solche Fälle
in der Verordnung zu regeln, bei denen man mit vertretbaren Argumenten
geteilter Meinung darüber sein kann, ob sie zu den Sonderfällen gehören
sollen, und umgekehrt für andere Fälle keine besondern Vorschriften zu
erlassen, welche an sich auch als regelungswürdig bezeichnet werden könnten
(BGE 115 V 282 Erw. 3b/bb). Dementsprechend ist eine analoge Anwendung der
vom Bundesrat geregelten Sonderfälle auf andere Sachverhalte grundsätzlich
ausgeschlossen. So hat das Eidgenössische Versicherungsgericht es
abgelehnt, die altrechtliche Bestimmung von Art. 32 Abs. 1 UVV über die
Anrechnung vor dem Unfall gewährter IV-Renten analog auf die Berechnung
von Komplementärrenten teilerwerbstätiger Altersrentner anzuwenden (BGE
115 V 283 Erw. 3b/cc; FRÉSARD, in: SVZ 1992 S. 292 Ziff. 4), was zu der
auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Neufassung von Art. 32 Abs. 3
UVV Anlass gegeben hat. Anders entschieden wurde lediglich im Falle
von Verordnungslücken, sei es, dass der Verordnungsgeber versehentlich
eine unvermeidlicherweise sich stellende Rechtsfrage nicht geregelt hat,
sei es, dass das Fehlen einer besondern Regelung zu Ergebnissen führt,
die sich insbesondere mit den Verfassungsgrundsätzen des Willkürverbots
und der Rechtsgleichheit schlechthin nicht vereinbaren lassen. In diesem
Sinne hat das Eidgenössische Versicherungsgericht Art. 32 Abs. 4 UVV
(in der bis Ende 1996 gültig gewesen Fassung) über die Berechnung
von Komplementärrenten bei Rentenberechtigten, die vor Eintritt der
Invalidität neben einer unselbstständigen noch eine selbstständige
Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, aus Gründen der Rechtsgleichheit auf
Komplementärrenten für Hinterlassene als sinngemäss anwendbar bezeichnet
(BGE 112 V 42 Erw. 3c; vgl. auch Art. 43 Abs. 5 UVV, gültig seit 1. Januar
1997). Mit ähnlicher Begründung hat es Art. 33 Abs. 2 lit. b UVV (in
der seit 1. Januar 1997 gültigen Fassung), wonach Komplementärrenten
den veränderten Verhältnissen angepasst werden, wenn die Rente der AHV
oder der IV infolge einer Änderung der Berechnungsgrundlagen erhöht
oder herabgesetzt wird, auch auf den Fall der nachträglichen Ablösung
einer Witwenrente durch eine einfache Altersrente als anwendbar erklärt
mit der Folge, dass eine Anrechnung der AHV-Rente gemäss Art. 43 Abs. 1
UVV ab diesem Zeitpunkt entfällt (BGE 126 V 513 Erw. 3c). Schliesslich
hat es Art. 32 Abs. 2 UVV in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen
Fassung, wonach vor dem Unfall gewährte IV-Renten bei der Berechnung der
Komplementärrenten nur so weit berücksichtigt werden, als sie wegen des
Unfalles erhöht werden, analog auf Fälle anwendbar erklärt, in denen zu
einer unfallbedingten eine krankheitsbedingte Invalidität hinzutritt
und eine Rente der IV revisionsweise aus unfallfremden Gründen erhöht
wird. Dabei hat es festgestellt, dass das Fehlen einer entsprechenden
Regelung nur auf einem Versehen des Verordnungsgebers beruhen kann und
beide Sachverhalte klarerweise gleich zu behandeln sind (Urteil R. vom
31. August 2001, U 3/00).

    Hinsichtlich der hier streitigen Rechtsfrage fehlt es an konkreten
Anhaltspunkten dafür, dass der Verordnungsgeber im Sinne eines
qualifizierten Schweigens eine Sonderregelung ausschliessen wollte. Es
liegt aber auch keine vom Gericht auszufüllende Verordnungslücke
vor. Denn es kann nicht gesagt werden, dass sich Gesetz und Verordnung
für die sich stellende Rechtsfrage keine Antwort entnehmen lässt
(vgl. BGE 125 V 11 Erw. 3). Es handelt sich allenfalls um eine unechte
Lücke, indem Gesetz und Verordnung zu keinem befriedigenden Ergebnis
führen. Solche rechtspolitischen Mängel hat das Gericht im Allgemeinen
jedoch hinzunehmen. Sie regelbildend zu schliessen, steht ihm dort zu,
wo der Gesetz- oder Verordnungsgeber sich offenkundig über gewisse
Tatsachen geirrt hat oder wo sich die Verhältnisse seit Erlass des
Gesetzes oder der Verordnung in einem Masse gewandelt haben, dass
die Vorschrift unter gewissen Gesichtspunkten nicht oder nicht mehr
befriedigt und ihre Anwendung rechtsmissbräuchlich wird (BGE 124 V 164
Erw. 4c mit Hinweisen). So verhält es sich hier jedoch nicht. Es kann
auch nicht gesagt werden, dass die geltende Regelung zu Ergebnissen
führt, die sich mit den Verfassungsgrundsätzen der Rechtsgleichheit
(Art. 8 BV; BGE 127 V 454 Erw. 3b mit Hinweisen) und des Willkürverbots
(Art. 9 BV; statt vieler: BGE 128 I 182 Erw. 2.1 mit Hinweis) nicht
vereinbaren lassen. Ob die versicherte Person vor oder nach Eintritt
ins Rentenalter bzw. vor oder nach Beginn des AHV-Rentenanspruchs
verunfallt, bildet durchaus ein Kriterium, welches beim Entscheid über
die Statuierung einer vom Grundsatz von Art. 20 Abs. 2 UVG abweichenden
Sonderregelung als massgebend betrachtet werden kann. Es kann jedenfalls
nicht als willkürlich und mit dem Rechtsgleichheitsgebot als schlechthin
unvereinbar bezeichnet werden, wenn versicherte Rentenbezüger der IV,
deren Invalidität ausschliesslich krankheitsbedingt ist und die vor
Eintritt des AHV-Rentenalters verunfallen, anders behandelt werden
als versicherte Personen, die nach Eintritt der AHV-Altersgrenze einen
Unfall erleiden. Zwar mag es als unbefriedigend erscheinen, dass der
Eintritt ins AHV-Rentenalter im vorliegenden Fall zu einer Reduktion
der Gesamtleistungen führt. Dies genügt indessen nicht, um die geltende
Regelung als geradezu unhaltbar erscheinen zu lassen. Es muss daher
auch im vorliegenden Zusammenhang bei der Feststellung bleiben, dass es
angesichts des dem Bundesrat zustehenden weiten Ermessensspielraums nicht
Sache des Sozialversicherungsgerichts, sondern allenfalls des Gesetz-
oder Verordnungsgebers ist, eine andere Regelung zu treffen (BGE 127 V
175 Erw. 4b, 122 V 342 Erw. 5, 119 V 493 Erw. 4b).