Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 V 299



130 V 299

44. Urteil i.S. Helsana Versicherungen AG gegen B. und Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern

    K 95/01 vom 30. April 2004

Regeste

    Art. 32 Abs. 1, Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 und Art. 33 KVG; Art. 33
lit. a und c KVV sowie Art. 1 KLV und Anhang 1 KLV: Zweckmässigkeit
der Leistung.

    Bei einer Mammareduktionsplastik ist im Hinblick auf deren
Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu
fragen, ob konservative Massnahmen, insbesondere Physiotherapie bei
Rückenbeschwerden, eine wirksame alternative Behandlungsmöglichkeit
darstellen oder dargestellt hätten. Ist das zu bejahen, ist weiter zu
prüfen, welche der beiden Leistungen die zweckmässigere ist (Erw. 6.1).

    Im konkreten Fall wird die Wirksamkeit von Physiotherapie zur
Behandlung der Nacken- und Schulterbeschwerden in Anbetracht der zeitlichen
Verteilung sowie Dauer und Intensität der Massnahme bejaht ( Erw. 6.2.1 ).

Sachverhalt

    A.- Die 1932 geborene B. unterzog sich am 13. September
1999 in der Klinik X. einer Mammareduktionsplastik beidseits. Mit
Einspracheentscheid vom 10. Juli 2000 lehnte es ihre Krankenkasse, die
Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana), in Bestätigung ihrer
Verfügung vom 21. Dezember 1999 ab, für den Eingriff Leistungen aus der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu erbringen.

    B.- In Gutheissung der Beschwerde von B. hob das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern mit Entscheid vom 26. Juni 2001 den Einspracheentscheid
vom 10. Juli 2000 auf und verpflichtete die Helsana, die Kosten der
Mammareduktionsplastik vom 13. September 1999 zu übernehmen.

    C.- Die Helsana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben.

    B. lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beantragen. Das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken-
und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit),
reicht keine Vernehmlassung ein.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.  (Keine Anwendbarkeit des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts
[ATSG] vom 6. Oktober 2000; vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2)

Erwägung 2

    2.  Das kantonale Gericht hat die vorliegend streitige Leistungspflicht
der Helsana für die Mammareduktionsplastik vom 13. September 1999 im Rahmen
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Lichte der unter dem alten
Krankenversicherungsgesetz (KUVG) ergangenen Rechtsprechung (vgl. BGE 121
V 213 f. Erw. 4 und 5) geprüft. Dies ist richtig, wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht in RKUV 2000 Nr. KV 138 S. 357 entschieden hat.

Erwägung 3

    3.  Unter dem alten Recht hat sich die vom Eidgenössischen
Versicherungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewendete Praxis
herausgebildet, wonach eine Mammareduktionsplastik medizinisch
indiziert ist und dem Erfordernis der Zweckmässigkeit genügt, "sofern
eine Gewebereduktion von gegen 500 g oder mehr beidseits vorgesehen
ist bzw. durchgeführt wurde und wenn gleichzeitig Beschwerden geltend
gemacht werden, 'die auf die Hypertrophie zurückgeführt werden können
(könnten), und keine Adipositas vorliegt'". Dabei gilt eine Person als
übergewichtig (adipös), wenn der Body Mass Index (BMI), also der Quotient
von Körpergewicht (kg) und Körperlänge im Quadrat (m2), grösser als 25 ist
(RKUV 1996 Nr. K 972 S. 3 ff. Erw. 5a-c mit Hinweisen).

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass im Zeitpunkt des Eingriffs
am 13. September 1999 das Körpergewicht 67 kg betrug, was bei
einer Körpergrösse von 163 cm einem BMI von 25,2 entspricht. Gemäss
Operationsbericht vom selben Tag wurden an der rechten Brust 490 g, an der
linken 510 g Fett- und Drüsengewebe reseziert. Es steht zu Recht ausser
Frage, dass in Bezug auf die Kriterien "Mindestgewicht des entnommenen
Gewebes" sowie "fehlende Adipositas" die Leistungspflicht zu bejahen ist.

Erwägung 4

    4.  Umstritten ist, ob die vor dem Eingriff vom 13.  September 1999
geklagten Beschwerden (Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich, Atemnot,
Beklemmungsgefühl und Sensationen) überwiegend wahrscheinlich die Folge
der Hypertrophie resp. der überschweren Mammae sind oder waren. Das
kantonale Gericht hat diese Frage nach einlässlicher Würdigung der
medizinischen Akten sowie der Vorbringen der Parteien bejaht. Es
sei glaubwürdig erstellt, dass die Schmerzen seit der Operation vom
13. September 1999 verschwunden, diese somit kausal zu den hypertrophischen
Mammae gewesen seien. Im Weitern sei eher unwahrscheinlich, dass eine
67-jährige Frau eine Reduktionsplastik aus ästhetischen Motiven auf
sich nehme. Andernfalls hätte sie die Operation sicher schon zu einem
früheren Zeitpunkt vornehmen lassen. Schliesslich sei mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Versicherte vor dem
Eingriff zahlreiche Versuche unternommen habe, die Beschwerden mit
Hilfe konservativer Behandlungsmethoden (Physiotherapie, rhythmische
Gymnastik und Rückengymnastik) zu heilen. Durch diese Bemühungen
hätte jedoch keine bedeutende Verbesserung erzielt werden können. Die
Kosten der Mammareduktionsplastik seien daher durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung zu übernehmen.

Erwägung 5

    5.

    5.1  In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden die vorinstanzliche
Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion als einseitig und willkürlich
gerügt. Es sei unzulässig, aus dem Verschwinden der Beschwerden nach
dem Eingriff auf den Kausalzusammenhang mit der Mammahypertrophie resp.
den überschweren Mammae zu schliessen. Im Weitern würdige die Vorinstanz
die Aussagen des Dr. med. G. vom vertrauensärztlichen Dienst der
Krankenkasse unzutreffend und ziehe daraus die falschen Schlüsse. In seiner
Stellungnahme vom 9. März 2000 weise der Vertrauensarzt u.a. darauf hin,
dass bei Personen im Alter der Patientin (Jahrgang 1932) häufig Rücken-
und Nackenbeschwerden aufgrund von degenerativen Veränderungen der
Wirbelsäule bestünden und der Zusammenhang mit der Brustgrösse schwierig
nachzuweisen sei. Wenn Dr. med. G. im Bericht vom 26. April 2000 ausführe,
bei Patientinnen im Alter der Versicherten seien ästhetische Motive für
eine Mammareduktionsplastik meist untergeordnet, halte er anderseits
auch fest, die ebenfalls geklagte Atemnot, das Beklemmungsgefühl und
die Sensationen würden auf eine psychiatrische Störung hindeuten. Das
Verschwinden dieser nicht im Zusammenhang mit der rheumatologischen
Diagnose (Schulter-Armsyndrom beidseits, rechtsbetont)
   stehenden Beschwerden sei als Hinweis auf die eher ästhetisch bedingte
Komponente des Kostengutsprachegesuchs zu werten.

    5.2  Es ist grundsätzlich richtig, dass aus der postoperativ
festgestellten Schmerzfreiheit nicht ohne weiteres auf die Ursache(n)
der Beschwerden geschlossen werden kann. Die Wirksamkeit einer Leistung
nach Art. 25 KVG als ein Kriterium der Kostenübernahme im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 32 Abs. 1 KVG) ist denn
auch, ebenso wie deren Zweckmässigkeit, prognostisch zu beurteilen
(RKUV 2000 Nr. KV 138 S. 362 Erw. 5b in fine). Umgekehrt kann bei
Ausbleiben des angestrebten Erfolges nicht auf fehlende Kausalität
geschlossen werden. Indessen misst die Vorinstanz dem Umstand, dass die
Beschwerdegegnerin seit der Operation vom 13. September 1999 offenbar
beschwerdefrei ist, in dem Sinne nicht ausschlaggebende Bedeutung zu,
dass sie alle relevanten Gesichtspunkte in die Kausalitätsbeurteilung
miteinbezieht, wie in der Vernehmlassung richtig festgehalten wird.

    Im Weitern ist der Helsana darin beizupflichten, dass die Aussage
des Vertrauensarztes, wonach im Alter 67 ästhetische Motive für eine
Mammareduktionsplastik meist untergeordnet seien, nicht ohne weiteres
den Umkehrschluss zulässt, andernfalls hätte die Beschwerdegegnerin
den Eingriff schon in einem früheren Zeitpunkt vornehmen lassen. Nichts
desto weniger bleibt die klare und auch plausible vertrauensärztliche
Feststellung, dass bei Frauen in diesem Alter ästhetische Gesichtspunkte
für eine Brustverkleinerung meist nicht im Vordergrund stehen. Soweit
anderseits degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bestehen, können
sie erfahrungsgemäss ebenfalls bei (älteren) Frauen ohne überschwere
Mammae Rückenbeschwerden verursachen. Dass die Abnützungen bei der
Beschwerdegegnerin auch bei normal schweren Mammae wahrscheinlich zu
solchen Beschwerden führten oder geführt hätten, macht die Helsana nicht
geltend. Soweit im Übrigen mit Dr. med. G. Atemnot, Beklemmungsgefühl und
Sensationen als psychisch bedingte Symptome aufzufassen sind, steht ausser
Frage, dass überschwere Mammae krankheitswertige psychische Beschwerden
verursachen können.

    Insgesamt sprechen die Aussagen des Vertrauensarztes nicht entscheidend
gegen den Kausalzusammenhang zwischen der Mammahypertrophie und den
geklagten Beschwerden.

Erwägung 6

    6.  Schliesslich bringt die Helsana vor, sie sei ihrer Pflicht zur
Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts in Bezug auf die vor dem
Eingriff erfolgten konservativen Behandlungen der geklagten Beschwerden
in genügender Weise nachgekommen. Aufgrund ihrer Erhebungen sei davon
auszugehen, dass lediglich im Dezember 1998 Physiotherapie durchgeführt
worden sei. Die von Dr. med. Z. in seinem Bericht vom 6. April 2000
angeführten physiotherapeutischen Behandlungen seien in keiner Art und
Weise aktenkundig. Nachfragen bei der Versicherten und ihren Ärzten zu
detaillierten Angaben hinsichtlich Art und Regelmässigkeit der Durchführung
seien unbeantwortet geblieben. Ebenfalls enthalte das Zeugnis der Frau Dr.
med. W. vom 14. November 2000 lediglich eine allgemeine Bestätigung, dass
seit 1984 wegen Schmerzen im Bereich des Nackens und des Schultergürtels
wiederholt Physiotherapie habe durchgeführt werden müssen. Gestützt
auf diese Angaben sei es der Helsana absolut unmöglich gewesen, der in
Art. 32 KVG statuierten Verpflichtung zur Beurteilung der Wirksamkeit,
Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Leistung nachzukommen. Bei
den im Zeitraum 1995 bis 1997 an der Klubschule Migros besuchten Kursen
in rhythmischer Gymnastik und Rückengymnastik könne im Übrigen nicht von
einer im Hinblick auf eine Mammareduktionsplastik adäquaten Therapie im
Sinne dieser Leistungsvoraussetzungen gesprochen werden. Die Bezeichnung
"adäquat" setze ein Minimum an medizinischer Ausbildung und Kompetenz
voraus, soll die betreffende Massnahme der Verhinderung von operativen
Eingriffen dienen.

    Mit diesen Vorbringen bestreitet die Helsana sinngemäss die
Verpflichtung zur Übernahme der Mammareduktionsplastik im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung unter dem Gesichtspunkt der
Wirksamkeit und Zweckmässigkeit der Leistung (Art. 32 Abs. 1 KVG).

    6.1  Eine Leistung ist im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam,
wenn sie objektiv den Erfolg der Behandlung der Krankheit erwarten lässt
(BGE 128 V 165 Erw. 5c/aa; RKUV 2000 Nr. KV 132 S. 281 Erw. 2b). Ob
sie zweckmässig ist, beurteilt sich nach dem diagnostischen oder
therapeutischen Nutzen der Anwendung im Einzelfall, unter Berücksichtigung
der damit verbundenen Risiken, gemessen am angestrebten Heilerfolg der
möglichst vollständigen Beseitigung der körperlichen oder psychischen
Beeinträchtigung (BGE 127 V 146 Erw. 5). Die Zweckmässigkeit fragt
u.a. nach der medizinischen Indikation der Leistung (RKUV 2000 Nr. KV 132
S. 282 Erw. 2c). Nach denselben Kriterien beurteilt sich, welche von zwei
unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit alternativ in Betracht fallenden
medizinischen Massnahmen die zweckmässigere ist und im Hinblick auf den
Umfang der Kostendeckung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung
grundsätzlich zu wählen ist.

    Geht es um die Vergütung einer Mammareduktionsplastik durch die
obligatorische Krankenpflegeversicherung im Besonderen, stellt sich
die Frage, ob konservative Massnahmen, insbesondere Physiotherapie bei
Rückenbeschwerden, eine wirksame alternative Behandlungsmöglichkeit
darstellen oder dargestellt hätten. Ist das zu bejahen, bleibt weiter zu
prüfen, welche der beiden Leistungen die zweckmässigere ist (in diesem
Sinne RKUV 1996 Nr. K 972 S. 7 Erw. 6b in fine, wo allerdings ungenau
die wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes als Richtschnur
für die Beurteilung der Zweckmässigkeitsfrage genannt wird).

    6.2

    6.2.1

    6.2.1.1  Der Begriff der Wirksamkeit definiert sich in erster Linie
vom Ziel her, auf welches die in Frage stehende Massnahme gerichtet
ist. Insbesondere differenziert er nicht danach, ob es um die Bekämpfung
der Ursachen der gesundheitlichen Beeinträchtigung geht oder um die
Behandlung der Symptome der Krankheit. Diese Unterscheidung ebenso wie
die Dauer des Erfolges der Massnahme sind erst, aber immerhin bei der
Beurteilung der Zweckmässigkeit von Bedeutung. Unter dem Gesichtspunkt
der Wirksamkeit der Leistung als Voraussetzung für deren Übernahme
durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist somit nicht in
erster Linie die möglichst vollständige Beseitigung der körperlichen oder
psychischen Beeinträchtigung entscheidend. Vielmehr ist danach zu fragen,
ob das Ziel der Behandlung (Beschwerdefreiheit und/oder Wiederherstellung
der körperlichen, geistigen und psychischen Funktionalität namentlich
im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit [vgl. Art. 2 Abs. 1 KVG, in Kraft
gestanden bis 31. Dezember 2002]) objektiv erreichbar ist (vgl. GEBHARD
EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 185, welcher von der allgemeinen Eignung
einer medizinischen Massnahme zur Zielerreichung spricht).

    6.2.1.2  Im vorliegenden Fall steht aufgrund der Akten fest,
dass die Versicherte im Zeitraum 1984 bis 1994 wegen Beschwerden
im Nacken- und Schulterbereich in physiotherapeutischer Behandlung
stand. In diesem Zusammenhang besteht entgegen der Krankenkasse
kein Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Bestätigung dieses
Sachverhalts durch Frau Dr. med. W. (Ärztliches Zeugnis vom 14.
November 2000). Gemäss vorinstanzlicher Triplik waren es 1984,
1985 sowie 1988 je 12 Sitzungen, 1989 und 1994 je 9 Sitzungen. Im
Weitern besuchte die Versicherte im Zeitraum 1995 bis 1997 an der
Klubschule Migros Kurse in Rückengymnastik. Schliesslich stand sie im
Dezember 1998 erneut wegen Beschwerden im Nacken- und Schulterbereich in
physiotherapeutischer Behandlung. Am 13. September 1999 unterzog sie sich
einer Mammareduktionsplastik beidseits.

    Seit 1984 war somit Physiotherapie für die Behandlung der
Rückenschmerzen (Nacken- und Schulterbeschwerden) notwendig. Die
Therapie war indessen jeweils von beschränkter Dauer und musste seit
1989 bloss alle vier Jahre durchgeführt werden. Es ist anzunehmen, dass
in den behandlungsfreien Intervallen, somit die meiste Zeit, praktisch
Beschwerdefreiheit bestand. Aufgrund dieser Umstände, insbesondere
in Anbetracht der zeitlichen Verteilung sowie Dauer und Intensität der
Therapie, ist deren Wirksamkeit zu bejahen.

    6.2.2  In Bezug auf den angestrebten Heilerfolg der möglichst
vollständigen Beseitigung der gesundheitlichen Beeinträchtigung als
Richtschnur der Zweckmässigkeitsbeurteilung ist von Bedeutung, dass die
Nacken- und Schulterbeschwerden nicht bloss eine, sondern verschiedene
Ursachen hatten, neben den (zu) schweren Brüsten eine (zu) schwache Rücken-
und allenfalls Bauchmuskulatur, eine Haltungsfehlform sowie degenerative
Veränderungen. Entsprechend bestanden verschiedene Angriffspunkte für eine
Verbesserung des Gesundheitszustandes oder sogar eine vollständige Heilung,
u.a. Stärkung der Rücken(- und Bauch-)Muskulatur, Haltungskorrektur,
Abnahme des Gewichtes der Brüste.

    6.2.2.1  Bei der Mammareduktionsplastik wurde Fett- und Drüsengewebe
reseziert. Dadurch wurden die Brüste kleiner und um rund 1 kg leichter. Mit
diesem operativen Eingriff wurde somit lediglich eine der Ursachen der im
Vordergrund stehenden Rückenbeschwerden angegangen und behoben. Soweit
durch die überschweren Mammae bedingt, wurde gleichzeitig auch die
Haltung verbessert. Dass nach der Reduktionsplastik mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit die gesundheitliche Beeinträchtigung vollständig
beseitigt war, insbesondere keine Physiotherapie (mehr) notwendig sein
würde, kann aus Sicht der Verhältnisse bis zum Eingriff nicht ohne
weiteres gesagt werden. In seiner versicherungsinternen Stellungnahme
vom 26. April 2000 erwähnte der Vertrauensarzt der Helsana, dass die
Mammareduktionsplastik zwar zu einer Verbesserung des Beschwerdebildes
beigetragen habe, offenbar aber keine Beschwerdefreiheit bestehe.

    6.2.2.2  Die konservativen Massnahmen (Physiotherapie, Gymnastik) waren
auf die Stärkung der Muskulatur und die Korrektur der Haltung gerichtet. Es
ist anzunehmen, dass sie auch die mit den degenerativen Veränderungen der
Wirbelsäule verbundenen körperlichen Defizite positiv beeinflussten. Im
Übrigen kann als Erfahrungstatsache gelten, dass Physiotherapie und
Gymnastik allgemein gesundheitserhaltende und -fördernde Wirkung
zukommt. Dass die konservativen Massnahmen wirksam waren, ist in Erw.
6.2.1 dargelegt worden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass unter
dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht (vgl. dazu EUGSTER, aaO,
Rz 219) die Physiotherapie aufgrund der zeitlichen Verteilung sowie Dauer
und Intensität der Behandlung durchaus zumutbar war. An dieser Beurteilung
ändern die im Zeitraum 1995 bis 1997 an der Klubschule Migros besuchten
Rückengymnastik-Kurse nichts. Dabei kann offen bleiben, ob jenes offenbar
auf eigene Initiative absolvierte Training einer gezielt auf die Nacken-
und Schulterbeschwerden gerichteten physiotherapeutischen Behandlung
gleichgestellt werden kann und anzunehmen ist, ohne diese Vorkehr hätte
sich die Schmerzsituation früher als im Winter 1998 verschlechtert.
Gymnastik im Rahmen des Zumutbaren ist in jedem Alter als wichtiger
Bestandteil eigener Gesundheitsvorsorge zu betrachten.

    6.2.3  Dass die Behandlung der Nacken- und Schulterbeschwerden mittels
konservativer Massnahmen bis zum Zeitpunkt der Mammareduktionsplastik
vom 13. September 1999 nicht als ganz abgeschlossen gelten konnte
und mit dem erneuten Auftreten behandlungsbedürftiger Schmerzen
gerechnet werden musste, spricht für die Zweckmässigkeit des Eingriffs.
Allerdings hielten sich Physiotherapie und Gymnastik in zumutbarem Rahmen.
Sodann ist aufgrund des vielgestaltigen Ursachenspektrums fraglich, ob beim
Entscheid über das Kostengutsprachegesuch für die Zeit nach der Operation
Beschwerdefreiheit erwartet werden konnte. Bei dieser Sachlage kann die
Zweckmässigkeit der Mammareduktionsplastik nicht ohne weiteres bejaht
werden. Vorab stellt sich die Frage, ob ohne Operation bei Fortsetzung
der konservativen Massnahmen im bisherigen Rahmen (zeitliche Kadenz,
Intensität) wie vorher weitgehende Beschwerdefreiheit hätte erreicht
werden können. Im verneinenden Falle interessiert zu wissen, aus welchen
Gründen mit einer vermehrten Notwendigkeit zu rechnen war und wie ein
neues konservatives Therapiekonzept hätte aussehen müssen. Ebenfalls von
Bedeutung sind die Risiken und Nebenwirkungen einer Mammareduktionsplastik
im Allgemeinen und bei der Versicherten im Besonderen. Schliesslich
fragt sich, welcher Stellenwert die Selbsttherapie (Rückengymnastik
etc.) für die Beschwerdefreiheit hat. Erst nach gutachtlicher Klärung
dieser offenen Punkte kann die Rechtsfrage, ob die Mammareduktionsplastik
vom 13. September 1999 eine zweckmässige Leistung im Sinne des Art. 32
Abs. 1 KVG darstellt, in zuverlässiger Weise beurteilt werden.

    6.2.4  Die Sache ist daher an das kantonale Versicherungsgericht
zurückzuweisen, damit es zu den offenen Fragen ein Gutachten einhole und
danach über die streitige Vergütungspflicht neu entscheide.

Erwägung 7

    7.  (Parteientschädigung)