Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 V 309



130 V 309

45. Auszug aus dem Urteil i.S. Staatssekretariat für Wirtschaft gegen
B. AG und Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden

    C 225/03 vom 19. Februar 2004

Regeste

    Art. 31 Abs. 2 lit. b AVIG; Art. 46 Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2
AVIV: Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung bei betrieblicher
Gleitzeitregelung; Auslegung eines Gesamtarbeitsvertrages.

    Art. 46 Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2 AVIV (je in der seit 1. Januar
2000 geltenden Fassung), welche die Anspruchsvoraussetzung der verkürzten
Arbeitszeit bei betrieblicher Gleitzeitregelung umschreiben, sind gesetzes-
und verfassungskonform (Erw. 4).

    Art. 26 des Landesmantelvertrages (LMV) für das Schweizerische
Bauhauptgewerbe 1998-2000 vom 13. Februar 1998 beinhaltet eine betriebliche
Gleitzeitregelung im Sinne von Art. 46 Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2 AVIV
(Erw. 5).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Ausgangspunkt des Rechtsstreites bildet die Verfügung
vom 27. August 2002, worin die Arbeitslosenkasse auf Weisung des
Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) hin nach vorangegangener
Arbeitgeberkontrolle den Betrag von Fr. 18'259.35 als zu viel bezahlte
Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigungen von der Beschwerdegegnerin
zurückforderte. Letztinstanzlich strittig ist indes einzig, ob
hinsichtlich der für den Monat Januar 2000 ausbezahlten Kurzarbeits- und
Schlechtwetterentschädigungen gestützt auf den Landesmantelvertrag für das
Schweizerische Bauhauptgewerbe 1998-2000 vom 13. Februar 1998 (nachfolgend:
LMV) eine nach Massgabe von Art. 46 Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2 AVIV (je
in der ab 1. Januar 2000 in Kraft stehenden Fassung; AS 2000 177 f.) zu
beachtende betriebliche Gleitzeitregelung bei der Beschwerdegegnerin
gegeben ist. Das Beschwerde führende seco verneint dies; die Vorinstanz
und mit ihr die Beschwerdegegnerin, soweit sie sich im Verlaufe des
Verfahrens äusserte, vertreten die gegenteilige Auffassung. (...)

Erwägung 2

    2.

    2.1  Art. 46 Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2 AVIV (je in der ab 1. Januar
2000 gültigen Fassung; AS 2000 177 f.) lauten - identisch - wie folgt:

      "Als verkürzt gilt die Arbeitszeit nur, wenn sie zusammen mit

    geleisteten Mehrstunden die normale Arbeitszeit nicht erreicht. Als

    Mehrstunden gelten alle ausbezahlten oder nicht ausbezahlten Stunden,

    welche die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigen. Nicht als

    Mehrstunden gelten Zeitsaldi bis zu 20 Arbeitsstunden aus betrieblichen

    Gleitzeitregelungen (frz. Fassung: '.. dans le cadre du régime
d'horaire

    mobile de l'entreprise...'; it. Wortlaut: '... risultante dall'orario
di

    lavoro flessibile dell'azienda...') sowie betrieblich festgelegte Vor-

    oder Nachholstunden zum Überbrücken von Feiertagen."

    2.2  Die für den hier zu beurteilenden Fall einschlägige Bestimmung
des LMV lautet folgendermassen:

      "Art. 26 Gleitstunden 1. Begriff: Eine Über- oder Unterschreitung

      der Stundenzahl gemäss dem

    massgeblichen Arbeitszeitkalender ist unter Einhaltung der gesetzlichen

    Grenzen und unter Berücksichtigung von Art. 55 und 56 LMV zulässig;
diese

    Mehr- oder Minderstunden werden 'Gleitstunden' genannt.

      2. Umfang: Die Gesamtheit der Mehrstunden darf im Monat nicht mehr

      als 15

    betragen, d.h. es dürfen auf den folgenden Monat höchstens 15 in
diesem Monat

    erarbeitete Mehrstunden auf den nächsten Monat vorgetragen werden. Die

    Gesamtzahl der vorgetragenen Gleitstunden darf am Ende eines Monats
oder am

    Ende eines Jahres die Grenze von 60 Stunden im Jahr 1998 (bzw. 75
Stunden ab

    1999) nicht überschreiten.

      3. Kompensation: Entstandene Gleitstunden sind auf der monatlichen

    Lohnabrechnung auszuweisen und müssen spätestens ab Januar des
folgenden

    Jahres bis Ende März des betreffenden Jahres in Zeit zu gleicher Dauer

    ausgeglichen werden. Noch nicht abgebaute Gleitstunden sind im
Monat April

    mit einem Zeitzuschlag von 12,5 % zu kompensieren.

      4. Andere Lösungen: Der Betrieb kann mit den Arbeitnehmenden eine

    weitergehende Lösung oder ein anderes Arbeitszeitmodell schriftlich

    vereinbaren. Diese Lösung ist der zuständigen paritätischen
Berufskommission

    vor Inkrafttreten mitzuteilen. Verletzt diese Lösung

    gesamtarbeitsvertragliche oder gesetzliche Bestimmungen, kann die
zuständige

    paritätische Berufskommission begründet Einsprache erheben und
die Lösung

    zurückweisen."

    (...)

    4.1  Um bei flexiblen Arbeitszeitmodellen bestimmen zu können, ob
ein Arbeitsausfall vorliegt, und sicherzustellen, dass die Kurzarbeit
auch bei Betrieben mit flexiblen Arbeitszeitsystemen ihren Zweck erfüllt
(Botschaft zu einer Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom
23. August 1989, BBl 1989 III 392), wurde dem Bundesrat in Art. 31 Abs. 2
AVIG (in der Fassung vom 5. Oktober 1990, in Kraft seit 1. Januar 1992,
AS 1991 2125-2131) die Kompetenz eingeräumt, abweichende Bestimmungen
über die Kurzarbeitsentschädigung zu erlassen für Heimarbeitnehmer
(lit. a) und für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich
festgelegter Grenzen veränderlich ist (lit. b). Laut BBl 1989 III 392
war es angesichts der wohl noch nicht abgeschlossenen Entwicklung auf dem
Gebiet der Arbeitszeitflexibilisierung nicht möglich, eine detaillierte
Regelung auf Gesetzesstufe vorzuschlagen. Stattdessen empfehle sich
die Schaffung einer Kompetenznorm. Bei der Verordnungsregelung werde
insbesondere darauf geachtet werden müssen, dass keine Risiken, die bei
herkömmlichen Arbeitszeitsystemen der Arbeitgeber zu tragen hat, auf die
Versicherung abgewälzt werden können.

    In Art. 46a AVIV (eingefügt durch Ziff. I der Verordnung vom 28.
August 1991, in Kraft seit 1. Januar 1992, AS 1991 2132) bestimmte der
Verordnungsgeber unter der Marginalie "Betriebe mit flexibler Arbeitszeit",
dass für Arbeitnehmer mit flexiblem Arbeitszeitsystem die vertraglich
vereinbarte jahresdurchschnittliche Arbeitszeit als normale Arbeitszeit
gilt (Abs. 1). Als verkürzt gilt die Arbeitszeit erst, wenn ein allfälliger
positiver Saldo aus dem flexiblen Arbeitszeitsystem ausgeglichen ist
(Abs. 2).

    Für die seit 1. Januar 2000 gültige Fassung von Art. 46 Abs. 2 AVIV -
Art. 46a wurde auf den Jahresbeginn 2000 aufgehoben - wird auf Erw. 2.1
hievor verwiesen.

    4.2  Gemäss Art. 46 Abs. 2 AVIV (in der seit 1. Januar 2000 gültigen
Fassung) wird die Anspruchsvoraussetzung der verkürzten Arbeitszeit
gegenüber Art. 46a AVIV (in Kraft gestanden vom 1. Januar 1992 bis 31.
Dezember 1999) mittels des Rechtsbegriffes der Mehrstunden neu umschrieben
und weiter gefasst. Die Bestimmung, wonach Zeitsaldi bis 20 Arbeitsstunden
aus betrieblichen Gleitzeitregelungen nicht als Mehrstunden gelten,
zielt darauf, der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse
verstärkt Rechnung zu tragen. Dies steht in Einklang damit, dass
die Kompetenzdelegation gemäss Art. 31 Abs. 2 AVIG laut BBl 1989 III
392 erfolgte, um die voranschreitende Entwicklung auf dem Gebiet der
Arbeitszeitflexibilisierung auf Verordnungsstufe legislatorisch fassen
zu können. Indem Art. 46 Abs. 2 AVIV Zeitsaldi gemäss betrieblichen
Gleitzeitregelungen bis zu einer bestimmten Stundenzahl nicht als
Mehrstunden qualifiziert, diese mithin nicht von den Arbeitsausfällen in
Abzug zu bringen sind, besteht eine gewisse Gefahr, dass während einer
Kurzarbeitsphase in bestimmten Konstellationen unverhältnismässig viele
Mehrstunden im Rahmen einer betrieblichen Gleitzeitregelung geleistet
werden, damit sich die Ausfallstunden nicht reduzieren. Um diesem Umstand
zu begegnen, wurde die Limitierung des Saldos auf 20 Arbeitsstunden
vorgesehen (vgl. hiezu die Weisung des seco AM/ALV-Praxis 2002/2
"Mehrstunden und Gleitzeit" Blatt 5/1-5/3). Über die Zweckmässigkeit
dieser Regelung, namentlich die Frage, ob eine - weiter gehende -
Limitierung des Saldos auf weniger als 20 Arbeitsstunden opportun wäre,
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht zu befinden, da es
sich hierbei um eine der richterlichen Prüfung entzogene Frage handelt
(vgl. BGE 129 II 164 Erw. 2.3, 129 V 271 Erw. 4.1.1, 329 Erw. 4.1, je mit
Hinweisen). Aus der Normenlage und den Materialien ist deshalb dreierlei
zu folgern: Erstens, dass Art. 46 Abs. 2 AVIV auf einer gesetzlichen
Delegationsnorm beruht, zweitens, dass die Verordnungsbestimmung innerhalb
der dem Bundesrat delegierten Kompetenzen liegt und - drittens - dass
die fragliche Regelung auch aus anderen Gründen weder verfassungs- noch
gesetzwidrig ist.

    4.3  Wortlaut wie Systematik sprechen dagegen, in Art. 31 Abs. 2
AVIG eine Delegationsnorm für Art. 66a Abs. 2 AVIV (eingefügt durch
Ziff. I der Verordnung vom 24. November 1999, in Kraft seit 1. Januar
2000) zu erblicken. Zu berücksichtigen ist indes, dass zwischen
Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung eine enge Verwandtschaft
mit weit gehender Harmonisierung der Gesetzesbestimmungen besteht. Der
Hauptunterschied zwischen den beiden Entschädigungsarten liegt im Grund des
anrechenbaren Arbeitsausfalls. Die Kurzarbeitsentschädigung knüpft an einen
wirtschaftlichen, die Schlechtwetterentschädigung an einen meteorologischen
Grund an (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 448 f.). In
sachlicher Hinsicht ist, hier wie dort, ein anrechenbarer Arbeitsausfall
erforderlich. Für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls inwieweit ein,
vorbehältlich der weiteren Voraussetzungen, anspruchsbegründender
Arbeitsausfall vorliegt, ist für beide Leistungsarten massgeblich,
ob von einer normalen oder einer verkürzten Arbeitszeit auszugehen
ist. Dabei stellen sich hinsichtlich der Behandlung von betrieblichen
Gleitzeitregelungen identische Fragen. Bei dieser Konstellation
rechtfertigt es sich, von einer Übertragung von Rechtsetzungskompetenzen
des Gesetzgebers auf den Verordnungsgeber zu schliessen, insoweit der
Bundesrat in Art. 66a Abs. 2 AVIV den Tatbestand der verkürzten Arbeitszeit
für den Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung identisch mit Art. 46
Abs. 2 AVIV umschrieb. Die Verordnungsbestimmung hält sich an den Rahmen
der nach dem Gesagten delegierten Kompetenzen. Andere Gründe, weshalb
sie verfassungs- oder gesetzwidrig sein soll, sind nicht ersichtlich. Was
die Zweckmässigkeit der Normierung betrifft, gilt das in Erw. 4.2 in fine
Erwogene analog.

Erwägung 5

    5.  Zu prüfen bleibt, ob Art. 26 LMV - mit der Vorinstanz und entgegen
dem Beschwerde führenden seco - eine betriebliche Gleitzeitordnung im
Sinne von Art. 46 Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2 AVIV (je in der ab 1. Januar
2000 gültigen Fassung) beinhaltet.

    5.1

    5.1.1  Der LMV gliedert sich in die vier Teile "Allgemeine
Bestimmungen" (Art. 1 - 17), "Arbeitsvertragliche Bestimmungen"
(Art. 18 - 74), "Vollzugs- und Schlussbestimmungen" (Art. 75 - 82) sowie
"Anhänge". Art. 26 LMV fällt unter die im Zweiten Teil enthaltenen
arbeitsvertraglichen Bestimmungen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung
des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand haben. Als normative Bestimmung
gemäss Art. 356 Abs. 1 OR beanspruchen die "Arbeitsvertraglichen
Bestimmungen" während der Vertragsdauer unmittelbar für die beteiligten
Arbeitgeber und Arbeitnehmer Geltung, und zwar unabhängig vom Willen des
Einzelarbeitsvertrages. Individuelle Abreden, die gegen unabdingbare
Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages verstossen, sind nichtig
und werden durch die gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen ersetzt
(vgl. Art. 357 OR). Der Geltungsbereich dieser Regelung kann, wie im
hier zu beurteilenden Fall durch Bundesratsbeschluss vom 10. November
1998 (in Kraft getreten am 1. Januar 1999, gültig bis 31. Dezember 2000,
BBl 1998 5643 ff.), durch Allgemeinverbindlicherklärung auf Arbeitnehmer
und Arbeitgeber ausgedehnt werden, die selber am Gesamtarbeitsvertrag
nicht beteiligt sind (Bundesgesetz vom 28. September 1956 über die
Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, AVEG; SR
221.215.311). Auch in diesem Fall erhält der Einzelarbeitsvertrag
seinen Mindestinhalt aus dem Gesamtarbeitsvertrag (vgl. Art. 4 AVEG;
zum Ganzen: BGE 127 III 322 f. Erw. 2; REHBINDER/PORTMANN, Kommentar
zum Schweizerischen Privatrecht [Basler Kommentar], Obligationenrecht I:
Art. 1-529 OR, 3. Aufl., Basel 2003, N 9 ff. zu Art. 356 und N 36 ff. zu
Art. 357).

    5.1.2  Die Auslegung der normativen Bestimmungen erfolgt nach den
für Gesetze geltenden Grundsätzen (BGE 127 III 322 Erw. 2a mit Hinweisen;
REHBINDER/PORTMANN, aaO, N 10 zu Art. 356). Dabei ist in erster Linie vom
Wortlaut auszugehen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene
Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden
unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks,
des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist
ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h.
eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise
abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen,
dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche
Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem
Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben
(BGE 129 II 118 Erw. 3.1, 356 Erw. 3.3, 129 V 103 Erw. 3.2, 263 Erw. 5.1,
284 Erw. 4.2, je mit Hinweisen).

    5.1.3  Laut der in BGE 123 III 469 nicht publizierten Erw. 2 gilt
als Überstundenarbeit Arbeit, die über die im Einzelarbeits-, Normal-
oder Gesamtarbeitsvertrag vereinbarte, im Betrieb geltende oder in der
Branche übliche Stundenzahl hinaus geleistet wird. Sie kann einseitig
durch den Arbeitgeber angeordnet werden und ist zu bestehen, soweit sie
sich als notwendig erweist, der Arbeitnehmer sie zu leisten vermag und ihm
dieser Zusatzaufwand nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Wird
Mehrarbeit im gegenseitigen Einverständnis erbracht, wird dadurch die
Normalarbeitszeit ausgedehnt. Überzeit liegt demgegenüber vor, wenn die
arbeitsgesetzlich normierte Maximalarbeitszeit überschritten wird.

    Das besondere Wesen der gleitenden Arbeitszeit liegt darin begründet,
dass die Zeitsouveränität im Gegensatz zur Überstundenarbeit beim
Arbeitnehmer liegt. Dieser kann - innerhalb eines regelmässig näher
bestimmten Rahmens - Arbeitsbeginn, Arbeitsende sowie die Pausen selber
und frei bestimmen. In der Regel werden feste Blockzeiten vereinbart, deren
Summe die gesamte Wochenarbeitszeit (oder Monats- resp. Jahresarbeitszeit)
wesentlich unterschreitet und die durch so genannte Gleitzeiten umlagert
werden, während welcher der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit frei einteilen
kann. Eine Gleitzeitabrede setzt das Bestehen von Blockzeiten indes
nicht voraus. Der Arbeitgeber kann darauf verzichten, dem Arbeitnehmer
bestimmte Zeiten vorzuschreiben, zu denen er im Betrieb sein muss. Weil
die Zeitsouveränität bei der Gleitzeitarbeit beim Arbeitnehmer liegt, hat
dieser auch dafür zu sorgen, dass er mit seiner tatsächlich geleisteten
Arbeit innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bleibt. Wird Mehrarbeit
geleistet und ist sie weder arbeitgeberseitig angeordnet noch betrieblich
notwendig, sondern beruht sie auf der individuellen Arbeitseinteilung
des Arbeitnehmers, so hat dieser die über den Soll-Zeitrahmen hinaus
geleistete Arbeitszeit zu kompensieren. Eine Vereinbarung des Inhalts,
dass nur eine bestimmte Anzahl Stunden von einer Zeitperiode auf die
andere übertragen werden kann, ist dabei durchaus zulässig. Für den
Fall, dass der Arbeitnehmer in einer Zeitperiode über das zulässige Mass
hinaus Mehrarbeit geleistet hat, verfällt diese Arbeitsleistung ohne
jegliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers und ohne Kompensationsrecht
des Arbeitnehmers. Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gegen Ende
der entsprechenden Zeitperiode allerdings an, über die Blockzeiten
hinaus zu arbeiten, liegen entschädigungspflichtige oder zur Kompensation
berechtigende Überstunden vor. Hat der Arbeitnehmer umgekehrt im Verhältnis
zum vereinbarten Mass zu wenig Arbeit geleistet, so kann der Arbeitgeber
insoweit die Lohnzahlung verweigern. Die Verantwortung für die Einhaltung
der vereinbarten Bandbreite liegt beim Arbeitnehmer. Dieser hat bei der
Wahl der Arbeitszeiten und damit bei der Ausübung seiner Zeitsouveränität
die Betriebsinteressen (mit) zu berücksichtigen.

    5.2

    5.2.1  Dem Wortlaut nach, Art. 26 LMV spricht im Titel wie im
Vertragstext von Gleitstunden, ist auf eine gesamtarbeitsvertragliche
Gleitzeitabrede im in Erw. 5.1.3 dargelegten Sinne zu schliessen. Weil Art.
26 LMV sich nicht explizit dazu äussert, wer im Rahmen der vertraglich
verabredeten Gleitstunden über die so genannte Zeitsouveränität verfügt
(vgl. Erw. 5.1.3 hievor) - weder die Umschreibungen des Begriffs der
Gleitstunden (Ziff. 1) noch die Regelung der Kompensation (Ziff. 3) sind
insoweit für sich allein betrachtet eindeutig -, ist der Vertragstext
indes nicht ganz klar.

    5.2.2  Laut Art. 53 Ziff. 2 LMV (Titel "Überstundenarbeit")
wird vom Arbeitgeber angeordnete Überstundenarbeit mit dem Grundlohn
und einem Zuschlag von 25 % bezahlt. Arbeitgeber und Arbeitnehmende
können schriftlich vereinbaren, dass der Ausgleich bis Ende März des
folgenden Jahres in Zeit mit einem Zeitzuschlag von 12.5 % oder in Geld
zum Grundlohn mit einem Lohnzuschlag von 25 % erfolgt. Bezüglich der
Gleitstunden-Regelung gälte ausschliesslich Art. 26 LMV, welcher der
Regelung in diesem Artikel (gemeint ist Art. 53 Ziff. 2) vorgehe.

    Aus der vertraglichen Gestaltung, hier die vom Arbeitgeber
angeordneten Überstunden, dort die ausdrücklich vorbehaltene Regelung
betreffend Gleitstunden, ist zu schliessen, dass die Arbeitnehmenden im
Rahmen von Art. 26 LMV über Zeitautonomie verfügen. Das systematische
Auslegungselement spricht eindeutig für ein insoweit flexibles
Arbeitszeitmodell.

    5.2.3  Eine Vereinbarung, wonach nur eine bestimmte Anzahl Stunden
von einer Zeitperiode auf die andere übertragen werden kann, ist zulässig
(Erw. 5.1.3 hievor).

    Analoges hat zu gelten, wenn, wie im hier zu beurteilenden Fall in
Art. 26 Ziff. 3 LMV, vorgesehen ist, dass entstandene Gleitstunden ab
Januar des folgenden Jahres bis Ende März des betreffenden Jahres in Zeit
zu gleicher Dauer ausgeglichen werden müssen. Soweit sich das Beschwerde
führende seco auf den gegenteiligen Standpunkt stellt, kann ihm nicht
gefolgt werden.

    5.2.4  Dem Beschwerde führenden seco ist darin beizupflichten,
dass die Regelung, wonach noch nicht abgebaute Gleitstunden im Monat
April mit einem Zeitzuschlag von 12.5 % abzubauen sind (Art. 26 Ziff. 3),
nicht typisch für ein flexibles Arbeitszeitsystem ist. Ihr Sinn kann indes
darin erblickt werden, dass der Arbeitgeber seinerseits Hand dazu bieten
muss und darauf zu achten hat, dass die Mehrstunden bis zum in Art. 26
LMV vorgesehenen Zeitpunkt (Ende März) kompensiert werden.

    5.3  Zusammenfassend ist, mit der Vorinstanz, darauf zu erkennen,
dass Art. 26 LMV eine betriebliche Gleitzeitordnung im Sinne von Art. 46
Abs. 2 und Art. 66a Abs. 2 AVIV beinhaltet.

    Sofern sich das Beschwerde führende seco dafür ausspricht, eine
durch (allgemeinverbindlichen) Gesamtarbeitsvertrag vorgesehene
Gleitzeitregelung stelle keine betriebliche Gleitzeitordnung
im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinne dar, kann ihm mit
Blick auf Wesen und Rechtswirkungen des Gesamtarbeitsvertrages
(vgl. Erw. 5.1.1 hievor) nicht gefolgt werden. Auch im Lichte des
Gebotes der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) ist es einerlei, ob
eine Gleitzeitordnung auf Grund eines Einzelarbeitsvertrages oder aber
nach Massgabe eines (allgemeinverbindlichen) Gesamtarbeitsvertrages
Vertragsinhalt ist. Anders zu urteilen würde bedeuten, dass im
Rahmen gesamtarbeitsvertraglicher Abreden normative Bestimmungen
betreffend Gleitzeiten wohl zulässig wären, diese aber
arbeitslosenversicherungsrechtlich nicht als solche anerkannt würden.