Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 I 126



130 I 126

10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. X. gegen Y. und Staatsanwaltschaft sowie Obergericht des Kantons
Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.635/2003 vom 18. Mai 2004

Regeste

    Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 BV; Aussageverweigerungsrecht;
Aufklärungspflicht der Behörde.

    Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist aufgrund seines
Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus
Nachteile erwachsen dürfen. Die Pflicht der Behörde, die festgenommene
Person unverzüglich über ihr Schweigerecht aufzuklären, ergibt sich direkt
aus Art. 31 Abs. 2 BV (E. 2).

    Bei der Aufklärungspflicht handelt es sich um eine eigenständige
Verfahrensgarantie. Aussagen, die in Unkenntnis des Schweigerechts
gemacht wurden, sind grundsätzlich nicht verwertbar. Ausnahmen vom
Verwertungsverbot sind unter gewissen Voraussetzungen in Abwägung der
entgegenstehenden Interessen möglich (E. 3).

Sachverhalt

    Mit Urteil vom 23. August 2001 erkannte das Bezirksgericht Bremgarten
X. des Betruges, des Pfändungsbetruges, der Verfügung über mit Beschlag
belegte Vermögenswerte in zwei Fällen und des Ungehorsams gegen amtliche
Verfügungen in zwei Fällen für schuldig. Vom ebenfalls erhobenen Vorwurf
der Vergewaltigung sprach es den Beschuldigten frei. Das Strafmass wurde
auf 4 Monate Gefängnis, unter Anrechnung von 11 Tagen Untersuchungshaft,
festgesetzt. Gleichzeitig wurde eine am 16. Dezember 1999 auf Bewährung
ausgesprochene Strafe von 15 Monaten Gefängnis für vollstreckbar erklärt.

    Gegen diesen Entscheid reichte die Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau Berufung ein und beantragte unter anderem auch einen Schuldspruch
wegen Vergewaltigung. Die Zivilklägerin verlangte ihrerseits die
zusätzliche Verurteilung wegen Vergewaltigung zuzüglich einer Genugtuung
von Fr. 8'000.-. Der Beschuldigte selber reichte ebenfalls Berufung ein und
stellte insbesondere den Antrag, vom Vorwurf des Betruges freigesprochen
zu werden.

    Das Obergericht des Kantons Aargau sprach den Beschuldigten
am 21. August 2003 zusätzlich der Vergewaltigung für schuldig
und verurteilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 18 Monaten (unter
Anrechnung von 11 Tagen Untersuchungshaft, teilweise als Zusatzstrafe
zum Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg vom 16. Dezember 1999). Für diese
Freiheitsstrafe wurde der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von
drei Jahren gewährt. Der Zivilklägerin wurde zu Lasten des Beschuldigten
eine Genugtuung von Fr. 4'000.- zugesprochen.

    Mit Eingabe vom 23. Oktober 2003 erhebt X.  staatsrechtliche Beschwerde
und beantragt die Aufhebung von Ziff. 1 bis 8 des obergerichtlichen Urteils
vom 21. August 2003, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Er
macht sinngemäss geltend, bei seinen Einvernahmen sei er - in Verletzung
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 Ziff. 3 lit. g des Internationalen Paktes
vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt
II; SR 0.103.2) und Art. 31 Abs. 2 BV - weder von der Polizei noch vom
Bezirksamt Bremgarten umfassend über seine Verteidigungsrechte informiert
worden. Vor allem sei er nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass er
das Recht habe, die Aussage zu verweigern. Seine Aussagen, insbesondere
das kurz vor der Haftentlassung abgelegte Geständnis, seien deshalb
grundsätzlich nicht verwertbar.

    Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft, wie auch die
Beschwerdegegnerin verzichten auf eine Vernehmlassung.

    Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 31 Abs. 2 und Art. 32
Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II,
wonach er bei den Einvernahmen von der Polizei und vom Bezirksamt auf sein
Aussageverweigerungsrecht hätte aufmerksam gemacht werden müssen. Seine
Aussagen, insbesondere das Geständnis vom 11. August 2000, seien infolge
der unterlassenen Aufklärung nicht verwertbar.

    2.1  Als allgemeiner, bisher aus Art. 4 aBV abgeleiteter Grundsatz des
Strafprozessrechts ist anerkannt, dass niemand gehalten ist, zu seiner
Belastung beizutragen. Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist
demnach nicht zur Aussage verpflichtet. Vielmehr ist er aufgrund seines
Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus
Nachteile erwachsen dürfen (Urteil 8G.55/2000 vom 14. März 2001; BGE
121 II 273 E. 3a S. 281; 109 Ia 166 E. 2b S. 167; 106 Ia 7 E. 4 S. 8;
103 IV 8 E. 3a S. 10; ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches
Strafprozessrecht, 5. Aufl., Basel/Genf/München 2002, § 39 N. 15). Eine
ausdrückliche Garantie, dass der Beschuldigte nicht gezwungen werden darf,
gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen,
enthält Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II. Ferner leiten Lehre und
Rechtsprechung das Recht des Beschuldigten, zu schweigen und sich nicht
selbst belasten zu müssen, auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ab (BGE 121 II 273
E. 3a S. 282; Urteil i.S. John Murray gegen Grossbritannien vom 8. Februar
1996, Recueil CourEDH 1996-I S. 30, Ziff. 45 und EuGRZ 1996 S. 587;
zur Diskussion in der Lehre siehe etwa JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte
in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 561 Fn. 52; dazu auch Urteil
1P.641/2000 vom 24. April 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 110, E. 3 S.
642; REGINA KIENER, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts
in den Jahren 2000 und 2001, in: ZBJV 138/2002 S. 671). Einstweilen kann
indessen dahingestellt bleiben, ob das Aussageverweigerungsrecht Ausfluss
der Unschuldsvermutung ist (Art. 32 Abs. 1 BV; so ANDREAS AUER/GIORGIO
MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Bern
2000, N. 1323) oder - wie dies der Beschwerdeführer geltend macht - sich
aus den Verteidigungsrechten (Art. 32 Abs. 2 BV) der angeklagten Person
ergibt (vgl. E. 3.3 hiernach).

    2.2  Unbestritten ist, dass der verhaftete Beschuldigte
weder von der Polizei noch vom Bezirksamt über sein Schweige- und
Aussageverweigerungsrecht belehrt worden ist. Offen ist, ob überhaupt
eine entsprechende Aufklärungspflicht der Behörden bestand und wenn ja,
welche rechtlichen Konsequenzen sich aus deren Nichtbeachtung ergeben.

    2.3  Von Bedeutung ist in erster Linie, ob die Untersuchungsbehörden
von Gesetzes wegen gehalten waren, den Beschwerdeführer auf sein
Aussageverweigerungsrecht aufmerksam zu machen. Der - heute - massgebliche
§ 62 des Aargauer Gesetzes über die Strafrechtspflege vom 11. November 1958
(Strafprozessordnung, StPO/AG; AGS 251.100) ist erst am 1. Januar 2003
in Kraft getreten, also nach der beanstandeten Vernehmung. Die zitierte
Bestimmung sieht vor, dass der Beschuldigte vor der ersten Einvernahme
unter anderem darauf hinzuweisen ist, dass er die Aussage verweigern kann
(§ 62 Abs. 1 lit. b StPO/AG). Demgegenüber bestand vor der Revision der
Strafprozessordnung jedenfalls nach kantonalem Recht keine Verpflichtung,
den Angeschuldigten auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen
(NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 136).

    Indes ist am 1. Januar 2000 die neue Bundesverfassung in Kraft
getreten. Im Entscheid 8G.55/2000 vom 14. März 2001 (E. 3-5, publ. in: Pra
90/2001 Nr. 94 S. 551 ff.) hat das Bundesgericht die Pflicht der Behörden,
den Beschuldigten über sein Aussageverweigerungsrecht aufzuklären,
direkt auf Art. 31 Abs. 2 BV gestützt (ebenso Urteil 6P.164/2001 vom 9.
Januar 2002). Gemäss Art. 31 Abs. 2 BV hat jede Person, der die Freiheit
entzogen wird, unter anderem Anspruch darauf, unverzüglich in einer ihr
verständlichen Sprache über ihre Rechte unterrichtet zu werden; sie muss
die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Die Bestimmung
gilt für alle Arten des Freiheitsentzuges. Sie lehnt sich, anders als
die übrigen Verfahrensgarantien, nicht an die EMRK oder den UNO-Pakt II
und die geltende Rechtsprechung dazu oder zu Art. 4 aBV an, sondern geht,
wie in der Botschaft zur Nachführung der Bundesverfassung (BBl 1997 I 185)
dargelegt, auf frühere Vorentwürfe zur Totalrevision der Bundesverfassung
(VE 1977 Art. 21, VE MÜLLER/KÖLZ Art. 15 und Modell-Studie EJPD 1985 Art.
22) zurück. Die Schwere des Eingriffs liess eine Konkretisierung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör in der Form eines Informationsanspruchs
als gerechtfertigt erscheinen (BBl 1997 I 185), birgt doch die besondere
Drucksituation des Freiheitsentzugs eine erhöhte Gefahr in sich, dass der
Betroffene seine Rechte nicht oder nur unzureichend wahrzunehmen vermag
(Urteil 8G.55/2000 vom 14. März 2001, E. 3b).

    2.4  Art. 31 Abs. 2 BV knüpft mit der Wendung "ihre Rechte" an die
Ansprüche an, welche die betroffene Person nach der Bundesverfassung,
den internationalen Abkommen und der eidgenössischen und kantonalen
Gesetzgebung geltend machen kann. Dabei beschränkt sich die Vorschrift
aber auf die beispielhafte Erwähnung des Rechts, die nächsten Angehörigen
benachrichtigen zu lassen. Soweit sich die Lehre dazu äussert, zählt
sie auch das Schweige- oder Aussageverweigerungsrecht der in einem
Strafverfahren beschuldigten Person zu diesen Rechten (RENÉ RHINOW, Die
Bundesverfassung 2000, Basel 2000, S. 220; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER,
aaO, N. 333; HANS VEST, St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 16 ff. zu Art. 31
Abs. 2 BV; BENJAMIN SCHINDLER, Miranda Warning - bald auch in der Schweiz?,
in: Strafrecht als Herausforderung [Hrsg. Jürg-Beat Ackermann], Zürich
1999, S. 467 ff., 472 f.; MARTIN PHILIPP WYSS, "Miranda Warnings" im
schweizerischen Verfassungsrecht?, Inhalt und Tragweite von Art. 31 Abs. 2
BV, in: recht 19/2001 S. 132 ff.; STEFAN FLACHSMANN/STEFAN WEHRENBERG,
Aussageverweigerungsrecht und Informationspflicht, in: SJZ 97/2001 S. 313
ff.; SVEN ZIMMERLIN, Miranda-Warning und andere Unterrichtungen nach
Art. 31 Abs. 2 BV, in: ZStR 121/2003 S. 311 ff., 317 f.; MARC FORSTER,
Gefangenenrechte und Polizeigewalt, in: Plädoyer 2003 6 S. 30 ff.). Der
Kommentar zur bernischen Kantonsverfassung, dessen vor der neuen BV
entstandener Art. 25 Abs. 2 im Wesentlichen gleich wie Art. 31 Abs. 2
BV lautet, nennt als Beispiel für die Rechte, über die zu informieren
ist, jenes auf Aussageverweigerung (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des
bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 295). Im Urteil 6P.164/2001
vom 9. Januar 2002, E. 3e, hat das Bundesgericht diese Auslegung von
Art. 31 Abs. 2 BV denn auch bestätigt (siehe dazu FORSTER, aaO, S. 33).

    2.5  Somit ist vorab festzuhalten, dass sich die Pflicht der Behörde,
die festgenommene Person unverzüglich über ihr Aussageverweigerungsrecht
aufzuklären, direkt aus dem seit 1. Januar 2000 geltenden Art. 31
Abs. 2 BV ergibt. Da die hier interessierenden Aussagen im August
2000 gemacht worden waren, waren die kantonalen Behörden gestützt auf
Art. 31 Abs. 2 BV gehalten, den Beschwerdeführer über sein Schweige-
und Aussageverweigerungsrecht zu belehren. Nicht relevant ist - entgegen
der Meinung des Obergerichtes -, ob die bundesgerichtliche Praxis zum
Zeitpunkt der Einvernahmen bereits bekannt war.

    Zu prüfen bleibt, ob die unterlassene Unterrichtung zur Folge hat,
dass die Aussagen des Beschuldigten unverwertbar sind.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Aufklärungspflicht hat formellrechtlichen Charakter. Daher
fragt sich, ob bei deren Verletzung ein Verwertungsverbot bestehe. Diese
Frage wird von der Lehre unterschiedlich beantwortet. Einerseits wird
die Ansicht vertreten, Aussagen, welche ohne Information über das
Schweigerecht gemacht worden seien, seien unverwertbar, da der Hinweis
nach Art. 31 Abs. 2 BV Gültigkeitserfordernis sei (SCHINDLER, aaO,
S. 478; VEST, St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 20 zu Art. 31 Abs. 2 BV;
ROBERT HAUSER, Zum Schweigerecht des Beschuldigten, in: ZBJV 131/1995
S. 529 ff., 532; FLACHSMANN/WEHRENBERG, aaO, S. 320 f.). Differenzierter
sind die Meinungen, wonach zwar grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot
bestehe, Ausnahmen jedoch je nach konkretem Einzelfall möglich seien, etwa,
wenn der Betroffene sein Schweigerecht kannte oder nach den Umständen
des Falles noch kein Anlass bestand, den Befragten als Angeschuldigten
zu behandeln (HAUSER/SCHWERI, aaO, § 39 N. 15b; ZIMMERLIN, aaO, S. 332,
der die Pflicht zur Unterrichtung über die Verfahrensrechte nicht als
Folge des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern als eigenständige
Verfahrensgarantie erachtet; KIENER, aaO, S. 671, bezeichnet den
Informationsanspruch dagegen als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs
und will in - durch die Rechtsprechung zu entwickelnden - Ausnahmefällen
eine Heilung der Gehörsverletzung zulassen; unentschieden: WYSS, aaO,
S. 144; kritisch zum absoluten Beweisverwertungsverbot bei Verletzung von
Gültigkeitsvorschriften auch NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl.,
Zürich 1997, N. 608 f.).

    3.2  Im Urteil 8G.55/2000 vom 14. März 2001 hat das Bundesgericht
offen gelassen, ob die mit einem solchen formellen Mangel behafteten
Einvernahmeprotokolle als Beweismittel verwertbar sind. Der Sachrichter
habe darüber im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zu befinden. Ein
absolutes Verwertungsverbot wurde im zitierten Entscheid indessen
ausdrücklich verneint (Urteil 8G.55/2000, E. 3c). Im Fall 6P.164/2001
vom 9. Januar 2002 wurde in E. 3e festgehalten, dass nicht jedes
Unterlassen als Verletzung von Art. 31 Abs. 2 BV zu werten sei. Eine
Ausnahme sei insbesondere zu machen, wenn die festgenommene Person ihr
Schweigerecht gekannt habe. Allerdings müsse diese Kenntnis im konkreten
Fall hinreichend erwiesen sein. Davon sei beispielsweise auszugehen,
wenn der Beschuldigte in Anwesenheit seines Anwaltes angehört worden sei
(siehe dazu auch HAUSER, aaO, S. 533). Nach der Rechtsprechung können
in Abwägung der entgegenstehenden Interessen auch gewisse unrechtmässig
beschaffte Beweise zu Lasten eines Angeschuldigten verwendet werden. Je
schwerer die zu beurteilende Straftat ist, umso eher überwiegt das
öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse des
Angeklagten daran, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt (BGE 109
Ia 244 E. 2b S. 246; 120 Ia 314 E. 2c S. 320; HAUSER/SCHWERI, aaO, § 60
N. 6). Mitzuberücksichtigen ist dabei auch, ob das rechtswidrig erlangte
Beweismittel an sich zulässig und auf gesetzmässigem Weg erreichbar
gewesen wäre (BGE 96 I 437 E. 3b S. 440 f.).

    3.3  In Bestätigung und Fortführung dieser Rechtsprechung ist bezüglich
der Aufklärungspflicht von einer eigenständigen Verfahrensgarantie
auszugehen, welche sich nicht nur aus dem Anspruch auf rechtliches
Gehör ableiten lässt (ZIMMERLIN, aaO, S. 331). Soweit die festgenommene
Person davor bewahrt werden soll, sich selber zu belasten, dient die
Information über das Aussageverweigerungsrecht der Gewährleistung der
Verteidigungsrechte. Aufgrund des formellrechtlichen Charakters dieser
Verfahrensgarantie sind Aussagen, die in Unkenntnis des Schweigerechtes
gemacht wurden, grundsätzlich nicht verwertbar. In Abwägung der
entgegenstehenden Interessen können Einvernahmen jedoch ausnahmsweise unter
den in E. 3.2 genannten Voraussetzungen trotz unterlassener Unterrichtung
über das Aussageverweigerungsrecht verwertet werden.

    3.4  Im vorliegenden Fall wurde zwar am 7.  August 2000 ein amtlicher
Verteidiger bestellt. Die umstrittenen Einvernahmen fanden jedoch -
aus nicht näher bezeichneten Gründen - nicht in dessen Beisein statt. Es
kann darum nicht wie im zitierten Entscheid 6P.164/2001 vom 9. Januar 2002
argumentiert werden, es liege gar keine Verletzung der Informationspflicht
vor, weil die Anwesenheit des Verteidigers bei der Einvernahme auf eine
Kenntnis des Aussageverweigerungsrechts schliessen lasse. Die aus Art. 31
Abs. 2 BV abgeleitete behördliche Informationspflicht wurde anlässlich
der Befragungen durch die Polizei und das Bezirksamt Bremgarten
verletzt. Gründe, die eine Ausnahme vom Verwertungsverbot zulassen
würden (siehe E. 3.2 hiervor), sind vorliegend keine ersichtlich und
wurden auch nicht geltend gemacht. Wie bereits gesehen, ist der Einwand
des Obergerichtes, die Praxis des Bundesgerichtes zu Art. 31 Abs.
2 BV sei im Zeitpunkt der Einvernahmen noch nicht bekannt gewesen,
unbehelflich. Selbst wenn die Rüge in einem früheren Verfahrensstadium
hätte vorgebracht werden können, ändert dies nichts daran, dass den
Aussagen, die ohne Hinweis auf das Schweigerecht gemacht wurden, der
formelle Mangel dieser behördlichen Pflichtverletzung und damit das
grundsätzliche Verwertungsverbot anhaftet. Der Beschwerdeführer hat sein
Rügerecht nicht durch Zuwarten verwirkt.

    Verwertbar sind indessen die Aussagen des Beschwerdeführers vor dem
Bezirksgericht Bremgarten und vor Obergericht. Der Beschwerdeführer hat
denn anlässlich der Berufungsverhandlung auch beantragt, es sei lediglich
auf diese Aussagen abzustellen. Der Verwertung der Zeugenaussagen steht
ebenfalls nichts entgegen.